Schweiz, Syrien, Staatsmedien und @srfpascalweber

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Schweiz, Syrien, Staatsmedien und @srfpascalweber
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Schweiz, Syrien, Staatsmedien und @srfpascalweber

von Dominic H auf Twitter: @domihol

Jeder moderne Krieg braucht die rhetorische Hau-drauf-Mentalität gegen den Feind. Schimpfen und Kommunikationsverweigerung werden zu Tugenden. Es herrscht der Meinungs-Journalismus. Der Kommunikationsraum, der sich in Opposition zum Juste Milieu etablieren möchte, wird zur Zone des Bösen erklärt. Das wird oft bis hin zur ernsthaften Störung des Verhältnisses von Repräsentanten und Repräsentierten getrieben. Wenn etwas dann doch in die Hose geht, wird der Meinungs-Journalismus zum Schweige-Journalismus.

Nicht erst seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 lügt sich der Washingtoner Hegemon seine Kriege zurecht. Heute ist Syrien dran und auch die Schweiz ist nicht unbeteiligt. Eine detaillierte Analyse des gesamten Journalismus innerhalb gebührenfinanzierter, helvetischer Staatsmedien wäre hier zu ambitiös. Soziale Medien und vor allem der bei Journalisten so beliebte Mikroblogging-Dienst ‹Twitter› erlauben es mir jedoch einen Einblick zu bieten. Historische Amnesie und Einseitigkeit braucht eben oft nur 140 Zeichen, um sich zu zeigen.

Der Syrien-Krieg der Schweiz

Zuerst gilt es die Frage zu beantwortet, ob die Schweiz in Syrien die weithin glänzende Neutralität angekratzt und ihre Schoggi glasierte Unschuld verloren haben könnte. Monatelang hatten sich seit Januar 2012 bis zu fünfzig syrische Regierungsgegner unterschiedlichster Gruppierungen heimlich in der deutschen Hauptstadt Berlin getroffen. Organisiert wurden die Treffen vom US-amerikanischen (kein Witz) ‹Institut für Frieden›, USIP, (das faktisch ein Ableger des US-Aussenministeriums ist) und der deutschen ‹Stiftung Wissenschaft und Politik›,SWP, (Berater der deutschen Bundesregierung in Fragen der Aussenpolitik). Für den Tagungsort sprach angeblich, dass dort Gestalten aus dem islamistischen Spektrum weniger auffallen würden, als in den USA. Unter den Teilnehmern befanden sich nämlich neben Vertretern der bewaffneten Milizen auch Mitglieder der ‹Muslimbruderschaft›, welche als die einflussreichste sunnitisch-islamistische Bewegung im Nahen Osten gilt. Mitgliedschaft wird - wie bei der Mafia - meist diskret behandelt.

Im Sommer, am Ende der Gespräche, wurde schliesslich bestätigt, dass auch das schweizerische Aussenministerium - das ‹Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten› (EDA) - etwa 50'000 Euro zur Kostendeckung der Treffen beigesteuert hatte. Im August legte das Projekt mit dem ominösen Namen «der Tag danach» einen 120-Seiten starken Abschlussbericht vor. Dieser setzte schon mal voraus, dass der Sturz des syrischen Präsidenten Dr. Baschar al-Assad wünschenswert sei, ohne jedoch darauf einzugehen, wie dies herbeigeführt werden soll. Die Zeit nach dem «erfolgreichen» Regierungssturz wurde hingegen detailliert geplant.

Zum Beitrag der Schweiz erklärte Mitte August der EDA-Sprecher: «In Einklang mit den Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates und der Deklaration der Genfer Aktionsgruppe unterstützt die Schweiz die Bemühungen, die in Syrien einen friedlichen und geordneten Übergang zum Ziel haben.» Ungeachtet solch hehrer Absichten hat sich die Schweiz mit dem Projekt nicht nur völkerrechtswidrig für einen Regierungssturz in einem anderen Staat stark gemacht, sondern dabei auch Kräfte unterstützt, die sich - buchstäblich - den religiösen Chauvinismus auf die Fahne geschrieben haben - aber auch solche, die bereits militärisch vorgingen. Mittlerweile werden eben diese bewaffneten Regierungsgegner für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht und sollen, selbst laut westlicher Menschenrechtler, Kinder für den Kampf rekrutieren.

Die Völkerrechtsordnung zieht, alleine schon auf Grund eines Missbrauchspotenzials, der Einmischung in interne Konflikte enge Grenzen. Wenn der EDA-Sprecher sich also mit der Beschwörung von Vereinten Nationen, Resolutionen und Deklarationen einen verbalen Keuschheitsgürtel umlegt, ändert das nichts daran, dass man argumentieren kann, die Schweiz habe hier mit unseren Steuergeldern das Völkerrecht gebrochen.

Die Schweiz ist auch mit ihrer Waffenindustrie direkt im Syrien-Krieg involviert. Im Falle Libyens versorgte Katar die Regierungsgegner mit Munition des Rüstungsunternehmens ‹RUAG›. Dies ist eine privatrechtliche Aktiengesellschaft, deren Aktien sich jedoch vollumfänglich im Eigentum des Schweizerischen Staats - der ‹Eidgenossenschaft› befinden. Nach einer kurzfristigen Aufhebung der Waffenlieferungen, exportierte man wieder an Katar - weil das Land «seine Fehler eingestanden» habe. Inzwischen nimmt es praktisch jeder als Tatsache, dass Katar auch syrische Regierungsgegner bewaffnet hat. Es überrascht also kaum, wenn sich inzwischen Hinweise finden, dass syrische Soldaten von Schweizer Granaten zerfetzt werden.

Zur gleichen Zeit erhebt die Schweiz Sanktionen, welche die wirtschaftliche Lage des syrischen Volkes verschlimmern und die bewaffnete Opposition darin bestärken, weiterhin auf Gewalt zu setzen. Am 18. Mai 2011 erliess die Regierung der Schweiz - der ‹Bundesrat› - die entsprechende Verordnung. Mit den Sanktionen habe der Bundesrat ein klares Zeichen gesetzt, erklärte der Bundesratssprecher in Bern. Ein Zeichen für mehr Krieg?

Auf dem Internetauftritt des EDA stehen schöne Worte: «Angesichts der äusserst ernsten Lage in Syrien setzt sich die Schweiz dafür ein, das Leiden der Bevölkerung zu mildern, dem Völkerrecht Nachachtung zu verschaffen ….» Die Sanktionen der Schweiz sind jedoch ein einseitiger Schritt, welcher kollektiven Anstrengungen und Entscheidungen des UNO-Sicherheitsrats widerspricht. An nicht-militärischen UNO-Sanktionen muss sich die Schweiz seit ihrem Beitritt beteiligen. Hier handelt es sich jedoch um eine freiwillige Entscheidung - vielleicht nur motiviert vom Wunsch den europäisch-transatlantischen Schulterschluss zu demonstrieren.

Ausserhalb einer Entscheidung des Sicherheitsrats, widersprechen Sanktionen dem Völkerrecht und der UNO-Charta. Sie richten sich ausserdem gegen Menschen, welche die Schweiz angeblich beschützen will.

Seit fünf Jahren führen die USA mit ihren Verbündeten einen verdeckten Krieg gegen Syrien: Sie rekrutieren und beliefern Freischärler mit modernen Waffen und lassen Kämpfer in der Türkei und Jordanien ausbilden. Saudi-Arabien und andere Golfmonarchien stellen dazu noch Milliarden von US-Dollars für die Rekrutierung und Bewaffnung von Gotteskriegern zur Verfügung. Seit 2011 haben westliche Regierungen (einschliesslich die Schweiz) dieses völkerrechtlich nicht sanktionierte Embargo gegen Syrien verhängt. Es ist offensichtlich, dass diese ökonomische Kriegsführung das Ziel hat die Wirtschaft Syriens zum Erliegen zu bringen und seine Bevölkerung zum Aufstand gegen die eigene Regierung zu treiben.

30 Prozent der Menschen lebten schon vor dem Krieg von nicht viel mehr als einem Schweizer Franken pro Tag. Seit 2012 galoppiert die Inflation. Grundnahrungsmittel und lebenswichtige Medikamente werden sündhaft teuer. Strom wurde schon 2012 selbst in der Hauptstadt für täglich drei Stunden abgeschaltet. Heute ist das Sozialprodukt Syriens um über 60 Prozent eingebrochen, die Arbeitslosenquote von knapp 15 Prozent ist auf das Vierfache hochgeschnellt. 70 Prozent der Syrer leben in extremer Armut. In diesem Klima gedeihen Kriminalität und Terrororganisationen. Ein Volk gezielt aushungern ist ein Verbrechen und die Schweiz beteiligt sich daran.

Der Staatsmedien und Billag

Seit 1953 kann sich das Publikum vom Schweizer Fernsehen (‹SRF›) staatstragend unterhalten und informieren lassen. SRF ist eine Unternehmenseinheit der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft ‹SRG›, welche ein privatrechtlicher Verein ist und als eigenständiges Unternehmen unter einer Konzession der ‹Eidgenossenschaft› arbeitet. Die SRG ist gesetzlich dem sogenannten ‹Service public› verpflichtet und muss für alle Sprachregionen ein vielfältiges Unterhaltungsprogramm und eine gesicherte Informationsabdeckung bieten. Finanziert wird dies zu 96,5 Prozent aus Rundfunkgebühren.

Diese Gebühren werden von der Firma ‹Billag AG› eingefordert - eine Tochtergesellschaft der ‹Swisscom AG› (welche aus der Fernmeldewesen-Liberalisierung entstanden ist). Als Inkasso-Unternehmen ist Billag im staatlichen Auftrag tätig und geniesst deshalb den Status einer Behörde. Pro 100 Franken erhobener Gebühren wird das 280 Mitarbeiter starke Unternehmen mit rund vier Franken entschädigt. Das Inkassovolumen beträgt 1,3 Milliarden Franken. Der bürokratische Aufwand der Gebühren-Eintreibung beträgt jährlich rund 57 Millionen Franken. Für ein gebührenpflichtiges Gerät gilt die Meldepflicht. Die über ein neues Radio- und TV-Gesetz versprochene Gebührensenkung auf rund 390 Franken kommt erst 2019. Für einen Privathaushalt, der sich für die jährliche Bezahlung des kombinierten Radio- und Fernsehempfangs entschieden hat, beträgt die Gebühr derzeit 451.10 Franken.

Für die Schweizer sind Volksabstimmungen demokratische Routine und das neue Jahr 2016 brachte gute Nachrichten für die Gegner von Rundfunkgebühren: Mit 112'191 beglaubigten Unterschriften kam eine «No Billag»-Initiative zustande. Dahinter stehen libertäre Jungpolitiker - welche von keiner großen Partei unterstützt werden. Die Zwangsgebühren werden innerhalb dieser Gruppe als Bevormundung der Bürger betrachtet und mit dem Sozialismus assoziiert. Nach dem Willen der Initianten soll die Eidgenossenschaft in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen betreiben und diese auch nicht subventionieren dürfen. Die Konzessionen sollen regelmässig an Private versteigert werden.

Saläre wie jene des SRG-Direktors (543'784 Franken) oder goldene Fallschirme wie für einen ehemaligen Fernsehchef (330'000 Franken) werden von vielen Gebührenzahlern als Zumutung betrachtet. Doch es geht um Grundsätzliches. Macht das staatliche Subventionsgift abhängig? In der Schweiz ist praktisch jede bedeutende politische Partei dauerhaft am Regieren beteiligt. Die Streitfrage ist daher weniger, ob der Staatssender politisch einseitig ist, sondern ob hier allgemein die Classe Politique jemals ernsthaft kritisiert werden kann.

Auch auf dem Internetauftritt der Initiative wird deutlich, dass es nicht alleine um libertäre Prinzipien zur Frage einer Zwangsbesteuerung geht. Dort steht nämlich auch: «Staatsmedien sind in einer freien Gesellschaft unnötig. Nur totalitäre Regime sind zur Aufrechterhaltung ihrer Macht und zur Manipulation der Massen auf solche Medien angewiesen. Analysen bestätigen, dass auch die SRG als Sprachrohr der Staatsmacht fungiert.»

Der Grundgedanke hinter den Rundfunkgebühren ist, dass die vielen Aufgaben der SRG im kleinen Schweizer Markt niemals alleine über Werbung finanzierbar wären. Zudem wird argumentiert, dass auch diejenigen profitieren, die das Angebot ablehnen - stärken die Sendungen doch angeblich den soziale Frieden. Der SRG sind verschiedene Unternehmenseinheiten unterstellt, welche ihrerseits unter einer Anzahl von Sendernamen ihr Angebot ausstrahlen. Dadurch, dass vier Landessprachen und zusätzlich noch ein zehnsprachiges internationales Angebot abgedeckt werden, ist die Liste der Akronyme beachtlich.

Das zeigt sich auch in der schon fast hysterisch anmutenden Stellungnahme der SGR: «Die Initiative ‹No Billag› ist extrem – sie will der SRG SSR die Existenzgrundlage entziehen. Sie kann aber auch zum Steigbügelhalter für verstecktere Angriffe auf die SRG werden. ‹No Billag› heisst letztlich no SRG – und das wiederum heisst konkret: kein SRF ­Radio, kein SRF TV, kein tpc, kein RTS, kein RSI, kein RTR, kein Swissinfo.» Dass die SRG abgeschafft werden könnte, scheint die aktuelle Angstmache-Linie vieler Politiker und Journalisten zu sein. Die «No-Billag»-Initianten wurden entsprechend bereits medial als «SRG-Abschaffer» verschrien.

«Nimm teil und wirke mit. Der Verein SRG engagiert sich für den langfristigen Erhalt des medialen Service public. Und er setzt sich ein für die Meinungsvielfalt in der Schweiz.» So wirbt die SRG auf einer Webseite für Mitglieder und erklärt, dass «wirtschaftlich und politisch unabhängige Medien» ein «Pfeiler jeder Demokratie» seien. «Als Mitglied der SRG trägst du zur Ausgestaltung der medialen Zukunft bei.» Die SRG suggeriert Meinungsvielfalt, Unabhängigkeit und mit dem vertraulichen «Du» wohl auch Jugendlichkeit - was mich zu den Sozialen Medien, speziell Twitter führt.

Twitter und Journalismus

Auf dem US-amerikanischen Mikroblogging-Dienst Twitter können angemeldete Nutzer ‹twittern› - also in telegrammartigen Kurznachrichten einen sogenannten ‹Tweet› verbreiten. Dieser ist auf maximal 140 Unicode-Zeichen begrenzt. ‹Follower› - also Personen, welche die Einträge eines Nutzers abonniert haben, finden diese Tweets auf ihrer persönlichen Startseite - ihrem ‹Twitter-Feed›. Ansonsten verschwinden die Meldungen im allgemeinen Teil und lassen sich erst in den Resultaten einer spezifische Suche wieder finden.

Der Suche nach einem Tweet kann mit einem sogenannten ‹Hashtag› nachgeholfen werden, indem man ein Schlagwort mit dem Rautezeichen am Anfang versieht. Wem ein Tweet gefällt, kann mit der Funktion ‹Re-Tweet› und/oder ‹gefällt mir› der Verbreitung und Beliebtheit der Nachricht nachhelfen. Um Nachrichten eines Nutzers für sich selbst verschwinden zu lassen, kann man das Abonnieren deaktivieren. Um unerwünschte Kontakte für immer zu vermeiden, kann man sich der Funktion ‹Blocken› bedienen.

Nun tummeln sich gerade auf Twitter viele Journalisten. Die Plattform erlaubt es ihnen auf einfache Weise ganz nahe am Puls der Zeit zu sein und im Idealfall den kollektiven Sachverstand anzapfen zu können. Auch Medienunternehmen können sich unmittelbar und in Echtzeit mit ihren Konsumenten über ihr Angebot austauschen. Viele fordern in ihrer Werbung sogar ihr Publikum dazu auf, diese Möglichkeit zu gebrauchen.

Wer als Journalist Twitter für eigene Bedürfnisse so organisieren möchte, dass es auch nützt, sollte gute Quellen abonnieren, und Follower willkommen heissen, die auf die ausgestrahlten Tweets kritisch reagieren. Ein Netzwerkeffekt stellt sich nämlich erst dann ein, wenn man Twitter aktiv verwendet und seine Verbindungen in beide Richtungen ausbaut. Und noch etwas: Rudelverhalten und Harmoniesucht sind menschlich, aber dem seriösen Journalismus dient das nicht.

Ich habe mir schon als Teenager mein Twitter-Konto (@domihol) angelegt. Seit (wie ich es sehe) nun gegen Syrien Krieg geführt wird, verwende ich den Dienst für meine Gegenpropaganda - das frustrierend Wenige, das ich für das Land meiner Geburt tun kann. Denn neben neutralen Nachrichten findet sich auf Twitter viel Meinung und Manipulation. Und Lügen. Wenn eine Lüge erst einmal durch Re-Tweets tausendfach verbreitet wurde, hinkt die Wahrheit für immer hinten nach. Auch und speziell zum Thema Syrien werden unsubstantiierte Geschichten erschreckend oft ohne weitere Prüfung und Recherche von sogenannten Journalisten direkt aus ihrem Twitter-Feed zu «Meldungen» gekürt.

Was syrische Regierungsgegner - die sogenannten «Rebellen» - berichten, geniesst allen Anschein nach bei westlichen Leitmedien hohe Glaubwürdigkeit. Das hat einen Grund: Regierungen westlicher Länder haben in Syrien Partei ergriffen und Journalisten - aus welchem Grund auch immer - stehen grösstenteils ihren Regierungen bei. Erst die entsprechende Propaganda macht es jedoch möglich, das unsere Demokratien ohne grossen Bürger-Widerstand mit Steuergeldern irgendwelche Banden in Syrien finanzieren und ausrüsten können. Die Rolle, welche Journalisten im Krieg gegen Syrien spielen, ist daher meiner Ansicht nach von sogar kriegsentscheidender Bedeutung. Die Geschichte des Vietnam-Krieges zeigt andererseits, dass Journalismus auch helfen könnte einen Krieg politisch schwerer erklärbar zu machen und damit zu beenden.

Von Eishockey bis Syrien

Der 42-Jährige Pascal Weber wuchs im ländlichen St. Gallen auf. Studiert hat er in Zürich: Politikwissenschaft, Geschichte der Neuzeit und Völkerrecht. Weber hat die Journalisten-Karriere von der Pike auf gemacht. Als Eishockey-Reporter berichtete er von den Spielen des ‹SC Rapperswil-Jona›. 1999 wechselte er als Sportredaktor zum Schweizer Fernsehen. Über seine derzeitige Tätigkeit als SRF-Nahostkorrespondent jubelte er einst in einem Interview mit der Zeitung ‹Südostschweiz›: «Das war ein Bubentraum, der in Erfüllung gegangen ist.»

Mit dem Twitter-Namen @srfpascalweber hebt er schon mal allem Anschein seine Tweets über das Niveau von rein privaten Mitteilungen. Am 3. Mai 2016 kann man bei ihm auf Twitter lesen: «Auf anderer Seite fahren #Assad-Kräfte mit ihrer Offensive fort. #Aleppo Zivilisten unter Feuer von beiden Seiten.» Es ist eine dieser Meldungen, die ich meist nur kopfschüttelnd lesen kann. Denn eines ist Tatsache: Auch dieser Journalist ist nicht vor Ort. Wie kann er sich sicher sein, dass das, was er verbreitet auch stimmt? Re-Tweets gibt es allemal - auch vom Konto der Abendnachrichten, SRF News (@srfnews). Immerhin verknüpft er die Quelle seiner Information: Ein Tweet von einem Hadi al-Abdallah (@HadiAlabdallah). Abdallah bezeichnet sich selbst als Journalist. Propagandist wäre meiner Meinung nach akkurater, denn Abdallah macht keinen Hehl daraus, auf welcher Seite er im Syrien-Krieg steht.

Abdallahs Video-Berichte über Heldentaten von Milizen und Bündnissen, wie ‹Islamische Front› oder ‹Eroberungsarmee› (welche auch die syrische Al-Kaida als Mitglied hat), findet man online. So mancher seiner Berichte endet mit einem «Victory-Zeichen» - der Sieges-Geste. Zum Beispiel vor der Kulisse eines noch brennenden Regierungs-Panzers. Man riecht förmlich das darin kochende Menschenfleisch. Apropos Menschenfleisch: Es gibt eine alte Videoaufnahme, welche Abdallah in Gesellschaft mit dem berüchtigten Kannibalen Abu Sakkar zeigt. Dieser Rebellen-Offizier hatte Anfang 2013 vor laufender Kamera einem getöteten syrischen Soldaten ein inneres Organ aus dem Leib geschnitten und in das Blut tropfende Stück gebissen.

Viel appetitlicher finde ich auch Abdallah nicht. Neben Aufnahmen von ihm, umgeben von schwarzen Gotteskrieger-Fahnen oder dem hofierenden «Interview» mit dem syrischen Al-Kaida-Chef, wäre da noch dieses recht aussagekräftige Foto, worauf der korpulente, aus Saudi-Arabien stammende und unter Islamisten extrem populäre Kleriker Abdallah Muhammad al-Muhaysini den Journalisten liebevoll an sich drückt. Es gibt Fotos von Muhaysini, wo er schwarz maskierte Kindersoldaten ebenfalls liebevoll an sich drückt. In einer Video-Botschaft vom November 2013 lobte dieser Gottesmann den Al-Kaida-Führer Osama bin Laden und den Taliban-Führer Mullah Omar und am 3. Dezember betete er öffentlich dafür, dass Gott zwei «versehentlich» durch Rebellen getötete Kämpfer der Terromiliz ‹Islamischer Staat› (IS) als Märtyrer annehmen möge. Auf Twitter findet man unter عبدالله م المحيسني (@mhesne) ein Foto des Klerikers ganz in Dschihad-Schwarz gekleidet mit einem Pakol (Chitrali Topi) auf dem Kopf. Das bemerkenswerte sind jedoch die Fahnen an der Wand. Man erkennt gleich zwei vom UNO-Sicherheitsrat geächtete Terrorgruppen: die syrische Al-Kaida und den IS..

Die Quelle, die den SRF-Journalisten dazu bewegt syrische Soldaten mit dem Kampfwort «Assad-Kräfte» zu entmenschlichen, ist also ein Rebellen-Propagandist mit einer direkten Verbindung zu islamistischen Extremisten. Ich entschied mich daher am 6. Mai zu reagieren. Da eine Antwort ausblieb, wurden daraus mehrere Tweets, welche als Einladung zur Stellungnahme den Nutzernamen von Weber enthielten. Ich schrieb auf Deutsch, der Sprache der von mir angeprangerten Twitter-Meldung. Ich wiederholte die Aufforderung zuletzt am 14. Mai: «Ich warte noch auf eine Antwort von Pascal Weber (@srfpascalweber) zu seiner #Syrien-Quelle ….» Endlich kam die Reaktion - allerdings auf Englisch und bemerkenswerterweise nicht als direkte Antwort an mich. Warum nicht?

Weber verknüpfte meinen Tweet und schrieb dazu: «Offensichtlich habe ich mit dem Re-Tweet dieses Typen bezüglich Aleppo einen Fehler gemacht. Werde löschen und in Zukunft versuchen es besser zu machen.» Ich war zugegeben etwas verwirrt, wer mit «dieser Typ» und was mit «Re-Tweet» gemeint war. Mich störte nicht ein Re-Tweet, sondern Webers eigenständige Meldung, welche sogar dem Konto der Nachrichtensendung des Schweizer Fernsehens gefiel. Ich beschwerte mich «dieser Typ» genannt zu werden - grundlos, wie ich jetzt erkenne. «Nun drehen Sie zu sehr an der Schraube», war die Antwort und auch die einzige direkte Konversation auf Twitter, welche der SRF-Angestellte wohl jemals mit mir zum Thema Syrien führen wird. Bald danach klemmte er nämlich jegliche Kommunikation mit aktivieren der Blocken-Funktion ab.

Der SRF-Korrespondent scheint sich der Falltüren des Internets jedoch bewusst zu sein. Auf einem Inlandsflug der Fluggesellschaft ‹Egypt Air› wurde am 29. März 2016 ein Airbus A320 entführt. Weber zeigt sich verantwortungsvoll und vorsichtig: «… Deshalb twittere ich solche Dinge nicht und deshalb misstraue ich allem was Behörden (und staatliche Medien) und [sic] verzapfen.» Ein Nutzer fragt: «Wie wichtig ist Twitter inzwischen als Primärquelle für sie? Wie viel % ihrer Recherchezeit entfällt auf Twitter?» Weber antwortet: «Twitter erste Quelle dass Ereignis stattgefunden. Danach situativ viele andere Quellen. Manchmal via [sic] Twitter, manchmal gar nicht.»

Am 17. Januar finde ich eine weitere Bestätigung, dass es eventuell nicht meine Unbekanntheit gewesen sein konnte, die Herrn Weber davon abhielt mit mir eine Konversation über Syrien führen zu wollen. An diesem Tag diskutiert der SRF-Mann nämlich mit GEOrge (@ArtWendeley) über Iran. ‹Seinfeld› gilt als die bekannteste Situationskomödie der 90er Jahre. Das Twitter-Konto von GEOrge wählte offensichtlich Namen und Nutzernamen in Erinnerungen an eine der Figuren. Ansonsten scheint nichts über Ort und Person hinter den Meldungen bekannt zu sein. Der/die NutzerIn schreibt regelmässig über (man darf sagen «gegen») die Regierungen von Syrien, Iran und Russland und schreibt ausser in einem US-amerikanisch anmutendem Englisch (was ich aus verwendeten Worten und Rechtschreibung schliesse) gelegentlich auch fliessendes Hochdeutsch unter Verwendung des nicht-schweizerischen Eszett. Als Weber am 14. Mai mir praktisch recht gibt und auf Englisch erklärt, er habe «einen Fehler» gemacht, verknüpft er zu meinem Tweet. Dazu drückt GEOrge seine Überraschung in aktuellem US-amerikanischen Jargon aus: «Oh snap, @domihol!»

Nahostkorrespondent mit Freunden

Ist Journalismus zu einem Krieg wirklich wie über ein Eishockey-Spiel berichten, wo es dem Sportreporter erlaubt ist gelegentlich «sein Team» anzufeuern? Webers Tweet vom 25. August 2013 tönt für mich fast schon jubelnd: «In Syrien haben die Vorteile schon oft gewechselt. Doch dieser Giftgasangriff wird sich als game-changer erweisen.» Das englische Wort für «Spiel» ist «Game». Ein Spiel also, wie es Eishockey ist? Kein Spiel für Syrer - denn damals standen die Vereinigten Staaten in den Startlöchern für eine massive Bombardierung des Landes und seiner Bewohner.

Als ich es auf Twitter weit genug zurück verfolge, wurde ich den Verdacht nicht los, dass für diesen SRF-Angestellten der syrische Präsident von Anfang an das Feindbild gewesen sein muss. Bereits am 30. Juni 2012 tweetet Weber: «Ein Übergangs-Plan für Syrien wird nie funktionieren, mit Assad als Teil davon.» Seine Meinung bleibt konstant. Beispielsweise am 11. Dezember 2015, als er auf eine Meldung reagiert: «Wollten nicht westliche Politiker plötzlich wieder mit #Assad reden? Hab immer gesagt dass das nicht geht.» Am 27. November 2016 dann etwas, das für mich schon wie ein Schlachtruf tönt: «… Assad ist ein Grund für IS! Wer IS besiegt ohne Gründe zu bekämpfen züchtet neuen IS!» Eine Aussage, welche mir übrigens unverständlich scheint, in Anbetracht der seit Mai 2015 der Öffentlichkeit zugänglichen Informationen aus US-Geheimpapieren zur Entstehung der Terrormiliz.

Am 19. Februar erfahren wir, dass Weber, der kein Arabisch spricht, einen syrischen Freund hat. «Einer der mutigsten und ein guter Freund», schreibt er und bezieht sich auf Rami Jarrah (@RamiJarrah). Jarrah beschreibt sich selbst als «Journalist» und «Medien-Aktivist». Als letzterer steht er eindeutig auf Seite der Regierungsgegner. Der in Zypern geborene 32-jährige Brite mit syrischen Wurzeln schrieb ursprünglich unter dem Pseudonym «Alexander Page». Seine Mutter wurde 2011 ein Mitglied der von der Muslimbruderschaft dominierten Oppositions-Gruppe ‹Syrischer Nationalrat›. Jarrah beteiligte sich 2011 an den mit der Bruderschaft assoziierten, gewalttätigen Geschehnissen um die Mohamed-Mahmoud-Strasse in Kairo. Ein weiterer Hinweis für seine möglichen Sympathien ist eine lose Verbindung zur ‹Karam Stiftung›, welche von einem ausgewiesen Mitglied der Muslimbrüder in den USA geführt wird.

Unbekümmert ehrt Weber mit einem Re-Tweet die Forderung seines «Freundes» Jarrah vom 22. April 2015 für eine «Sicherheits-Zone». Darf man nach geschätzten 50'000 Toten in Libyen durch die NATO zur Erzwingung einer solchen «Zone» von einem SRF-Journalisten nicht etwas Vorsicht zur dieser Frage erwarten? Immerhin hatte die NATO damit das einst blühende, friedliche Land in einen gescheiterten Staat und Spielplatz für Terrormilizen verwandelt..

Am 1. Februar 2016 teilt uns Weber mit, dass Jarrah die Bewertung, es gebe nur noch Dschihadisten widerlegen könne und verknüpft zu Jarrahs Tweet, welcher ein Video von ‹ANA Press› vorstellt. Die Finanzierung dieser von Jarrah geführten Medienorganisation kann man mit wenig Recherche-Aufwand auf Geld westlicher Regierungen und sogenannter Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) zurückführen. Als Geldgeber der involvierten NGOs, wie ‹SIDA›, ‹HIVOS› und ‹Making all Voices Count›, finden wir die Europäische Union und die Regierungen von Schweden, Grossbritannien (DFID) und USA (USAID). Aber auch den Milliardär-Philanthropen George Soros (OSF), welcher sich offensichtlich die Demokratisierung von Syrien auf seine Offshore-Fahne geschrieben hat.

Berührungsängste zur Propaganda der Muslimbruderschaft hat Weber allem Anschein keine. Das zeigt sich mir am 18. Februar in einem Re-Tweet von Inga Rogg (@ingarogg), der Korrespondentin für die ‹Neue Zürcher Zeitung›. Rogg verknüpft ihren Tweet mit einer Nachricht der syrischen Muslimbruderschaft. Grundsätzlich ist es nicht falsch, wenn Journalisten die Sicht verschiedener Kriegsteilnehmer der Öffentlichkeit präsentieren.

Verdächtig wird es für mich allerdings, wenn die Sicht der anderen Seite eher ignoriert oder verhältnismässig verächtlich kommentiert wird. Wie zum Beispiel, wenn am 16. September 2015 der SRF-Moderator Florian Inhauser (@florianinhauser) mit seinem Tweet einen Artikel der Zeitschrift ‹SPIEGEL› empfiehlt, welcher den reisserischen Titel «Assads Lügenshow im russischen Fernsehen» trägt.

Ganz nachdenklich zeigt sich Weber am 8. Februar: «Viel zu viele sind sich der Tragweite ihrer Äusserungen und Handlungen momentan nicht bewusst! Meine uns alle!» Der Tweet bezieht sich allerdings nicht auf seinen Syrien-Journalismus, sondern auf einen SPIEGEL-Artikel, welcher «rassistische Motivwagen» im deutschen Karneval anprangerte.

Am  5. Februar wirkt der SRF-Korrespondent emotional, als er zweimal hintereinander das gleiche tweetet - erst auf Deutsch, dann auf Englisch: «Solange #Assad an der Macht ist wird es immer Widerstand geben in #Syrien. Assad wird in gewissen Gebieten zum Besatzer im eigenen Land.» Kurz darauf gibt es ein Re-Tweet für Frau Rogg, welche auf Englisch erklärt: «Russland ist es, das bombardiert, Iraner und Schiiten-Milizen aus anderen Ländern sind es, die nahe Aleppo das Kämpfen erledigen.» Wieso nimmt dieses helvetische Journalisten-Duo so unbekümmert die sektiererische Propaganda-Linie von Golf-Monarchien und Muslimbruderschaft auf? Es ist nämlich gerade dieser medial geförderte Aufschrei um einen angeblichen Sektenkrieg, der in aller Welt sunnitisch-islamistische Extremisten gegen Syrien rekrutiert. Ich würde sogar argumentieren, dass dies der gleiche Dschihad ist, der auch die Täter von Paris und Brüssel motivierte.

Schon am 16. Oktober 2015 gibt Weber die Geschichte von angeblich so zahlreichen Schiiten-Kämpfern aus fernen Ländern wieder und schreibt - auf Englisch - «Freund in #Aleppo #Syrien ‹Regierungskräfte einschl. Hisbollah Iraner Iraker Afghanen und: Chinesen!›». Das Problem mit solchen Kurznachrichten ist natürlich, dass hier dem Leser praktisch in leicht verdaulichen 140 Zeichen oder weniger, Nachrichten serviert werden, die eventuell gar keine sind. Können SRF-Journalisten sicher sein, dass es sich hier um objektive Quellen und Informationen handelt? Wie lose Weber das Wort «Freund» benutzt, weiss ich nicht.

Sind es vielleicht nur «Telefon-Freunde»? Am 5. November reagiert Weber auf einen Tweet von einem US-Journalisten: «Habe das oft gehört, als ich kürzlich (über das Telefon) mit Anti-Assad-Kämpfern in Aleppo sprach.» Wer sind diese Gesprächspartner, die ihm so intensiv sektiererische Aspekte vorbeten? Kann er sicher sein, nicht mit Propagandisten der Islamisten zu sprechen?

Am 4. Februar 2016 offenbart sich mir der mögliche Qualitätsstandard des SRF-Korrespondenten für Syrien-Quellen, als er für einen Tweet die Nachricht eines Oberstufenschülers aus Holland übernimmt und schreibt: «In #Syrien fliehen ganze Ortschaften.» Der verknüpfte Tweet des inzwischen 19-jährigen Thomas van Linge (welcher kein Arabisch spricht und nie in Syrien war) beschreibt es auf Englisch als Flucht vor dem «Regime». Van Linge bezieht angeblich seine Informationen grösstenteils von syrischen Online-«Freunden».

Am 28. Januar finden wir Webers Re-Tweet einer Frage, welche SRF-Chefredaktor Tristan Brenn (@brenntr) stellt: «Was ist ein Staatssender?» Verknüpft wird zum Zeitungsartikel des ‹Tagesanzeigers›, welcher erklärt: «Nicht nur in der Schweiz, in ganz Europa geraten die öffentlichen Sender unter Druck.» Am gleichen Tag tweetet der «Staatssender-Journalist» Weber ohne ein Fragezeichen, dass sich die «einzige einflussreiche Rebellengruppe ohne Verbindung zu al-Nusra» (also die syrische Al-Kaida) zurückziehen würde. Er verknüft dazu zu einem Online-Magazin.

Der Artikel auf Englisch bezieht sich auf die Rebellen-Miliz ‹Harakat Nour al-Din al-Zenki›. Vergessen wir mal die Glaubensbekenntnis-Fahne im Logo der Gruppe. Ihre Bündnispolitik lässt ganz einfach an der Aussage «ohne Verbindung zu al-Nusra» zweifeln. Nour al-Din al-Zenki wird vom Rebellen-Bündnis ‹Islamische Front› zusammen mit der syrischen Al-Kaida als «Verbündete» aufgelistet. Nour al-Din al-Zenki war und ist Teil von ‹Jabhat al-Sham›, ‹Asala wa-al-Tanmiya›, ‹Jaysh al-Mujahedeen›, ‹Fatah Halab› und ‹Jaysh Halab› - alles Bündnisse, Koalitionen und Allianzen, denen man als Bestandteil oder als Verbündete die syrische Al-Kaida zuordnen kann. Zu dieser Information kommt man auch ohne Journalisten-Akkreditierung direkt über die offiziellen Erklärungen der verschiedenen Rebellen-Gruppen.

Am 30. September 2015 bemängelt der SRF-Mann die angebliche Bombardierung der im Westen so oft beschworenen «moderaten Rebellen» (welche unter dem Markenzeichen ‹FSA› laufen) durch Russland und ruft dem Land auf Englisch zynisch zu: «Aha, darum bombardiert ihr jetzt FSA ….» Das SRF-Korrespondentenbüro weiss an diesem Tag also genau wo die IS-Terrormiliz sitzt und wo nicht? «In einer Region wo es meines Wissens keinen einzigen IS-Kämpfer weit und [sic] breit gibt», tweetet Weber zuversichtlich. Er befragt auf Englisch den britischen Sofa-Experten Eliot Higgins (der nie in Syrien war und kein Wort Arabisch spricht): «Gibt es IS in Talbiseh?» Higgins schreibt «keine», worauf Weber mit «dachte ich mir» antwortet.

Vier Tweets zur Unmenschlichkeit

Ein Phänomen auf Twitter sind für mich das Rudelverhalten der Journalisten. Am 5. Mai 2016 schreibt die deutsche ‹Frankfurter Allgemeine Zeitung› (FAZ) auf Twitter: «Im Norden Syriens: Zahlreiche Tote bei #Luftangriff auf #Flüchtlingslager …» So viel zur reisserischen Überschrift, denn dass es ein «Luftangriff» war darf inzwischen objektiv bezweifelt werden. Selbst die Amerikaner trauen sich nicht mehr mit diesem Propaganda-Ball zu laufen - dazu gibt es in Syrien heute viel zu viel Luftaufklärung und Flugzeugortung. Der mit dem Tweet verknüpfte Online-Artikel konnte sich ohnehin nur auf diese viel zietierten «Aktivisten» berufen. Zum Zeitpunkt über das Internet verbreitetes Bildmaterial zeigte jedenfalls keine eindeutigen Spuren von Bombeneinschlägen. Ausserdem brennen Zelte in syrischen Flüchtlingslagern nicht zum ersten mal. Oft ist es wegen Gasflaschen-Unfällen, aber nicht selten auch wegen Terror-Angriffen mit Bombe oder Zündholz.

Unser SRF-Korrespondent verknüpft nun den FAZ-Artikel mit den Worten: «Kennt denn diese Unmenschlichkeit keine Grenzen?» Der oft für das Schweizer Fernsehen arbeitende, freischaffende «Kriegsreporter» Kurt Pelda (@KurtPelda) verknüpft Webers Tweet und bringt mit dem angeblichen «Luftangriff» Russland ins Gespräch: «So viel zu all jenen, die behaupteten, Russlands Intervention habe Bewegung in die Friedensgespräche gebracht.» Daraufhin greift Weber diesen Tweet auf und schreibt: «#Russland Intervention hat viel in Bewegung gebracht. Nur ganz sicher nicht Richtung ‹Frieden›.» Voilà - vier Tweets und die «Unmenschlichkeit» von einem wohl nie stattgefundenen «Luftangriff» wird mit Russland in Verbindung gebracht.

Webers Gesprächspartner, der Basler Pelda, ist freischaffender Journalist, scheint aber einen guten Draht zum Schweizer Fernsehen zu haben, welches seine Berichte praktisch immer aufnimmt und aus der Billag-Gebührenkasse dann auch bezahlen muss. «Mit #FSA-Kämpfern irgendwo in #Syrien», tweetet Pelda beispielsweise am 26. August 2014. Das mit dem «irgendwo» tönt für mich amüsant. Mehrmals schon schlich er sich über die türkische Grenze nach Syrien, wo er dann allerdings immer nur relativ grenznah bei Rebellen und kurdischen Einheiten filmt. Pelda spricht kein Arabisch. «Mein Dolmetscher ist gleichzeitig mein Fixer», erklärt er in einem am 4. September 2014 erschienenen Interview mit der Zeitung ‹Tageswoche› die Beziehung zu einem Mann, der ihn über die Grenze lotst. Exil-Syrer aus der Schweiz sollen ihm diesen Kontakt vermittelt haben. Für Pelda sei «Neutralität keine Option», wie er im Gespräch erklärt - er sei «Meinungsjournalist und kein objektiver Beobachter».

«Ich mag Ihre Meinung»

Was viele Journalisten - nicht nur Weber - auf Twitter durchblicken lassen, findet sich einerseits lauter, andererseits auch anspruchsvoller und raffinierter verpackt im Informationsangebot der SRG. Alleine schon die Kampfworte in den Sendungen und Online-Artikeln sind jedoch für mich ein Hinweis darauf, dass hier nicht neutral und seriös berichtet wird. Der syrische Krieg wird für mein Gefühl eindeutig und bewusst personalisiert und Regierungs-Soldaten gezielt entmenschlicht. «Assad-Regime», «Pro-Assad-Kräfte», «Assad-Truppen», «Assad-Gegner», «Assad-feindliche Truppen», «Streitfigur Assad», «Machthaber Assad», und am 16. Februar 2016 sogar «die Pest Assad» - ist das objektiver Journalismus? Zugleich werden die Regierungsgegner meiner Ansicht nach eher positiv beschrieben mit Bezeichnungen, wie «syrische Rebellen», «Freie Syrische Armee», «Aufständische» und sogar «Freiheitskämpfer».

Was Was Regierungsgegner berichten, scheint selten angezweifelt zu werden und wenn es Zweifel gibt wird meist eher am Ende eines Artikels oder einer Sendung diskret der übliche Haftungsausschluss angefügt: «Die Angaben können von unabhängiger Seite nicht überprüft werden.» Aussagen der rational wirkenden syrischen Regierung hingegen, werden oft gnadenlos schon beim Zitat abgeschossen. Beispiel Philipp Scholkmann am 21. April 2014 auf einer SRF-Webseite: «In der Zwischenzeit gewinnt Assads Propaganda-Argument, dass es in Syrien nicht um Freiheitskampf, sondern um islamistischen Terror gehe, international an Gewicht.»

Am 17. Oktober 2015 schreibt eine Twitter-Nutzerin an Weber «ich mag Ihre Meinung!» und dieser antwortet: «Danke sehr, das freut mich natürlich. Ich hoffe aber das hält Sie nicht davon an [sic], meine Meinung immer auch zu hinterfragen!» Nun, eine aktuelle, wahrheitsgemässe und objektive Darstellungsweise gehören zu den obersten Maximen des Journalismus. Unter den verschiedenen zusätzlichen Formen des Journalismus gibt es natürlich auch den Meinungs-Journalismus. Wenn Journalisten nur eine Meinung ausdrücken, darf man die mögen oder ablehnen. Meine Frage ist: Muss ich für Meinungen Billag-Gebühren zahlen?

Dominic H - 20-05-2016

Dominic H auf Twitter: @domihol > https://twitter.com/domihol .


Quelle:  Artikel wurde erstveröffentlicht auf seinem Blog > http://domiholblog.tumblr.com/ > Artikel .

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1. Alexis de Tocqueville  (* 1805; † 1859): "Das Publikum wird eher die einfache Lüge als die komplizierte Wahrheit glauben". Grafik: storyseeds. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

2. Baschar Hafiz al-Assad (* 11. September 1965 in Damaskus) ist seit dem Jahr 2000 Generalsekretär der Baath-Partei und Staatspräsident Syriens. Die Freischärler der FSA geben als Ziel den Schutz von Zivilisten und den Sturz der syrischen Baath-Regierung unter Baschar al-Assad an. Zur Erreichung ihrer Ziele greifen sie auch die staatlichen Sicherheitskräfte der Regierung an. Für die Obama-Fraktion ist die syrische Regierung ebenfalls die falsche und man setzt auf einen Sturz.

Urheber der Assad/Obama-Karikatur: DonkeyHotey. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0). The art of DonkeyHotey is a combination of caricature, photo collage and photo manipulation. The resulting work can be categorized as caricature, cartoon, illustration and art depending on the intent. Find out more about DonkeyHotey and caricature on his new website.

3. Cartoon: Khalaji / Fars News Agency, Iran. Quelle: SYRIA THE TRUTH - https://syriathetruth.wordpress.com/ .

4.  Mark Twain: "Es ist leichter die Menschen zu täuschen, als davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind." Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de.

5. Schweizerkreuz - Swiss Cross. Foto: Martin Abegglen, Bern. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

6. Die Schweizer Demokratie ist großer Käse. Sie wird weltweit gelobt und gepriesen, doch in der politischen Realität ist die Schweiz auch nur eine Scheindemokratie. Die kapitalistische „Demokratie" ist die raffinierteste Form von Diktatur. Käse-Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.de.

Wo liegen genau die Schwächen der Schweizer Demokratie?

In der Schweiz gibt es grundsätzlich zwei Probleme. Die ausländische Bevölkerung der Schweiz, rund ein Fünftel der Einwohner, kann gar nicht am politischen Prozess teilnehmen, obwohl sie Steuern zahlen und auf die Gesellschaft Einfluss nehmen. Im internationalen Vergleich ist die Schweiz hier am restriktivsten.

Aber fast noch gravierender ist, dass in der Schweiz die Wahl- und Abstimmungsbeteiligung bei nicht mehr als ca. 40 - 48 Prozent liegt. Zudem handelt es sich dabei mehrheitlich um Wohlhabende, Ältere, Gebildete und überproportional viele Männer. Diese Menschen haben andere Präferenzen als beispielsweise junge, ungebildete Frauen, die weniger am politischen Prozess teilnehmen.

(Zitat / Quelle: Marc Bühlmann im Tageszeiger-Artikel "Darum ist die Schweizer Demokratie nur Mittelmass". Marc Bühlmann ist Co-Leiter des Projektes Democracy Barometer, das innerhalb des NCCR Democracy am Zentrum für Demokratie Aarau, an der Universität Zürich und am Wissenschaftszentrum Berlin bearbeitet wird. Er forscht zu den Themen Partizipation, Demokratietheorie, Schweizer Politik und Direkte Demokratie.)

Weiterführende Infos auf . . .

  • Scheindemokratie - www.scheindemokratie.ch/. (Seite nicht mehr vorhanden, warum wohl?)

7. George Soros (*12. August 1930 in Budapest) ist ein US-amerikanischer Investor ungarischer Herkunft und Betreuer vieler Fonds, unter anderem des Quantum Funds. Bekannt wurde er, als er im September 1992 auf die Abwertung des britischen Pfunds wettete, am Ende damit rund eine Milliarde Dollar verdiente und den Mythos der britischen Zentralbank zerstörte. Angesichts der sich anbahnenden Finanzkrise, die er frühzeitig als Vorbote einer Rezession in den Vereinigten Staaten ansah, kehrte er 2007 ins spekulative Geschäft zurück und erzielte mit seinem Quantum Endowment Fund im selben Jahr eine Rendite von 32 Prozent, was ihm $ 2,9 Milliarden einbrachte.

2008 war Soros mit einem Einkommen von 1,1 Milliarden Dollar der bestbezahlte Hedgefonds-Manager. In den zwölf Monaten bis Juli 2009 stieg die Gesamtsumme des durch seine Investmentfirma Soros Fund Management verwalteten Vermögens um 40 Prozent auf 24 Milliarden Dollar. Sein Vermögen wird vom Forbes Magazine in seiner 2016er Liste der Milliardäre auf 24,9 Milliarden US-Dollar geschätzt, er ist damit auf Platz 23. Solche Menschen gehen über Leichen. Bitte weitere Infos über ihn bei Wikipedia nachlesen.

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