„Trendwende“ an den Börsen: Monumentale Manipulation zugunsten der Finanzelite

1 Beitrag / 0 neu
Bild des Benutzers Ernst Wolff
Ernst Wolff
Offline
Verbunden: 17.02.2015 - 23:40
„Trendwende“ an den Börsen: Monumentale Manipulation zugunsten der Finanzelite
DruckversionPDF version

„Trendwende“ an den Börsen

Monumentale Manipulation zugunsten der korrupten Finanzelite

Nach dem Börsenbeben der vergangenen Tage (siehe Artikel vom 25.8.) haben die globalen Aktienmärkte in der Mitte der Woche eine – vorläufige - Trendwende vollzogen. Die Mainstream-Medien feiern das als „Erholung nach einem reinigenden Gewitter“ und werten es als Beweis für die Funktionstüchtigkeit des Systems. In Wahrheit aber zeigt die Entwicklung genau das Gegenteil: Das System funktioniert nicht mehr und ist ohne Hilfe von außen nicht überlebensfähig.
 

Stock_Market_Exchange_China_IWF_Federal_Reserve_Boersencrash_Boerse_Finanzkrise_Dow_Jones_Finanzkapitalismus_Kapitalismus_Kritisches_Netzwerk_Wall_Street

Auslöser für die internationalen Schockwellen waren die Einbrüche am Aktienmarkt in China. China hat den USA inzwischen den Rang des wirtschaftlich bedeutendsten Landes der Erde abgelaufen. Während die USA der wichtigste Handelspartner von 74 Ländern sind, erfüllt China diese Rolle inzwischen für 124 Länder. Unter den sechs größten Banken der Welt befanden sich im April 2015 vier Geldinstitute aus China.

Nach dem 1978 durch Deng Xiaopings Reformpolitik in Gang gesetzten beispiellosen Boom wurde Chinas Wirtschaft durch den Crash von 2008 schwer getroffen. Um sie wieder anzukurbeln, wurde den Banken die Kreditvergabe erleichtert. Es wurden milliardenschwere Konjunkturprogramme aufgelegt und riesige Infrastrukturprojekte in Auftrag gegeben. Das unregulierte Schattenbankenwesen explodierte, die Hälfte aller Kredite werden heute in China in diesem Sektor vergeben, dessen Volumen auf 5 Billionen US-Dollar geschätzt wird.

Auch die USA und die Eurozone reagierten auf den Crash von 2008, indem sie der Finanzindustrie riesige Geldsummen zur Verfügung stellten und die Zinsen senkten. Da der größte Teil dieses Geldes aber in die Spekulation wanderte, kam die Realwirtschaft nicht wieder in Gang, wodurch China die Rolle des globalen „Motors“ zufiel.
 

Doch auch China konnte nicht verhindern, dass die Nachfrage in den USA und Europa aufgrund der stockenden Wirtschaftsentwicklung immer stärker nachließ. Wegen der rückläufigen Investitionsmöglichkeiten hat sich das chinesische Geld daher neue Anlagemöglichkeiten gesucht. Eine davon war neben dem Immobilienmarkt der chinesische Aktienmarkt, der in den vergangenen Jahren einen kräftigen Aufschwung nahm.

Obwohl  dieser Markt weltwirtschaftlich unbedeutend ist, gilt er als ein Indikator für die Gesundheit des chinesischen Systems. Deshalb reagierte die Regierung in Beijing, als der Markt im Mai / Juni einbrach, mit drastischen Maßnahmen: Sie pumpte Geld in den Markt, verbot Leerverkäufe (Wetten auf fallende Kurse), stoppte neue Aktien-Emissionen, untersagte Großinvestoren für sechs Monate den Verkauf von Aktien, verhaftete zudem einzelne Aktienhändler und warf ihr nicht genehme Wirtschaftsjournalisten ins Gefängnis.

Der zweite schwere Einbruch folgte dann Mitte August. Ihm ging eine politisch bedeutsame Entwicklung voraus, die einer kurzen Erklärung bedarf: Obwohl realwirtschaftlich inzwischen bedeutender als die USA, spielt China auf dem Währungsmarkt weltweit bisher keine Rolle. Der Yuan ist nicht frei handelbar und an den US-Dollar gebunden. Um diesen Zustand zu ändern, hat die chinesische Regierung in den vergangenen Monaten einige Anstrengungen unternommen. Unter anderem hat sie die Aufnahme des Yuan in den Währungskorb der Sonderziehungsrechte des IWF beantragt, in dem sich bisher nur der US-Dollar, der Euro, das britische Pfund und der japanische Yen befinden. Dieser Antrag ist am 11. August vom US-dominierten IWF für mindestens 9 Monate auf Eis gelegt worden. Am selben Tag und an den beiden darauffolgenden Tagen hat die chinesische Regierung ihre Währung abgewertet – eine deutliche Vergeltungsmaßnahme für die als Affront empfundene Entscheidung des IWF.
 

Als es kurz darauf zu weiteren Abstürzen an der Börse Shanghai kam, tat die chinesische Regierung zunächst – nichts. Diese Untätigkeit ließ Anleger rund um den Globus erzittern, schickte die Börsen weltweit auf Talfahrt und brachte dem Dow Jones den höchsten Tagesverlust seiner Geschichte ein. Die US-Zentralbank Federal Reserve (FED) reagierte umgehend, indem sie einen ranghohen Vertreter öffentlich erklären ließ, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit auf die von Anlegern gefürchtete Zinserhöhung verzichten werde.

Erst nach dieser Absichtserklärung, Investoren weiterhin unbegrenzt billiges Geld zur Verfügung stellen zu wollen, beruhigten sich die Aktienmärkte im Westen wieder. Daraufhin griff die chinesische Regierung erneut mit einer Senkung des Leitzinses und weiteren Geldspritzen in den eigenen Markt ein, der sich daraufhin ebenfalls beruhigte.

Der Konflikt zwischen Beijing und Washington darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass China und die USA sich nicht nur als Konkurrenten gegenüberstehen, sondern auch auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden sind: China hält verschiedenen Angaben zufolge 1,2 bis 1,4 Billionen in US-Staatsanleihen und könnte das US-Finanzsystem durch einen plötzlichen Verkauf dieser Anleihen in schwerste Bedrängnis bringen (Ein Warnschuss in diese Richtung dürfte der Verkauf von Anleihen im Wert von 100 Mrd. US-Dollar in den vergangenen zwei Wochen sein). Die USA wiederum sind wegen der nicht vorhandenen Erholung ihrer Wirtschaft auch in Zukunft von China als weltweitem Wachstumsmotor abhängig.
 

Dass es trotz dieser wechselseitigen Abhängigkeiten zu den teilweise dramatischen Entwicklungen der vergangenen Woche kam, zeigt zum einen, wie angespannt neben der wirtschaftlichen auch die geopolitische Lage derzeit ist. Zum anderen beweisen die Interventionen der Zentralbanken zur Stützung der Börsen einmal mehr, dass diese weltweit durch und durch manipuliert sind und nur durch ständige Injektion frischen Geldes in Gang gehalten werden können.

Der große Verlierer der vergangenen Tage war einmal mehr die soziale Gleichheit. Während z.B. der Londoner Hedgefonds Nexus durch Wetten auf den fallenden Yuan in wenigen Tagen 200 Millionen Dollar Gewinn machte und die Banken durch ihren Hochfrequenzhandel umgehend auf die Kursverluste reagieren konnten, verloren zahlreiche Anleger aus der Mittelschicht rund um den Globus mehrere Milliarden an Vermögen. Noch härter traf es die unteren Einkommensschichten: Die fallenden Rohstoffpreise und die Abwertungen zahlreicher Währungen, die mit dem Börsenbeben einhergingen, führten dazu, dass vor allem in den Schwellenländern tausende Arbeitsplätze verloren gingen und die ohnehin verschwindend geringe Kaufkraft derer, die täglich ums Überleben kämpfen, weiter geschwächt wurde.

Ernst Wolff


Bild- und Grafikquellen:

1. Das Währungs- und Finanzsystem funktioniert nicht mehr und ist ohne Hilfe von außen nicht überlebensfähig. Foto: Ahmad Nawawi. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

2. STOCK MARKET CRASH! - Graffito an einer Hauswand. Foto: zemistor. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0).

3. São Paulo Stock Exchange (Bovespa). Foto: Rafael Matsunaga. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

4. MADE IN CHINA. So funktioniert globalisierter Welthandel heute. Das Bild zeigt in China produzierte US-amerikanische Flaggen anläßlich des US-Nationalfeiertages am 4. Juli 2009 in Harrisonburg. Foto: Finnegan. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

5. Cover: "WELTMACHT IWF - Chronik eines Raubzugs" von Ernst Wolff. Wolff im Interview mit KenFM - weiter und zur Buchvorstellung.