Schuldknechtschaft oder das ewig gleiche Spiel

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Helmut Müller
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Schuldknechtschaft oder das ewig gleiche Spiel
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Schuldknechtschaft oder das ewig gleiche Spiel


La servitude pour dettes ou le meme vieux jeu / Debt servitude or the same old game


von Helmut Müller, Wien

 

Im Juni 2011 warnte der seiner unverblümten Ausdrucksweise und haltlosen Anschuldigungen gegen seine Person wegen inzwischen aus seiner Partei ausgeschlossene freiheitliche Nationalratsabgeordnete Werner Königshofer davor, „Griechenland mit einem Kaputtsparplan in die Rezession und in noch mehr Schulden zu treiben. Am Ende dieses Weges stünde ein hochverschuldetes Land, ohne Staatsvermögen, mit rezessiver Wirtschaft und einem demotivierten Volk. Das wäre die reine Schuldknechtschaft, die wegen der dramatischen Entwicklung der Staatshaushalte letztlich den allermeisten Völkern in der EU drohen würde“, so Königshofer. Ein Linker hätte das auch so sagen können.


Vier Jahre später hat die von der EU-Troika (die Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission) verordnete Sparpolitik die wirtschaftliche Lage Griechenlands alles andere als verbessert. Die Forderungen der Geldgeber, dazu Gehalts- und Pensionskürzungen oder der Kahlschlag im Gesundheitswesen zählen, haben das soziale Gefüge eher noch mehr belastet als ein wünschbares Ergebnis gebracht. So wurde im Zuge dessen die Kluft zwischen Arm und Reich noch vergößert. In dieser Situation sind überhebliche Wortmeldungen eines arroganten Deutschen, wie Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einer zu sein scheint, eher fehl am Platze.

Daß man als Dritter einem stolzen Volk wie den Griechen nicht einfach so drüberfahren kann, sollte sich eigentlich bis Brüssel und Berlin durchgesprochen haben. Besonders bei Belehrungen von deutscher Seite ist man in Athen, dessen politische und wohlhabende Klasse durchaus kritikwürdig war und noch  ist, leicht allergisch. Obwohl, und das mutet beinahe schon wieder irrwitzig an, es vor Jahrzehnten ausgerechnet ein NS- Sonderbeauftragter war, der den richtigen Zugang zu den damals ebenfalls wirtschaftlich gebeutelten Hellenen zu finden schien. Hermann Neubacher, so hieß der Mann, hatte damals erkannt, „daß in diesem Lande, noch dazu unter den gegebenen Verhältnissen, eine Marktregelung nach deutschem Muster völlig falsch sei.“ [1]

So plädierte der damalige Sonderbeauftragte Berlins unter anderem dafür, die Versorgung der deutschen und italienischen Besatzungstruppen aus dem Lande auf ein Minimum zurückzuschrauben, der Hausse-Spekulation nicht mit Höchstpreisen und Strafbestimmungen, sondern nur mit Ware, Lebensmitteln vornehmlich, entgegenzutreten. Schließlich empfahl er finanztechnische Maßnahmen, die eine Geldknappheit erzeugten, und nicht zuletzt befürwortete er die Freigabe der Preisbildung. Der Verfall der Drachme sollte damit aufgehalten oder zumindest verlangsamt werden. Der weitere Kriegsverlauf änderte natürlich alles.

Als Neubacher zu Beginn seiner Mission mit dem Reichsaußenminister seine Schlußbesprechung führte, sagte dieser zu ihm: „Das Wichtigste ist, daß Sie sofort ein Dutzend Großspekulanten aufhängen lassen!“ Neubacher darauf: „Davon halte ich nichts. Ich kenne das Land ein wenig. Die bisherigen drakonischen Strafbestimmungen haben die Hungersnot nur verschärft, weil das Risiko des Schwarzhandels auf die Preise geschlagen wurde. Ich werde etwas anderes versuchen: eine Lage herbeizuführen, welche die Großspekulanten veranlaßt, sich selbst aufzuhängen.

Von Letzterem hält die EU-Troika gewiß nichts. Diese wird alles dran setzen, daß die Großspekulanten, darunter auch jene Bank, die Griechenland in die EU geschleust hat, mit einem ordentlichen Reibach davonkommen werden. Das angebliche Einvernehmen zwischen Konzernlobbyist Jean-Claude Juncker und Alexis Tsipras läßt diesbezüglich ja schon ärgste Befürchtungen aufkommen. Nicht nur was eine etwaige Verpfändung der Gas-oder Ölvorkommen in der Ägäis betrifft. Aber die griechische Regierung steht unter gewaltigem Druck, was auch ihre wenig realistischen Wiedergutmachungsforderungen an Deutschland verstehen läßt. Aber auch in Athen weiß man nur zu genau, wo in Wirklichkeit der gemeinsame Feind angesiedelt ist.

Ist es nicht so, daß, wie der weiter oben zitierte Ex-FPÖ-Mandatar erst vor Kurzem schrieb, in Wirklichkeit alle im Würgegriff der Banken sich befinden, die bis Ende Juni ihre faulen (auch griechischen) Staatsanleihen an die EZB loswerden wollen? "Dazu" so Königshofer, "müssen die Griechen jetzt nochmals sieben Milliarden Schulden vom EURO-Block nehmen, um ablaufende Anleihen bedienen zu können um nicht vorzeitig in die Staatspleite zu fallen. Wenn dann die Banken ihre “Tücher im Trockenen haben” … so gegen Ende Juni … dann kann der GREXIT (das mögliche Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone) gerne kommen, dann verlieren ja die europ. Steuerzahler und nicht mehr die Banken.“ In der Tat, wir alle werden wie die Geschröpften dastehen.

Das ewig gleiche Spiel: Schuldknechtschaft. Und es ist nicht abzusehen, wie man aus dem Schlamassel, das ja längst nicht nur ein europäisches ist, wieder hinaus käme. Im Gegenteil könnten uns allen noch schlimme Dinge bevor stehen. Von der schleichenden Enteignung des Privatvermögens durch verschiedene Maßnahmen bis hin zur radikalen Euro-Abwertung ist alles schon denkbar. Die Aufrechterhaltung der Kredit-Schulden-Spirale muß von den dem globalen Finanzkapital zuarbeitenden Politikern und Bankern gewährleistet werden.

Die Völker sind somit einer nimmersatten global tätigen Finanzkrake ausgeliefert, deren verschiedene Namen aus gutem Grund niemals in der Forbes-Liste der Superreichen zu finden sind. Und diese Krake wird sich heute weniger denn je selbst aufhängen.

[1] Hermann Neubacher: Sonderauftrag Südost, 1940-1945, Bericht eines fliegenden Diplomaten, 1956, Musterschmidt-Verlag, Göttingen

Helmut Müller, Wien

 



► Erstveröffentlicht auf  "Helmut Muellers Klartext" -Blog > Artikel

► Dokumentation: Die Griechenland-Lüge (Doku 2012)

Zwei Tage nach der Schicksalswahl in Griechenland zeichnen Frontal21-Autoren nach, wie es zu der schwersten Krise der Euro-Zone kommen konnte. Die ZDF-Dokumentation zeigt eine von Wunschdenken und Ignoranz geprägte Politik, die Griechenland in den Abgrund führte - und wie die deutschen Bürger von der Politik systematisch getäuscht werden. Für die Dokumentation waren die Autoren in Griechenland unterwegs, sprachen mit Verlieren und Gewinnern der Krise.


von M. Haselrieder, K. Hinterleitner und R. Laska


Immer wieder täuschte die Politik sich selbst und die Öffentlichkeit. Schon beim Beitritt zum Euro wurden Kritiker mundtot gemacht. Politische Romantik sei wichtiger gewesen als ökonomische Vernunft, sagt Frits Bolkestein. Der ehemalige EU-Kommissar rechnet in der Dokumentation mit der deutschen und der Brüsseler Politik ab. Ein hochrangiger Insider aus der EU-Kontrollbehörde bestätigt: Viele hätten damals gewusst, dass Griechenland nie hätte in den Euro aufgenommen werden dürfen, doch das wollte niemand hören.

Finanzielle Hilfen kommen nicht an

Milliarden sind inzwischen nach Griechenland geflossen. Doch bei den Griechen kommt das Geld nicht an. Das Textil-Unternehmen von Cecile Varvaressos im Norden des Landes zum Beispiel bekommt keine Kredite mehr. Bürokratie und Vetternwirtschaft sind immer noch im ganzen Land präsent. Und die harten Auflagen der EU helfen nicht -- im Gegenteil: „Das Spardiktat ist genau der falsche Weg. Hier wird dem Land jede Chance genommen, sich wieder zu erholen", sagt der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar.
 

 

Griechenland rutscht immer tiefer ins Elend. Mit einem Sozialarbeiter waren die Reporten in den Armenvierteln Athens unterwegs: Immer mehr Menschen verlieren ihre Jobs, verarmen und der Staat kann ihnen nicht helfen. Seit Beginn der Krise müssen viele Mütter ihre Kinder ins Heim bringen, weil sie sie nicht mehr ernähren können.

Reiche Griechen zahlen keine Steuern

Gleichzeitig zahlen die reichen Griechen noch immer keine Steuern. Die Autoren trafen das Oberhaupt einer Reeder-Familie. Für den Niedergang seines Landes macht der Multimillionär die griechische Politik und die Bürokratie verantwortlich. An einen korrupten Staat will er keine Steuern zahlen. „Oder würden Sie Ihr Geld Al Capone geben?", fragt der Reeder.

In der Krise hat die Kanzlerin immer wieder versucht, das Griechenland-Problem kleinzureden. Doch jetzt ist klar: Der deutsche Steuerzahler trägt die größten Risiken. Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, spricht in der Dokumentation von der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg und appelliert an die Politik, endlich Lösungen zu finden.



► Bild- und Grafikquellen:


1. Steht Griechenland bald vor dem Verkauf? Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de

2. EUPOLY: Betrugs-System Euro - das elitäre Spiel mit echtem Falschgeld - weiter

3. Jean-Claude Juncker: "Keine Sorge liebe EU-Bürger! Wir werden sie nicht wecken! Die Glocke hat keinen Klöppel!" Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de

4. Demo: Spardiktate entsorgen! Solidarität mit dem griechischen Aufbruch! Geht es nach dem Willen der Bundesregierung und seines Finanzministers, dann darf es in Europa keine Alternative zum neoliberalen Umbau der Gesellschaft geben. Die griechischen Regierungsparteien sollen gezwungen werden, ihre Wahlaussagen zu brechen und die Sparpolitik fortzusetzen. Mit zahlreichen Massendemonstrationen, Generalstreiks und einer Unzahl sozialer Initiativen haben die Menschen in Griechenland sich gegen die Troika zur Wehr gesetzt. Es ist eine breite Bewegung von unten entstanden, die das ganze Land umfasst.

Mit der Abwahl der alten Regierungskoalition aus ND und PASOK erteilte die griechische Bevölkerung der neuen Regierung einen eindeutigen Auftrag: Schluss mit dem Regime der Sparzwänge aus Brüssel und Berlin! Beseitigung der schlimmsten sozialen Folgen der Spardiktate, wie sie in dem Sofortprogramm der Regierung angekündigt wurden!

Foto: Uwe Hiksch. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0)