Transatlantisches Freihandelsabkommen (TAFTA)

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Transatlantisches Freihandelsabkommen (TAFTA)
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Transatlantisches Freihandelsabkommen

....als Basis für globalen Wirtschaftsfeudalismus

Das Transatlantische Freihandelsabkommen, Trans-Atlantic Free Trade Agreement (TAFTA) oder Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) ist in der letzten Zeit öfters im Zusammenhang mit Möglichkeiten der Verwendung als Faustpfand gegen die NSA-Ausspionage aufgetaucht. Natürlich ist von den verantwortlichen Politikern der Einsatz dieses Faustpfandes niemals ernsthaft in Erwägung gezogen worden. Und es ist auch typisch für unsere ach so investigativen Medien, daß die gravierende globale Bedeutung und Auswirkung dieses Abkommens, sofern es wie vorgelegt verabschiedet wird, mit keinem Wort erwähnt wurde.

Heute ist Peter A. Weber und mir ein Artikel zu Augen gekommen, der genau dieses gewichtige Thema aufgegriffen hat: Der Beitrag trägt den Titel „TAFTA - die große Unterwerfung“ – erschienen in der Le Monde Diplomatique und stammt von Lori Wallach, einer amerikanischen Rechtsanwältin mit dem Spezialgebiet Handelsrecht. Sie hat die Thematik in der ihr gebührenden und herausragenden Bedeutung erkannt und behandelt sowie einen Warnschuß abgeben, der uns dazu veranlassen soll, gegen dieses schädliche Projekt vorzugehen und unsere verantwortlichen Politiker dazu zu zwingen, die Interessen des Volkes in dieser Angelegenheit zu vertreten.

Das Team von Bewegung.taz.de schreibt zum Artikel von Lori Wallach: (siehe Foto)

„Die Verhandlungen für das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen TAFTA oder TTIP finden im Geheimen statt.  Aus gutem Grund, denn es handelt sich um eine Art Staatsstreich der Konzerne, schreibt Lori Wallach in der neuen Ausgabe der Le Monde Diplomatique. Das TTIP ist eine Bedrohung völlig neuer Dimension, da es den Konzernen weitreichende Privilegien, Klagerechte und Entschädigungszahlungen gegen "investitionsfeindliche" Gesetze und Regulierungen der Teilnehmerstaaten ermöglicht. Dies betrifft die Sicherheit und Kennzeichnung von Lebensmitteln, die Grenzwerte chemischer und toxischer Belastung, das Gesundheitswesen und die Arzneimittelpreise, das Recht auf Privatsphäre im Internet, Energieversorgung und kulturelle "Dienstleistungen", Patente und Urheberrechte, die Nutzung von Land und Rohstoffen, die Rechte und die Arbeitsmöglichkeiten von Immigranten, die öffentliche Auftragsvergabe und vieles andere mehr...“

Dieser „Staatsstreich“ in Zeitlupe wurde sorgfältig geplant – die entsprechenden Verhandlungen sind im Juli 2013 hinter verschlossenen Türen aufgenommen worden. Man beabsichtigt, dieses Abkommen der sog. transatlantischen Freiheitszone möglichst unangefochten bis 2016 durchzupeitschen. Überhaupt bezieht sich der Begriff „Freiheit“ in diesem Zusammenhang ausschließlich auf Freiheiten der Wirtschaft, die gegen die bürgerlichen ausgespielt werden dürfen: Der offensichtliche Vorsatz, der sich dahinter verbirgt, ist die Ausstellung eines Persilschein oder Freiheitsbriefs für globalen Wirtschaftsfeudalismus, der nicht mehr politisch oder durch Bürgervoten zu steuern ist. Man könnte den Vergleich einer „Wirtschafts-NATO“ anwenden. Die für Konzerne, Unternehmen und natürlich die Kapitaleigner daraus resultierenden riesigen profitablen Vorteile wären immens, dauerhaft bindend und praktisch nicht umzukehren, weil für jede der einzelnen vereinbarten Passagen eine Änderung nur einstimmig von sämtlichen Unterzeichnerstaaten durchgeführt werden kann.
 


 

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TAFTA - die große Unterwerfung

von Lori Wallach

Aufgeregte Politiker von Berlin bis Brüssel sehen durch den NSA-Skandal das Transatlantische Freihandelsabkommen in Gefahr. Über das, was in dem angestrebten Vertrag stehen soll, reden sie nicht so gern. Ein Blick auf die ersten Blaupausen lässt ahnen, was Europas Bürger nicht zu früh erfahren sollen.

Bereits vor fünfzehn Jahren versuchten Großunternehmen bei den Verhandlungen über das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) ihre Macht heimlich still und leise in unvorstellbarem Maße auszuweiten. Damals scheiterte das Projekt am hartnäckigen Widerstand der Öffentlichkeit und der Parlamente. Damit wurde unter anderem verhindert, dass sich einzelne Konzerne denselben Rechtsstatus wie Nationalstaaten verschaffen konnten. Das hätte etwa bedeutet, dass Unternehmen eine Regierung verklagen können, "entgangene Gewinne" aus Steuergeldern auszugleichen.

Jetzt aber kommen diese Pläne erneut auf den Tisch, und zwar in deutlich verschärfter Fassung. Der offizielle Name des neuen Projekts lautet "Transatlantic Trade and Investment Partnership", abgekürzt TTIP. Dieses transatlantische Handels- und Investitionsabkommen soll, ähnlich wie früher das MAI, die Privilegien von Konzernen und Investoren absichern und sogar noch ausweiten. So wollen die EU und die USA ihre jeweiligen Standards in "nicht handelspolitischen" Bereichen vereinheitlichen. Diese angestrebte "Harmonisierung" orientiert sich erwartungsgemäß an den Interessen der Konzerne und Investoren. Werden deren Standards nicht erfüllt, können zeitlich unbegrenzte Handelssanktionen verhängt werden. Oder es werden gigantische Entschädigungen für die Unternehmen fällig.

Die Verhandlungen über diese Art Staatsstreich in Zeitlupe haben im Juli dieses Jahres in Washington begonnen - mit der erklärten Absicht, in zwei Jahren ein Abkommen zu unterzeichnen, das eine transatlantische Freihandelszone (Transatlantic Free Trade Area, Tafta) begründen wird. Das gesamte TTIP-Tafta-Projekt gleicht dem Monster aus einem Horrorfilm, das durch nichts totzukriegen ist. Denn die Vorteile, die eine solche "Wirtschafts-Nato" den Unternehmen bieten würde, wären bindend, dauerhaft und praktisch irreversibel, weil jede einzelne Bestimmung nur mit Zustimmung sämtlicher Unterzeichnerstaaten geändert werden kann.


Wirtschafts-Nato mit grenzenlosen Befugnissen

Weil die global operierenden US-Konzerne eine ähnliches Partnerschaftsabkommen für den pazifischen Raum (Trans-Pacific Partnership oder TPP) anstreben, würden wir auf ein System zusteuern, das die Herrschaft der mächtigsten Kapitalgruppen über den Großteil der Welt zementiert und juristisch absichert. Denn auch andere Staaten wären gezwungen, bei der TTIP oder der TPP anzudocken. Sie müssten sich also im Handel mit der USA und der EU nach deren Regeln richten.

In den USA reagieren die Wähler, die Präsident Obama sein Versprechen eines "glaubhaften Wandels" abgenommen haben, teils depressiv, teils wütend. Denn was er ihnen als Regelwerk für die Weltwirtschaft auf der Höhe des 21. Jahrhunderts verkaufen will, läuft darauf hinaus, dass die von den sozialen Bewegungen des 20. Jahrhunderts durchgesetzten Fortschritte großenteils wieder rückgängig gemacht werden.

Die Verhandlungen über das TTIP-Tafta-Projekt finden hinter verschlossenen Türen statt. Damit wird gewährleistet, dass jenseits des geschlossenen Zirkels der "Handelspolitiker" niemand beizeiten mitbekommt, was tatsächlich auf dem Spiel steht.(1) Andererseits haben 600 offizielle Berater der Großkonzerne privilegierten Zugang zu den Dokumenten und zu den Entscheidungsträgern. Textentwürfe werden nicht veröffentlicht, die Öffentlichkeit und die Presse werden außen vor gelassen, bis der endgültige Deal unter Dach und Fach ist.

Der im Juni zurückgetretene US-Handelsminister Ron Kirk hatte im Mai 2012 in einem Anfall von Aufrichtigkeit erklärt, warum eine solche Geheimhaltung erforderlich sei: In einem früheren Fall ist der Entwurf für ein umfassendes Handelsabkommen publiziert worden, und deshalb sei es am Ende gescheitert.(2 )Kirk bezog sich auf den ersten Anlauf zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta, dessen Text 2001 auf die Website der Regierung gestellt worden war. Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren sagte dazu: Ein Papier, das die Öffentlichkeit scheuen müsse, dürfe gar nicht unterzeichnet werden.(3)

Für die Heimlichtuerei gibt es einen einfachen Grund. Ein solches Abkommen würde die nationalen Regierungen bis hinunter zu den Kommunalverwaltungen verpflichten, ihre aktuelle und künftige Innenpolitik dem umfangreichen Regelwerk anzupassen. In diesem Abkommen wären auf diplomatischer Ebene ausgehandelte Gesetzesvorgaben festgeschrieben, die nach dem Wunsch der Unternehmen auch viele nicht handelsbezogene Bereiche beträfen: etwa die Sicherheit und Kennzeichnung von Lebensmitteln, die Grenzwerte chemischer und toxischer Belastung, das Gesundheitswesen und die Arzneimittelpreise, das Recht auf Privatsphäre im Internet, Energieversorgung und kulturelle "Dienstleistungen", Patente und Urheberrechte, die Nutzung von Land und Rohstoffen, die Rechte und die Arbeitsmöglichkeiten von Immigranten, die öffentliche Auftragsvergabe und vieles andere mehr.

Die Unterzeichnerstaaten müssten gewährleisten, dass "ihre Gesetze, Regelwerke und administrativen Verfahren" die im Abkommen vereinbarten Vorgaben einhalten. Im Zweifel würden sie dazu gezwungen: Bei etwaigen Verstößen gegen den Vertrag müsste sich der jeweilige Staat einem Streitschlichtungsverfahren unterwerfen, wonach das renitente Land mit Handelssanktionen belegt werden kann.

Dass das nicht übertrieben ist, zeigt ein Blick auf andere Handelsabkommen mit dem attraktiven Etikett "Freihandel": 2012 untersagte die WTO den USA eine Kennzeichnung für Konserven, die den Schutz von Delfinen garantiert oder die Herkunft von Fleischprodukten nachweist. Und die EU unterlag der WTO im Konflikt um genveränderte Lebensmittel. Und sie muss auf WTO-Beschluss zig Millionen Euro Strafe zahlen, weil sie Wachstumshormone für Schlachttiere verbietet.

Wenn das TTIP-Tafta-Projekt zustände käme, könnte jeder beliebige Investor, der in einem der beteiligten Länder engagiert ist, alle möglichen "nicht handelsbezogenen" Bestimmungen unter Beschuss nehmen - genau so, wie es in dem gescheiterten MAI-Abkommen von 1998 vorgesehen war.

Allein dies macht das TTIP-Projekt zu einer Bedrohung von völlig neuen Dimensionen. Und da jede nachträgliche Vertragsänderung der Zustimmung sämtlicher Signatarstaaten bedarf, wären die reaktionären Inhalte des Abkommens durch demokratische Kontrollmechanismen wie Wahlen, politische Kampagnen und öffentliche Protestaktionen nicht mehr angreifbar.

Politisch brisant ist auch die Rolle des Schiedsgerichts, das es einzelnen Konzern ermöglichen soll, einem Staat gewissermaßen auf Augenhöhe entgegenzutreten. Die dreiköpfigen Kammern wären unter Aufsicht der Weltbank und der UNO organisiert und könnten staatliche Entschädigungszahlungen anordnen, wenn sie befinden, dass die Politik oder bestimmte Maßnahmen einer Regierung die "erwarteten künftigen Profite" eines Unternehmens schmälern. Dieses Schlichtungsregime macht klar, dass die Rechte von Unternehmen höherwertig sein sollen als die Souveränität von Staaten. Es würde Unternehmen ermächtigen, die Regierungen der USA oder eines EU-Staats vor ein außergerichtliches Tribunal zu zerren. Und zwar mit dem schlichten Argument, dass die Gesundheits- oder Finanz- oder Umwelt- oder sonstige Politik dieser Regierung ihre Investorenrechte beeinträchtigt.

Dieses System einer extremen Begünstigung der Unternehmensinteressen, das im Fall des MAI-Abkommens noch gescheitert war, wurde seitdem bereits in mehreren "Freihandelsabkommen" der USA verankert. Dadurch flossen mehr als 400 Millionen Dollar an Steuergeldern an Unternehmen, die gegen Verbote giftiger Substanzen, Lizenzregeln, Gesetze über Wasserschutz oder Waldnutzung und andere "investitionsfeindliche" Regelungen geklagt hatten.(4) Vor diesen Tribunalen sind derzeit Klagen von Unternehmen mit einem Streitwert von 14 Milliarden Dollar anhängig, die sich etwa auf die Arzneimittelzulassung, auf die Haftung für Umweltschäden oder auf Klimaschutz- und Energiegesetze beziehen.

Das TTIP-Tafta-Projekt würde diesem Drohinstrument der Investoren gegenüber dem Staat eine ganz neue Reichweite verschaffen. Denn dann könnten Tausende von Unternehmen, die in den USA wie in der EU Geschäfte machen, alle möglichen staatlichen Gesetze zum Schutz der Gemeinschaftsinteressen aufs Korn nehmen. 3 300 EU-Unternehmen besitzen mehr als 24 000 Tochterunternehmen in den USA, von denen jedes sein Investoreninteresse gegenüber dem Staat einklagen könnte. Umgekehrt könnte auf die EU eine Welle von Investorklagen seitens der 50 800 Tochterfirmen zukommen, die 14 400 US-Unternehmen in den Ländern der Europäischen unterhalten. Insgesamt wären so 75 000 beidseitig registrierte Unternehmen in der Lage, ein politisches System zu untergraben, auf das sich die Bürger bislang verlassen haben.

Das System einer Streitschlichtung zwischen Investoren und Staat (Investor-statedisputesettlement, ISDS) wurde angeblich im Hinblick auf Entwicklungsländer ohne verlässliches Justizsystem ersonnen. Das heißt, Investoren sollten im Fall einer Enteignung ihrer Fabriken, Bergwerke oder Plantagen gegenüber dem einheimischen Staat eine Entschädigung durchsetzen können. Nun sind die USA und die EU keineswegs unterentwickelte Regionen. Und sie verfügen über Justizsysteme, die zu den stabilsten der Welt gehören; auch von mangelndem Schutz des Eigentums kann keine Rede sein. Wenn das ISDS-Regime in einem Abkommen zwischen den USA und der EU auftaucht, ist dies ein klares Indiz dafür, dass es nicht um besseren Schutz der Investoren, sondern um die Macht der Unternehmen geht.


Investorenrecht vor nationalen Gesetzen

Die Schlichtungskammern, die sich mit ihren Entscheidungen über Regierungsmaßnahmen und staatliche Gesetze hinwegsetzen können, bestehen aus drei Juristen, die normalerweise für den privaten Sektor arbeiten.5 Viele von ihnen sind in ihrem normalen Berufsleben Anwälte von Unternehmen, die gegen Regierungen klagen. Der exklusive Klub der "Richter" solcher internationalen Schlichtungskammern wird von 15 Rechtsanwaltsbüros dominiert, die mit 55 Prozent aller bisherigen Investitionsklagen gegen Staaten befasst waren. Eine Berufungsmöglichkeit gegen ihre Entscheidungen gibt es nicht.

Die "Investorenrechte", die ausländische Unternehmen nach dem geplanten TTIP-Tafta-Vertrag gegen staatliche Maßnahmen einklagen können, sind vage und gleichzeitig sehr breit definiert. Die bisherigen Schlichtungskammern haben diese Rechte tendenziell weit großzügiger interpretiert, als sie einheimischen Firmen nach nationalem Recht zugestanden werden. Dabei haben sie etwa das Recht auf einen weit gefassten Vertrauensschutz postuliert, was letztlich bedeutet: Das staatliche Regelwerk darf nach getätigter Investition nicht mehr verändert werden.

Rechtlich abgesichert wurde auch der Anspruch auf Entschädigung für "indirekte Enteignung": Ein Staat muss demnach zahlen, wenn seine neuen Regelungen den Wert der Investition verringern - selbst dann, wenn diese gleichermaßen für in- und ausländische Firmen gelten. Diese Garantie würde sich auch auf Neuregelungen des Erwerbs von Land, Rohstoffvorkommen, Energiequellen, Fabriken und anderen Investitionsobjekten erstrecken.

Mittels solcher privilegierten Regelungen in den bisherigen Abkommen haben ausländische Investoren schon in den verschiedensten Fällen eine Entschädigung für ihre "indirekte Enteignung" gefordert: im Hinblick auf Gesundheits- und Sicherheitsstandards von Konsumgütern, Gesetze über Umweltschutz und Flächennutzung, Entscheidungen bei der Ausschreibung staatlicher Projekte, Klimaschutz- und energiepolitische Maßnahmen, Gesetze über Wasserschutz oder Einschränkungen des Rohstoffabbaus.

Einige Beispiele: Die Anhebung der ägyptischen Mindestlöhne und ein peruanisches Gesetz zur Kontrolle toxischer Emissionen werden derzeit von Unternehmen der USA wie der EU unter Berufung auf ihre Investorenprivilegien bekämpft.(6 )Andere Firmen klagten unter Berufung auf das Nafta-Abkommen gegen Garantiepreise für die Einspeisung erneuerbarer Energie und gegen ein Fracking-Moratorium. Der Tabakgigant Philip Morris hat ein Schiedsverfahren gegen progressive Antirauchergesetze in Uruguay und Australien angestrengt, nachdem er es nicht geschafft hatte, diese Gesetze vor einheimischen Gerichten zu kippen. Ebenso hat der US-Pharmakonzern Eli Lilly unter Hinweis auf den Nafta-Vertrag dagegen geklagt, dass Kanada die Lizensierung von Arzneimitteln nach eigenen Kriterien wahrnimmt (um möglichst allen Leuten erschwingliche Medikamente zugänglich zu machen). Und der schwedische Energiekonzern Vattenfall will von Deutschland wegen der einschränkenden Bestimmungen für Kohlekraftwerke und der schrittweisen Stilllegung von Atomkraftwerken eine Entschädigung in Milliardenhöhe eintreiben (siehe Artikel Seite 14).

Bei den von der Schiedskammer festgelegten Zahlungen an ausländische Konzerne kann es sich um enorme Summen handeln; in einem der jüngsten Fälle waren es mehr als 2 Milliarden Dollar.(7) Selbst wenn Regierungen gewinnen, müssen sie häufig die Verfahrenskosten tragen, die im Durchschnitt bei 8 Millionen Dollar liegen. Ohnehin werden sie oft allein schon durch eine Beschwerde seitens der Industrie verschreckt. Das zeigt etwa das Verhalten der kanadischen Regierung, die das Verbot eines toxischen Zusatzstoffs für Autobenzin zurückgenommen hat.


Monsanto wittert Morgenluft

Die Zahl der den Schiedsgerichten vorgelegten Fälle ist in den letzten Jahren rasant gestiegen; nach Unctad-Angaben liegt sie heute zehnmal höher als 2000. Und 2012 wurden mehr Klagen angestrengt als je zuvor. Infolgedessen ist ein ganz neue juristische Branche entstanden: Heute sind viele spezialisierte Anwaltsfirmen im Auftrag der Industrie damit beschäftigt, die öffentlichen Kassen mittels solcher Klagen zu plündern.

Diese Wirtschafts-Nato ist seit Langem das erklärte Ziel des Transatlantic Business Dialogue (TABC), der zweimal jährlich im Rahmen des Trans-Atlantic Council stattfindet. Gegründet wurde der TABC 1995 auf Initiative des US-Handelsministeriums und der EU-Kommission; an dem hochoffiziellen Dialog sind außerdem Spitzenunternehmer und Manager aus den USA und Europa beteiligt. Das Forum bietet also den Großkonzernen eine Basis für koordinierte Angriffe auf politische Projekte beiderseits des Atlantiks, die dem Schutz der Konsumenten, der Umwelt, des Weltklimas und anderer öffentlicher Interessen dienen. Sein erklärtes Interesse ist es, "handelspolitische Störfaktoren" (trade irritants) zu beseitigen, damit sie beiderseits des Atlantiks nach denselben Regeln operieren können - und möglichst frei von staatlicher Einmischung. Der euphemistische Schlüsselbegriff "regulatorische Konvergenz" verdeckt dabei das wichtigste Ziel: Man will die Regierungen im Namen der "Äquivalenz" und der "wechselseitigen Anerkennung" vergattern, auch solche Produkte und Dienstleistungen zuzulassen, die den jeweiligen einheimischen Standards nicht genügen.

Die dem öffentlichen Interesse verpflichteten Standards zu "deckeln", ist ein zweites Ziel des TTIP-Tafta-Projekts. Bei den Verhandlungen will man neue "transatlantische" Standards erarbeiten. So fordern die US-Handelskammer und BusinessEurope, zwei der weltweit größten Unternehmerverbände, die Repräsentanten der Großindustrie müssten gemeinsam mit den Regierungen ein neues Regelwerk für die zentralen Zukunftsentscheidungen entwickeln.

Die Unternehmerseite formuliert ihre Ziele bemerkenswert offen, zum Beispiel beim Streit über die Kennzeichnung "gentechnisch veränderter Organismen" (GMO). Während die Hälfte der US-Bundesstaaten derzeit über eine obligatorische Kennzeichnung genmanipulierter Produkte nachdenkt, die übrigens mehr als 80 Prozent der einheimischen Verbraucher befürworten, drängen die Gentechnik produzierenden und verarbeitenden Unternehmen darauf, die GMO-Kennzeichnung über die TTIP-Tafta-Vereinbarungen wieder abzuschaffen.

Am heftigsten beklagt sich der Verband der Biotechnik-Unternehmen (BIO), zu dem auch der Branchengigant Monsanto gehört, über "die signifikante und weiter wachsende Lücke" zwischen "der Freigabe neuer Biotechnologie-Produkte in den Vereinigten Staaten und der Zulassung dieser Produkte in der EU".(8) Monsanto und die anderen BIO-Unternehmen hoffen, diesen "Rückstau bei der Zulassung/Verwendung von genveränderten Produkten" im Rahmen einer Transatlantischen Freihandelszone auflösen zu können.(9)

Ein zweites wichtiges Thema ist die Nutzung beziehungsweise der Schutz privater Daten. Eine anonyme Koalition von Internet- und IT-Unternehmen, die sogenannte Digital Trade Coalition, wünscht, dass die EU-Datenschutzregeln nicht den Abfluss von persönlichen Daten in die USA behindern. Diese Lobby der Internetbranche erklärt, die aktuelle Einschätzung der EU, dass die USA keinen angemessenen Schutz der Privatsphäre gewährleisten würden, sei für sie "nicht einsichtig". Angesichts der immer neuen Enthüllungen über die massive Datenspionage ist eine solche Äußerung besonders aufschlussreich. Auch der mächtige U.S. Council for International Business (USCIB) mahnt an, das Tafta-Abkommen müsse Ausnahmeklauseln im Bereich Sicherheit und Privatsphäre sehr eng fassen, "damit diese nicht als verkappte Handelshindernisse benutzt werden können".(10) Dazu muss man wissen, dass dem USCIB Unternehmen wie Verizon angehören, die der NSA massenhaft personenbezogene Daten zugeliefert haben.

Ein drittes Angriffsziel ist die Lebensmittelsicherheit. Hier will die US-Fleischindustrie die Verhandlungen nutzen, um das EU-Verbot für mit Chlor und anderen Desinfektionsmitteln behandeltes Hähnchenfleisch zu kippen. Während die strengeren EU-Standards die Gefahr einer Kontaminierung der Produkte während des Schlacht- und Verarbeitungsprozesses reduzieren, begegnen die US-Regeln dem Kontaminierungsrisiko durch ein Desinfektionsbad, das Koli- und andere Bakterien auf den Hähnchenteilen abtöten soll. Also fordert der Mutterkonzern der Restaurantkette Kentucky Fried-Chicken, das Abkommen müsse die EU-Standards für Lebensmittelsicherheit so verändern, dass die Europäer ihre Chlorhähnchen kaufen können.

Noch ein Beispiel: Das amerikanische Fleischinstitut (AMI) empört sich, die Europäische Union bestehe auf ihrem "ungerechtfertigten" Verbot von Fleisch, das unter Einsatz von Wachstumshormonen erzeugt wurde. Diese Mittel, wie etwa Ractopamin, sind wegen der Gesundheitsrisiken für Mensch und Tier in 160 Staaten - darunter allen EU-Ländern, aber auch Russland und China - verboten oder eingeschränkt. Auch der Verband der US-amerikanischen Schweinefleischproduzenten (NPPC) hat seine Wünsche: "Die US-Schweinefleischproduzenten werden ein Ergebnis nur akzeptieren, wenn es das EU-Verbot für den Einsatz von Ractopoamin im Produktionsprozess beseitigt."

Auf der anderen Seite des Atlantiks bekämpft BusinessEurope, der größte Unternehmensverband der EU, das US-Gesetz über die Modernisierung der Lebensmittelsicherheit als eines der "zentralen nicht handelsbezogenen Hindernisse für EU-Exporte in die USA". Dieses bahnbrechende Gesetz von 2011 ermächtigt die US-Kontrollbehörde, die Food and Drug Administration, kontaminierte Nahrungsmittel vom Markt zu nehmen. Dieses Recht wollen die europäischen Unternehmen offenbar mithilfe der TTIP-Tafta-Vereinbarung abschaffen.

Das vierte Ziel ist die Liquidierung der Klimapolitik. Airlines for America, der größte Verband der US-Flugbranche, publiziert eine Liste "unnötiger Vorschriften, die unsere Branche erheblich behindern"- und die man über die transatlantischen Verhandlungen abschaffen will. An der Spitze dieser Liste steht das wichtigste Instrument der Europäer in Sachen Klimawandel, das EU-Emissionshandelssystem. Mittels des Emissionshandels sollen Fluggesellschaften gezwungen werden, für die von ihnen verursachten CO(2)-Emissionen zu zahlen. Airlines for America sieht in diesem System ein "Fortschrittshindernis" und will erreichen, dass die Einbeziehung der Fluggesellschaften von Nicht-EU-Ländern in dieses System, die von der EU derzeit ausgesetzt ist, endgültig vom Tisch kommt.(11)

Fünftens geht es auch um die Rücknahme von Kontrollen und einschränkenden Regeln für den Finanzsektor. Selbst angesichts der globalen Finanzmarktkrise haben sich die Delegationen der USA und der EU auf einen Rahmen für das Kapitel Finanzdienstleistungen geeinigt, der nach wie vor auf Liberalisierung und Deregulierung setzt. Das ausgehandelte Konzept würde nicht nur das Verbot von riskanten Finanzprodukten und -dienstleistungen ausschließen. Es würde sogar die Möglichkeit schaffen, einschränkende Gesetze einzelner Staaten anzufechten, die bestimmte riskante Produkte und Leistungen der Finanzinstitute oder windige rechtliche Konstruktionen untersagen.


Freiheit für Chlorhähnchen und Hormonschweine

Diese Rahmenvereinbarungen würden viele Rezepte ausschließen, mit denen die Politik die Probleme im Finanzsektor in den Griff bekommen könnte. Zu diesen Rezepten gehören Kontrollen und Beschränkungen für Institute, die als "too big to fail" gelten - also als zu groß, um pleitegehen zu können; oder die Konstruktion einer risikomindernden Firewall innerhalb der Großbanken, die das Privatkundengeschäft vor den Risiken des Investmentbanking abschotten soll; oder obligatorische Clearingstellen für den Derivatehandel. Die Vereinbarungen würden also darauf hinauslaufen, dass bestimmte Arten von gesetzlichen Regelungen absolut verboten sind; das heißt, die beteiligten Staaten dürften dann solche Regelungen weder neu einführen noch beibehalten.

Was hinter diesen Plänen steckt, erhellt eine Stellungnahme des Bundesverbands deutscher Banken (BdB). Darin heißt es, bestimmte regulatorische Vorschläge der US-Finanzaufsichtsbehörde hätten in der EU bei offiziellen wie bei privaten Institutionen schwerwiegende Bedenken ausgelöst. Deshalb fordert der Bankenverband in Bezug auf die laufende US-Finanzmarktreform deren Abstimmung mit den Reformen in der EU und weiteren wichtigen Ländern sowie eine größtmögliche Anerkennung der Heimatlandregeln für die am US-Markt tätigen deutschen und europäischen Banken.(12)

Bestimmenden Einfluss im BdB hat die Deutsche Bank, die während der Krise von der US-Notenbank 8 Milliarden Dollar kassiert hat.(13) Der deutsche Finanzriese wendet sich vor allem gegen das Herzstück der im Juli 2012 verabschiedeten US-Finanzmarktreform. Besonders stark kritisiert wird dabei die sogenannte Volcker Rule. Sie beinhaltet gewisse Restriktionen für hochriskante Finanzprodukte, die nach Meinung des BdB eine zu schwere Bürde für in den USA operierende ausländische Banken darstellen.

Das European Services Forum, an dem die Deutsche Bank ebenfalls beteiligt ist, bezeichnet sich selbst als "die Stimme der europäischen Dienstleistungswirtschaft in internationalen Handelsgesprächen". Diese Stimme erhebt die Forderung, die Tafta solle verhindern, dass die US-Regulierungsinstanzen eine in den USA aktive ausländische Bank als too big to fail einstufen und damit strengeren Anforderungen unterwerfen als denen in ihrem eigenen Land. Die Begründung: Es gehe nicht an, dass ein global operierendes Unternehmen nach ausländischem Recht als "systemisch wichtige Finanzinstitution" (Sifi) definiert wird, während es nach einheimischem Recht nicht als solche gilt.

Ein Gegenstück zu dieser Agenda der Europäer ist die Opposition der USA gegen die Finanztransaktionssteuer, die in Europa als Instrument gegen die Spekulation ins Auge gefasst wird. Dabei wollen die US-amerikanischen Finanzinstitutionen über die TTIP-Tafta-Verhandlungen ein Verbot von gesetzlichen Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs erreichen. Inzwischen hat allerdings auch schon der IWF die EU aufgefordert, die Finanztransaktionssteuer so nicht einzuführen. Käme in Europa nur eine abgewandelte, mildere Form dieser Steuer, würde das Thema für die US-Unterhändler wahrscheinlich an Bedeutung verlieren.(14)

Der Dienstleistungssektor umfasst jedoch keineswegs nur die Finanzdienstleister. Unter dem betreffenden Kapitel der transatlantischen Verhandlungen geht es auch um ärztliche Leistungen oder Bildungsangebote bis hin zur Energieversorgung. Dabei besteht das Ziel der Unternehmerseite darin, die regulativen Absichten der Regierungen durch möglichst grob formulierte "Parameter" zurückzustutzen. Die würden sich sowohl auf grenzüberschreitende Dienstleistungen beziehen als auch auf die Behandlung ausländischer Dienstleister, die auf dem Gebiet des betreffenden Staats operieren. Und zwar mit dem Ziel, jeden innenpolitischen Spielraum für die "Regulierung" von Bereichen wie Transportwesen, Gesundheit, Energie- und Wasserversorgung bis hin zu den regionalen oder lokalen Flächennutzungs- und Raumplanungsgesetzen abzuschaffen.


Ein Abkommen, aber kein Aufschwung

In diesen Verhandlungen würde es sogar um die Immigrations- und Visabestimmungen für Personen gehen, die eine Dienstleistung anbieten wollen. Wie immer man zum Grenzregime und zur Immigrationspolitik bestimmter Länder steht: Es ist offensichtlich eine sehr schlechte Idee, die betreffenden Regeln hinter den verschlossenen Türen im Rahmen von Verhandlungen über Handelsabkommen festzulegen. Zumal wenn das Resultat nur noch verändert werden kann, falls alle beteiligten Parteien zustimmen.

Aber warum wird diese Agenda gerade jetzt vorangetrieben? In Washington hört man dazu die Theorie, die europäischen Politiker seien verzweifelt darauf aus, irgendetwas vorzuweisen, was sie als Impulse für das Wirtschaftswachstum ausgeben können. Deshalb demonstrierten sie jetzt eine neue Flexibilität und seien bereit, für dieses Ziel alle wichtigen Instrumente zum Schutz der öffentlichen Interessen aus der Hand zu geben.

Das gängige Argument für Freihandelsabkommen lautet, dass diese die Zollschranken absenken, was wiederum den Handel belebt, so dass alle Leute billigere Importwaren kaufen können. Dieser Vorteil sei größer als der Nachteil für die Leute, die ihren Job verlieren. Allerdings liegen die Zolltarife zwischen den USA und der EU nach Auskunft des Handelsministeriums in Washington "bereits ziemlich niedrig"(.15) Die Politiker beider Seiten, die das Tafta-Projekt betreiben, räumen auch ohne weiteres ein, dass es nicht in erster Linie um Zollsenkungen geht, sondern vielmehr um "die Beseitigung, Reduzierung oder Verhinderung unnötiger, nicht tarifärer Handelshemmnisse"(16) - womit alle Handelsbeschränkungen gemeint sind, die es über Zölle hinaus noch geben mag. Sprich, es geht um beziehungsweise gegen gesetzliche Auflagen für Finanzgeschäfte, gegen Klimaschutzmaßnahmen, gegen Standards der Lebensmittel- und Produktsicherheit.

Das erklärt auch, warum Studien über die wirtschaftlichen Auswirkungen von Zollsenkungen die Erfolge als eher dürftig einschätzen. Eine Studie des Tafta-freundlichen European Centre for International Political Economy kommt zu dem Befund, dass das BIP der USA wie der EU - selbst unter extrem blauäugigen Annahmen - allenfalls um ein paar Promille wachsen würde, und das ab 2029.(17)

Den meisten bisherigen Prognosen liegt die Annahme zugrunde, dass Zollsenkungen stets eine starke Wirtschaftsdynamik auslösen - was empirisch längst widerlegt ist. Verzichtet man auf diese dubiose Annahme, dann - räumen die Autoren der Studie ein- schrumpft der potenzielle BIP-Zuwachs auf statistisch irrelevante 0,06 Prozent.

Diverse andere Studien, mit denen Politiker und Unternehmensverbände hausieren gehen, beschränken sich deshalb auf das zentrale Ziel des transatlantischen Projekts: die Beseitigung der nicht tarifären Handelshemmnisse, wie sie das Zurückstutzen aller möglichen Gesetze und Regelungen zum Schutz des öffentlichen Interesses euphemistisch nennen. Diese Studien basieren samt und sonders auf dem unbewiesenen Mantra, dass die Abschaffung sozialstaatlicher Errungenschaften irgendwie ökonomischen Nutzen für alle bringe. Doch selbst mit derart schrägen Kalkulationen für das Tafta-Projekt kommen sie nur auf eine sehr dürftige ökonomische Bilanz. Wobei sie noch die quantifizierbaren Kosten unterschlagen, die für die Konsumenten wie für die Volkswirtschaft insgesamt anfallen, wenn alle Errungenschaften im öffentlichen Interesse, vom Gesundheitswesen über den Umweltschutz bis zum Sozialstaat im weitesten Sinne, wieder rückgängig gemacht werden.

Aber die gute Nachricht kommt zum Schluss: Alle bisherigen Versuche, internationale Handelsabkommen als trojanisches Pferd zum Abbau des Sozialstaats und die Rückkehr zu einem neoliberalen Nachtwächterstaat zu benutzen, sind jämmerlich gescheitert. Das wird auch dieses Mal so kommen, wenn die Bürger, die Medien und auch einige Politiker endlich aufwachen und die klammheimlichen Versuche, die Demokratie zu untergraben, zum Scheitern bringen.


Quelle: Le Monde diplomatique Nr. 10255 / Aus dem Englischen von Niels Kadritzke

Den Artikel mit Zusatzinfos der Fußnoten bitte hier weiterlesen

Bildquelle Weltkarte: Proposed TAFTA, US and EU in dark blue and the other possible members in light blue (NAFTA and EFTA)  Quelle: Wikipedia (engl.), Wikimedia Commons

Bild des Benutzers Marie-Luise Volk
Marie-Luise Volk
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Verbunden: 28.10.2010 - 13:29
Mörderisches Abkommen


Mörderische Abkommen


Mit dem „Spiegel“-Artikel 9/2013 „Chlorhühnchen im Shitstorm“ konnte die Bevölkerung schon einmal den kleinen Luftzug wahrnehmen, der sich in der nächsten Zeit zu einem wahren Orkan entwickeln wird, nämlich das sogenannte „Transatlantisches Freihandelsabkommen" zwischen den USA und der EU, auch Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) genannt.

Ich sage deswegen „sogenanntes“ Freihandelsabkommen, weil es nur um den freien Handel für die großen Konzerne gehen wird. Gegenstand des Freihandelsabkommens mit den USA (Kanada und Asien) ist: Gewinnmaximierung. Völlig ausgeblendet werden die Interessen der Bauern, Verbraucher und an Gesundheitsfragen Interessierte sein. Auch die Bemühungen der Nichtregierungsorganisationen, mühsam finanziert von bürgerlichem Engagement, werden mit einem Schlag zunichte gemacht - Siehe Sendung Monitor vom 6. Juni 2013. In dieser Sendung gab es schon einmal einen Vorgeschmack auf das, was uns blüht, wenn jetzt nicht dagegen gehalten wird.

Mit dem bereits verabschiedeten Investitionsschutzabkommen wurde bereits Rechtssicherheit für das Handeln ausländischer Firmen durchgesetzt. Von nun an werden in geheim gehaltenen Schiedsverfahren die Interessen der Großkonzerne rücksichtslos durchgesetzt. Der schwedische Stromkonzern Vattenfall macht wegen der Energiewende bereits heute 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz geltend. Bereits beim Investitionsschutzabkommen geht es um das Aushebeln öffentlichen Rechts durch die Firmen wie Chevron, Philipp Morris, Vattenfall etc.

Um das TTIP durchzusetzen, bedarf es einer vollkommenen Entmachtung alles Regierungshandelns. Bisherige Schutz- und Umweltauflagen werden bereits heute durch Errichtung des parallelen Rechtssystems, dem Investitionsschutzabkommen, ad absurdum geführt. Wer dem TTIP zustimmt, gibt alle Verantwortung automatisch in die Hände von Großkonzernen wie Monsanto, McDonald, Pfizer etc. Und ich bin mir sicher, dass diese mit ihren ausgeklügelten Strategien alles daran setzen werden, auch noch die letzte Bastion des Widerstands niederzureißen.

Es ist zu befürchten, dass wir in die Hände eines von den US-Großkonzernen bestimmten Weltstaates geraten, der alle Macht auf sich vereint. Dann können wir uns jede Wahl sparen, weil unsere gewählten Abgeordneten überhaupt nichts mehr zu entscheiden haben.

Als Beispiel für das Aushebeln öffentlichen Rechts ist der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM-Vertrag) zu nennen. Am 29.06.2013 hat die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten(!) in einer Nacht- und Nebelaktion das Königsrecht des Parlaments, das Haushaltsrecht, aufgegeben. Wir Bürger/innen mussten anschließend erfahren, dass Abgeordnete zugegeben haben, nicht gewusst zu haben, worüber sie abgestimmt haben. Tut sich irgendwo in Europa ein Finanzloch auf, können binnen weniger Tage Milliarden von Euro dem nationalen Haushalt entzogen werden.

Hier hat – mit Zustimmung des Parlaments! – eine Entmachtung der nationalen Finanzhoheit stattgefunden. Weil die Parlamentarier damit rechnen konnten, dass die Mehrheit der Bundesbürger sich mit diesen Vorgängen nicht beschäftigt, konnten sie gewiss sein, dass es für sie keine Konsequenzen beim Wahlergebnis geben würde. Kommt jetzt noch TTIP dazu, dann benötigen wir keinerlei Vertretungen mehr, weil Parlamentarier und Regierung absolut nichts mehr zu sagen haben. Sie können für uns nichts mehr entscheiden. Wir können komplett Bundestag, Länderparlamente etc. abschaffen. Auch die Gerichtsbarkeit auf nationaler Ebene wird nur noch wenig zu regeln haben, weil es bereits dieses parallele Rechtssystem durch das Investitionsschutzabkommen gibt.

Kanzlerin Merkel hat sich bereits positiv zum Freihandelsabkommen geäußert: Das Freihandelsabkommen sei „unser mit Abstand wichtigstes Zukunftsprojekt“. Sie denkt vordergründig an den Absatz von Autos und 100.000 neue Jobs aber nicht an Hormone, Gentechnik, Chlorhühnchen, Klonfleisch. Dass die Einfuhren der US-amerikanischen Nahrungsmittel sich nachteilig auf unsere Ernährungssouveränität auswirken, interessiert sie nicht. Was brauchen wir auch Bauern und Imker - sollen sie doch von der Bildfläche verschwinden.

"Es geht um viel bei diesem transatlantischen Freihandelsabkommen - um die mögliche Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen auf unseren Äckern, um die Aufweichung von Klimaschutzmaßnahmen und um die Gefahren giftiger Chemikalien", so der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Hubert Weiger. Es geht aber um noch viel mehr - es geht auch um unser Rechtssystem.

"Das Völkchen spürt den Teufel nie, auch wenn er es beim Kragen hätte" spottete Mephisto im "Faust". Das weiß auch Frau Merkel.

Bildquelle Weltkarte: Proposed TAFTA, US and EU in dark blue and the other possible members in light blue (NAFTA and EFTA)  Quelle: Wikipedia (engl.), Wikimedia Commons

Geheimes Recht, Großkonzerne kippen politischen Willen

 

 

 

 

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Peter Weber
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TAFTA-TTIP: Wirtschaftsimperialismus aus einem Guß

 

TAFTA-TTIP: Wirtschaftsimperialismus aus einem Guß


Lori Wallach hat einen wertvollen aufklärerischen Beitrag geschrieben - RESPEKT. Aus dem Inhalt werde ich wichtige Aussagen wörtlich zitieren, wobei ich in meinem Kommentar die Kapitelüberschriften verändert und erweitert habe. Ich finde die Thematik derartig relevant für uns alle, daß ich versuche, die Zusammenhänge zu raffen und neu zu strukturieren sowie sie mit meinen Ergänzungen auszustatten.

Wie wir bereits in der Einleitung zu Lori Wallachs Artikel bemerkt haben, wurde das Transatlantische Freihandelsabkommen in der letzten Zeit öfters im Zusammenhang mit Möglichkeiten der Verwendung als Faustpfand gegen die NSA-Ausspionage erwähnt. Wer die Natur unserer verantwortlichen Politiker kennt, dem muß klar sein, daß der Einsatz dieses Faustpfandes niemals ernsthaft in Erwägung gezogen werden wird. Unsere vorbildlichen investigativen Medien sind meines Wissens auch auf die gravierende globale Bedeutung und Auswirkung dieses Abkommens so gut wie nicht eingegangen. Falls dieses Abkommen wirklich ratifiziert würde, wären die für Konzerne, Unternehmen und natürlich die Kapitaleigner daraus resultierenden riesigen profitablen Vorteile  immens, dauerhaft bindend und praktisch nicht umzukehren, weil für jede der einzelnen vereinbarten Passagen eine Änderung nur  einstimmig von sämtlichen Unterzeichnerstaaten durchgeführt werden kann. Ich möchte noch als Vorbemerkung vorausschicken, daß die folgenden US-Lobbyorganisationen, die im nachfolgenden auftauchen, lt. Lobbypedia allesamt Befürworter der Einführung von TTIP sind:

  •     Business Coalition for Transatlantic Trade (BCTT)
  •     Digital Trade Coalition
  •     U.S. Chamber of Commerce

     U.S. Council for International Business (USCIB)


a. Wirtschafts-Nato mit grenzenlosen Befugnissen

Man muß wissen, daß nicht nur das für den transatlantischen Raum maßgebende TAFTA-TTIP-Projekt vorangetrieben wird. Parallel dazu sind die Global-Player dabei, vollendete Tatsachen zu schaffen und Nägel mit Köpfen zu machen, indem sie für den pazifischen Raum ein paralleles „Partnerschaftsprogramm“ , das „Trans-Pacific-Partnership“ oder TPP forcieren. Wenn diese beiden Zangen – die atlantische und die pazifische – in trockenen Tüchern sind, dann haben die Globalplayer die Katze im Sack. Die Herrschaft des Kapitals wäre global gefestigt und auch noch juristisch unanfechtbar. Der Rest der Wirtschaftswelt hätte dann keine andere Wahl mehr, als sich diesem Diktat anzuschließen.

[quote=Lori Wallach]Wenn das TTIP-Tafta-Projekt zustände käme, könnte jeder beliebige Investor, der in einem der beteiligten Länder engagiert ist, alle möglichen "nicht handelsbezogenen" Bestimmungen unter Beschuss nehmen - genau so, wie es in dem gescheiterten MAI-Abkommen von 1998 vorgesehen war.[/quote]

Allein dies macht das TTIP-Projekt zu einer Bedrohung von völlig neuen Dimensionen. Und da jede nachträgliche Vertragsänderung der Zustimmung sämtlicher Signatarstaaten bedarf, wären die reaktionären Inhalte des Abkommens durch demokratische Kontrollmechanismen wie Wahlen, politische Kampagnen und öffentliche Protestaktionen nicht mehr angreifbar.

Wir hätten es bei Inkrafttreten mit einer Außerkraftsetzung der noch vorhandenen demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen durch die Hintertür zu tun. Der Großteil aller seit 100 Jahren durchgesetzten sozialen Errungenschaften und Arbeitnehmerrechte in der westlichen Welt wären gefährdet bzw. würden weiter abgebaut. Mit der angeführten Hintertür meine ich die antidemokratische Vorgehensweise bei den entsprechenden Verhandlungen, die hinter verschlossenen Türen stattfinden. Es ist ein Skandal sondergleichen, daß die Berater der Großkonzerne Zugang besitzen, während die Öffentlichkeit und die Medien ausgeschlossen werden. Ich würde in diesem Kontext von lichtscheuem Gesindel sprechen, das hinter unserem Rücken die Regeln für unsere Entmündigung festlegen will.

Wenn man sich vor Augen führt, über welche weitreichenden Entscheidungen wir reden, wenn das TAFTA-TTIP zum Zuge kommt, dann erscheint das Phänomen der desinteressierten Öffentlichkeit in diesem Fall schon Besorgnis erregend. Die praktizierte Heimlichkeit hat auch einen guten Grund: Falls das Abkommen tatsächlich ratifiziert würde, dann hätte das zur Folge, daß die Regierungen und Kommunalverwaltungen der beteiligten Staaten gezwungen wären, ihre Innenpolitik daran anzupassen. Das heißt, daß nicht nur handelspolitische Ebenen betroffen wären sondern auch privatrechtliche Vorgänge und existenzielle Bürgerrechte sowie Dienstleistungen wie:

  • Lebensmittelsicherheit und Kennzeichnung,
  • Festlegung von Grenzwerten für chemische und toxische Umwelt- und Individualbelastungen,
  • die Existenz  und der Umfang des öffentlichen Gesundheitswesens einschließlich Arzneimittelversorgung und –Preise,
  • Internetsicherheit und Privatsphäre,
  • Energieversorgung und Art der Energiequellen, zentrale Versorgung durch Konzerne oder dezentrale Alternativen, Diktat der Energiepreise,
  • Urheberrecht und Patente,
  • Angebot an erschwinglicher und qualitativ hochwertiger kultureller Dienstleistungen,
  • Eigentumsrechte und Nutzung von Land / Rohstoffen,
  • Verstärkung des Trends zu Privatisierungsmaßnahmen (PPP),
  • Festlegung der Höhe der Arbeitsentgelte,
  • Arbeitsrecht  und Arbeitsmöglichkeit von Einheimischen und Einwanderern,
  • Praxis der Auftragsvergaben der Öffentlichen Hand usw.

Diese Liste, die man noch weiterführen könnte, zeigt uns, wie ernst wir das angepeilte Vertragswerk nehmen sollten. Ist das Kind einmal in den Brunnen  gefallen, dann gibt es kein Zurück mehr. Die Unterzeichnerstaaten müssen sich verpflichten, daß "ihre Gesetze, Regelwerke und administrativen Verfahren" bis aufs Jota eingehalten werden. Andernfalls drohen drastische Sanktionen wie Handelssanktionen. Am Beispiel bereits vorhandener sog. Freihandelsabkommen, die von der "Welthandelsorganisation" WTO kontrolliert werden, lassen sich eine Vielzahl von restriktiven Urteilen sowohl gegen die USA als auch die EU nachweisen, die dem Verbraucherschutz und der Ökologie schadeten und außerdem noch  mit hohen Geldstrafen begleitet waren. Das läßt nichts Gutes erhoffen, falls die noch rigideren Bestimmungen von  TAFTA-TTIP zur Geltung gelangen.

Auch die Rolle und Bedeutung des mit diesem Projekt verbundenen Schiedsgerichtes darf nicht übersehen werden. Es besitzt den wohlklingenden Namen “Investor-State Dispute Settlement” (ISDS) und würde sich bei Inthronisation zu einer Riesengefahr mit hohem Erpressungspotenzial entwickeln. Die geplanten Schiedsgericht-Kammern sollen von der Weltbank und der UNO kontrolliert werden. Sie sollen ermächtigt werden, über staatliche Regreßzahlungen zu verfügen, falls bestimmte nationale Maßnahmen als den Zielen des Abkommens abträglich erklärt werden. Das heißt im Klartext, daß einzelne Unternehmen und Konzerne, Staaten zu Entschädigungen zwingen können, falls die „erwarteten künftigen Profite“ angeblich durch nationale Regelungen geschmälert werden.

[quote=Lori Wallach]Dieses Schlichtungsregime macht klar, dass die Rechte von Unternehmen höherwertig sein sollen als die Souveränität von Staaten.[/quote]
Weiter bedeutet dies die Ungeheuerlichkeit, daß bisher souveräne Regierungen wie die der USA oder eines EU-Staats vor einem außergerichtlichen Tribunal an den Pranger gestellt werden können. All dies nur mit dem zweifelhaften Vorwand, daß nationale Regierungen mit ihrer Legislative und Exekutive der Profitgier von irgendwelchen dubiosen Investoren im Wege stehen. Diese Befürchtungen sind keinesfalls aus der Luft gegriffen, denn auch hier gibt es bereits Präzedenzfälle, in denen die Regierung der USA sog. „investitionsfeindlicher Regelungen“ angeklagt wurde und aus Steuergeldern mehr als 400 Millionen $ Strafe zahlen mußte. Derzeit sind weitere Verfahren anhängig, bei denen es um einen Streitwert von 14 Milliarden $ geht. Dies ist erst der Anfang einer Prozeßlawine gigantischen Ausmaßes, die bevorsteht, wenn der Vertrag gültig wird. Dann wird sich diese Klagelawine auch auf die EU ausweiten und die ohnehin nicht gerade aktive Politik zum völligen Stillstand bringen und Rückschritte erzwingen.

Wir haben es hier mit ganz neuen Dimensionen zu tun. Lori Wallach hat berichtet, daß es sich um ein Potenzial von 24.000 Tochtergesellschaften von Unternehmen aus der EU in den USA und um 50.800 US-Tochterfirmen in der EU handelt. Diesen 75.000 Firmen würde im Falle des Inkrafttretens des Vertrages die Verfügungsmacht verliehen, die vorhandenen politischen Systeme auszuspielen, zu unterminieren, zu blockieren und sie in den Ruin zu treiben.


b. Investoren- und Profitmaximierungsrecht vor nationalen Gesetzen und Gemeinwohl

Die mit dem vornehmen Namen „Schlichtungskammern“ ausgestatteten Gremien, die oben treffender als „Schlichtungsregime“ bezeichnet werden, bedeuten nichts anderes als die Einführung des Faustrechts auf einer ökonomisch-rechtlichen Ebene.  FAFTA-TTIP öffnet Tür und Tor für die feudal-wirtschaftlichen Kräfte diesseits und jenseits des Atlantik, die nur auf die Gelegenheit lauern, demokratische Restgrundsätze völlig zu eliminieren. Demokratien sind ihnen nämlich ein Greuel – bisher sagen sie das nur hinter vorgehaltener Hand und wagen es noch nicht, dies öffentlich zu proklamieren.

Das Schlagwort, das die Zielrichtung der Profiteure am besten definiert, ist Stärkung der „Investorenrechte“. Diese sind schon bisher real nicht zu kurz gekommen – ganz im Gegenteil sind die „Bürgerrechte“, die ja gemäß dem Papier der traditionellen demokratischen Verfassungen ganz oben auf der Agenda stehen, immer mehr ins Hintertreffen gegenüber ökonomischen Aspekten gekommen. Hier einige Beispiele aus Lori Wallachs Beitrag zu bereits praktizierter Wirtschaftsdiktatur:

  • „Die Anhebung der ägyptischen Mindestlöhne und ein peruanisches Gesetz zur Kontrolle toxischer Emissionen werden derzeit von Unternehmen der USA wie der EU unter Berufung auf ihre Investorenprivilegien bekämpft.
  • Andere Firmen klagten unter Berufung auf das Nafta-Abkommen gegen Garantiepreise für die Einspeisung erneuerbarer Energie und gegen ein Fracking-Moratorium.
  • Der Tabakgigant Philip Morris hat ein Schiedsverfahren gegen progressive Antirauchergesetze in Uruguay und Australien angestrengt, nachdem er es nicht geschafft hatte, diese Gesetze vor einheimischen Gerichten zu kippen.
  • Ebenso hat der US-Pharmakonzern Eli Lilly unter Hinweis auf den Nafta-Vertrag dagegen geklagt, dass Kanada die Lizensierung von Arzneimitteln nach eigenen Kriterien wahrnimmt (um möglichst allen Leuten erschwingliche Medikamente zugänglich zu machen).
  • Und der schwedische Energiekonzern Vattenfall will von Deutschland wegen der einschränkenden Bestimmungen für Kohlekraftwerke und der schrittweisen Stilllegung von Atomkraftwerken eine Entschädigung in Milliardenhöhe eintreiben.“

Das perfide Pendant zum entstehenden Anspruch der Wirtschaft auf entgangene Gewinne wegen staatlicher Regelungen, die dem TAFTA-TTIP entgegenlaufen, ist die „indirekte Enteignung“. Sie wird aus dem Hut gezogen, wenn nationale Rechte und Ausführungsbestimmungen den Wert von Unternehmens-Investitionen verringern. Dies betrifft Fälle, die Neufassung von Regulierungen bzgl. Landerwerbung, Ausbeutung von Rohstoffen und Energiequellen, Erwerb von gewerblichen Anlagen oder anderen Investitionsprojekten betreffen. In allen diesen Angelegenheiten könnten sich die betreffenden Wirtschaftsunternehmen dann auf Garantien stützen, die ihnen der TAFTA-TTIP-Knebelvertrag gewährleistet.

Die Anzahl der akuten Fälle und der Umfang des Erpressungspotenzials wird sich dann noch erheblich ausweiten. Schon in der jüngsten Vergangenheit gab es ohne TAFTA-TTIP verhängte Urteile in den USA über Entschädigungszahlungen an ausländische Konzerne, die im Einzelfall die 2-Milliarden $-Grenze überschritten. Selbst in den Verfahren, in denen die Angeklagten obsiegten, mußten sie in der Praxis Verfahrenskosten von durchschnittlich 8 Mio $ tragen, die zu Lasten der Steuerzahler gingen. Es gehört keine große Phantasie dazu, daß die aufgebauten Drohpotenziale seitens der Konzernlobby einen Beweis für eine erfolgreiche Einschüchterung der Nationalstaaten abliefert. So ist bereits Kanada in diesem Zusammenhang  hinsichtlich eines Verbotes eines giftigen Zusatzstoffes für Benzin in die Knie gegangen und hat das Verbot fallenlassen. Was uns in Zukunft blühen wird, sollte sich diese Tendenz aufgrund erfolgreichen Abschlusses des TAFTA-TTIP-Teufelswerkes fortsetzen, ist wohl ziemlich offensichtlich.

Die ausdrückliche Mission dieses Versklavungsvertrages und ihrer Betreiber ist es, einen Wirtschaftsimperialismus in Reinform zu errichten. Ein untrügliches Zeichen dafür ist auch der drastische Anstieg der Zahl der den Schiedsgerichten vorgelegten Fälle in der letzten Zeit. UNCTAD führt an, daß diese Zahl heute um den Faktor 10 höher angesiedelt ist als im Jahre 2000! Alleine im Jahre 2012 wurden mehr Klangen anhängig als jemals vorher. Die Folge ist, daß eine völlig neue Schmarotzerbranche entstanden ist: Anwaltsfirmen, die sich darauf spezialisiert haben, im Auftrag der Wirtschaft die Nationalstaaten wegen angeblicher Verstöße gegen vorhandene Freihandelsabkommen zu verklagen. Das Resultat dieser schändlichen Bestrebungen ist die Plünderung der öffentlichen Kassen unter dem neoliberalen Motto der Deregulierung und des Schachmatt-Setzens des Staates. Dies und viele anderer Untaten sind unter dem Deckmantel des ersten und obersten Ziels von TAFTA-TTIP vereint:

  • Erstes und oberstes erklärtes Ziel der wirtschaftlichen Machtübernahme:

Vorrang ökonomischer gegenüber staatlichen und bürgerlichen Interessen, Profit vor Mensch, Einführung eines einseitigen Investorenrechts, Deckelung der traditionellen Standards

In diesem Sinne argumentiert auch Lori Wallach, wenn sie von einer „Wirtschafts-Nato“ spricht, die das erklärte Ziel des "Tansatlantic Business Dialogue" (TABC) ist, der zweimal jährlich im Rahmen des "Trans-Atlantic Council" stattfindet.
 

„Gegründet wurde der TABC 1995 auf Initiative des US-Handelsministeriums und der EU-Kommission; an dem hochoffiziellen Dialog sind außerdem Spitzenunternehmer und Manager aus den USA und Europa beteiligt. Das Forum bietet also den Großkonzernen eine Basis für koordinierte Angriffe auf politische Projekte beiderseits des Atlantiks, die dem Schutz der Konsumenten, der Umwelt, des Weltklimas und anderer öffentlicher Interessen dienen. Sein erklärtes Interesse ist es, "handelspolitische Störfaktoren" (trade irritants) zu beseitigen, damit sie beiderseits des Atlantiks nach denselben Regeln operieren können - und möglichst frei von staatlicher Einmischung. Der euphemistische Schlüsselbegriff "regulatorische Konvergenz" verdeckt dabei das wichtigste Ziel: Man will die Regierungen im Namen der "Äquivalenz" und der "wechselseitigen Anerkennung" vergattern, auch solche Produkte und Dienstleistungen zuzulassen, die den jeweiligen einheimischen Standards nicht genügen.“

Ein geflügeltes Wort innerhalb der TAFTA-TTIP-Kreise ist die „Deckelung von Standards“. Damit ist gemeint, die demokratischen und dem Bürgerinteresse dienenden traditionellen Standards zu kappen und sie durch neue „transatlantische Standards“ – sprich Repressionen - zu ersetzen. Bei "US-Handelskammer" und "BusinessEurope" handelt es sich um zwei der weltweit größten Unternehmer- und Lobbyverbände. Von dort tönt es unisono: Die Vertreter der Konzerne sollten gemeinsam mit den (Marionetten-)Regierungen ein neues Regelwerk für die Zukunft entwickeln. Unter der Maßgabe des o. a. ersten und obersten Zieles können wir uns lebhaft vorstellen, in welche Richtung dieses vortreffliche Regelwerk ausgerichtet sein wird.


c. Datenschutz

Der Datenschutz ist ja gerade aufgrund der NSA-Affäre äußerst aktuell – und wir haben im Kritischen Netzwerk darüber ständig berichtet. Nun können wir uns natürlich lebhaft vorstellen, daß die Macher von TAFTA-TTIP am Datenschutz kein besonderes Interesse verspüren, sofern für sie keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Ansonsten fordert man die ungehemmte Freigabe aller privaten Daten zur ökonomischen Verwurstung. Daraus ergibt sich das zweite erklärte Ziel der wirtschaftlichen Machtübernahme wie von selbst.

  • Zweites erklärtes Ziel der wirtschaftlichen Machtübernahme: Preisgabe privater Daten zur ökonomischen Nutzung

Bei der “Digital Trade Coalition“ handelt es sich um einen ziemlich dubiosen Klub von anonymen Internet- und IT-Firmen. Sie haben es sich – oh Wunder – zur Aufgabe gemacht, die Abschöpfung persönlicher Daten, vor allem in Richtung USA, zu unterstützen. Da ist es nur allzu logisch, daß sie finden, daß die derzeitig gegen die USA vorgebrachten Vorwürfe der Datenspionage und Ausleuchtung der Privatsphäre völlig unangebracht und gegenstandslos seien

.Einen besonderen Faktor mit riesigem Einfluß stellt auch der „U.S. Council for International Business" (USCIB) dar. Hier haben wir es mit einem Zusammenschluß von einflußreichen Konzernen aller Art, Versicherungen und Anwaltsfirmen zu tun. Es wundert uns in diesem Kontext dann nicht, wenn aus dieser Richtung die Forderung zu hören ist, die Ausnahmen für den Datenschutz nicht zu eng zu fassen, damit dieser „nicht als verkapptes Handelshindernis benutzt werden kann“.


d. Gentechnik und Kennzeichnung

Nachdem Monsanto & Co. in der letzten Zeit einige Rückschläge bezüglich ihrer Intentionen auf Freigabe von Gentechnik hinnehmen mußten, war es einige Zeit verdächtig still. Wir wissen jetzt auch weshalb: Diese Spießgesellen sitzen alle in den Gremien von TAFTA-TTIP und reiben sich bereits die Hände ob der lukrativen Aussichten nach dem Inkrafttreten. Der in Aussicht stehende Coup übertrifft alle Erwartungen und wird die Taschen der Anteilseigner für alle Zeiten prall füllen. Die entsprechenden Lobbyisten und Unternehmensrepräsentanten halten dann auch kein Blatt vor den Mund in ihrer Meinung zum Streit über die „Kennzeichnung genetisch veränderter Organismen“ (GMO). Selbst in den USA neigt sich bei den einzelnen Bundesstaaten die Tendenz hin zu einer Kennzeichnung von genmanipulierten Produkten. Bei den Verbrauchern ist die Mehrheit ganz eindeutig. Die diesbezüglichen Verhältnisse in der EU sind noch viel offener gegenüber GMO eingestellt. Keine Frage, daß TAFTA-TTIP die Kennzeichnung rigoros ablehnt.  Aber zwischen Kennzeichnung und Zulassung von Gentechnik und Genprodukten besteht ein riesiger Unterschied, denn das erste ist die Folge des zweiten. Lori Wallach äußert sich wie folgt dazu:

„Am heftigsten beklagt sich der Verband der Biotechnik-Unternehmen (BIO), zu dem auch der Branchengigant Monsanto gehört, über »die signifikante und weiter wachsende Lücke"« zwischen »der Freigabe neuer Biotechnologie-Produkte in den Vereinigten Staaten und der Zulassung dieser Produkte in der EU«. Monsanto und die anderen BIO-Unternehmen hoffen, diesen »Rückstau bei der Zulassung/Verwendung von genveränderten Produkten« im Rahmen einer Transatlantischen Freihandelszone auflösen zu können.“

Die o. a. und die folgenden Ausführungen führen uns zu einem weiteren hehren Ziel der Weltreformer:

  • Drittes erklärtes Ziel der wirtschaftlichen Machtübernahme: Unterminierung der Lebensmittelsicherheit und grenzenlose Freigabe von Gentechnik

Auch die Lebensmittelsicherheit befindet sich im Fokus von TAFTA-TTIP. Lebensmittelsicherheit im Sinne der Konsumenten herzustellen und für deren Gesundheit Verantwortung zu übernehmen, das ist jedoch nicht das Anliegen. Das genaue Gegenteil ist der Fall, nämlich die rücksichtslose und massenhafte Produktion von Lebensmitteln alleine nach profitablen Kriterien. An der Herstellung von gesunden und ökologisch unbedenklichen Nahrungsmitteln (lebendige Nahrung) besteht in diesen Kreisen keinerlei Bedarf. Lori Wallach formuliert die einschlägigen Forderungen folgendermaßen:

„Hier will die US-Fleischindustrie die Verhandlungen nutzen, um das EU-Verbot für mit Chlor und anderen Desinfektionsmitteln behandeltes Hähnchenfleisch zu kippen. Während die strengeren EU-Standards die Gefahr einer Kontaminierung der Produkte während des Schlacht- und Verarbeitungsprozesses reduzieren, begegnen die US-Regeln dem Kontaminierungsrisiko durch ein Desinfektionsbad, das Koli- und andere Bakterien auf den Hähnchenteilen abtöten soll. Also fordert der Mutterkonzern der Restaurantkette Kentucky Fried-Chicken, das Abkommen müsse die EU-Standards für Lebensmittelsicherheit so verändern, dass die Europäer ihre Chlorhähnchen kaufen können.

Noch ein Beispiel: Das amerikanische Fleischinstitut (AMI) empört sich, die Europäische Union bestehe auf ihrem »ungerechtfertigten« Verbot von Fleisch, das unter Einsatz von Wachstumshormonen erzeugt wurde. Diese Mittel, wie etwa Ractopamin, sind wegen der Gesundheitsrisiken für Mensch und Tier in 160 Staaten - darunter allen EU-Ländern, aber auch Russland und China - verboten oder eingeschränkt. Auch der Verband der US-amerikanischen Schweinefleischproduzenten (NPPC) hat seine Wünsche: »Die US-Schweinefleischproduzenten werden ein Ergebnis nur akzeptieren, wenn es das EU-Verbot für den Einsatz von Ractopoamin im Produktionsprozess beseitigt.«“

Auf der anderen Seite des Atlantiks bekämpft "BusinessEurope", der größte Unternehmerverband der EU als Ritter gegen den bösen Drachen des US-Gesetzes der „Modernisierung der Lebensmittelsicherheit“. Die Parole der europäischen Drachenjäger lautet: Nieder mit diesem „zentralen nicht handelsbezogenen Hindernis für EU-Exporte in die USA“. Anscheinend ist ja nicht alles schlecht, was in den USA erfunden wurde, denn das o. a. Gesetz von 2011 ermächtigt die „Food and Drug Administration“, schädliche und mit Schadstoffen kontaminierte Lebensmittel vom Markt zu nehmen. Auch in diesem Falle dient TAFTA-TTIP als geeignetes Mittel zum Zweck, derartige verderblichen staatlichen Einflüsse zukünftig auszuschalten.


e. Klimapolitik

In der Konzeption von TAFTA-TTIP würde ein grober Unterlassungsfehler existieren, wenn dort nicht auch das Ziel der Vernichtung jeglicher ökologischer Klimapolitik verankert wäre:

  • Viertes erklärtes Ziel der wirtschaftlichen Machtübernahme: Liquidierung der ökologischen Klimapolitik

Man sollte vollstes Verständnis aufbringen für die berechtigten Forderungen der Konzerne und Profitgeier, wenn sie die ökologische Klimapolitik verdammen. Was ist denn schon ein bißchen Naturzerstörung (die erholt sich doch von selbst!) und Gesundheitsgefährdung gegen das höchste Wert- und Kulturgut der neoliberalen Religion, den Mammon? Zum besseren Verständnis der auf dem Papier ausgeheckten Teufeleien ist ein anschauliches Beispiel immer gut. Ich zitiere wiederum Lori Wallach:

„Airlines for America, der größte Verband der US-Flugbranche, publiziert eine Liste »unnötiger Vorschriften, die unsere Branche erheblich behindern«- und die man über die transatlantischen Verhandlungen abschaffen will. An der Spitze dieser Liste steht das wichtigste Instrument der Europäer in Sachen Klimawandel, das EU-Emissionshandelssystem. Mittels des Emissionshandels sollen Fluggesellschaften gezwungen werden, für die von ihnen verursachten CO(2)-Emissionen zu zahlen. Airlines for America sieht in diesem System ein »Fortschrittshindernis« und will erreichen, dass die Einbeziehung der Fluggesellschaften von Nicht-EU-Ländern in dieses System, die von der EU derzeit ausgesetzt ist, endgültig vom Tisch kommt.“

f. Finanzsektor

Schreiten wir weiter zur nächsten geplanten Missetat der vereinigten TAFTA-TTIP-Mafia:

  • Fünftes erklärtes Ziel der wirtschaftlichen Machtübernahme: Rücknahme von Kontrollen und einschränkenden Regeln für den Finanzsektor

Der Finanzsektor hat Europa, die EU, die US-Volkswirtschaft sowie viele globale Bereiche an den Rand des Ruins gebracht. Die Krisen sind noch lange nicht gebannt, denn es wird systematisch Insolvenzverschleppung begangen. Nachdem der endgültige Beweis erbracht wurde, daß der Kapitalismus und erst recht seine Ausgeburt, die unregulierte Finanzdienstleistungsbranche, der Faustpfand dafür ist, die Volkswirtschaften der Welt zugrunde zu richten, sind zumindest hier und dort vernünftige Vorschläge für eine international oder nationale Strategie der Regulierung vorgebracht worden. Aber mittlerweile hat man den Eindruck, daß alle diese Absichten wieder vergessen sind. TAFTA-TTIP stellt das ideale Torpedo dar, um die Vernunft zu beschießen:

„Angesichts der globalen Finanzmarktkrise haben sich die Delegationen der USA und der EU auf einen Rahmen für das Kapitel Finanzdienstleistungen geeinigt, der nach wie vor auf Liberalisierung und Deregulierung setzt. Das ausgehandelte Konzept würde nicht nur das Verbot von riskanten Finanzprodukten und -dienstleistungen ausschließen. Es würde sogar die Möglichkeit schaffen, einschränkende Gesetze einzelner Staaten anzufechten, die bestimmte riskante Produkte und Leistungen der Finanzinstitute oder windige rechtliche Konstruktionen untersagen.“

Wohin der Hase laufen soll, nämlich zu einer Zementierung des bestehenden Persilscheins der Finanzjongleure, die Welt weiter ungestört zugrunde zu richten, das zeigen die Auswirkungen. Lori Wallach führt weiter aus:

„Diese Rahmenvereinbarungen würden viele Rezepte ausschließen, mit denen die Politik die Probleme im Finanzsektor in den Griff bekommen könnte. Zu diesen Rezepten gehören Kontrollen und Beschränkungen für Institute, die als »too big to fail« gelten - also als zu groß, um pleitegehen zu können; oder die Konstruktion einer risikomindernden Firewall innerhalb der Großbanken, die das Privatkundengeschäft vor den Risiken des Investmentbanking abschotten soll; oder obligatorische Clearingstellen für den Derivatehandel. Die Vereinbarungen würden also darauf hinauslaufen, dass bestimmte Arten von gesetzlichen Regelungen absolut verboten sind; das heißt, die beteiligten Staaten dürften dann solche Regelungen weder neu einführen noch beibehalten.“

Wer sind denn nun die Dunkelmänner, die sich hinter diesen verwerflichen Plänen verbergen? Da hätten wir zunächst einmal den "Bundesverband deutscher Banken" (BdB), der sich in verräterischer Weise zu Wort meldet. Man meldet Bedenken an wegen der regulatorischen Ideen der US-Finanzaufsichtsbehörde und macht sich stark für eine Abstimmung der im Gang befindlichen US-Finanzmarktreform  mit den Praktiken in der EU und Deutschland. Da heißt, daß darauf gedrungen wird, daß die heimatlichen (weniger regulativen) Regeln der am US-Markt tätigen europäischen und deutschen Banken auch dort anerkannt werden müssen.

Nun muß man zum Verständnis der Gesamtzusammenhänge wissen, daß im BdB die Deutsche Bank der Primus inter Pares ist. Die Deutsche Bank ist Weltmeister im Nehmen und hat alleine während der Finanzkrise von der US-Notenbank 8 Milliarden $ abgemolken. Aus allzu verständlichen Gründen kann sich die Deutsche Bank auch nicht mit der Stoßrichtung der US-Finanzmarktreform von 2012 anfreunden. Das Kernstück dieser Regulierung ist die sog. „Volcker Rule“, die nach dem amerikanischen Banker und Ökonomen Paul Volcker benannt ist. Die Details dieser Regeln können unter  dem o. a. Link abgerufen werden. So viel sei jedoch verraten: Sie enthalten Restriktionen für hochriskante Finanzprodukte, die den Banken nicht in den Kram passen, weil sie die profitablen Spekulationen einschränkt.

Ehre, wem Ehre gebührt! Deshalb darf auch das „European Services Forum“ (ESF) nicht unerwähnt bleiben. Es wird sicherlich niemand aus den Wolken fallen, wenn er erfährt, daß die Deutsche Bank an dieser feinen und noblen Organisation ebenfalls beteiligt ist. Die Selbsteinschätzung des ESF drückt sich aus als „Stimme der europäischen Dienstleistungswirtschaft in internationalen Handelsgesprächen“. Großbanken und Finanzmarktjongleure sowie andere Glücksspieler werden selbstredend als nützliche „Dienstleister“ gelistet. TAFTA-TTIP ist Wasser auf den Mühlen der ESF, weshalb man sich von diesem Pakt erhofft, daß die „too big to fail“- Regelungen in dem Sinne überdacht werden, sie möglichst fallen zu lassen. Ein anderer Begriff dafür ist die vielbesungene "Systemrelevanz". Dabei fühlt sich die Deutsche Bank falsch behandelt, weil sie im Gegensatz zu den deutschen Gepflogenheiten dort als systemisch eingestuft und somit strengeren Überwachungsregeln ausgesetzt ist.

Auf der amerikanischen Seite sitzen wiederum verstärkt Lobbyisten, die mit allen Mitteln die Einführung einer Finanztransaktionssteuer verhindern wollen. Bekanntlich wird diese in Deutschland und der EU diskutiert, wobei es allerdings in der letzten Zeit um dieses Thema ebenfalls ruhig geworden ist. Wahrscheinlich ist der Druck der US-Finanzinstitutionen gegen diese Pläne so stark geworden, daß die Europäer – an erster Stelle Merkel – den Schwanz eingezogen haben. Aber auch in dieser Hinsicht bringt der Allesreiniger TAFTA-TTIP alles ins Lot. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ebenfalls ein willfähriges Instrument der Vereinigten Wirtschaftsmacht der Welt (VWW) und der Finanzwirtschaft, hat folgerichtig inzwischen die EU animiert, auf die Transaktionssteuer zu verzichten oder sie so zu verunstalten, daß sie keine Wirkung mehr zeigt.

Der Dienstleistungssektor besteht jedoch nicht nur aus der Finanzbranche. Er umfaßt weitere relevante Bereiche für die Nationalstaaten und das Gemeinwohl ihrer Bürger. Lori Wallach meint dazu:

„Der Dienstleistungssektor umfasst jedoch keineswegs nur die Finanzdienstleister. Unter dem betreffenden Kapitel der transatlantischen Verhandlungen geht es auch um ärztliche Leistungen oder Bildungsangebote bis hin zur Energieversorgung. Dabei besteht das Ziel der Unternehmerseite darin, die regulativen Absichten der Regierungen durch möglichst grob formulierte "Parameter" zurückzustutzen. Die würden sich sowohl auf grenzüberschreitende Dienstleistungen beziehen als auch auf die Behandlung ausländischer Dienstleister, die auf dem Gebiet des betreffenden Staats operieren. Und zwar mit dem Ziel, jeden innenpolitischen Spielraum für die "Regulierung" von Bereichen wie Transportwesen, Gesundheit, Energie- und Wasserversorgung bis hin zu den regionalen oder lokalen Flächennutzungs- und Raumplanungsgesetzen abzuschaffen.“


g. Rechtfertigungen von TAFTA-TTIP und Widersprüchliches

Hier die gängigsten Argumente zugunsten von TAFTA-TTIP:

  • Es wird behauptet, daß die europäischen Politiker in der Zwangslage stecken, Fortschritte beim Wirtschaftswachstum vorzuweisen, weil ihnen die Phantasie fehlt. Aus diesem Grund seien sie zu gewissen Schandtaten bereit, die sie euphemistisch Flexibilität nennen. Damit verbunden ist jedoch die Todsünde, die relevanten Instrumente der Staatssouveränität und die Aufgabenbereiche des Schutzes des öffentlichen Interesses aus der Hand zu geben.
  • Die ganz Naiven wollen uns erklären, daß ein Freihandelsabkommen die Zollschranken absenkt, so daß dadurch wiederum der Handel und die Konjunktur angeregt und belebt wird. Die großen Lenker, die auf der sicheren Seite des Lebens stehen glauben, daß dieser Vorteil den Nachteil von Arbeitsplatzverlusten aufwiege.

Wenn man ganz ehrlich ist, dann sollte man eingestehen, daß die primäre Motivation zur Forcierung von TAFTA-TTIP nicht die angeblichen Zollsenkungen sind, sondern "die Beseitigung, Reduzierung oder Verhinderung unnötiger, nicht tarifärer Handelshemmnisse" und im Grunde genommen die Ausradierung sämtlicher über die Zölle hinausgehenden Handelsbeschränkungen.

  • Das meiner Ansicht wichtigste Argument pro TAFTA-TTIP ist unzweifelhaft die angestrebte globale Machtübernahme des Kapitalismus und der Konzerne mit der Befugnis, nach Gutdünken über das Wohlergehen der Menschen zu befinden, nur um des schnöden Mammons willen. Um dieses Endziel zu verwirklichen, muß zuerst der Staat entmachtet werden. Aber dieses schöne Argument wird von den Intriganten nicht gerne ausgesprochen.

So langsam streben wir jetzt dem Ende meines Kommentar entgegen. Zuvor noch ein resümierendes Schlußwort Lori Wallachs zu den Absichten von TAFTA-TTIP:

„Diverse andere Studien, mit denen Politiker und Unternehmensverbände hausieren gehen, beschränken sich deshalb auf das zentrale Ziel des transatlantischen Projekts: die Beseitigung der nicht tarifären Handelshemmnisse, wie sie das Zurückstutzen aller möglichen Gesetze und Regelungen zum Schutz des öffentlichen Interesses euphemistisch nennen. Diese Studien basieren samt und sonders auf dem unbewiesenen Mantra, dass die Abschaffung sozialstaatlicher Errungenschaften irgendwie ökonomischen Nutzen für alle bringe. Doch selbst mit derart schrägen Kalkulationen für das Tafta-Projekt kommen sie nur auf eine sehr dürftige ökonomische Bilanz. Wobei sie noch die quantifizierbaren Kosten unterschlagen, die für die Konsumenten wie für die Volkswirtschaft insgesamt anfallen, wenn alle Errungenschaften im öffentlichen Interesse, vom Gesundheitswesen über den Umweltschutz bis zum Sozialstaat im weitesten Sinne, wieder rückgängig gemacht werden.“

Auf keinen Fall sollte die wahre Natur von TAFTA-TTIP übersehen werden, die darin ihre Existenzberechtigung sucht, daß sie ein Instrument oder – man könnte auch sagen – eine Waffe in den Händen des Kapitalismus und seiner radikalen Marktwirtschaft darstellt. Die dem zugrunde liegenden Prinzipien und Glaubensbekenntnisse äußern sich in den zu erwartenden Reaktionen der Protagonisten:

  • TAFTA-TTIP als gemeinsame Waffe des vereinigten Kapitals gegen staatliche und demokratische  Regulierungen weltweit; im Einzelfall:
  • europäische Wirtschaft gegen US-Regierung oder EU
  • amerikanische Wirtschaft gegen EU und/oder US-Regierung
  • einzelne Konzerne, wenn ihre Profitinteressen gefährdet sind, auch gerne gegeneinander

Der Neodarwinismus zeigt in diesem neoliberalen System seine liebenswertesten Züge: Kampf bis aufs Messer – alle gegen alle! Die Aussichten, irgendwo unbeschadet diesem Massaker zu entkommen, sind gering. Das für meinen Geschmack viel zu versöhnliche Fazit Lori Wallachs hat folgenden Wortlaut:

„Aber die gute Nachricht kommt zum Schluss: Alle bisherigen Versuche, internationale Handelsabkommen als trojanisches Pferd zum Abbau des Sozialstaats und die Rückkehr zu einem neoliberalen Nachtwächterstaat zu benutzen, sind jämmerlich gescheitert. Das wird auch dieses Mal so kommen, wenn die Bürger, die Medien und auch einige Politiker endlich aufwachen.“


h. Schlußbemerkung

Wir geben uns im Kritischen Netzwerk alle Mühe, die Allgemeinheit bedrohende Phänomene aufzugreifen und kritisch zu hinterfragen. Das haben wir z. B. auch bereits mit ACTA/Fiskalvertrag/ESM getan: siehe Beitrag „ACTA und Fiskalvertrag / ESM - eine kritische Analyse“. Doch TAFTA-TTIP besitzt eine andere Dimension, eine globale Reichweite, die bisher noch von keinem anderen Abkommen erreicht wurde. Gegen ACTA ist TAFTA-TTIP geradezu ein Sozial-ACT. Marie-Luise Volk bezeichnet es im Thread des Wallach-Artikels als ein „Mörderisches Abkommen“.

Deshalb kann ich Lori Wallach auch nicht zustimmen, wenn sie uns gutgemeint mit froher Hoffnung auf ein Mißlingen des Vertragszustandekommens erfüllen will. Die Waffe TAFTA-TTIP wird sich das uns beherrschende Kapital nicht entreißen lassen. Allenfalls werden sie ein paar nebensächliche Retuschen vornehmen, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Verhindern könnte das Desaster allenfalls ein flächendeckender gewaltsamer Aufstand. Aber das sind nur Hirngespinste, für die jegliche Basis fehlt.

Wenn schon die von uns allseits sehr geschätzte Überkanzlerin Angela Merkel zu TAFTA-TTIP positiv und überschwenglich reagiert, sind Lori Wallach und das Kritische Netzwerk so ziemlich alleine auf weiter Flur. Was will man gegen einen Satz von Merkel wie

„Das Freihandelsabkommen ist mit Abstand unser wichtigste Zukunftsprojekt“

erwidern? Höchstens: Schöne Zukunft! Bei diesen Perspektiven lohnt sich noch ein langes Leben.

MfG Peter A. Weber

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