Stoff zum Nachdenken: Der Zinseszinseffekt

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Stoff zum Nachdenken: Der Zinseszinseffekt
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Stoff zum Nachdenken: Der Zinseszinseffekt


Die Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling aus 83022 Rosenheim hat auf ihrer Webseite einen Text mit dem Titel "Stoff zum Nachdenken: Der Zinseszinseffekt" veröffentlicht.

Wow, alle Achtung. Die Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling als Anstalt des öffentlichen Rechts traut sich das auf Zins und Zinseszins basierende Geldsystem zu kritisieren? RESPEKT. RESPEKT.

Wie lange wird der nachfolgende Text wohl noch auf der Sparkassenseite veröffentlicht sein? Als Beweis für die Authentizität dieses wohl einmaligen historischen Zeitdokuments seitens eines Geldinstituts und um die klaren Aussagen für die Nachwelt zu konservieren, habe ich zwei Screenshots gemacht und sie am Ende an den Text angehängt.  
 



Stoff zum Nachdenken: Der Zinseszinseffekt


Darüber sind sich selbst die Fachleute selten einig. Ist es die Finanzpolitik? Sind es die nationalen oder internationalen Zentralbanken? Nein, es ist ein Konstruktionsfehler in unserem Geldsystem: der Zins auf Zins.

Wir befinden uns in einem soliden „Denkgefängnis“, in dem wir uns in Bezug auf das Thema „Geld“ eingerichtet haben. Die Kritik am Geldsystem stimmt zwar, aber wir verfügen nicht über die Macht und den Willen, es zu ändern. Der Zins gehört zum Eingangsparadigma, das alle Ökonomen akzeptieren müssen – vom Bankberater bis zum anerkannten Experten der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre. Alle ökonomischen Modelle und Berechnungen setzen den Zins als gegeben voraus.

Die Frage hierbei ist: Wollen wir ein Geldsystem, das Stabilität gewährleistet? Oder bevorzugen wir ein System, das großen Wohlstand auf Kosten anderer ermöglicht? Langfristig wird jedes Geldsystem durch Zins und Zinseszins zusammenbrechen.

Doch unser Geldsystem ist nicht gottgegeben. Wir Menschen haben es geschaffen und könnten es auch wieder verändern. Es gibt Lösungsansätze und Geldentwürfe (z.B. das Regionalgeld-Projekt „Chiemgauer“), die einen Nutzen optimieren und helfen, Geld zu schaffen, das weder einem krankhaften Wachstumszwang unterliegt, noch eine ständige Umverteilung von der großen Mehrheit der Menschen zu einer kleinen Minderheit verursacht. Der Trend hält unvermindert an, wie aus dem aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hervorgeht.

Geld ist eine der genialsten Erfindungen der Menschheit. Ohne Geld gäbe es keine Spezialisierung und damit keine arbeitsteilige Zivilisation. Aber wir haben ein völlig festgefahrenes Verständnis davon entwickelt, was Geld ist – als sei das heutige das einzig denkbare oder akzeptable Geld.

Jeder natürliche, gesunde Organismus hört ab einer bestimmten Größe auf zu wachsen. Im Hinblick auf das Geld trifft dies jedoch nicht zu. Das auf Zins und Zinseszins basierende Geldsystem ist kein natürlicher Organismus. Dieses künstliche Konstrukt folgt einem grundlegend anderen Wachstumsmuster – dem sogenannten exponentiellen oder Verdoppelungswachstum – verursacht durch den Zinseszinseffekt.

Anfangs wächst das verzinste Geld um sehr geringe Beträge, dann aber kontinuierlich schneller und schließlich verläuft die Wachstumskurve fast senkrecht. Geld verdoppelt sich in regelmäßigen Abständen durch Zins und Zinseszins.

Je höher der Zins, desto schneller, je niedriger der Zins, desto langsamer führt es zum Kollaps. Das gilt spiegelbildlich auch für die Schulden. Sehr dramatisch zeigt sich da die Situation in den „Entwicklungsländern“. Ein afrikanischer Präsident äußerte sich 2008 auf einem Gipfeltreffen wie folgt:

„Wir haben 1985/1986 fünf Milliarden Dollar geliehen. Bis jetzt (2008) haben wir 16 Milliarden Dollar zurückgezahlt. Jetzt wird uns gesagt, dass wir immer noch Schulden haben, wegen der Zinsraten mit seinem Zinseszinseffekt der Kreditgeber“.

Ist ein immer größeres Wachstum, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), wirklich der ultimative Wohlstandindikator? Oder sollte man nicht Bedingungen schaffen, die das Streben nach möglichst hohem Bruttoinlandsglück fördern? Darüber sollten wir nachdenken.

Das Thema des Monats ist Teil des kostenlosen Zins & Börse Newsletters Ihrer Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling.
 



Quelle: Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling: "Stoff zum Nachdenken: Der Zinseszinseffekt" weiter

 


 

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Marie-Luise Volk
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Verbunden: 28.10.2010 - 13:29
Mathematische Gesetzesmäßigkeiten


Mathematische Gesetzesmäßigkeiten


Als mir die „Offenbarung“ der Sparkasse in Rosenheim-Bad Aibling zugespielt wurde, konnte ich es kaum glauben: Eine Bank, die auf die Ursachen des Finanzdesasters eingeht! Sitzen bei der Bank etwa sogenannte „Neurechte“, wie Jutta Ditfurth despektierlich Kritiker des Geldsystems bezeichnet?

Offensichtlich gibt es immer mehr Menschen, die mathematische Gesetzesmäßigkeiten anerkennen. Da nutzen alle „Spiegelfechtereien“ nichts. Eins und Eins ist Zwei – Punkt.

Auch der Wirtschaftsanalytiker und Publizist Helmut Creutz, Autor des erstmals 1993 erschienenen Buches „Das Geldsyndrom“ (2012 gab Creutz fast 90-jährig eine vollständig überarbeitete Neuausgabe unter dem Titel Das Geld-Syndrom 2012 beim Wissenschaftsverlag Mainz, Aachen, heraus.) ging es irgendwann mal ebenso. Er wurde aufgefordert, sich doch mal mit den Zusammenhängen zwischen Geld und Wirtschaft und Wirtschaft und Währung zu befassen. Und es war sein mathematisches Verständnis, das ihn erkennen ließ, dass im Geldbereich unsere Wirtschaftsprobleme liegen. Er sagte: Ich habe immer an meine Zahlen geglaubt. Und „Mathematisch gesehen ist der Kollaps unseres Geldsystems unvermeidlich. Wenn ein Staat mehr Zinsen zahlt als er Kredite aufnehmen kann, bricht er zusammen.“

Regelrecht ketzerisch stellt Helmut Creutz in seinem o.g. Buch die Frage, ob sich der Mensch verändern muss. Viele Religionen haben – nachweislich vergeblich – versucht, Einfluss zu nehmen. Es sind nur marginale Erfolge sichtbar.

Auch der Kommunismus ist mit seiner Umerziehung gescheitert. Verändert man aber die Rahmenbedingungen um Arbeitslosigkeit, Verelendung und sozialen Abstieg zu verhindern, kann sich beim Zusammenleben der Menschen Positives entwickeln.

Das inzwischen vergessene „Wunder von Wörgl“, dankenswerterweise in ZEIT ONLINE am 28.12.2010 wieder aufgegriffen, belegt die wundersame Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen durch ein Geldsystem, was zirkuliert. (⇒ Artikel "Das Wunder von Wörgl")

Erinnert sei auch an die sogenannte „Brakteaten-Zeit“, Hochmittelalter von 1150 – 1450. Ca. 300 Jahre lang funktionierte ein Geldsystem, was umlaufgesichert war. Unter Umlaufsicherung verstand man, wenn 5 alte Münzen durch 4 neue ausgetauscht wurden. Die Differenz von 1 Münze war der „Schlagschatz“ und reichte aus, um den Staatshaushalt zu finanzieren. Geld zu horten lohnte sich also nicht – es verlor dadurch an Wert, weil es zwei Mal im Jahr „verrufen“ wurde.

Während der Brakteatenzeit gab damals schon eine 5-Tage-Woche(!) und zusätzlich zu den Wochenenden bis zu 70 (!) Feiertage im Jahr. Zeugen der wirtschaftlichen Blüte sind die Orte wie Dinkelsbühl, Rothenburg, Nördlingen oder Lübeck. Orte, die den Bombenhagel des letzten Weltkriegs überstanden haben, zeugen heute noch von einer Zeit, die durch ein anderes Geldsystem wirtschaftliche Blüte erlebte.

Helmut Creutz ließ uns wissen: "Der Zusammenbruch des Geldsystems ist wohl nicht mehr aufzuhalten. Was wir tun können ist, dass wir unser Wissen verbreiten, damit beim Neuanfang nicht wieder der gleiche Fehler gemacht wird." Auf jeden Fall ist die Botschaft der Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling ein Zeichen dafür, dass das Wissen um den "Webfehler" in unserem Geldsystem nicht mehr unter dem Deckel gehalten werden kann.

 

Das Geld-Syndrom 2012 – Wege zu einer krisenfreien Wirtschaftsordnung
Aktualisierte Neuausgabe. ISBN 10: 3-8107-0140-8, ISBN 13: 978-3-8107-0140-4, Druck&Verlagshaus Mainz, Wissenschaftsverlag, Aachen, Euro 16,80

Viele Grüße

Marie-Luise Volk

 

 

 

 

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