Staat und Polizei, Vater, Freund und Helfer
Arbeitermacht/OG Kassel zum „Hessentag“, Infomail 688, 13. Juni 2013
Auf dem Hessentag feiern die Hardliner, die Tradition im schwarz-gelb regierten Hessen haben. Das Innenministerium, Polizei und Führung sind nicht das erste Mal Gegenstand fruchtloser parlamentarischer Untersuchungsausschüsse.
Koksende Polizisten, die ihren Eigenbedarf aus der Asservatenkammer stillten und mit dem Stoff die Bezüge aufbessern, Spesenritter, Dienstgeheimnisverräter, „Suizide mit der Dienstwaffe“ sind die eine Seite der Medaille, auf der anderen stehen Drangsalierung, Verletzung, ja selbst Tötung von Menschen, vorzugsweise mit migrantischem Hintergrund: M. Ackermann, D. Wevelsiep, S. Kar, nicht vergessen Christy Schwundeck.
Oder Polizeigewaltexzesse gegen Jugendliche in Idstein, „Racial Profiling“ jeden Tag, hessenweit. 50 Verletzte bei antifaschistischen Blockaden in Frankfurt am 1. Mai. Schon wieder penetrantes Vorgehen gegen Insassen - unter ihnen Flüchtlinge der Refugeebewegung - von Berliner Bussen auf dem Weg nach Frankfurt, schließlich der „Einsatz“ gegen die ProtestlerInnen der diesjährigen Blockupy-Großdemonstration in Frankfurt.
War vielen AktivistInnen die Eliminierung von Recht und Gesetz anlässlich der Blockupy-Proteste 2012 noch in schlechter Erinnerung, die diesjährige Zahl der Verletzen, vom Kind bis zur RentnerIn, überragt selbst die Akzeptanz vieler, die wenig für die Bewegung übrig haben. De facto allen Teilnehmenden wurden Grundrechte verweigert: Körperliche Unversehrtheit, Bewegungsfreiheit, Demonstrationsrecht, Pressefreiheit. JournalistInnen wurden angegriffen, parlamentarische BeobachterInnen festgesetzt, und das, obwohl der Protest die rein symbolische Ebene nie verlassen hatte.
Im Polizeiapparat schleichen sich Argumentationen ein, es seien die anderen, die „auswärtigen“ nicht-hessischen Prügeleinheiten für die Exzesse am Blockupy-Samstag verantwortlich. Oder es handele sich gar um eine spontan autonom agierende Gewaltstruktur in den ansonsten friedliebenden Einheiten. Was davon zu halten ist, sollen die einschätzen, die nicht das erste Mal „hautnah“ mit der hessischen Polizeigewalt in Berührung kamen.
⇒ Frankfurt - eine Zäsur
Sich seitens der Exekutive eigenmächtig über das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes zu erheben und eine Demonstration von 20.000 Menschen 9 Stunden lang mit menschenverachtenden Methoden zu verhindern, da war selbst für die konservative Presse der Bogen überspannt. Und das nur zum Teil als Preis dessen, dass Personen der Presse polizeilich angegriffen, verletzt oder deren Equipment mutwillig zerstört wurde. Der Aufschrei gegen die Eliminierung der Grundrechte war massiv. Ist es die Antizipation von Verhältnissen im sich gern liberal gebenden Frankfurt, die man glaubte auf die Länder Südeuropas eingrenzen zu können, in denen Recht und Gesetz längst den Spardiktaten der Troika untergeordnet werden, wo Demokratie zur Farce geworden ist? Soviel Bezug von Protestgrund und Staatsverhalten vermochte die bürgerliche Presse natürlich nicht herzustellen. So ging es auf der Verhaltensebene weiter und man wandte sich nur gegen „überzogene und willkürliche“ Polizeigewalt, Na prima!
⇒ Was also betreibt die schwarz-gelbe Landesregierung?
Wahlkampf mit dem Polizeiknüppel? Das bekannte Fischen im schwarz-braunen Teich? Oder die Verhinderung von Protestbildern vorm Sitz der EZB? Sollte die Bewegung durch Entsolidarisierung gespalten werden oder fürchtet man ein Wiederkommen von größerem Protest nächstes Frühjahr, zur Einweihung der neuen EZB? Oder gar bei Durchschlag der Krise nach Kerneuropa? Und von wie weit kam die Order? Viele Fragen! Keine Antworten.
Bemerkenswert ist dabei: So aggressiv staatliche Institutionen gegen das offensichtlich Missliebige vorgehen, so rücksichtsvoll, kooperativ oder wegsehend verhalten sich die Repressionsorgane gegenüber faschistischen Kräften. Dort machen sie doch in der Regel den Weg frei! Doch nicht nur bei Naziaufmärschen sorgen sich Innenminister und Polizei um deren Gelingen.
So hat Ministerpräsident Bouffier, damalig noch hessischer Innenminister, die Befragung durch parlamentarische Organe von V-Leuten bezüglich der NSU-Morde offensiv verhindert. Eine weitergehende Untersuchung des Mordes am Kasseler Halit Yozgat durch die hiesige Polizei wurde selbst zu deren Erstaunen von „oben“ untersagt. Der beim Mord anwesende V-Mann Andreas T. - der „kleine Adolf“ - aus dem nordhessischen Hofgeismar, arbeitet immer noch bei der Behörde. Wen wundert es da noch, dass Bouffier für das Amt von Polizeipräsidenten rechtswidrig Wunschkandidaten einsetzt und gemeinsam mit dem damaligen Staatssekretär und heutigem Innenminister Rhein versuchte, dieses Vorgehen gegenüber der Öffentlichkeit und dem Parlament zu vertuschen. Das sei nur am Rande bemerkt, sollte uns aber spätestens dann wieder einfallen, wenn diese Herren laut von Sicherheit, Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit schwadronieren.
⇒ Fazit:
Diese Form der Herrschaftsausübung ist im bürgerlichen Staat nicht zu beenden, ohne ihn selbst zu beenden. Wir fordern:
- Sofortige unabhängige Untersuchung aller Vorgänge rund um den 1. Juni. Schadenersatz und Schmerzensgeld an alle Betroffenen!
- Unmittelbare Löschung der gespeicherten Daten! Einstellung aller Verfahren, auch jener von 2012 und Übernahme der Auslagen der Betroffenen!
- Sofortiges Verbot von Pfefferspray-Einsätzen!
-
Rücktritt von Bouffier, Rhein, Frank und Thiel!
► Quelle: Gruppe Arbeitermacht - deutsche Sektion der Liga für die 5. Internationale > zum Artikel