Toll-Collect: ein Tollhaus der Konzernbegünstigung

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Toll-Collect: ein Tollhaus der Konzernbegünstigung
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Toll-Collect: ein Tollhaus der Konzernbegünstigung


Gestern abend habe ich im WDR „Die Story - Staatsgeheimnis Lkw-Maut - Wie Politik und Großkonzerne kungeln“ gesehen. Diese hat mich derartig aufgebracht, daß ich mir Luft machen muß.

 
Die Story über die Entstehung des LKW-Mautsystems Toll-Collect - ein Joint Venture von Telekom (45 %), Daimler-Benz (45 % und Cofiroute (10 %) - ist ein Paradebeispiel eines ruinösen gigantischen PPP-Projekts zu Lasten der Steuerzahler und zum Wohle der Großkonzerne. Wir sind es ja gewöhnt, daß bei öffentlichen Großbaustellen die Bürger und die Parlamente umgangen werden und Milliarden sinnlos in den Sand gesetzt werden, wobei die Wirtschaft sich eine goldene Nase verdient. Toll-Collect setzt dem Faß noch eine Krone auf, in der Art und Weise wie Bundeskanzlerin Merkel und das Verkehrsministerium von Raumsauer öffentliche Mittel veruntreuen. Es handelt sich um eine ungeheuerliche Chuzpe, die uns von unseren regierungsamtlichen Steuergeldverschwendern zugemutet wird.
 
 
 
 
Der Kommentar zur WDR-Sendung lautet wie folgt:
 
„Ein Segen für die klamme Staatskasse und ein High-Tech-Aushängeschild für die deutsche Industrie, das sollte das Lkw-Mautsystem „Toll-Collect“ einmal werden – jetzt wird die Bundesregierung wird von ihrer Vergangenheit eingeholt. Ob Toll-Collect weiterhin die deutsche Lkw-Maut eintreiben soll, ist noch nicht endgültig entschieden.
 
Tatsächlich wurde die Maut zum Paradebeispiel für eine verkorkste Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, die viele Verlierer hinterlässt – vor allem den Steuerzahler: Der hätte allein für die verpatzte Einführung der Lkw-Maut Anrecht auf 7 Milliarden Euro Schadenersatz. Wie konnte es dazu kommen? Und warum tun die Parteien kaum etwas, um jetzt, zum Auslaufen des Vertrages, einen sinnvollen Neubeginn zu ermöglichen?
 
Die Story-Autoren schauen, wie sich Toll-Collect entwickelt hat, angefangen beim Ideengeber Steinbrück, über alle Regierungen von rot-grün bis schwarz-gelb, sekundiert von immer der gleichen Wirtschaftkanzlei. Die schuf ein Mammut-Vertragswerk, zu dem die Abgeordneten immer noch nicht vollen Zugang haben, obwohl sie bald über eine Vertragsverlängerung zu entscheiden sollen – oder eine Auflösung.
 
Wahrscheinlich ist, dass das Pleite-Konsortium aus Daimler-Benz, Telekom und Cofiroute weitermachen wird wie bisher. Aus dem Schadenersatz wird dann wohl auch nichts.“
 
Das PPP-Projekt Toll-Collect war von Beginn an verkorkst und wurde von der rot-grünen Koalition initiiert. Um die deutschen Vorzeigekonzerne Telekom und Daimler zu begünstigen, hat man technische ausgereiftere und günstigere Systeme in den Wind geschlagen. Die Einführung von Toll-Collect war ursprünglich für den 31.8.2003 vorgesehen – allerdings ist es erst durch das technische Versagen der Anbieter zum 1.1.2006 zu einem reibungslosen Funktionieren gekommen. Wegen der Verzögerungen der dadurch bedingten fehlenden Mauteinnahmen ist noch immer ein Gerichtsverfahren wegen Rückforderungen in Höhe von 7 Milliarden Euro anhängig. 
 
Das Mautprojekt wurde von Anfang an, wie es in Demokratien unseres Zuschnitts üblich ist, unter höchstmöglicher Geheimhaltung betrieben, so daß die Bedingungen, der Ablauf und die Pannen so weit wie möglich dem Parlament und der Öffentlichkeit vorenthalten wurden. Anbieter alternativer, kostengünstigerer und technisch ausgereifterer Mautsystem wurden bis heute nicht vom Bundesverkehrsministerium angehört. In der Schweiz oder GB sind Versionen in Betrieb, die es ermöglichen, die Maut auf sämtliche Straßen auszudehnen, wozu Toll-Collect nicht in der Lage ist. Es liegt doch auf der Hand, daß LKWs auf Bundes- oder Landstraßen höhere Kosten und Umweltschäden anrichten als auf Autobahnen. Weshalb dann ausgerechnet diese Benutzung kostenlos sein soll, ist eigentlich nicht nachzuvollziehen. Denkbar und sinnvoll wäre eine Verfahrensweise, die außerhalb von Autobahnen eine höhere Gebühr einfordert als dort. Aber zu Überlegungen dieser Art ist Herr Ramsauer nicht fähig oder in der Lage.
 
Zur Zeit hat man im Verkehrsministerium den Vertragsablauf mit Toll-Collect verpennt (Absicht ?) und Ramsauer ist nicht bereit, auf die mögliche Call-Option einzugehen, die eine Übernahme des Systems durch den Bund ermöglichen würde. Interne (schriftlich vorliegende) Empfehlungen von Mitarbeitern haben dies vorgeschlagen und vor den wesentlichen Mehrkosten bei einer Vertragsverlängerung von 3 Jahren mit dem Konsortium gewarnt. Doch Ramsauer hat diese Hinweise in den Wind geschlagen und riskiert – wohl mit Rückendeckung der Kanzlerin, der die internationale Reputation der Konzerne mehr am Herz liegt als der Staatshaushalt – Mindereinnahmen in Milliardenhöhe. Das Firmenkosortium sitzt nun am längeren Hebel und kann den Staat erpressen, weil es versäumt wurde, Alternativangebote hereinzuholen.
 
Das ist aber noch nicht alles. Vor 8 Jahren hat ein Spediteur ein Verfahren wegen unberechtigter Mautzahlung in Höhe von 22 (!!!) Euro angestrengt. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat ihm vor kurzem in letzter Instanz Recht gegeben. Daraufhin haben weitere 2000 Spediteure geklagt, so daß mit Rückerstattungsforderungen von ca. 2 Milliarden € zu rechnen ist. Die Folge davon ist jedoch eine rechtliche Situation, die die Legitimation des anfänglichen Mautsystems in Frage stellt, so daß der o. a. Rückforderung des Bundes von 7 Milliarden € wegen Verzugs der Boden entzogen ist. Der Prozeß um 22 € kostet den Bund also wahrscheinlich damit insgesamt 9 Milliarden € an Einnahmen. Ein Fiasko, für das anscheinend niemand zur Verantwortung gezogen wird. 
 
Wenn ich mir dieses Versagen und die Fehlentscheidungen der politisch Verantwortlichen anschaue, dann muß ich mir die Frage stellen: Welche Schwachmaten, Stümper und Korrupte sind in Berlin als Kanzlerin, Minister oder Staatssekretär angestellt? Angesichts solcher Verfehlungen, die sich über die gesamte politische Palette ausdehnen, finde ich es eine Anmaßung ohnegleichen, sich ungerührt wieder zur Wahl stellen zu lassen. Das gleiche gilt für die Parteien aus Vorgängerregierungen, die ebenfalls am allgemeinen Schwachsinn beteiligt sind. Wo bleibt der Zorn und Widerstand der Bürger?
 
In diesem Zusammenhang nachfolgend ein Kommentar von LOBBY CONTROL zum Paradies für Lobbyisten, die Vorzeigedemokratie Deutschland, die im Stile einer Bananenrepublik es nicht für nötig hält, die UN-Konvention gegen Korruption zu unterzeichnen:

"Deutschland ist schön – schön für Lobbyisten. In Deutschland kann ein Lobbyist zugleich Abgeordneter sein, er kann einem Minister während dessen Amtszeit einen gutbezahlten Lobbyjob anbieten oder Parteien über das Sponsoring beliebig viel Geld zukommen lassen, ohne dass die Zahlungen öffentlich werden.

Lobbyisten müssen keine Angaben machen, für wen sie arbeiten und wieviel Geld sie zur Beeinflussung der Politik ausgeben. Die Abgeordnetenbestechung ist nur beim direkten Stimmenkauf strafbar, die UN-Konvention gegen Korruption hat Deutschland immer noch nicht ratifiziert. Das ist Deutschland 2013 – und das ist inakzeptabel."

 
Peter A. Weber