Schöne Bescherung: Online-Handel gegen Einzelhandel

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Schöne Bescherung: Online-Handel gegen Einzelhandel
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Schöne Bescherung: Online-Handel gegen Einzelhandel



In der letzten Zeit mehren sich die Diskurse über die Erfolge des Internethandels, der meist verdammt und sowohl für die Verödung der Cities als auch für die schlechten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der im Umfeld des Online-Geschäftes Tätigen verantwortlich gemacht wird.


Auffällig ist dabei, daß die militantesten Gegner der Onlinegeschäfte in Großstädten wohnen, wo die Infrastruktur noch stimmt. Diese Öko-Korrekten können die Phantasie nicht aufbringen, sich in die Lage von armen Landeiern wie mich zu versetzen, die in einem Gebiet mit ungenügend ausgebautem öffentlichen Nahverkehr noch nicht einmal über ein Auto verfügen. Weil Weihnachten vor der Tür steht und die Paketflut unterwegs ist, besitzt dieses Thema ein besonders aktuelles Format. Nun kann ich es mir jedoch einfach machen und poste einfach einen Leserbrief von mir, den ich in den letzten Tage in einer hiesigen Regionalzeitung veröffentlich habe:

 



Zuerst waren es die Einkaufszentren auf der grünen Wiese wie Globus & Co., die den Einzelhandel ruiniert haben und die Innenstädte und Ortszentren veröden ließen. Jetzt, wo der Einzelhandel bereits angeschlagen ist und vielerorts schon ausgerottet, da kommt eine Plage über ihn, die die der Großmärkte noch übertrifft: der Internethandel mit Amazon & Co. Fragt sich nur, wie dem zu entgegen ist? Ist überhaupt ein Kraut gewachsen, das dagegen ankommen kann? Gerade in der Vorweihnachtszeit, in der alle Welt auf Geschenkejagd ist, kommt dieser Frage eine besondere Bedeutung bei.


Die Diskussion im privaten Umfeld, in den Medien und in der Politik über dieses Thema verstärkt sich in der letzten Zeit. Vor kurzem fiel mir in einem hiesigen Regionalblatt ein Artikel mit der Überschrift „Beratung und Service statt 100 Klicks“ auf. Das ist für mich die Veranlassung, diese Thematik ebenfalls aufzugreifen, nach einem Pro und Contra zu suchen und Möglichkeiten vorzuschlagen, wie der Einzelhandel und der Konsument reagieren könnten.  


Zunächst sollte man sich darüber im klaren sein, daß die Situation mit der flächendeckenden Versorgung mit Einzelhandel auf dem Lande, wie in unserer Region, besonders verschärft ist. Selbst die Vertreter des Einzelhandels kommen zum Teil zu der Erkenntnis, daß es keinen Zweck hat, den Onlinehandel zu bekämpfen, da seine Vorteile nicht wegdiskutiert werden können. Marktgegebenheiten sind nicht ohne politischen und gesellschaftlichen Systemwandel änderbar. Wenn man sich im Internet bei den Anbietern umsieht, dann wird man bemerken, daß wir es nicht nur mit Amazon und den anderen großen und übermächtigen Shops zu tun haben, sondern mit einer riesigen Anzahl von kleinen und mittleren Einzelhändlern, die zum Teil zweigleisig fahren, also sowohl normalen Einzelhandel betreiben als auch ein Zusatzgeschäft online nutzen. Selbst im Programm von Amazon befinden sich hunderte, wenn nicht tausende kleinerer Zulieferer, die ihre Chance wahren, in dem sie an Amazon eine Gebühr abdrücken. Dafür sind sie jedoch dank des Bekanntheitsgrades von Amazon für Millionen von Konsumenten zugänglich.


Der oben erwähnte Artikel, in dem die Alternative zwischen Beratung und Service sowie „100 Klicks“ aufgebaut wird, geht von falschen Voraussetzungen aus.  Wer sich auskennt, kann mit wenigen Klicks und mit minimalem Aufwand die gewünschten Informationen aus dem Internet ziehen – 100 Klicks brauchen nur Anfänger oder Ungeschickte. Im gleichen Zeitraum, in dem ich eine Bestellung online auslöse, kann man das Auto noch nicht einmal aus der Garage fahren. Es ist auch schlichtweg nicht richtig zu behaupten, der hiesige Einzelhandel biete ausreichende Auswahl und Leistungsfähigkeit. Sowohl in der technischen Beratung, in der Preisgestaltung, als auch in den Verkaufsbedingungen ist das Internet meistens besser. Das kostenlose und bedingungslose Rückgaberecht z. B.  ist im Internet gesetzlich garantiert – im normalen Einzelhandel hingegen nicht. Dort ist man von der freiwilligen Kulanzbereitschaft des Einzelhändlers abhängig.


Die Palette der Haushalts-, Elektroartikel, der Unterhaltungselektronik sowie alles rund um den PC ist im lokalen Einzelhandel im Vergleich zum Internet nur sehr begrenzt verfügbar. Kein traditioneller Einzelhändler ist in der Lage, ein komplettes Warenangebot über ein bestimmtes Segment zu offerieren. Seine Empfehlungen und Beratungen beziehen sich auch nur auf sein begrenztes Sortiment sowie seinen Lagerbestand und seine Ladenhüter. Von einer umfassenden und neutralen Beratung kann also nur sehr selten gesprochen werden. Im Internet hingegen habe ich die Möglichkeit, mir in Sekundenschnelle einen preislichen und technischen Überblick und Vergleich zu schaffen über das jeweilige Gesamtangebot des Marktes. Zahlreiche neutrale Bewertungskommentare von Konsumenten sind ebenfalls sehr hilfreich für meine Kaufentscheidung.


Wenn man von der hiesigen ländlichen Situation ausgeht, wo Einkäufe nur mit dem Auto zu bewerkstelligen  und oft Fahrten bis in die nächste größere Stadt erforderlich sind, dann haben Menschen wie ich, die kein Auto besitzen und finanziell eng ausgestattet sind, mit dem Internethandel eine unersetzliche Alternative zur Verfügung, die sie nicht mehr missen wollen. Wo soll ich z. B. als Musikfan meine speziellen internationalen CD- und DVD-Angebote besorgen, wenn nicht im Internet? Selbst neue Bücher, für die ich auch erst einmal (ohne Auto) nach Cochem müßte, sind für mich zu teuer, so daß ich sie mir gebraucht im Internet bestelle. Auch das Angebot an hochpreisigen Gebrauchtartikeln ist im Internethandel und auf Börsen wie eBay konkurrenzlos. Wenn ich nicht von privat kaufe, kann ich auch dort auf Garantieleistungen zurückgreifen.


Welche Vorteile bleiben da noch für den ortsansässigen Einzelhandel? Wenn ich noch berücksichtige, wie viel Zeit für Einkaufsfahrten aufgewendet werden müssen, bis Cochem, Treis, Kaisersesch, Zell oder Koblenz, und welche Fahrtkosten und Umweltbelastungen dabei entstehen, dann sieht die Bilanz für den Einzelhandel wirklich sehr ungünstig aus. Die Tatsache, daß es unsinnig viele Paketdienste gibt, die sich in den Belieferungen verzetteln, ist eine politische Fehlentscheidung, die rückgängig gemacht werden sollte. Auch die kritisierten Arbeitsbedingungen und zu geringen Stundenlöhne bei Amazon sind ein rein politisches Problem, mit dem sich die wirtschaftsabhängige deutsche Politik schwertut.


Es ist auch nur fair, darauf hinzuweisen, daß die Belieferung aus dem Internethandel, speziell von Amazon, ausgesprochen zuverlässig und prompt funktioniert. Selbst niedrig preisige Artikel sind oft online preiswerter zu beziehen, selbst wenn man die Portokosten aufschlägt, wie beim ortsansässigen Discounter. Und dort – und ebenso bei Edeka oder Rewe – sind die Arbeitsbedingungen und Bezahlungen in der Regel auch nicht besser geregelt. Wenn man schon auf Amazon draufschlägt, dann sollte man den Rundumschlag auch in diese Richtung fortsetzen.


Was die Beratung und den Service des lokalen Einzelhandels betrifft, so ist dieser nicht immer optimal. Liefer- und Montagekosten fallen meistens auch dort an. Selbstverständlich sollte man einen erwiesenermaßen guten Service im niedergelassenen Handel honorieren, falls hier ein entsprechendes Lieferangebot vorhanden ist.  Dieser sollte bei Nennung der Konkurrenzangebote aus dem Internet die Chance erhalten, sich zumindest diesen Preisen anzunähern. Unter Berücksichtigung der Servicesituation muß der Käufer dann entscheiden, wie viel Bonus er dem einheimischen Handel einräumen will.

 

Oft wird die angebliche Unfairness betont, Waren im Internet oder dort einzukaufen, wo sie am billigsten sind, und anschließend bei Reparaturen den ortsansässigen Fachbetrieb in Anspruch zu nehmen. Dieser Anspruch ist m. E. unberechtigt, denn sämtliche Markenhersteller von Elektrogeräten z. B. haben ein flächendeckendes Servicesystem aufgebaut. Alle Händler, die auf deren Sortiment zurückgreifen wollen, müssen sich verpflichten, bei Garantieleistungen und auch danach für den Service zu sorgen. Dies brauchen sie ja nicht umsonst zu tun, so daß sie auf ihre Kosten kommen. Der ständig zumindest unterschwellig erhobene Vorwurf der Unredlichkeit, den einheimischen Handel wegen seines ach so uneigennützigen Serviceangebotes zu hintergehen, ist daher gleichbedeutend mit der bewußten Erzeugung eines zweckgebundenen Schuldgefühls sowie der Undankbarkeit. Im übrigen bieten einige Hersteller, wie der meines Fernsehers, einen zuverlässigen Direktservice an. Die Geräte werden bei Bedarf sogar kostenlos abgeholt und wieder aufgestellt. Was soll also die in diesem Zusammenhang aufgebaute Stimmungsmache gegen individuelle Kaufentscheidungen?


Von der Wiederherstellung alter Zeiten zu träumen, ist jedoch nicht konstruktiv, denn gegen den Onlinehandel ist grundsätzlich kein Kraut gewachsen. Als Fazit läßt sich also zusammenfassen: Der lokale Einzelhandel mit Ausnahme von Lebensmitteln oder speziellen Waren wie Großmöbeln kann nur mit dem Internet und nicht gegen es überleben. Eine andere Chance sehe ich nicht. Wir haben uns nun mal als Gesellschaft für die radikale Marktwirtschaft und den Konsumismus entschieden – dann müssen wir auch konsequent sein und die Folgen davon ausbaden.


Nur wenn wir als Gesamtgesellschaft einen Einstellungswandel vollziehen, d. h. die wirtschaftlichen und politischen Kräfte zwingen, eine Abkehr von der radikalen Marktwirtschaft und dem Wachstumswahn zu vollziehen, kann regionaler Handel und Wirtschaft wieder aufleben. Dazu ist ein grundsätzliches Bekenntnis der Mehrheit der Bevölkerung zu Dezentralismus und regionalem Wirtschaften erforderlich, damit den Großkonzernen das Wasser abgegraben wir. Nur auf diese Weise kann der mittelständischen Wirtschaft und der Landwirtschaft aus der Region wieder die Rolle zugewiesen werden, die ihnen zusteht. Produkte, mit denen hohe Transportbelastungen und andere externe Kosten verbunden sind, sollten nur noch dann zum Einsatz kommen, wenn sie aus triftigen Gründen nicht im näheren oder weiteren Umfeld hergestellt oder angebaut werden können.


Darüber hinaus ist ein Bewußtsein dafür nötig, welche Waren grundsätzlich für eine gesunde und zufriedene Lebensführung die Voraussetzung bilden. Dort gibt es enorm viel Spielraum für Einschränkungen und Reduzierungen, die nicht weh tun sondern nur entlastend wirken und einen Beitrag zur Zufriedenheit leisten.



MfG Peter A. Weber