TTIP - Ein „trojanisches Pferd“ wird als „Freihandelsfalle“ entlarvt

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TTIP - Ein „trojanisches Pferd“ wird als „Freihandelsfalle“ entlarvt
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TTIP - Ein „trojanisches Pferd“ wird als „Freihandelsfalle“ entlarvt

Angriff auf die Demokratie und auf europ. Sozial- und Umweltstandards statt fairer Handelspartnerschaft?


"Die Verhandlungen zum Freihandels-Abkommen müssten schnell abgeschlossen werden", so forderte auch der französische Regierungschef François Hollande bei einem Treffen mit Obama im Februar 2014. Andernfalls drohe das Abkommen am öffentlichen Druck zu scheitern. Auch der "Sozialistische" französische Staatschef Hollande hat bei seinem Treffen mit Obama darauf gedrängt, sich mit TTIP zu beeilen, bevor noch mehr Kritiker in der französischen Nationalversammlung aufbegehren. Obama selber hat gerade vergeblich in seinem Kongress versucht, eine Regelung durchzusetzen, dass die Abgeordneten ähnlich wie in der EU nur über das Gesamtpaket TTIP, nicht aber über Einzelpunkte abstimmen dürfen. Zum Glück wurde Obama von den eigenen Demokraten die Gefolgschaft in dieser Sache verweigert.
 

 

Die EU hatte im November 2013 zu einem Geheimtreffen in Brüssel eingeladen, bei dem die Mitgliedstaaten auf eine einheitliche Propaganda für das Freihandelsabkommen mit den USA eingeschworen werden sollten. Die EU verlangt, dass „alle mit einer Stimme sprechen“. Das Abkommen sei geheim, die Öffentlichkeit soll ausschließlich über die Vorteile des TTIP informiert werden.

In "Deutsche Wirtschafts Nachrichten“ (DWN) heißt es dazu in einem Artikel vom 29.11.2013 unter anderem: Das geplante Freihandels-Abkommen sei aus der Sicht der EU ein erster Schritt zu einer neuen Weltwirtschaftsordnung. Es solle alle regulatorischen Fragen neu regeln. Das Abkommen sehe weitreichende Einschränkungen der nationalen Souveränität in Europa und insbesondere eine erhebliche Ausschaltung der ordentlichen Gerichtsbarkeit in den EU-Staaten vor. Die EU wolle offenbar sichergehen, dass negative Berichterstattung über TTIP im Keim erstickt wird und vor allem verhindern, dass es während der geheimen Verhandlungen Störfeuer aus der Öffentlichkeit gibt.

Deshalb definierte die EU für ihren Propaganda-Feldzug mehrere Kampfzonen:

  • Geheimhaltung der Details der Verhandlungen.
  • Positive Berichte in den Medien.
  • Überwachung der Kritiker
  • Befeuerung durch Propaganda und
  • Europäisches Parlament an die Leine.

Immerhin räume die EU-Kommission ein, dass es sich bei TTIP um die weitestreichende Veränderung der Gesellschaften in Europa seit langem handele – um den ersten Schritt zur „Neuen Weltordnung". Sie wisse, dass die „Breite der Themen, die diskutiert werden, viel breitere Elemente der politischen Willensbildung enthalte, als dies bei einem traditionellen Handelsabkommen der Fall sei“. Dies ist offenbar die „Neue Weltordnung“, wie die EU sie sich vorstellt: Hinterzimmer-Politik mit den Lobbyisten, Propaganda für die Bürger.

Es ist gewiss kein Zufall, dass rechtzeitig zu den Europawahlen Joschka Fischer, der Mitbegründer von David Rockefellers „European Council on Foreign Relations“, und Alexander Graf Lambsdorff die Vereinigten Staaten von Europa und damit die Abschaffung des Nationalstaates fordern. Dabei sollen verschwurbelte Begriffe wie „Global Governance“ oder „Neue Weltordnung“ das aus dieser Abschaffung logisch abzuleitende Ziel einer „Weltregierung“ verschleiern. Der eigentliche Skandal ist, dass der Berliner Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierungskoalition ausdrücklich auf einen „erfolgreichen Abschluss“ der transatlantischen Verhandlungen zielt und sich im Vertrag darauf geeinigt hat, die Unterzeichnung von TTIP „voranzutreiben“.

In ihrer Erklärung heißt es:


„Das geplante Freihandelsabkommen mit den USA ist eines der zentralen Projekte zur Vertiefung der transatlantischen Beziehungen. Wir wollen, dass die Verhandlungen erfolgreich zum Abschluss geführt werden, ohne im Vertrag parlamentarische Kontrolle und gerichtlichen Schutz in Frage zu stellen. Unser Ziel ist dabei, bestehende Hindernisse in den transatlantischen Handels- und Investitionsbeziehungen so umfassend wie möglich abzubauen.

Die Zulassung begründeter Ausnahmen muss für jeden Vertragsteil Teil des Abkommens sein. Wir werden auf die Sicherung der Schutzstandards der Europäischen Union insbesondere im Bereich des Datenschutzes, der europäischen Sozial-, Umwelt- und Lebensmittelstandards sowie auf den Schutz von Verbraucherrechten und öffentlicher Daseinsfürsorge sowie von Kultur und Medien Wert legen.“


„Deutsche Wirtschafts Nachrichten“ lassen keinen Zweifel daran, was von diesen Beruhigungspillen für die noch immer weitgehend ahnungslose Bevölkerung zu halten ist: „Dieser Text ist, so abwägend er erscheint, die Unterwerfung Deutschlands unter die Neue Weltordnung, in der nicht demokratisch legitimierte Wirtschafts- und Finanz-Eliten darüber bestimmen, was für die öffentliche und private 'Daseinsfürsorge' notwendig ist. Gabriel und Merkel haben bereits kapituliert, weil sie als höchstes der Gefühle die Zulassung begründeter Ausnahmen erbitten. Gabriel und Merkel lösen die Eintrittskarte in die Hölle. Als Erfolg werden sie den Bürgern verkaufen, dass nicht alle im großen Topf gekocht werden, sondern einige im Wok.“

Mit diesen brisanten Prolog, wird dem nachfolgenden fundierten Aufsatz von Wilhelm Neurohr der nötige intellektuelle Raum gegeben.
 



TTIP - Ein „trojanisches Pferd“ wird als „Freihandelsfalle“ entlarvt


Angriff auf die Demokratie und auf europäische Sozial- und Umweltstandards statt fairer Handelspartnerschaft?


von Wilhelm Neurohr

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1. Lobbyorganisationen und Politik verbünden sich im Freihandelsfieber


Nach der Fixierung Europas auf den liberalisierten „Binnenmarkt“ rückt nun der globale „Außenmarkt“ wieder verstärkt in den Fokus des Interesses europäischer und transatlantischer Wirtschafts- und Handelspolitik – vor allem auf Drängen der USA, aber auch der deutschen Kanzlerin und der EU-Kommission. Nachdem in der Vergangenheit bereits Zölle weitgehend gesenkt und Subventionen sowie Regulierungen vielfach abgeschafft wurden, soll nunmehr der grenzüberschreitende Handel durch weitere Marktliberalisierung - wegen angeblich dadurch zu erwartender positiver wirtschaftlicher Effekte nach „Abbau regulatorischer Hindernisse“ - noch massiv gesteigert werden, wie schon seit Beginn der 1990er Jahre diskutiert. Noch mehr Wettbewerb und Wachstum sollen den Wohlstand steigern und zugleich gesellschaftliche Probleme lösen, so lautet quasi die Verheißung der Eliten. Dazu heißt es auf den „NachDenkSeiten“: „Transnational agierende Konzerne, deren Lobbyverbände und Denkfabriken träumen seit geraumer Zeit von einem globalen Markt ohne Schranken. Lobbyorganisationen und Politik verbünden sich im Freihandelsfieber, um die Führungsrolle in der Weltwirtschaft zu halten und auszubauen“.

Und zwar soll das erreicht werden mit einem neuen Freihandelsabkommen zur „Investitions- und Handelspartnerschaft“ mit dem Ziel, restliche Zölle möglichst vollständig abzubauen, Dienstleistungssektoren und das öffentliche Beschaffungswesen zu öffnen und Subventionen sowie Finanzmarktregeln abzubauen, ferner Investitionen von Unternehmen zu schützen durch ein Klagerecht der Konzerne gegen Staaten (bei Bedrohung ihrer Gewinnaussichten durch neue handelshemmende staatliche Rechtsnormen z. B. im Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherrecht etc.) u. a. m.. Die Kritiker des Abkommens haben dazu eine Menge begründeter Befürchtungen, auf die noch näher eingegangen wird.
 

 

Das Verhandlungsmandat wurde der EU-Kommission übertragen mit Federführung durch den belgischen EU-Handelskommissar Karel de Gucht. (Sein US-Pendant ist Dan Mullaney vom Büro des United Stats trade Representative). Der EU- „Chefunterhändler“ ist der Spanier Ignacio Garcia Bercero, unterstützt von EU-Direktor Rupert Schlegelmilch von der Generaldirektion Handel. (Die beiden Letztgenannten haben im Februar 2014 bereits auf öffentliche Kritik reagiert und warben in Berlin bei der Bundesregierung, den Bundestagsabgeordneten und den Ländervertretungen für das Freihandelsabkommen). Wie übrigens das erteilte (pauschale) Verhandlungsmandat genau aussieht, ist bis heute nicht veröffentlicht worden.   

Unter dem Kürzel TTIP („Transatlantic Trade and Investment Partnership“) oder auch TAFTA („Trans-Atlantic Free Trade Agreement“) ist das geplante Abkommen zwischen den USA und der EU und weiteren Staaten seit Mitte 2013 in der konkreten Verhandlungsphase – unter Ausschluss der Öffentlichkeit und mit intensiver Beteiligung von Lobbyisten sowie mit umstrittenen Inhalten. Es soll in Form eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen den USA und den Staaten der EU abgeschlossen werden, unter Einbeziehung auch von Kanada, Mexiko, den EFTA-Staaten Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island sowie den EU-Beitrittskandidaten Mazedonien, Türkei u. a.

Wenn das Abkommen einmal in Kraft tritt, wäre es praktisch irreversibel. Zudem kann der Vertragstext mit ca. 2000 Seiten Umfang von den Mitgliedsstaaten nur im Ganzen angenommen oder abgelehnt, also nicht in einzelnen Punkten verändert werden. (Diese in der EU durch das pauschale Verhandlungsmandat zwangsläufig geltende Verfahrensweise wollte US-Präsident Obama kürzlich per Gesetzesänderung so auch für den US-Kongress regeln, scheiterte damit aber am Widerstand der Abgeordneten seiner eigenen Demokratischen Partei).
 



2. Die größte Freihandelszone der Welt soll entstehen


In der dann größten Freihandelszone der Welt mit weit über 800 Mio. Einwohnern wird fast 60% des globalen Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet und 40% des Welthandels bestritten. Damit würde das Abkommen zur „Investitions- und Handelspartnerschaft“ zwangsläufig auch der „restlichen Welt“ die Standards für derartige Abkommen sowie die Spielregeln der Handelsfreiheit auf den globalen Märkten vorgeben oder diktieren, etwa auch zwischen der EU und China. Deshalb sprechen einige auch von „Elefantenhochzeit“ zwischen USA und EU. Die Hans-Böckler-Stiftung sagt hingegen voraus, dass TTIP-Abkommen mit den USA werde Handelsverbindungen zementieren, die immer unwichtiger würden – statt neue etwa mit China zu stärken. Doch die EU lässt sich nicht bremsen und umorientieren.

„Mit TTIP soll die Harmonisierung von Arbeits-, Sozial- und Umweltrechten in einem Regelsystem für die Weltwirtschaft durchgesetzt werden. Dazu gehören einheitliche Mindeststandards, die von keinem anderen Land unterschritten werden dürfen.“ Sind USA und Europa bei dem Vorhaben wirklich auf gleicher Augenhöhe, so dass TTIP ein “akzeptabler Kompromiss“ werden könnte, wie die EU-Verhandlungsführer behaupten? Und können solche Abkommen überhaupt eine gute und faire Handels- und Wirtschaftspolitik ersetzen? Müssten solche Abkommen nicht wenigstens begleitet werden durch Vereinbarungen, mit denen die Lage und Lebensqualität der Menschen sowie der Datenschutz verbessert werden? „Durch eine Freihandelszone EU/USA bleibt im Welthandel kein Stein auf dem anderen“, es sei ein „Sargnagel für den Welthandel“ und überdies ein „Todesstoß für die WTO“ (die allerdings ohnehin am Ende ist), prophezeit Professor Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft Kiel. Die großen Verlierer werden die traditionellen Handelspartner der USA sein, nämlich Kanada, Australien und Mexiko; damit verliert die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA an Bedeutung.

Weiterhin und verstärkt würde es also mit TTIP weltweit Gewinner und Verlierer geben anstelle einer Win-win-Situation mit fairem Handel, so die berechtigten Befürchtungen der Skeptiker - abgesehen von den negativen Folgen obendrein für die Umwelt und die Menschen auch in Europa, für ihre Schutzrechte als Verbraucher und Arbeitnehmer, ihre Freiheiten und ihre Demokratie. Die Verlierer und Gewinnen ließen sich jetzt schon zuordnen: „Verlierer sind die Beschäftigten, die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Umwelt und der profitfreie öffentliche Sektor“, so befürchtet Prof. Rudolf Hickel vom wissenschaftlichen Beirat von Attac. Als Gewinner stünden einzig und allein die multinationalen Konzerne gegenüber.

TTIP hat tatsächlich eine „andere Qualität“ als die bereits seit 1959 mit deutscher Beteiligung abgeschlossenen 140 Handels- oder Investitionsabkommen; etwa 3.400 gibt es inzwischen weltweit, andere sprechen von 3.000 oder nur 1900 Abkommen  insgesamt. Allein die EU kann auf 1.400 Investitionsschutzübereinkünfte der Mitgliedssaaten zurückgreifen. (Deutschland hatte den ersten bilateralen Investitionsvertrag 1959 mit Pakistan abgeschlossen, zum Nachteil des Entwicklungslandes).

„Die neue Liberalisierungswelle ist umso gefährlicher, weil sie mit transatlantischer Wucht kommt“, so befürchtet sogar der Bayrische Städtetag. (Daraufhin entsandte die EU umgehend den Generaldirektor für Handel aus Brüssel, Rupert Schlegelmilch, Anfang Februar 2014 in den Bayrischen Landtag und damit erstmalig in ein Regionalparlament, um die dortige Kritik abzuwenden und für TTIP zu werben, unterstützt von US-Generalkonsul William E. Moeller, ferner den Leiter der Münchener Vertretung der EU-Kommission, Peter Martin und der SPD-Bundestagsabgeordneten Claudia Tausend als Mitglied im Europa-Ausschuss und dortige Berichterstatterin für EU-Angelegenheiten. Zugleich präsentierte sie eine Werbebroschüre zu TTIP). Deshalb sollen die eigentlichen Hintergründe, Absichten und Ziele des geplanten Freihandelsabkommen und seine Gefahren und Risiken hier näher betrachtet werden.
 



3. Eine „neue Wirtschaftsordnung“ im Interesse Europas und Amerikas?


In diesem Beitrag wird nachfolgend verdeutlicht, dass TTIP schon von langer Hand (auf Betreiben und unter maßgeblicher Beteiligung von Lobbyisten und Profiteuren) seit fast 25 Jahren vorbereitet wurde, beginnend mit  einer ersten Entschließung der EU schon im Jahr 1990. Konkret eingeleitet und besiegelt wurde das Vorhaben dann am 30. April 2007 auf dem transatlantischen EU-USA-Gipfel zwischen US-Präsident Bush, der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Barroso (unter Beteiligung von Außenminister Steinmeier). Und zwar zunächst durch Einrichtung eines vorbereitenden „Transatlantischen Wirtschaftsrates“ (TEC)  zur „Harmonisierung von Marktregulierungen“ und „Beseitigung von Handels- und Investitionsbarrieren“. Damit wurde das Ziel eines gemeinsamen transatlantischen Wirtschaftsraumes angesteuert, auch wenn eine schnelle Konkretisierung an Präsident Bush und der Agrarlobby zunächst scheiterte.

Das Vorhaben sehen Kritiker heute als generell problematisch an: „Eine transatlantische Freihandelszone, frei von sozialen und moralischen Verpflichtungen, ohne Kontrolle, ohne Rechenschaftspflicht und ohne politische Gegenmacht fördert eine anarchische Weltwirtschaft, der eine nie dagewesene Macht zuteil wird“. Schon jetzt beherrschen 147 transnationale Konzerne etwa 40% des globalen Unternehmensvermögens. Freie Bahn für Beutezüge? Speziell US-Konzerne wie Monsanto, die bislang an europäischem Umwelt- und Verbraucherrecht gescheitert sind, könnten mit ihren Produkten doch noch in Europa Fuß fassen. Denn ein Kapitel Verbraucherschutz fehlt bislang noch völlig in den geplanten Regelungen des Abkommens.

Ein „Eldorado für Investoren soll geschaffen werden, die in der Ausübung ihrer Geschäfte nicht mehr durch nationale Umweltauflagen, Arbeitnehmerrechte oder Verbraucherschutz gehemmt werden wollen. Dieser Traum könnte allerdings zu einem Albtraum für EU-Bürger werden, weil politisch erkämpfte Standards und Schutzrechte mit dem Investor-Staat-Klageverfahren sturmreif geschossen werden“.  Als „Ermächtigungsgesetz für Konzerne“ wird TTIP inzwischen bezeichnet. (Da ist es nur ein schwacher Trost, dass Europa auch von Amerika lernen kann, weil dort beispielsweise der Zuckergehalt in Nahrungsmitteln besser gekennzeichnet ist oder die Zulassungsstandards für Arzneimittel deutlich höher sind).

Noch im Jahr 2006 hatte der damalige EU-Handelskommissar Peter Mandelson die von der deutschen Kanzlerin ins Gespräch gebrachte Freihandelszone abgelehnt, weil  er kein EU-Land kenne, das diese Idee unterstütze. Doch die gemeinsame Freihandelszone war und ist gleichwohl ein „Lieblingsprojekt“ der deutschen Kanzlerin, zu dem sie auf einem EU-USA-Gipfel in 2007 eine Rahmenvereinbarung dazu durchsetzte. Und sie thematisierte es auch 2009 in ihrer Rede im US-Kongress , weil sie sich von so einem Abkommen „binnenmarktähnliche Strukturen“ erhofft. Wörtlich sagte sie im US-Kongress: „Ebenso kann der Transatlantische Wirtschaftsrat eine wichtige Aufgabe erfüllen. Wir können damit Subventionswettläufe verhindern und Anstöße zum Abbau von Handelshemmnissen zwischen Europa und Amerika geben. Ich bitte Sie: Lassen Sie uns gemeinsam für eine Weltwirtschaftsordnung eintreten, die im Interesse Europas und Amerikas ist“. Es geht also erklärtermaßen um eine (neue) Weltwirtschaftsordnung vornehmlich im Interesse Europas und Amerikas.
 



4. Freihandel birgt stark antidemokratische Tendenzen


Auch die deutschen Koalitionsparteien CDU und SPD erklärten 2013 nach gemeinsamen Arbeitsgruppensitzungen, das Freihandelsabkommen mit den USA „entschlossen voranzutreiben“. Sie wollen „die Verhandlungen erfolgreich zum Abschluss führen“, weil das geplante „Freihandelsabkommen mit den USA eines der zentralen Projekte zur Vertiefung der transatlantischen Beziehungen“ sei. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Unser Ziel ist dabei, bestehende Hindernisse in den transatlantischen Handels- und Investitionsbeziehungen so umfassend wie möglich abzubauen.“

Anfang Februar 2014 hatte Bundeswirtschaftsminister Gabriel davor gewarnt, das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA „kaputtzureden“ und ließ zur Beruhigung der Kritiker seinen Staatssekretär Stefan Kapferer (FDP-Mitglied) eine gemeinsame Erklärung mit dem EU-Chefunterhändler Garcia Bercero für einen „transparenten Verhandlungsprozess“ veröffentlichen Gabriel wörtlich: Wir müssen die Debatte auch mal von ein paar Vorurteilen befreien. (…) Ich bin sehr dafür, dass wir die Chance nutzen, dieses Freihandelsabkommen zum Erfolg zu führen.

Aber warum ist das dann eine „geheime Kommando-Sache“? Was ist mit den Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes? (Es gibt deswegen bereits Klagen z.B. der Organisation CEO beim Europäischen Gerichtshof). Warum erhielten bislang weder die Mitgliedsstaaten der EU noch andere EU-Kommissare außer dem zuständigen Handelskommissar, geschweige die Abgeordneten des Europa-Parlaments noch der nationalen Parlamente, Einblick in die geheim gehaltenen Verhandlungsdokumente für das TTIP-Abkommen? Was gibt es zu verbergen. Oder zählt nur der schnelle und reibungslose Verhandlungsabschluss (noch vor den Kongresswahlen 2016 in den USA?) Bundeskanzlerin Merkel erklärte jüngst: „Wenn ich die Diskussionen über ein Freihandelsabkommen mit den USA verfolge, dann kann ich nur sagen: Wir sollten das Gesamtziel nicht aus den Augen verlieren vor lauter kleinen Schwierigkeiten, sondern diese überwinden, denn anderen Regionen auf der Welt gelingt das auch.“ Bei ihrer Rede vor dem Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft am 3. Februar 2014 bekannte sie zu den bilateralen Handelsabkommen: „Deshalb ist Deutschland ein Treiber solcher Abkommen“, auch wenn es in Deutschland breite Diskussionen darüber gebe, wie nahe sich Wirtschaft und Politik kommen dürfen. (Also – „Augen zu und durch“?).

TTIP soll nämlich als „living agreement“ gestaltet werden, d.h. laut geplantem Abkommen soll bei jeder staatlichen Gesetzesinitiative sehr frühzeitig geprüft werden, ob sie einen „wesentlichen“ Einfluss auf den transatlantischen Handel haben. Immer dann wären die betroffenen Konzerne und ihre Lobbyverbände lange vorher einzubeziehen und müssten vorher formell gefragt werden oder erhielten eine Art Vetorecht in Gesetzgebungsverfahren. Der Staat als Gesetzgebungsorgan würde endgültig zum Büttel der Konzerne und die Bürgerinteressen blieben dahinter zurück.
 



5. TTIP offenbart Abgründe im Demokratieverständnis der Regierenden


Diese Haltung offenbart Abgründe im Demokratieverständnis der deutschen Regierung und der EU-Kommission: Der Bürger als Gefahr? Da verhandeln Politiker mit Unternehmen über Belange der Bevölkerung – und die soll völlig außen vor bleiben? Die Versicherung der schwarz-roten Parteipolitiker, auf soziale, ökologische und rechtliche Standards bei dem Abkommen zu achten und auf zulässige Ausnahmen zu drängen, erscheinen wie „bloße Lippenbekenntnisse, um den Wählern Sand in die Augen zu streuen“, kritisiert Attac.

Seit dem mit dem Lissabon-Vertrag von 2009 das Handelsmandat auf die EU übertragen wurde (Federführung auch für Investitionsabkommen bei der Generaldirektion Handel), sind die Mitgliedsstaaten eigentlich außen vor. Bis heute ist immer noch unklar, wer am Ende über das Abkommen entscheidet: Nur eine Zustimmung durch das EU-Parlament oder auch eine Ratifikation durch die einzelnen Nationalparlamente? Es kommen erheblich Zweifel an der demokratischen Legitimation des Abkommens auf.

Der Freihandel stärkt also nicht die Demokratie, wie immer wieder behauptet wird, sondern er birgt stark antidemokratische Tendenzen. Das ganze Modell des Freihandels und die ganze Stoßrichtung dieser Verträge ist problematisch und gefährdet auch Verfassungs- und Menschenrechte. Es erscheint eher wie eine Unterwerfung der Staaten unter eine neue Weltordnung, in der nicht demokratisch legitimierte Wirtschafts- und Finanzeliten darüber bestimmen, was für öffentliche und private Daseinsfürsorge notwendig ist. „Einer der fiesesten Lobbyisten-Tricks ist das Andocken  an internationale Handelsabkommen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden“. Denn TTIP wird sich wahrscheinlich auch stärker im Geldbeutel der Wähler auswirken als die Energiewende. Dennoch wird es im Wahlkampf viel zu wenig thematisiert. Da sind die Lobbynetzwerke viel näher am Thema und in den Vorbereitungsprozessen, so dass der harte Vorwurf eines „Komplotts der Konzerne gegen Rechtsprechung und Demokratie“ nicht an den Haaren herbeigezogen scheint.

Bezeichnend und entlarvend ist auch eine Textpassage im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien SPD und CDU, die als gemeinsames Ziel den Abschluss des Freihandelsabkommen TTIP bis spätestens Ende 2015 wollen: „Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas ist ein verringerter Regelungsaufwand auf Ebene der EU erforderlich. Die EU-Kommission muss Regelungsbereiche identifizieren, die das größte Potenzial zur Vereinfachung und zur Verringerung der Regulierungskosten bieten, vor allem soweit sie für kleine und mittlere Unternehmen besonders relevant sind. Für diese Bereiche fordern wir konkrete Abbauziele. Dem Verbraucher-, Umwelt- und Arbeitnehmerschutz muss dabei Rechnung getragen werden. EU-Vorgaben wollen wir grundsätzlich „eins zu eins“ umsetzen – das sichert auch Chancengleichheit im europäischen Binnenmarkt".
 



6. Der Einfluss der Bertelsmann-Stiftung auf die EU-Handelspolitik


Nach schleppenden Verhandlungen des vorbereitenden Transatlantischen Wirtschaftsrates TEC (auf dessen Zusammensetzung und Arbeitsweise noch näher eingegangen wird), riet die Bertelsmann Stiftung in einem „Strategiepapier“ dazu, das Gremium in der Hierarchie künftig ganz oben beim amerikanischen Vizepräsidenten und dem EU-Kommissionspräsidenten zu platzieren. Auf dem 10. Internationalen Bertelsmann Forum (IBF) in Berlin zur Zukunft der EU in 2006, unter Teilnahme des EU-Präsidenten Barroso, des französischen Premiers und des belgischen Ministerpräsidenten, hielt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eine europapolitische Grundsatzrede, bei der sie eine „neue wirtschaftliche Dynamik bei fortschreitender Liberalisierung der Märkte“ einforderte sowie eine darauf bezogene „Neubegründung Europas“.

Zugleich plädierte die Bertelsmann-Stiftung (nach einer Repräsentativbefragung in ausgewählten Mitgliedsstaaten der EU) dafür, „den Nutzwert Europas für den Bürger in neuen Großprojekten spüren zu lassen“. In 2008 ergänzte die Bertelsmann-Stiftung in einem Strategiepapier ihre Vorstellungen über die „künftige globale Machtentfaltung Europas“ und über ein „modernisiertes transatlantisches Verhältnis” mit „strategischen Optionen“, auch zur Sicherung von Unternehmensinteressen. Eines dieser machtvollen Großprojekte ist (neben der Entscheidung des EU-Ratsgipfels vom Juni 1999 zur Aufstellung einer EU-Einsatzgruppe mit 60.000 Soldaten) sicherlich das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP „im Unternehmensinteresse“. In einer eigenen Studie prognostiziert die Bertelsmann-Stiftung übertrieben hohe wirtschaftliche Nutzeffekte durch TTIP bezüglich Wachstum und Arbeitsplätze (siehe Einzelheiten an anderer Stelle dieses Beitrages). Dazu muss man wissen, dass die (befangene) Bertelsmann-Stiftung seit 2011 einem - in der Zusammensetzung geheim gehaltenen - Beratungsgremium für die TTIP-Vorbereitung angehört, das von Präsident Obama und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy auf einem Gipfeltreffen eingerichtet wurde.

Zudem ist die Bertelsmann-Stiftung seit zwei Jahrzehnten maßgeblicher Berater und Treiber für die Umstellung der kameralistischen Haushaltsführung der Kommunalverwaltungen auf betriebswirtschaftlich orientierte doppelte Buchführung unter dem Begriff „New Public Management“ zur Ökonomisierung öffentlicher Dienste. Damit sollen für interessierte Dienstleistungskonzerne die gewinnträchtigen und die defizitären öffentlichen Dienste für eine private Übernahme oder für PPP-Modelle  sichtbar und berechenbar werden, außerdem Subventionen (etwa für örtliche Gesundheits-, Bildungs- und Kultureinrichtungen oder den öffentliche Nahverkehr) abgelöst werden durch erzwungene betriebswirtschaftliche, also kostendeckende Preise (sprich Preis- und Gebührenerhöhungen für die „Bürger als „Kunden“), die für viele bedürftige Menschen so nicht mehr bezahlbar sind. In zwei Städten (Yorkshire/England und Würzburg) hat die Bertelsmann-Tochter Arvato sogar versucht, die kompletten kommunalen (einschließlich der hoheitlichen) Dienstleistungen gewinnorientiert zu übernehmen – als Einstieg in den gesamten öffentlichen Markt für kommunale Dienstleistungen europaweit -, ist damit aber vorerst kläglich gescheitert.  
 



7. Bertelsmann und die Brüsseler „Denkfabrik Bruegel“ ziehen an Fäden


Der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung, Aart de Geus, ließ im Dezember 2013 in einem Beitrag für das „Handelsblatt“ die Katze aus dem Sack: Die ökonomische Perspektive von TTIP allein jedoch reiche nicht aus. „Das transatlantische Freihandelsabkommen muss weit über alles hinausgehen, was multilaterale Handelsabkommen bislang regeln. Ging es bisher vorrangig um den Abbau von Zollhürden, geht es nun um die Harmonisierung von Regulierungen in Gesundheit, Medizin, Umwelt, Kultur und Lebensmittelsicherheit – allesamt Bereiche, die uns alle ganz direkt berühren“. Er warnte aber vor einem Scheitern wie beim ACTA-Abkommen und empfahl deshalb (aus taktischen Gründen?) eine Abkehr von der bloßen Hinterzimmer-Politik und etwas mehr Transparenz für die Öffentlichkeit  durch eine „neue Balance zwischen der Vertraulichkeit sensibler Informationen und dem Interesse der Öffentlichkeit“. Denn Misstrauen führe zu Ablehnung, und dafür sei das TTIP-Abkommen zu wichtig.

Am 30. Januar 2014 veranstaltete die Bertelsmann-Stiftung in Brüssel ein Podium über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP mit ihren eigenen Experten des Brüsseler und Washingtoner Stiftungsbüros sowie ausgewählten geladenen Gästen. Dort bekräftigte der anwesende EU-Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero, dass die eigentlichen Verhandlungen mit den USA nicht öffentlich stattfinden dürften. Die Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger würden aber am Ende des Verhandlungsprozesses anschließend die dann öffentlichen Texte einsehen können.

Die Generaldirektorin des Europäischen Verbraucherverbandes (BEUC), Monique Goyens, erwartete als Podiumsteilnehmerin bei der Bertelsmann-Stiftung früheren Zugang zu den Verhandlungstexten, um tatsächlich Einfluss auf die Verhandlungen nehmen zu können. Auch Tom Jenkins, Berater des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) für Außenbeziehungen rief die EU-Mitgliedsstaaten auf, eine stärkere Rolle in den TTIP-Verhandlungen einzunehmen. Er bemängelte, dass die TTIP-Agenda nach wie vor von der Wirtschaft bestimmt werde, hoffte aber, dass durch TTIP die besseren Arbeitsstandards von Europa in die USA exportierte werden. Eingeladen war auch Suparna Karmakar von der europäischen Denkfabrik Bruegel in Brüssel (in der einflussreiche Vertreter von über 20 internationalen Konzernen, europäischer staatlicher Banken und Vertreter von EU-Mitgliedsstaaten wirtschaftswissenschaftlich untermauerte Vorschläge unterbreiten). Als Fazit der Podiumsveranstaltung wurde verkündet: „Experten fordern Transparenz in TTIP-Verhandlungen“
 



8. Initiatoren und Lobbyisten mahnen zur Eile, bevor Kritiker mobilisieren


Im Unternehmens- und Bankeninteresse empfahl die Deutsche Bank 2013 die strikte Einhaltung des straffen Zeitplanes für das Freihandelsabkommen, bevor sich in Europa die kritischen Stimmen der NGOs verstärken. Dazu passt die Aussage von US-Vizepräsident Joe Biden im Februar 2014 auf der Münchener Sicherheitskonferenz, wo er zur Eile bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP oder TAFTA mahnte, die „nur mit einer Ladung Benzin durchzuziehen“ seien“. Auch EU-Kommissionspräsident Barroso und Kanzlerin Merkel stimmten ein: Keine Ausnahmen, ein sehr allgemeines Mandat und „nur schnelle Verhandlungen“ könnten helfen, gegnerische Populisten und Lobbyisten „in Schach zu halten“. Sie sollen einer „neuen Weltwirtschaftsordnung“ (unter der Konzernherrschaft) nicht im Wege stehen!

Dass die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen deshalb „schnell abgeschlossen werden müssen“, forderte auch der französische Regierungschef und Sozialist Hollande bei einem Treffen mit US-Präsident Obama im Februar 2014. Denn im französischen Nationalparlament gab es schon heftiges Aufbegehren. Und der G-20 Gipfel der reichsten und wirtschaftsstärksten Staaten der Welt forderte am 22. Februar 2014 im australischen Sidney einen beschleunigten Abbau von Handelshürden und bessere Bedingungen für Investitionen, nach dem Vorbild des geplanten TTIP-Abkommens. Gegen alle zivilgesellschaftlichen Bedenken üben die transatlantischen Eliten also massiven Zeitdruck auf die Verhandlungsführer und die Entscheidungsgremien aus, derweil die Zivilgesellschaft oder die mit betroffenen Kommunen ausgegrenzt bleiben.  

Andererseits haben 600 offizielle Berater der Großkonzerne privilegierten Zugang zu den Dokumenten und zu den Entscheidungsträgern, wie Lori Wallach (siehe Foto), eine auf Handelsrecht spezialisierte Anwältin aus den USA (von der weltweit größten Verbraucherschutzorganisation „Public Citizens Global Trade  Watch“ mit Sitz in Washington ) aufgedeckt hat. Für TTIP macht sich u. a. auch die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) stark und fordert oberste Priorität für den Abbau nichttarifärer und regulatorischer Handelshemmnisse. Ebenso gehört der Deutsche Bauernverband (DBV) zu den Befürwortern, und sieht „Chancen für den Agrarmarkt“, derweil die Agrarindustrie der USA die Landwirtschaft weiter industrialisieren will. In den USA macht besonders der US-Energie-Konzern Chevron für TTIP mobil und hat sogar einen kompletten Beitrag für die US-Konsultationen zum Verhandlungsteil Investitionsschutz geliefert. Damit will es regulatorische Eingriffe bei den kapitalintensiven Langzeit-Investitionen für große Energieprojekte verhindern. Die Unternehmensinteressen an einer weiteren Marktliberalisierung sind also vielfältig.
 



9. TTIP-freundliche Öffentlichkeitsarbeit durch Eliten gefördert


Im November 2013 sickerte  ein vertrauliches Papier an die Öffentlichkeit, mit dem die EU-Kommission die Mitgliedsregierungen anweist, für eine TTIP-freundliche Berichterstattung zu sorgen, die Bevölkerung TTIP-positiv zu stimmen und Zweifel am TTIP so schon von vornherein zu zerstreuen. (Der zuständige EU-Handelskommissar Karel de Gucht beklagte sich anschließend öffentlich darüber, dass ausgerechnet die deutsche Regierung dem zu wenig nachkomme). Zwischenzeitlich wirbt Bundespräsident Gauck öffentlich für das Freihandelsabkommen. Offensichtlich haben sich politische und wirtschaftliche Eliten hier zusammengetan, um in „machtvoller Geheimnistuerei“, intransparent und ohne demokratische Legitimation, Konzerninteressen zum Durchbruch zu verhelfen - so und ähnlich lauteten die kritischen Reaktion darauf. Natürlich wissen die Verantwortlichen mit ihrer Geheimniskrämerei ganz genau, dass sie dieses Abkommen sonst nicht durchbekommen würden.

Die hochoffiziellen Beratungen werden von über 600 Vertretern der Wirtschaftslobby und 119 besonders eng eingeweihten Unternehmen zusammen mit politischen Repräsentanten vorangetrieben. Der Ausschluss von Gewerkschaften, Kommunen, Verbraucher- und Umweltverbänden sowie anderen NGOs belegt, dass dabei hinter den Kulissen eine einseitige Interessenpolitik gegen soziale und ökologische Schutzrechte betrieben wird. Einige sehen in TTIP auch einen Angriff auf das Vorsorgeprinzip (z. B. durch Umkehrung des bisherigen Prinzips, die Schädlichkeit eines Produktes vor Vermarktung auszuschließen, durch den künftigen Grundsatz, einfach von der generellen Annahme der Unschädlichkeit auszugehen, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist). Immerhin forderte der deutsche FDP-Vorsitzende Christian Lindner im Oktober 2013 in einem Gastbeitrag für die FAZ mit dem Titel „Freiheit geht vor Freihandel“, dass „Gespräche über ein transatlantisches Freihandelsabkommen ohne transatlantisches Datenschutzabkommen keinen Sinn ergeben“
 



10. TTIP im Kontext der übrigen zahlreichen Handelsabkommen


Ein Anliegen dieses Beitrages ist es auch, TTIP im Kontext zu den zahlreichen anderen internationalen und multilateralen Handelsabkommen und Bestrebungen (auch der WTO und der OECD u. a.) zu betrachten – siehe nebenstehenden Kasten. Denn von GATT über GATS und TRIPS etc. bis zur EU-Dienstleistungsrichtlinie und TTIP sowie neuerdings PTiSA, die alle nicht zu einer fairen Handelspartnerschaft beitragen, wird durchgängig eine einheitliche Stoßrichtung erkennbar: Nämlich die erstrebte Vormachtstellung der internationalen Dienstleistungs- und Handelskonzerne über die demokratisch legitimierten staatlichen Vollmachten  - und damit die Einschränkung oder Beendigung des Primats der Politik. Dafür ist TTIP ein neuer und gewaltiger Vorstoß, quasi eine „Allzweckwaffe von Unternehmen in politischen Auseinandersetzungen“, wie es die Organisation „Corporate Europe Observatory“ (CEO) benennt. Bisherige Abkommen hätten etliche Milliarden Dollar fast ausschließlich in Konzernkassen fließen lassen. Wie ein Spinnennetz wird deshalb ein Geflecht von miteinander verwobenen Liberalisierungsabkommen um den Globus gesponnen, aus dem es dann kein Entrinnen mehr gibt.

Dass dennoch die deutsche Bundesregierung und ihre Kanzlerin, aber auch der Koalitionspartner SPD nicht erst seit dem Koalitionsvertrag Befürworter und sogar „Treiber“ des TTIP-Vorhabens in der EU sind – obwohl sie laut Amtseid Schaden vom Volk abzuwenden haben - wird immer offenkundiger. Schon der damalige deutsche EU-Kommissar und EU-Vizepräsident, Günter Verheugen (SPD, vormals FDP), hatte sich als Vorsitzender des TEC-Wirtschaftsrates (zusammen mit dem jeweiligen Wirtschaftsberater des US-Präsidenten als Ko-Vorsitzenden und den EU-Kommissaren für Handel, Außenbeziehungen und Binnenmarkt), für das Freihandelsabkommen stark gemacht, dessen negative Auswirkungen bis in die kommunale Selbstverwaltungsebene mit den öffentlichen Dienstleistungen für die Daseinsfürsorge reichen würden (wie schon zuvor bei der ebenfalls umstrittenen EU-Dienstleistungsrichtlinie, der Konzessionsrichtlinie, dem gescheiterten ACTA-Abkommen zur Produkt- und Markenpiraterie oder beim GATS-Abkommen - für das  schon ein Nachfolgeabkommen gerade verhandelt wird.).
 



11. Kommunale Sorgen wegen Liberalisierung des „Dienstleistungshandels“


Neben den Verhandlungen über das TTIP-Abkommen haben zu allem Übel im Frühjahr 2013 gleichzeitig auch parallele Verhandlungen über ein Folge-Abkommen zum WTO-Dienstleistungsabkommen GATS (General Agreement on Trade in Services) begonnen, also über das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, das 1995 in Kraft trat. Nunmehr geht es unter dem Kürzel PTiSA (Plurilateral Trade in Services Agreement) um ein „plurilaterales“ Abkommen über Dienstleistungen mit mehreren außereuropäischen Vertragspartnern. Damit wird eine umfassende Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels angestrebt. Während die EU noch einen bemerkenswerten Sektor von öffentlichen Dienstleistungen der Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand hat, sind diese Dienstleistungen in den USA weitgehend liberalisiert. Die hohe Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge wird allein mit schwammigen Vertragsklauseln über „Dienste von allgemeinem Interesse“ ohne klare Definition nicht gesichert .

Das führt zu großen Besorgnissen vor allem auch der Kommunen, weil damit gleich zwei globale Abkommen (über Europa hinaus) die öffentlichen Dienstleistungen international liberalisieren wollen. Schon das EU-Handelsmandat für TTIP umfasst auch kommunal-relevante Handlungsbereiche, etwa das öffentliche Auftragswesen, Energiepolitik und Umweltschutz. (Müssen die Kommunen bald die EU-weiten Ausschreibungen öffentlicher Aufträge weltweit durchführen?) Eine Mitwirkung der Kommunen an den Verhandlungen ist jedoch nicht vorgesehen. Deshalb sorgt sich u. a. der Verband der kommunalen Wasserwirtschaft (VKU) erneut um Beeinträchtigungen für die kommunale Wasserwirtschaft und den Gewässerschutz durch die beiden Abkommen. Darum hat er bereits aus kommunaler Sicht Stellung genommen, denn gerade erst ist nach langem Kampf die Wasserwirtschaft aus der EU-Konzessionsrichtlinie herausgenommen worden. Die Sicherung der autonomen Gestaltungsräume von Gebietskörperschaften innerhalb der EU kann nur dann geschützt werden, wenn sie überhaupt nicht Gegenstand von Handels- und Investitionsverträgen werden.

In den Kommunalverfassungen bzw. Gemeindeordnungen der Bundesländer ist klar geregelt, dass die Kommunen - als die Grundlage des demokratischen (Sozial-) Staatsaufbaus – „das Wohl der Einwohner in freier Selbstverwaltung durch ihre von der Bürgerschaft gewählten Organe“ fördern. Deshalb sind sie in ihrem Gebiet „ausschließliche und eigenverantwortliche Träger  der öffentlichen Verwaltung“. Die Gemeinden schaffen die „für ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen“ – also nicht etwa die transnationalen Konzerne. „Eingriffe in die Rechte der Gemeinden sind nur durch Gesetze zulässig“ – also nicht durch bilaterale Handelsabkommen. Andernfalls läge hier ein deutlicher Verstoß gegen das Grundgesetz vor (und zugleich auch gegen das Subsidiaritätsprinzip). TTIP ist also auch ein Angriff gegen die kommunale Selbstverwaltung. Lediglich „bestimmte grundlegende Dienstleistungen auf lokaler Ebene werden durch TTIP nicht angetastet“, so heißt es dazu in einer offiziellen Broschüre der EU-Kommission.  
 



12. Einschränkung der kommunalen Planungs- und Gestaltungshoheit


In Frage gestellt werden durch das TTIP-Abkommen bei näherem Hinsehen eigentlich sogar viele Regelungen vor Ort im Rahmen der kommunalen Planungshoheit (einschränkende Raumordnungs- und Flächennutzungspläne, Bebauungspläne z.B. mit Ansiedlungsverbot von Kaufmärkten auf grüner Wiese, kommunale Nachhaltigkeits- und Klimaschutzregelungen, planerische Umweltauflagen etc.), aber auch  Ratsbeschlüsse zur Fair-Trade-Stadt, für öffentliche Auftragsvergabe nur an Firmen mit tarifgerechter Bezahlung und mit bestimmten Umweltstandards, oder Anschluss- und Benutzungszwang an saubere Energieträger, Gründung eigener Stadtwerke und Wasserwerke, der subventionierte öffentliche Personennahverkehr, Subventionierung von Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Wirtschaftsförderungs-Regeln zur bevorzugten Förderung des örtlichen und regionalen Handels usw. Zugleich drohen damit weitere Haushaltskonsolidierungen mitsamt Stellenabbau in den Rathäusern und Kreishäusern.

Von dem nun noch geplanten PTiSA-Abkommen für den Dienstleistungshandel über Europa hinaus würden auch fast alle Dienstleistungen der Daseinsvorsorge betroffen sein, wie z.B. Bildung, Kulturförderung, Gesundheit, soziale Dienstleistungen, Abwasser- und Müllentsorgung, Energie, Verkehr und Wasserversorgung. Auch die Neugründung kommunaler Stadtwerke stünde wieder in Frage, die gerade im Zuge von Rekommunalisierungs-Bestrebungen an vielen Orten in der Gründungsvorbereitung sind und ihre Beiträge zur Energiewende und zum Klimaschutz leisten wollen. Es wird angezweifelt, ob die EU in den Verhandlungen willens und in der Lage ist, die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland hinreichend zu schützen, zumal die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen laufen und die Kommunen ebenso draußen vor der Tür stehen wie die europäische Bürgergesellschaft.

Die kommunale Daseinsvorsorge als Teil des Sozialstaatsprinzips sowie das Wesen der kommunalen Selbstverwaltung sind durch die geplanten Abkommen ernsthaft in Gefahr. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich die negativen Folgen und Gefahren für die Kommunen auszumalen. (Dies war auch spezielles Thema einer Sonderveranstaltung im Rahmen von „Stuttgart Open Fair“ am 19. März 2014 im Stuttgarter Forum3 unter dem Titel: „Die Freihandelsfalle verhindern“). Doch der mit verantwortliche EU-Direktor Rupert Schlegelmilch wies Befürchtungen zurück, dass bei den Verhandlungen mit den USA öffentliche Leistungsbereiche wie die Wasserversorgung oder der öffentliche Nahverkehr angeblich zur Disposition gestellt werden könnte: „Ich möchte ganz klar sagen: wir haben nicht vor, irgendeine Kommune in Deutschland oder Europa zu zwingen zu liberalisieren.“ (Ob man dem noch Glauben schenken kann?). Warum werden dann die öffentlichen Dienstleistungen nicht ganz aus TTIP herausgenommen?
 



13. Dienstleistungsmärkte funktionieren nicht wie Warenmärkte


Denn Dienstleistungsmärkte funktionieren nicht wie Warenmärkte. Der kleine, entscheidende Unterschied: Dienstleistungen werden von Menschen für Menschen erbracht - wenngleich das bei den ebenfalls zur Deregulierung statt zur strengeren Regulierung anstehenden Finanzdienstleistungen inzwischen vielfach bezweifelt werden darf. Besonders sorgen sich also die Kommunen um ihre kommunalen Dienstleistungen für die öffentliche und örtliche Daseinsvorsorge, die sie schon einmal gegen das GATS-Abkommen und die (in zahlreichen Punkten abgeschwächte) EU-Dienstleistungsrichtlinie verteidigen mussten. Der mit TTIP bevorstehende Kampf für das Gemeinwohl wird ein noch härterer „Kampf von David gegen Goliath“ (den allerdings David gewonnen hat).

Auch wenn laut EU-Vertrag von Lissabon die öffentlichen Dienstleistungen eigentlich Angelegenheit der nationalen Regierungen sind, sorgen sich Freihandelsgegner vor der weiteren Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen (einschließlich Bildung, Kultur und  Gesundheit) - nicht zuletzt auch in Anbetracht der gerade abgewendeten Privatisierung des Wassers (im Zusammenhang mit der umstrittenen EU-Konzessionsrichtlinie). Statt das Freihandelsabkommens für nur ganz eng begrenzte Bereiche von Dienstleistungen zu öffnen, wird erst einmal alles offengehalten, so dass weitere Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen in großem Umfang zu befürchten sind. Denn TTIP soll sogar noch über bisherige bi- und multilaterale Handelsabkommen hinausreichen, d.h. insbesondere eine weitergehende Liberalisierung des gesamten „überregulierten“ Dienstleistungsbereiches durchsetzen.

Denn der EU-Binnenmarkt und die globalen Handelsmärkte sind heutzutage in erster Linie Dienstleistungsmärkte: Auf dem europäischen Binnenmarkt machen die Dienstleistungen 60% bis 70% der Aktivitäten aus. Alleine die kommunalen Dienstleistungen von ca. 11.200 Kommunen in Deutschland und der (grob geschätzt) über 200.000 Gebietskörperschaften in Europa wecken mit ihren öffentlichen Dienstleistungen Begehrlichkeiten auf den Märkten bezüglich ihrer gewinnbringenden Privatisierung  d. h. Kommerzialisierung durch Investoren. (Hinzu kämen 275 große Städte in den USA sowie 3.144 Countys als mittlere regionale Verwaltungsebenen mit Hunderttausenden Ortschaften, wo aber vieles schon durch Private erledigt wird.) Von der Privatisierung der Wasserversorgung erhofft man sich an den Finanzmärkten Gewinne von 1 Billion Euro, von der Privatisierung des Gesundheitswesens 2 Billionen Euro, von der Kommerzialisierung des Bildungswesens 3,5 Billionen Euro.
 



14. Höchster Investitionsschutz und Zugang zu öffentl. Ausschreibungen


Ferner geht es bei TTIP um den höchsten bisher erreichten Investitionsschutz und den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen auf allen Ebenen nach dem Prinzip der Inländerbehandlung. Zudem sollen Genehmigungsverfahren beschleunigt und damit Bürgerbeteiligung „ausgebremst“ werden, der Zugang zu Medikamenten begrenzt und lokale und regionale Kaufstrategien unterbunden werden. Arbeitnehmerschutzrechte und Lebensmittelkennzeichnungen sollen gelockert werden usw. Das deutsche Wirtschaftsministerium tue so, als wüsste es von alledem nichts – oder es stelle sich nur unwissend, beklagt die Gewerkschaft ver.di.

Das geplante Freihandelsabkommen TTIP ist alles in allem gewissermaßen das Gegenbild zur sozialen Dreigliederung und zeugt damit im Europa-Wahljahr von der Pervertierung der eigentlichen Europa-Idee, anstatt eine grundlegende Wende in der Handels- und Wirtschaftspolitik vorzunehmen. Zu diesem Fazit kommt dieser Beitrag zum Schluss und ruft damit zum energischen Handeln gegen diese Fehlentwicklungen auf - und zum Aufzeigen von Alternativen. Denn immer dann, wenn Reichtum auf unglaubliche Weise vermehrt wird, dann wird auf der anderen Seite Massenarmut und Korruption verbreitet. (Die „Dreifaltigkeit von Freihandel, Deregulierung und Privatisierung“ hat sicher nichts mit der sozialen Dreigliederung gemeinsam).
 



15. Massive Bedenken und Sorgen der Kritiker von TTIP


Die Kritiker aus der Zivilgesellschaft und deren NGOs sehen in dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP - auch „Wirtschafts-NATO“ genannt - ein Art „trojanisches Pferd“ als „Freihandelsfalle, mit durchschaubaren Absichten von dominierenden Lobbyisten und Konzernvertretern - die in die bislang nichtöffentlichen Verhandlungen von Anfang an und schon im Vorfeld eingebunden waren. Ihnen gehe es mit der „konzerngesteuerten Agenda“ um die versteckten Absichten des unumkehrbaren Abbaus europäischer Sozial- und Umweltstandards, des Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzes, der demokratischen Bürgerrechte und des Datenschutzes etc. als so genannte „Handelshemmnisse“. Fast alles geriete ins Rutschen: Klimaschutz, Energiewende, Umwelt- und Sozialgesetze, Bildung, öffentliche Dienste, Daseinsvorsorge, Arbeitszeiten, Mindestlöhne, Banken- und Finanzmarktregulierungen, Lebensmittel- und Produktsicherheit, diverse Kennzeichnungspflichten, Datenschutz u.v.m., also nicht nur rein handelsbezogene Bestimmungen.

Zugleich gehe es um die zwangsläufige Schwächung der rechtlichen Position von Staaten und Kommunen gegenüber internationalen Konzernen wegen deren vorgesehenen Klagemöglichkeiten vor nichtöffentlichen Schiedsgerichten als „geheime Schattengerichte“ außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit. (Dort könnten sie Milliarden an Schadenersatz von den Steuerzahlern erstreiten wegen entgangener Gewinne). Dadurch würden die Staaten von vornherein bei ihren etwaigen Gesetzgebungsvorhaben oder die Kommunen mit ihren Ortssatzungen zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt davon ablassen, aus Sorge vor unternehmerischen Schadenersatzforderungen. Das gleiche gilt erst recht für die finanzschwachen Kommunen mit ihren örtlichen Regelungen. Dies bedeute eine „Unterwerfung der Teilnehmerstaaten unter Konzerninteressen“  und eine Preisgabe der demokratischen Gewaltenteilung. (Hierauf wird an anderer Stelle noch vertiefter eingegangen).

Freier Handel dürfe sich nicht der Justiz demokratischer Staaten oder regulärer internationaler Gerichtsbarkeit entziehen. Als Negativbeispiele gelten die Klage des US-Ölkonzerns Occidental Petroleum (Oxy) gegen den Staat Ecuador im Jahr 2006, die laufende Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen die deutsche Bundesrepublik nach der Energiewende sowie eine zurückliegende Klage gegen die in Kanada geltende Einschränkung des umstrittenen Fracking zur Erdgasgewinnung. Befürworter halten entgegen, dass die Prozessordnung eines von allen Vertragspartnern anerkannten Schiedsgerichts in Kursen der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) gelehrt werde und die Schiedsgerichte mit Vertretern aus beiden betroffenen Ländern besetzt seien.
 



16. Zivilgesellschaftliche Bündnisse lehnen Tipp ab und klären öffentlich auf


Es bestehen aber noch weitere Sorgen in der Zivilgesellschaft: Mit der angestrebten „Harmonisierung von Standards“ und dem Abbau „nichttarifärer Handelsbeschränkungen“ - dazu zählen politisch gewollte Regulierungen zur Produktqualität und zu den Produktionsbedingungen - sei die Absenkung auf die jeweils niedrigsten Standards zu befürchten sowie zudem ein neuerlicher Angriff auf den Sozialstaat. Im Ergebnis würden sich für die Menschen soziale Ungleichheiten und unfaire Handelsbeziehungen verstärken und Schutzrechte für Umwelt, Klima, Verbraucher usw. geopfert. (Als plakative Beispiele werden Chlorhühnchen, Hormonschnitzel und Genmais aus den USA genannt). Damit würden internationale Megakonzerne die soziale und ökologische Gestaltung der Globalisierung verhindern. Vor allem würde eine mit TTIP und anderen Freihandelsverträgen auch beabsichtigte weitere Deregulierung der Finanzdienstleistungen der Weg in die nächste verheerende Finanz- und Wirtschaftskrise eröffnet. Deshalb hat noch nie zuvor eine handelspolitische Debatte ein so breites Bündnis an Kritikern und Skeptikern hervorgerufen - vom deutschen Kulturrat und Börsenverein des deutschen Buchhandels bis zur kommunalen Wasserwirtschaft .

Auf beiden Seiten des Atlantiks regt sich inzwischen vielfältiger Widerstand gegen das TTIP-Abkommen. Bereits im Dezember 2013 haben sich über 200 Organisationen in Europa, den USA und weiteren Staaten zusammen getan und fordern vom zuständigen EU-Handelskommissar Karel van Gucht sowie vom EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz einen Verhandlungsstopp, auch aus Sorge um die gefährdete Demokratie in Europa und weltweit. Das Umweltinstitut München hat gemeinsam mit Naturschutz- und Bio-Anbauverbänden eine Petition an Bundeskanzlerin Merkel gegen das TTIP-Abkommen gestartet. Laut campact sind nur 119 Unternehmensvertreter eingeweiht.
 

 

Im deutschen Bündnis „UNFAIRhandelbar“ hatten sich bereits 22 zivilgesellschaftli-he Organisationen zusammengetan, um das unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelte Freihandelsabkommen zu verhindern, indem sie über seine Gefahren und Risiken aufklären. Sie haben ein bereits  im Rundbrief Nr. 3/2013  veröffentlichtes Positionspapier verfasst: „TTIP“ nein danke! Transatlantische Partnerschaft geht anders!“ Hunderttausende Menschen hatten allein auf der deutschen Webseite von campact  einen Stopp der Verhandlungen mit den USA gefordert. Nunmehr erwägt das Bündnis zusammen mit mehr Demokratie e.V., ob eine Europäische Bürgerinitiative mit der Sammlung von einer Million Unterschriften gestartet wird. Zwischenzeitlich hat sich diese Protestbewegung erheblich erweitert bis hinein in die Politik (auch die Grünen  und die Linkspartei  lehnen als Oppositionsparteien TTIP inzwischen ab, da sie sozial-ökologische Errungenschaften in Gefahr sehen). Die Grünen haben eigene „Verhandlungsleitlinien“ entworfen. Inzwischen fordern sogar die Sozialdemokraten im Europaparlament die umstrittene SchiedsgerichtsRegelung ISDS („Investor-tostate-dispute-settlement“) in den Verhandlungen ganz fallen zu lassen .

Massive Kritik entzündete sich vor allem an den geheimen und intransparenten Verhandlungen, die einer Demokratie unwürdig sind und vermuten lassen, dass die wahren Absichten vor der kritischen Öffentlichkeit verborgen bleiben sollen. Sogar die Parlamentarier sind weitgehend außen vor, da sie zwar über das Abkommen als Gesamtpaket am Ende abstimmen dürfen, aber keine Einzelheiten des Verhandlungspaketes beeinflussen können, zumal es dazu immer der Zustimmung auch der anderen Vertragspartner bedarf. Gleichwohl plädiert der CDU-Europaparlamentarier Daniel Caspary dafür, in einer öffentlichen Anhörung der NGOs den Befürchtungen der Bürger „mit sachlichen Argumenten entgegenzutreten“
 



17. TTIP gefährdet grundlegende Arbeitsstandards und Menschenrechte


In einem Aufruf von Personal- und Betriebsräten, Gewerkschaftern, Arbeitsrechtlern unter anderem wird dagegen protestiert, dass in den USA als TTIP-Verhandlungspartner die acht Kern-Normen der ILO (Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen) nicht eingehalten werden. Deshalb halten sie die USA für einen „schlechten und gefährlichen Verhandlungspartner“. So gibt es in den USA kein Recht auf Koalitionsfreiheit (also auch das Recht der Beschäftigten, sich etwa in Gewerkschaften frei zu organisieren) und auch kein Recht auf kollektiv verhandelte Tarifverträge. Da Häftlinge für private Unternehmen eingesetzt werden, verstoße die USA damit gegen die Abschaffung der Zwangs- und Pflichtarbeit allgemein. In den USA mangele es außerdem am gleichen Lohn für gleiche Arbeit von Mann und Frau. Es gebe zudem kein Mindestalter für den Eintritt in das Arbeitsverhältnis sowie kein Verbot der Diskriminierung in der Arbeitswelt wegen Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, politischer Meinung oder nationaler und sozialer Herkunft.

Bislang haben die USA lediglich zwei ILO-Normen ratifiziert, nämlich die Abschaffung der Zwangsarbeit als Disziplinierungsmaßnahme sowie die Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Hierbei wird Kinderarbeit nicht überhaupt verboten, sondern nur die Beschäftigung von Kindern als Soldaten, Prostituierte, im Drogenhandel und in der Pornografie. Außerdem gebe es in den USA inzwischen in 25 von 50 Bundesstaaten sogenannte „Right  to work“ - Gesetze für transatlantische Sonderzonen, in denen Gewerkschaftsrechte teilweise drastisch eingeschränkt sind. Deutsche und europäische Unternehmen lagern seit den 1990er Jahren verstärkt Produktionsstätten in eben diese Work-to-Work-Staaten aus, um von Tarif- und Mitbestimmungsfreiheit zu profitieren. Demgegenüber haben die Staaten der EU die meisten Normen der ILO ratifiziert, halten sich aber in abnehmendem Maße daran. Bei den „Rettungsmaßnahmen“ der EU für Griechenland, Spanien, Italien und Portu-gal setzt die EU zusammen mit dem IWF (Internationaler Währungsfond) Menschenrechtsnormen außer Kraft, etwa wenn Tarifverträge aufgelöst, Lohnsenkungen verordnet und Streiks erschwert werden.

Es ist zu vermuten, dass auf beiden Seiten des Atlantiks genau diese Staaten mit verschärften Arbeitsbedingungen und schwacher Verhandlungsposition der Arbeitnehmerschaft für Produktionsverlagerungen interessant sind. Die mit TTIP versprochenen neuen „Jobs“ werden zumeist ungesicherte Tätigkeiten zu Niedriglohnbedingungen, oft in Teilzeit und unbefristet sein, so befürchten die Gewerkschaften. Die Umwandlung ordentlicher Arbeitsstellen in solche Gelegenheitsarbeiten werden ja auch in Deutschland durch die Hartz-Gesetze gefördert. Demgegenüber benötigen wir für die Zukunft faire Löhne für gute Arbeit in gesicherten und demokratischen Verhältnissen statt einer Verschärfung des Trends durch TTIP. Demnächst könnten Konzerne vor privaten Schiedsgerichten gegen gesetzliche Mindestlöhne klagen, weil er ihre Investitionen behindert. Deshalb fordern Gewerkschafter, Betriebsräte und Arbeitsrechtler etc. einen Stopp der Verhandlungen zu TTIP.

Zurzeit betreiben jedoch konservative und neoliberale Kräfte im EU-Parlament vorbeugend das Gegenteil: Sie wollen schon im Vorfeld von TTIP das Streikrecht in öffentlichen Einrichtungen einschränken, insbesondere im Flug- und Schienenverkehr sowie in öffentlichen Einrichtungen wie Kitas und Krankenhäuser etc., damit die europäische Wettbewerbsfähigkeit nicht durch Streiks gestört wird. Schon lange geht auch die Rechtsprechung des (auf keine Verfassung vereidigten) Europäischen Gerichthofes in diese arbeitnehmerfeindliche Richtung und verstößt damit gegen das deutsche Grundgesetz, die EU-Sozial- und Grundrechtecharta sowie die ILO-Normen.
 


 
18. Sorge um die Kultur und die Einschränkung der kulturellen Freiheit


Überdies will das Abkommen auch die kulturellen Dienstleistungen als Handelsgüter einbeziehen und würde so die Abhängigkeit der Kultur von der Ökonomie verstärken und die kulturelle Freiheit einschränken. Doch Kultur und Umwelt brauchen keine Deregulierung. Hierzu haben sich aus Sorge um die kulturelle Vielfalt sowohl der Deutsche Kulturrat wie auch der WDR-Rundfunkrat, die Akademie der Künste und die Gewerkschaft ver.di unter Berufung auf die UNESCO-Kulturkonvention mit deutlichen Worten kritisch bis ablehnend geäußert (siehe hierzu auch nähere Ausführungen in dem Beitrag zur Europakrise in diesem Rundbrief). Da das bilaterale Freihandelsabkommen TTIP auch kulturelle Güter und Dienstleistungen vollends dem Markt überlassen will („Kultur als Ware“), hätte dies verheerende Folgen. In Deutschland träfe das etwa die Buchpreisbindung, die Filmförderung oder den verminderten Mehrwertsteuersatz für Kulturgüter .

Der WDR-Rundfunkrat fragt: „Wollen wir wirklich, dass unser europäisches Wirtschaftsmodell noch stärker als bisher an das Wirtschaftssystem der USA angepasst wird?“ Deshalb fordern die Kulturschaffenden die Herausnahme des Kultur- und Mediensektors aus dem Abkommen. Arg betroffen wären auch sämtliche kulturellen Aktivitäten der Kommunen (einschl. Lokal- und Regionalfunk), sowie auch ihr Auftragswesen. Mit der angestrebten Gleichbehandlung bei öffentlichen Aufträgen würde überdies bis hinunter auf die kommunale Selbstverwaltungsebene in die demokratisch legitimierte Regelungskompetenz und Hoheit der öffentlichen Hand eingegriffen. Die Städte haben aber kein Mitspracherecht bei den Verhandlungen.
 



19. Entwurf eines „Alternativen Handlungsmandates“


Kurz vor Beginn der zurückliegenden Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO in Bali im Dezember 2013 - siehe gesonderte Nachbetrachtung an anderer Stelle - und der dritten Runde für das Freihandelsabkommen EU-USA (TTIP) hatte Attac Deutschland gemeinsam mit weiteren 49 zivilgesellschaftlichen europäischen Organisationen deshalb ein "Alternatives EU-Handelsmandat" (ATM-Projekt) veröffentlicht. Die Organisationen entwerfen darin eine EU-Handels- und Investitionspolitik, die der Mehrheit der Menschen statt den Profitinteressen dient und die Umwelt bewahrt. Das 20-seitige Dokument schlägt vor, zentrale Prinzipien wie Menschenrechte, ArbeitnehmerInnenrechte und Umweltschutz zur Grundlage der EU-Handelspolitik zu machen. (Damit würden auch die EU-Grundrechte-Charta von 2007 und die revidierte EU-Sozialcharta von 1996  ernst genommen). Der Mitinitiator Johannes Lauterbach (Attac) von der Allianz für ein alternatives Handelsmandat und Co-Autor "Die Freihandelsfalle", hat zusammen mit dem Verfasser dieses Beitrages am 19. März 2014 im Stuttgarter Kulturzentrum Forum3 auch die Auswirkungen von TTIP auf die kommunale Selbstverwaltung dargestellt .

Wichtiges Anliegen von ATM (Alternatives Handelsmandat) ist die demokratische Kontrolle der Menschen über ihre Handels- und Investitionspolitik. ATM wendet sich deshalb gegen das Prinzip geheimer Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und setzt sich für neue Transparenz-Regelungen ein. Das Mandat zur Einleitung der Verhandlungen soll der EU-Kommission entzogen und den Parlamenten übertragen werden. Vor Verhandlungsbeginn sollen unabhängige und umfassende Notwendigkeits- und Bedarfstests unter Beteiligung der Zivilgesellschaft durchgeführt werden, anschließend regelmäßige öffentliche Konsultationen zum Verhandlungsstand, begleitet von unabhängigen Untersuchungen zu Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte etc. Vor Vertragsabschluss sollen dann nochmals umfassende öffentliche Konsultationen durchgeführt werden. Diese ATM-Vorschläge sollen in Kampagnen in die Öffentlichkeit und an das EU-Parlament herangetragen werden, um so auch zur Stärkung des Widerstandes gegen TTIP beizutragen.
 



20. TTIP gefährdet das Vorsorgeprinzip und die Arbeitsbedingungen


Eine weitere große Sorge der Zivilgesellschaft ist die Gefährdung des in der EU geltenden Vorsorgeprinzips durch TTIP. Hier in der EU müssen Firmen nachweisen, dass ihre Produkte unschädlich sind. In den USA ist das umgekehrt. Zum Beispiel stellen Gentech-Pflanzen so lange kein Risiko dar, bis das Gegenteil bewiesen ist. Kritiker befürchten deshalb, dass sich das angestrebte Abkommen als Türöffner für Gentechnik auf den Äckern der EU erweisen könnte, obwohl die meisten Verbraucher das nicht wollen. Die deutsche Bundeskanzlerin möchte demgegenüber die Zulassung ermöglichen und wies den deutschen Landwirtschaftsminister deshalb an, sich Mitte Februar 2014 bei den Verhandlungen in Brüssel zu enthalten. Dadurch kam es zu einem Abstimmungsdebakel, bei dem sich zwar eine deutliche Mehrheit von 18 EU-Staaten gegen die Zulassung von Genmais aussprachen (in Übereinstimmung mit 85% der Bevölkerung und der Bauern), aber der zuständige EU-Kommissar anstelle des EU-Parlamentes die auch von ihm gewollte Zulassung anordnen kann. (Wo bleibt da die Demokratie?) Weil die Standards in vielen Bereichen in der EU höher sind als in den USA, könnte es am Ende darauf hinauslaufen, dass Europa sein Niveau senkt. Profitieren werden vor allem Großkonzerne .
 

 

Der für Energiefragen zuständige deutsche EU-Kommissar Oettinger hat sich bereits für Zugeständnisse an die USA ausgesprochen, im Sinne von notwendiger „Kompromissbereitschaft bei den Verhandlungen“. Wörtlich erklärte er in einem Interview mit der Wochenzeitung Kontext: „Es stellt sich die Frage, ob wir unseren Handel erleichtern. Klar ist, da haben wir verschiedene Interessen, da haben wir Kulturunterschiede. Ein Abkommen wird nur über einen Kompromiss zu erreichen sein. Dann werden wir akzeptieren müssen, dass Hähnchenschlegel aus den USA nicht unseren Freilandbedingungen entsprechen. Das ist ein Geben und Nehmen, aber ich rate dringend dazu. Wir hatten früher zu den Amerikanern engste Kontakte, heute sind sie auf dem besten Wege, pazifisch zu werden, sprich: sich verstärkt Asien zuzuwenden. Die TTIP-Abkommen sind die letzte Chance einer Brücke USA, Kanada, Mexiko, Europa. Und deshalb sage ich: kämpfen ja, aber immer wissen, es wird im immer ein Package sein, wenn es dazu kommt: 50 Prozent USA und Europa“. Außerdem erklärte er: „Wir brauchen in Europa die Option des Fracking“ - obwohl die meisten Bundesländer, Kommunen und Landkreise sowie Wasserverbände dagegen sind. Und neben Fracking macht er sich auch stark für eine ausgebremste Energiewende zugunsten der Strom-Großkonzerne sowie für mehr Militäreinsätze in Nahost zur Ressourcensicherung, so werfen ihm die Kritiker der NGOs vor .

Unwahrscheinlich ist im Übrigen auch, dass die US-Seite bessere Arbeitsbedingungen bei einem Freihandelsabkommen akzeptiert. "Das könnte sogar zu Arbeitsplatzverlusten in Deutschland führen - und nicht wie versprochen zu neuen Stellen", warnen die Kritiker. Deutsche Firmen bekämen einen Anreiz, in die USA abzuwandern. Auch beim Freihandelsabkommen NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko gab es vorher Studien, in denen ein deutlicher Zuwachs bei Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum in Aussicht gestellt wurden. Eigentlich sollten mexikanische Kleinbauern von dem Abkommen profitieren und die Abwanderung in die USA gestoppt werden. Eingetreten ist das Gegenteil. Die Landflucht in Mexiko hat sich beschleunigt und die Armut zugenommen. (Siehe hierzu Ausführungen an anderer Stelle).
 



21. Unumkehrbare Festlegungen in TTIP und weitere Privatisierungen?


Wie wichtig jetzt die Widerstände und Alternativen sind, zeigt die Befürchtung, dass  die Regelungen von TTIP langfristig und dauerhaft angelegt sein sollen, also quasi unumkehrbar. Denn einmal beschlossene Regelungen und Verträge sind für gewählte Politiker nicht mehr änderbar, da bei jeder Änderung alle Vertragspartner jeweils zustimmen müssten. Deutschland allein könnte aus dem Vertrag nicht aussteigen, da die EU den Vertrag abschließt. Damit würden Demokratie und Rechtsstaat ausgehöhlt. Deshalb stellt sich die berechtigte Frage: Dient das Abkommen den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern als Verbraucher, Arbeitnehmer oder Kulturschaffende, oder untergräbt es die Freiheit und dient allein den Interessen der Konzerne und Investoren? Es droht eine verschärfte Sparpolitik der öffentlichen Haushalte, Ausgliederungen und Deregulierungen, sowie zunehmende Niedriglohn-Jobs im Dienstleistungsbereich sowie eine geringere Tarifbindung, ferner Arbeitsplatzverluste in ländlichen Gebieten und zunehmende Einkommensungleichheit.

TTIP öffnet auch weiteren Privatisierungen Tür und Tor, nicht zuletzt auch auf der kommunalen Ebene: Das Abkommen soll es Konzernen erleichtern, auf Kosten der Allgemeinheit Profite bei Wasserversorgung, Gesundheit und Bildung zu machen. Die weitere Sorge: TTIP gefährdet unsere Gesundheit, denn was in den USA erlaubt ist, würde auch in der EU legal – so wäre der Weg frei z. B. für das ökologisch umstrittene Fracking zur Erdgasgewinnung, für Gen-Essen und Hormonfleisch. Die bäuerliche Landwirtschaft würde geschwächt und die Agrarindustrie erhielte noch mehr Macht. Schließlich könnte TTIP auch als „Waffe gegen Mindestlohn“ genutzt werden, denn auch diese könnten als unzulässige „indirekte Enteignungen“ von ausländischen Investoren im jeweiligen Gastland betrachtet werden. Letztlich wollen Unternehmen mit Hilfe von TTIP davor geschützt werden, dass sie nationale Regelungen etwa zum Arbeitnehmerschutz einhalten müssen und damit ihre „unternehmerische Hoheit“ eingeschränkt würde. Darum gab es hunderte Gespräche der Verhandlungsführer mit Industrielobbyisten.
 



22. Lobbyist im EU-Rechnungshof soll TTIP für unbedenklich erklären?


„Im Namen des europäischen Volkes“ verhandeln also von niemandem gewählte Funktionäre mit der Privatwirtschaft über die Grundwerte wie Rechtsstaatlichkeit und Bürgerbeteiligung in Europa, so lautet die harsche Kritik aus der Zivilgesellschaft. Große Empörung rief vor allem die Entsendung eines „berüchtigten Industrielobbyisten“ namens Klaus Heiner Lehne  (EU-Abgeordneter der CDU / Fraktion EVP) in den EU-Rechnungshof durch Bundeskanzlerin Merkel hervor, trotz erheblicher Widerstände gegen diese Personalie (und mit 169 Gegenstimmen sowie 55 Enthaltungen im EU-Parlament). Als Parlamentarier entschied er über die EU-Anti-Tabakrichtlinie oder das Urheberrecht, obwohl Zigarettenhersteller (Camel/Japan Tobacco International) und Musikkonzerne (Sony-Tochter Music Entertainment) zu seinen Mandanten zählen .

Er wurde 2008 von der Organsiation LobbyControl beim „Worst Lobby Award“ zum schlimmsten deutschen Europa-Lobbyisten gekürt. Er soll nach dem Willen der Kanzlerin trotzdem eine wichtige Rolle in der Beurteilung des Freihandelsabkommens TTIP mit den USA spielen, um als Rechnungsprüfer dem Abkommen eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ zu erteilen. Denn bislang war der EU-Rechnungshof eine der wenigen Institutionen, die sich kritisch mit der Verschwendung von Steuermitteln etc. auseinandergesetzt hat. Demgegenüber gilt Lehne als Mann der Industrie ohne Berührungsängste.
 



23. Deutschland treibt TTIP voran und USA wollen keinesfalls ein Scheitern


In einem aufschlussreichen „politischen Ausblick“ machte Dr. Klaus Günter Deutsch von der Deutschen Bank (DB research) 2013 am Schluss eines Folienvortrages über die Chancen von TTIP deutlich, dass die USA (schon aus innenpolitischen Gründen) unbedingt den Erfolg des Freihandelsabkommen bis zu den Kongresswahlen wollen und deshalb „Scheitern nicht zugelassen“ sei. Angeblich hatte für Präsident Obama das Abkommen lange Zeit keine oberste Priorität. Zuerst wolle er das Handelsabkommen mit den asiatischen Ländern anpacken, danach erst komme das transatlantische Abkommen. Denn mit den Asiaten planen die Amerikaner eine eigene Freihandelszone, die transpazifische Partnerschaftsvereinigung TTP. Diese soll neben den USA elf Länder umfassen: Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam. (China wird hierbei außen vor gelassen).

Doch inzwischen macht die USA Druck auf Europa für das Vorantreiben auch von TTIP, da Präsident Obama Erfolge und Effekte auch für die Innenpolitik vorweisen will. Da die USA nun bis Dezember 2016 die Ratifizierung von TTIP anstrebt, müsse wegen des nötigen Vorlaufs der Hauptteil der Verhandlungen bis Dezember 2015 abgeschlossen sein. In den USA gebe es nach Einschätzung der Deutschen Bank kaum Probleme mit den Interessengruppen oder NGOs, (obwohl diese auch dort inzwischen sehr rührig und wirksam sind). In Europa gebe es nur Kritik von NGOs, aber Einmütigkeit von Rat, Kommission, Parlament und Verbänden.

Deutschland sei bei TTIP neben Schweden und Großbritannien der „Treiber“, mit latenter Unterstützung aus Osteuropa und den Benelux-Ländern. Ein relativ schnelles Gelingen der politischen Einigung bei 2000 Seiten Vertragstext sei durchaus denkbar, wenn auch nicht innerhalb von 14 Monaten. Soweit die Einschätzung der Deutschen Bank. Das deckt sich mit dem artikulierten Zeitdruck für das TIPP-Abkommen seitens der bereits zitierten Spitzenpolitiker aus USA, EU und Deutschland während der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2014, die unmissverständlich zum Ausdruck brachten, den zivilgesellschaftlichen Kritikern und Gegnern im Europawahlkampf auch vom Zeitablauf nur geringe Chancen zu geben. Zwischenzeitlich wirbt auch, wie erwähnt, Bundespräsident Gauck öffentlich mit Nachdruck für das Freihandelsabkommen, wie es die EU den Präsidenten und Regierungschefs der Mitgliedsländer dringend nahegelegt hat.
 



24. Ein „Geheimtreffen“ für einen infamen Propaganda-Feldzug für TTIP


Bereits im November 2013 hatte die EU zu einem „Geheimtreffen“ in Brüssel eingeladen, bei dem die Vertreter der Mitgliedsstaaten auf eine einheitliche Propaganda für das Freihandelsabkommen mit den USA eingeschworen wurden. Die EU verlangte, dass „alle mit einer Stimme sprechen“. Das Abkommen sei geheim und solle alle regulatorischen Fragen neu regeln, die Öffentlichkeit solle ausschließlich über die Vorteile von TTIP informiert werden. Das Abkommen sei bedeutend als ein erster wichtiger Schritt zu einer neuen Weltwirtschaftsordnung und Stärkung Europas mit Einschränkungen der nationalen Souveränität (in Verbindung mit einer neuen  europäischen Sicherheits- und Weltpolitik ganz  im Sinne der internationalen Experten-Empfehlungen der „Venusberg-Gruppe“ unter Prof. Weidenfeld und der Bertelsmann-Stiftung) .

Die EU definierte auf der geheimen Abstimmungsrunde fünf wichtige Punkte ihres „Propaganda-Feldzuges“ für TTIP: Die Details der nichtöffentlichen Verhandlungen sollen in jedem Fall geheim bleiben, auf positive Berichte in den Medien ist mit allem möglichen Einfluss hinzuwirken, die Kritiker sind zu beobachten und zu überwachen und in die Schranken zu weisen, die Akzeptanz-Werbung für TTIP muss offensiver betrieben werden unter aktiver Beteiligung der Regierungsspitzen, und das Europäische Parlament sei „an die Leine“ zu nehmen, weil auch von dort erste kritische Stimmen zu befürchten seien. Immerhin räumte die EU-Kommission ein, dass es sich bei TTIP um die weitreichendsten Veränderungen der Gesellschaften in Europa seit langem handele. Sie wisse, dass die „Breite der Themen, die diskutiert werden, viel breitere Elemente der politischen Willensbildung enthalte, als das bei traditionellen Handelsabkommen der Fall sei.“ (Ist das die „neue Weltordnung“, wie sie EU sie sich vorstellt: Hinterzimmer-Politik mit den Lobbyisten und Konzernen sowie beruhigende Propaganda für die Bürger?).
 



25. Verhandlungen unter beabsichtigtem Zeitdruck trotz Wahltaktik


Spätestens 2015 soll auch nach dem Willen der EU-Kommission und der deutschen Bundesregierung das Abkommen in Kraft treten, trotz der heftigen Kritik und Ablehnung aus der Zivilgesellschaft und teilweise aus der Politik, vereinzelt auch aus dem Europa-Parlament. (Eigentlich wollten sie schon 2014 fertig sein, aber sie hängen dem Zeitplan hinterher ). Aus den eingangs zitierten Erklärungen der Spitzenpolitiker aus USA, EU und Deutschland (sowie der hinter den Kulissen antreibenden Lobbyisten wie Bertelsmann und Deutsche Bank) wurde öffentlich sichtbar, dass TTIP schnellstmöglich unter Dach und Fach soll, bevor durch rührige Gegner die Stimmung  auch politisch umkippt, was ansatzweise im Europawahljahr schon der Fall ist. Aus offensichtlich wahltaktischen Gründen während der Europawahlkampfes soll allerdings das bisher geheim unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorverhandelte Abkommen lediglich in einem besonders kritischen Punkt, dem umstrittenen Investitionsschutz mit Konzern-Klagerecht, also die Schiedsgerichtsklausel, für drei Monate ausgesetzt und die EU-Verhandlungsposition nunmehr doch veröffentlicht werden, wie nachfolgend noch näher ausgeführt.

Sowohl die EU-Kommission als auch die deutsche Bundesregierung der großen Koalition wollen zwar über problematische und strittige Detailfragen mit den USA noch nachdrücklich verhandeln, stellen aber keinesfalls das geplante Abkommen als Ganzes in Frage (und nutzen es auch nicht als mögliches „Druckmittel“ zur vorherigen Klärung des NSA-Skandals, wie lange Zeit verkündet). In der Öffentlichkeit verweist man auf die  angeblich zu erwartenden, aber von Kritikern und Wirtschaftswissenschaftlern angezweifelten positiven Wirkungen des geplanten Abkommens auf Wachstum und Arbeitsmarkt sowie Preissenkungen in Europa (in wohl kaum messbarer Größenordnung, wie an anderer Stelle noch näher belegt). Der EU-Handelskommissar hält die Vorteile des Abkommens für die EU für größer als für die USA, wenngleich ein „ausgeglichenes Verhandlungsergebnis mit Geben und Nehmen“ erreicht werden solle . (Allerdings würden sich die USA mit ihren strengeren Finanzregeln widerstrebend zeigen, die Finanzdienstleitungen in die Verhandlungen aufzunehmen).
 



26. Lenkt der EU-Handelskommissar im Europa-Wahlkampf ernsthaft ein?


Sind nunmehr sowohl der Zeitplan als auch die Geheimhaltungen für die TTIP-Verhandlungen am heftigen Widerstand aus der Zivilgesellschaft und politischen Opposition bereits „geplatzt“? Das wäre wohl zu optimistisch, auch wenn es das Ziel bleiben sollte. Geheime statt transparente Verhandlungen sind in Demokratien inakzeptabel (siehe auch Stuttgart 21), das war ein wesentlicher Tenor der Kritik aus der Zivilgesellschaft. Daraufhin vollzog der EU-Handelskommissar Karel de Gucht in Anbetracht des Europa-Wahlkampfes - aus dem dieses Konfliktthema wohl möglichst herausgehalten (und damit aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt) werden soll - einen auf den ersten Blick erstaunlichen Wandel: In einem Brief an den deutschen Bundeswirtschaftsminister Gabriel schrieb er Anfang Januar 2014, kurz vor den im Februar angesetzten Konsultationen der für Handel zuständigen Minister der EU-Mitgliedsstaaten: „Die verbreitete Kritik am Investitionsschutz überzeugt mich, dass öffentliches Nachdenken über die Ziele der EU nötig ist, bevor wir weitermachen.“  

Den umstrittensten Teil des Abkommens - den Investitionsschutz mit der Klagemöglichkeit der Investoren und Konzerne gegen Staaten wegen gesetzlicher und tarifärer Handelshemmnisse vor WTO-Schiedsgerichten – hat er mit der Begründung in den laufenden Verhandlungen für 3 Monate ausgesetzt, „um zunächst mit den Regierungen und Kritikern über die Ziele des geplanten Abkommens zu diskutieren“. Doch gerade die jetzt mit Pathos verkündete Pause macht die Kritiker besonders misstrauisch.

Nach Auffassung der Kritiker aus der Zivilgesellschaft tut der Kommissar damit lediglich bis zum Europa-Wahltermin so, als sei er bereit, die massiven Bedenkend der NGOs aufzunehmen. Mit der „plötzlichen Bürgernähe“ wolle der EU-Kommissar in Wirklichkeit eine erneute „krachende Niederlage“ verhindern, so argwöhnen die Kritiker. Denn bereits Im Sommer 2012 schmetterte das Europaparlament sein internationale Anti-„Piraterie“-Abkommen ACTA auf Druck der Öffentlichkeit ab. In Wirklichkeit solle es nach der Wahl bei dem „Freibrief für Konzerne“ bleiben, zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger Gewinne zu maximieren, so befürchtet man. Daran ändere auch das Versprechen des EU-Kommissars wenig, dass er den bislang geheimen Verhandlungsvorschlag der EU bzw. deren Verhandlungsposition nun doch erstmals öffentlich machen will. (Gegenüber dem Verhandlungspartner USA lässt sich die EU-Verhandlungsstrategie und -position ohnehin nicht mehr geheim halten, wie ursprünglich beabsichtigt, seitdem die Bespitzelung durch die NSA allgegenwärtig ist…).
 



27. Geschickte Schachzüge des EU-Verhandlungsstrategen


In Wirklichkeit solle es also nach der Europa-Wahl  bei dem „Freibrief für Konzerne“ durch TTIP bleiben, zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger Gewinne zu maximieren und über die Staaten gestellt zu werden, so argwöhnen die Kritiker. Deshalb sei das Ganze sei nur ein geschickter Schachzug des EU-Handelskommissars, so befürchten viele. Daran ändere auch das Versprechen des EU-Kommissars wenig, dass er den bislang geheimen Verhandlungsvorschlag der EU bzw. deren Verhandlungsposition nun doch erstmals öffentlich machen will. Statt also offiziell weiter zu verhandeln, würde Karel de Gucht in Wirklichkeit die 3 Monate Gesprächspause zu intensiven Hinterzimmer-Gesprächen nutzen, um das Projekt erst recht voranzubringen.

Geht es also bei der „Denkpause“ um Aussetzen oder „Aussitzen“ im Europawahlkampf aus Angst vor dem „Zorn der Bürger“? Denn zum weiteren Ablauf des Konsultationsverfahrens gibt es bislang keine konkreten Aussagen. Neuerdings will die EU-Kommission jedoch ein Komitee einrichten, in dem neben 7 Industrievertretern zwei handverlesene Vertreter von Umweltschutzverbänden, zwei von Gewerkschaften (die sich mit der generellen Ablehnung von TTIP erstaunlich zurückhalten) und einer von Transparenz-Organisationen sitzen sollen – niemand aus den Kommunen oder Kommunalverbänden. Für die übrigen Vertreter der Zivilgesellschaft veranstaltet die EU-Kommission so genannte „Stakeholde Briefings“ mit „Allgemeinplätzen, ausweichenden Antworten und bewusstem Verschweigen“. (Eine bloße Alibi-Veranstaltung, solange dabei nicht die eigentlichen Verhandlungstexte auf den Tisch kommen, beklagen Kritiker). Außerdem kündigte der EU-Handelskommissar er an, Anfang März 2014 ein Papier vorzulegen, das auf die offenen Fragen eingeht (derweil die Verhandlungsgespräche über das gesamte übrige Abkommen ganz normal unter erhöhtem Zeitdruck weiterlaufen).

Tatsächlich hat der EU-Handelskommissar nach Aussagen von Beobachtern - etwa auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2014  - hinter den Kulissen (statt öffentlich) emsig Einzelgespräche mit Lobbyisten, Politikern und Vorstandschefs geführt, um TTIP als sein wichtigstes Projekt voranzutreiben. Bei den Kritikern der Zivilgesellschaft macht er sich mit seiner Hinterzimmer-Politik immer unbeliebter. In einem Ende Januar 2014 versandten Brief an die 28 EU-Wirtschaftsminister zeigte sich Karel de Gucht "zunehmend besorgt über den immer negativeren Ton" zum Abkommen – und zog nur deshalb die Notbremse für den umstrittenen Teil (Investitionsschutz) der Verhandlungsthemen. Bislang gelang es ihm nicht, trotz der dreimonatigen „Denkpause“ und Informationsoffensive, die Kritiker und Skeptiker von den Vorteilen dieser geplanten Regelungen zu überzeugen, im Gegenteil. (Zeitgleich musste er sich zudem persönlich vor Gericht verantworten, weil er angeblich fast 1 Million an Steuern hinterzogen haben soll ). Er steht also ziemlich unter Druck, zumal auch seine behaupteten Zahlen über die wirtschaftlichen Effekte von TTIP von vielen Seiten hinterfragt werden. Doch die Verhandlungen mit Washington soll das alles nicht stören.
 



28. Investorenklagen: Hohe Entschädigungsforderungen an Staaten


Die Erfahrungen mit dem seit 20 Jahren wirksamen NAFTA-Abkommens  zwischen USA, Kanada und Mexiko (siehe kritische Bewertung an anderer Stelle) haben auch gezeigt, dass häufige Investorenklagen gegen staatliche Regelungen oft vorkommen und Erfolg haben. Solche Investorenklagen hat es seither viele gegeben, nämlich weltweit über 500  Klagen gegen 95 Regierungen, davon 24% eingereicht von US-Investoren und 25% von EU-Investoren. So etwa 2012 mit der Forderung der US-Firma Lone Pine nach 250 Mio. US-Dollar Entschädigung von der kanadischen Provinzregierung Quebec wegen eines Fracking -Moratoriums. (Ein solches Moratorium- oder vorläufiges Fracking-Verbot existiert auch in deutschen Bundesländern und wird laut Koalitionsvertrag bundesweit angestrebt).

Ein weiteres Beispiel ist die Klage des spanischen Ölunternehmens Repsol gegen den Staat Argentinien. Und ein anderes Beispiel ist die Klage des Tabakkonzerns Philip Moris auf Schadenersatz in Millionenhöhe gegen Australien wegen dessen missliebigem Gesetz über Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Ein US-Unternehmen verklagt die Regierung von Peru für deren Entscheidung, den Umgang mit Giftmüll zu regulieren sowie ein stark umweltschädliches Hüttenwerk zu schließen. Und der Ölkonzern Chevron greift über eine Investor-Staat-Klage ein ecuadorianisches Gerichtsverfahren an, in dem er wegen massiver Umweltzerstörung im Amazonas-Gebiet zu Schadenersatz-Zahlungen verpflichtet wurde.

Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Klagen vor solchen Schiedsgerichten ständig an – alleine 2012 wurden 52 Verfahren neu eingeleitet - und die Summen der zugebilligten Entschädigungen wachsen, zum Teile geht es um Milliardenbeträge. Am klagefreudigsten sind US-Investoren mit bisher 123 Klagen, danach folgen die Niederlande mit 50, Großbritannien mit 30 und Deutschland mit 27 Klagen. In 40% der Fälle hat die Regierung das Schiedsverfahren gewonnen, in 30% der Fälle die Investoren und in weiteren 30 % gab es Einigungen oder Kompromisse. In der NAFTA-Freihandelszone hat es bei fast jeder neuen Gesundheits- oder Umweltschutzauflage Briefe und Klagedrohungen von Kanzleien aus New York oder Washington an die kanadische Regierung gegeben, ob es um chemische Reinigung, Medikamente, Pestizide oder Patentrecht ging.
 



29. Investorenrechte gehen vor staatliche Rechte


Auch bei den laufenden TTIP-Verhandlungen zwischen der EU und den USA stehen die vermeintlichen Investorenrechte im Zentrum der Verhandlungen, die künftig Vorrang vor den Umwelt- oder sozialpolitischen Entscheidungen der gewählten Regierungen genießen sollen. Kritiker halten die Schiedsgerichte für „eine alte neoliberale Lieblingsidee“, mit der eine eigene globale Konzernrechtsprechung etabliert werden soll. „Es geht um hochgefährliche Instrumente zur Bekämpfung demokratischer Politik und um organisiere Lobbygruppen mit besten Verbindungen in Politik und Wirtschaft“. TTIP regelt nicht etwa die Geschäftspraktiken von internationalen Investoren, zumeist transnationale Konzerne, sondern sie schreiben umgekehrt vielmehr fest, wie Staaten mit diesen Investitionen und Unternehmen umgehen müssen. Deren zu schützende Investitionen umfassen Vermögenswerte aller Art, die im Hoheitsgebiet eines anderen Staates im Vertragsgebiet geschützt werden sollen.

„Dazu gehören u. a. Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen, Anteilsrechte an Firmen und Portfolio-Investitionen, die so genannten Rechte des geistigen Eigentums (u.a. Urheberrechte, Patente, Marken, Sortenschutzrechte), öffentlich-rechtliche Konzessionen z.B. im Bergbau und andere Ansprüche und Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert haben.“ In Investitionsverträgen werden die Schutzstandards für den Investor festgelegt, z. B. Anspruch auf Entschädigung im Fall direkter oder „indirekter Enteignung“ (als unbestimmter Rechtsbegriff). In Schiedsklauseln werden Sonderklagerechte für Investoren in Schiedsverfahren eingeräumt, wenn sie ihre Rechte aus dem Investitionsabkommen verletzt sehen. In einem Streitfall in Kanada über Medikamente wurden sogar durch ein internationales Schiedsgericht Patente vorzeitig außer Kraft gesetzt. Das gilt deshalb als besorgniserregend, weil solche Fragen beim TRIPS-Abkommen über Patente etc. noch der Entscheidungsfreiheit der WTO-Mitgliedsstaaten überlassen wurde .

Die über 500 Schiedsstellen, die seit den letzten Jahren weltweit tätig sind, haben sich bereits verselbständigt und dienen überwiegend den Kapitalinteressen .

Deshalb haben mehrere NGOs (wie Greenpace, IBFAN; Global Marshal Plan Initiative, Naturefriends International, Transnational Institute sowie International Trade Union Confederation) am 16. Dezember 2013 einen gemeinsamen Brief an EU-Handelskommissar Karel de Gucht geschrieben. Darin fordern sie die endgültige Herausnahme des „Investor-State Dispoute Settlement“ (ISDS) – also des Investorenklagerechtes gegen Staaten – aus den Verhandlungen zum dem Transatlantischen Abkommen.

Der EU-Handelskommissar verteidigte in einem Interview  gleichwohl die Schlichtungsverfahren weiterhin, da 52% in den letzten 2 Jahren von europäischen und deutschen Unternehmen angestrengt worden seien und nur so eine Handhabe bestehe, unternehmerische Ansprüche durchzusetzen. Deswegen wäre eine Abschaffung dieses Systems „ein riesiger Fehler“, denn unsere europäischen Unternehmen „brauchen so ein Abkommen.“ Die bestehende Gesetzeslage in Europa würde dadurch nicht angetastet. Der CDU-Europaabgeordnete  Daniel Caspary schlägt vor, Transparenz der internationalen Schiedsverfahren dadurch zu erzielen, dass die Verhandlungen nach dem Vorbild des „Haager Tribunals“  öffentlich abgehalten werden.
 



30. Die dubiose Rolle der WTO-Schiedsgerichte


Das Klagerecht vor internationalen Schiedsgerichten - und damit vorbei an den nationalen oder europäischen Gerichten der Gast-Staaten - kann wahlweise vor dem „International Centre for Settlement of Investment Disputes“ (ICSID) erfolgen, das unter Aufsicht der Weltbank-Gruppe steht. Dort gilt  eine Schiedsordnung des „UN Committee on International Trade Law“ (UNCITRAL). Sie können aber auch andere Schiedsstellen etwa in London, Stockholm oder bei der Internationalen Handelskammer in Paris anrufen. Die WTO-Schiedsgerichte bestehen zumeist aus 3 Fach-Anwälten (die evtl. zuvor im privaten Sektor als Unternehmens-Anwälte Firmen vertreten haben), von denen je einer vom klagenden Konzern und vom beklagten Staat bzw. von beiden Staaten benannt wird sowie ein „neutraler“ Dritter. (Drei Juristen sollen über die höchsten Gerichte der beiden Länder gestellt werden?)

Die Schiedsgerichte tagen nichtöffentlich (wegen der „Geschäftsgeheimnisse“) und eine Berufung gegen ihre Urteile ist nicht zugelassen; die Entscheidungen sind verbindlich und letztinstanzlich ohne Berufungsmöglichkeit, wenn auch rechtsstaatlich bedenklich. Kritisch und konfliktträchtig wird es immer bei gewinnschmälernden staatlichen Maßnahmen oder Auflagen als Fall für die Schiedsgerichte, weil die Unternehmen einen Anspruch auch auf künftige Gewinne haben und quasi darauf, dass neue Gesetze diese nicht schmälern dürfen. Mit anderen Worten: „Neue Gesetz können nur verabschiedet werden, wenn sie die Unternehmensgewinne steigern – im Zweifel auf Kosten der Allgemeinheit. Die Unternehmen bekommen also eine Garantie auf zukünftige Gewinne. Und die Allgemeinheit bekommt die Garantie, dass sie draufzahlt .“
 



31. Streit um die Rechtmäßigkeit der Schiedsgerichts-Klausel bei TTIP


Mit der Unterordnung von Staaten unter die Investoren und ihre eigene Gerichtsbarkeit sprechen Kritiker von einer Art „Putsch von oben“ durch die staatlich beauftragten Verhandlungsführer der EU beim TTIP-Abkommen, denn es sei rechtsstaatlich bedenklich und teilweise verfassungswidrig. In Deutschland höhle es auch das Sozialstaatsgebot (eine unveränderbare „Ewigkeitsklausel“ im Grundgesetz) aus.

Es darf nicht sein, so sagen die Kritiker, dass es einem geheim tagenden Gremium von Unternehmensanwälten gestattet ist, den Willen europäischer Parlamente und aller Kommunalparlamente kurzerhand außer Kraft zu setzen und unseren Rechtsschutz zunichte zu machen sowie die Bürger damit rechtlos zu stellen.  Nach Ansicht des Democracy Center handelt es sich dabei um ein „privatisiertes Rechtsystem für globale Konzerne“. „Mit  der geplanten Investment-Schiedsgerichtsbarkeit kann jeder Versuch torpediert werden, Banken zu regulieren, die Gewinnsucht der Energiekonzerne zu zügeln“ oder Energieversorgung über örtliche Stadtwerke zu kommunalisieren, regionale Bus- und Bahnstrecken zu betreiben, Bahnunternehmen zu renationalisieren oder Bergbauriesen zum Verzicht auf die Erschließung fossiler Bodenschätze in Naturschutzgebieten zu zwingen. Wie kann unter diesen Umständen Demokratie funktionieren, wenn bei jedem neuen Umweltgesetz Abmahnungsschreiben von Privatkanzleien aus den USA bei Regierungen mit Schadenersatzforderungen eingehen, „egal ob es um Wirkstoffe für die chemische Reinigung, um Medikamente oder Pestizide für die Düngung oder um das Patentrecht geht“, oder um kommunale Planungsvorschriften.

Solche internationalen Schiedsgerichte außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit seien unverzichtbar wegen der ansonsten völlig unterschiedlichen Rechtslage in den beteiligten Einzelstaaten, so argumentieren die Befürworter: Für internationale Streitigkeiten seien internationale Gerichte das einzig neutrale Forum. Nationale Gerichte böten keinen ausreichenden Schutz, sie seien außerdem „parteiisch“ oder zu wenig „unabhängig“. Die TTIP-Regelungen zum Investorenschutz würden leer laufen, wenn es keine rechtliche Möglichkeit der Durchsetzung gäbe.


Dem wäre entgegenzuhalten: Die so genannten Schiedsgerichte entscheiden dann aber quasi von außen ohne demokratische Legitimation, z. B. dass die Steuerzahler verklagter Staaten für entgangene Gewinne auswärtiger Konzerne finanziell aufkommen müssen, ohne sich politisch und rechtlich dagegen wehren zu können. Das würde die demokratische Gewaltenteilung, die kommunale Selbstverwaltung und jedes Demokratie- und Rechtsverständnis aushebeln und die Lebensbedingungen (auch in den einzelnen Kommunen) eher verschlechtern als verbessern. Beim NAFTA-Freihandelsabkommen hat man damit jedenfalls schlechte Erfahrungen gemacht. Das Klagerecht der Investoren gegen Staaten ist also der heikelste und umstrittenste Teil des Abkommens und ist nun vorübergehend ausgeklammert.
 



32. EU verspricht Transparenz und Verbesserung der Schiedsverfahren


Die EU verspricht in einem veröffentlichten Papier vom November 2013 - als Reaktion auf die Kritiker des Investoren-Klagerechtes - von einem „Neubeginn für Investitionen und Investitionsschutz“. Mit einigen vorgeschlagenen Verbesserungen, Transparenz-Regeln und Orientierungshilfen für die Schiedsgerichte sowie einem „Ehrenkodex“ für die Schiedsrichter gibt die EU zu erkennen, dass sie also keinesfalls diese strittigen Regelungen  ganz fallen lassen will, im Gegenteil, man ködert die NGOs mit dem Versprechen, sogar Anhörungsrechte in den künftig öffentlichen Streitverfahren zu bekommen. Außerdem soll für die Staaten „im Interesse berechtigter Gemeinwohlziele“ das Recht auf Regulierungen gestärkt werden, um so die Klagemöglichkeiten der Konzerne einzuschränken. Künftig sollen die Investoren, wenn sie im Streitverfahren unterliegen, überdies sämtliche Prozesskosten tragen, auch die des Staates; (bei den hohen Millionen- und Milliardenforderungen, um die es geht, dürfte das Prozesskostenrisiko die Konzerne wohl kaum abschrecken). Zudem will man die Definitionen z. B. über „indirekte Enteignungen“ klarer fassen und die UN-Transparenz-Vorschriften für internationale Investitionsverfahren (UNCITRAL) anwenden.

Mit diesen Neuregelungen sollen offenkundig die Verfahren als solche vor dem politischen Scheitern gerettet werden; somit erscheint das 3-monatige Aussetzen der Gespräche als bloße Verhandlungstaktik. Großzügig will man den Staaten einräumen, künftig „die Kontrolle über die Auslegung der Investitionsbestimmungen“ zu behalten (wer denn sonst?). Scheinbar haben bisher und in anderen Handelsabkommen die Investoren darüber befunden? Die Kommission hat nach eigenen Aussagen diese „Verbesserungen“ bereits in das CETA-Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada aufgenommen und verhandle bereits „über ähnliche Verbesserungen in ihren Abkommen mit anderen Ländern oder wird dies künftig tun“, so heißt es wörtlich. Zugleich gesteht man die Unzulänglichkeit der bisherigen Verfahren ein. Vor allem aber stellt die EU-Kommission auf ihrer 13-seitigen Kurzdarstellung mit dem Titel „Investitionsschutz und Beilegung  von Investor-Staat-Streitigkeiten in EU-Abkommen“ auf 7 Seiten lang und breit die unverzichtbare Notwendigkeit der Beibehaltung solcher ISS-Verfahren als Bestandteil von Handelsabkommen dar – also keinerlei Verzicht auf dieser umstrittenen Regelung. Auch wird betont, dass in erster Linie die klagefreudigen EU-Investoren davon profitieren und oftmals die Staaten und nicht die Konzerne obsiegen – ein schwacher Trost.
 



33. TTIP wurde bereits von langer Hand vorbereitet


Das Vorgehen und die Zielrichtung bei TTIP erinnert an den bereits einmal klammheimlich gestarteten (aber gescheiterten) Versuch, Mitte der 1990er Jahre  über das multilaterale MAI-Investitions-Abkommen für die damals 29 reichsten Länder der OECD auf den Weg zu bringen (Siehe hierzu ausführlichere Schilderung an anderer Stelle). Es war im allerletzten Moment an der aufmerksamen Zivilgesellschaft damals gescheitert. Lange wurde seither hinter den Kulissen geplant und überlegt, wie man auf andere Weise an die erhofften Ziele kommt und sogar noch darüber hinaus, nämlich mittels TTIP & Co. Ein zweites Scheitern wollte man dabei aber nicht riskieren, so dass die Vorbereitungen sehr gründlich und vernetzt liefen – und schon sehr langfristig.

Dafür liegen formell mehrere Entschließungen der EU aus den Jahren 1990, 1998 und 2005 vor, über die Schaffung einer Freihandelszone mit den USA zu verhandeln. Von diesen Festlegungen kann man nicht mehr Abstand nehmen. Bereits im April 2007 wurde eine „Rahmenvereinbarung zur Vertiefung der transatlantischen Wirtschaftsintegration“ zwischen der EU und den USA unterzeichnet. Der an anderer Stelle  bereits erwähnte „Transatlantische Wirtschaftsrat (TEC), der daraufhin im „Weißen Haus“ 2007 von US-Präsident George W. Bush, der damaligen EU-Ratspräsidentin Angela Merkel und dem EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso (siehe Bild) gegründet wurde, erhielt eine Doppelspitze aus je einem Vertreter der EU und der USA. Er befasste sich bereits fünf Jahre mit den Hürden, die einer Einigung im Wege stünden.

Der Berichterstatter für transatlantische Wirtschaftsbeziehungen im Ausschuss für Angelegenheiten der EU, Thomas Bareiß, bezeichnete TEC als die zentrale Plattform der transatlantischen Zusammenarbeit. Kritiker wie der liberale Europa-Abgeordnete Alexander Graf von Lambsdorff halten hingegen TEC für überflüssig, weil es die erhofften Ergebnisse nicht erbracht hat. Vor allem hätten die Gesetzgeber auf beiden Seiten neue Hürden errichtet statt alte abzubauen. Die Arbeit des TEC litt von Anfang an. Während für die EU mit Günter Verheugen ein EU-Vizepräsident antrat, schickten die Amerikaner nur einen Präsidentenberater. Anfangs war das der Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates des Weißen Hauses, Allan B. Hubbard .

Bemerkenswert ist die Zusammensetzung des Beratungsgremiums (Advisory Group ) des TEC, bestehend aus den Vorsitzenden der drei transatlantischen Zusammenschlüsse „Transatlantic Business Dialogue“ (TCD) und „Transatlantic Legislator Dialogie“ (TALD). Der deutsche BDI-Vizepräsident Jürgen Thumann nimmt als Vorsitzender und zugleich als Präsident des europäischen Wirtschaftsverbandes BUSINESSEUROPE von europäischer Seite an den Treffen von TEC teil. Erstmalig zählten auch Arbeitnehmervertreter zu den Teilnehmern des TEC-Treffens im Oktober 2009. Das ist erstaunlich, denn bei den aktuellen Verhandlungen zwischen EU und USA sind zwar Lobbyvertreter in großem Umfang eingebunden, aber seither keine Vertreter mehr von Gewerkschaften, Verbraucherschützer oder NGOs, vor denen man offensichtlich einiges zu verbergen hat? „Wirtschaftsmacht, Medien und Politik bilden damals wie heute eine Allianz gegen die Interessen einer großen Mehrheit der Bevölkerung mit dem Ziel, die soziale Marktwirtschaft einem modernen Feudalismus zu unterwerfen“.
 



34. Kein neuer Anlauf über TTIP als „trojanisches Pferd“?


Die Grundlage für die nun angestrebte weitere Liberalisierung der Handelsbeziehun-gen zwischen den USA und  der EU soll (nach dem gescheiterten MAI-Abkommen) also nun das heftig umstrittene neue „Transatlantisches Freihandels-Abkommen“ mit dem Kürzel TTIP („Transatlantic Trade and Investment Partnership“  zur Beseitigung der sogenannten „nichttariflichen Handelshemmnisse“ liefern, wie zuvor ausführlich dargestellt. „Dazu gehören auch „politisch gewollte Regulierungen zu Produktqualität und Produktionsbedingungen“. Mit dem neuen Anlauf über das TTIP-Abkommen befürchten Kritiker und Gegner in erster Linie erneut den (tatsächlich beabsichtigten) Versuch, multinationale Konzerne rechtlich den Staaten quasi gleichzustellen, indem Firmen die Staaten verklagen dürfen und ausländische Investoren den inländischen gleichgestellt werden und damit absolute Handlungsfreiheit erhalten (z. B. bei Produkten, die im Land selbst gar nicht hergestellt werden und für die es deshalb keine beschränkenden Gesetze gibt). Damit betrachtet man das geplante Abkommen wiederum als trojanisches Pferd, mit dem unter dem Deckmantel der Wachstumsförderung und des Abbaus von Zöllen in Wirklichkeit ganz andere Absichten verfolgt werden.
 

 

Denn alle dem Abkommen entgegenstehenden oder beschränkenden nationalen (und kommunalen) Regelungen, soweit sie neu erlassen werden, etwa neue Gesetze zum Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz, zum Umwelt- und Gesundheitsschutz, zum Schutz kultureller Güter, Regelungen zu öffentlicher Ausschreibungen oder zur Raumordnung mit planerischen Einschränkungen etc. (z. B. kommunales Verbot von nicht integrierten Einkaufszentren auf grüner Wiese), würden womöglich als unzulässige Handelshemmnisse angesehen - wenn nicht sogar als gewinnschmälernde „schleichende Enteignungen“, für die Schadenersatz verlangt oder vor nicht öffentlichen Schiedsgerichten außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit (wegen der „Geschäftsgeheimnisse“) erstritten werden kann.

Auch der Schutz regionaler Nahrungsmittelproduzenten oder kommunaler Subventionen für örtliche Einrichtungen wären als für auswärtige Investoren handelshemend und wettbewerbshindernd zu untersagen. Der Abbau restlicher Zölle ist nur ein nachrangiges und unbedeutendes Motiv für das Abkommen. Harsche Kritik wird deshalb von den Unterstützern der Petition gegen TTIP im in einem Internetblog artikuliert: „Hinter dem als Wirtschaftsgenerator beschriebenen Abkommen verbirgt sich in Wirklichkeit ein Tributsystem, wie es das Universum noch nicht gesehen hat. US-Firmen erhalten mit dem Inkrafttreten des Abkommens den rechtlichen Status eines Staates, wenn sie sich in Europa niederlassen. Sie sind damit immun gegenüber jeglicher staatlicher Gesetzgebung.“ Das ist wahrlich ein trojanisches Pferd, was da über den Atlantik nach Europa galoppiert! Man verdächtigt die deutsche Kanzlerin Merkel, dass sie mit dieser „Tributpolitik“ gegenüber den USA ihre politisch-wirtschaftliche Machtposition durch einen „ultimativen Raubzug“, für den sie eingesetzt wurde, sichern soll. Das Subsidiaritätsprinzip zugunsten der Gemeinden als Grundlage des demokratischen Staatsaufbaus wird hierbei „mit Füßen getreten“.

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Bildquelle: Das Trojanische Pferd war in der griechischen Mythologie ein hölzernes Pferd, in dessen Bauch Soldaten versteckt waren. Die Soldaten öffneten nachts die Stadtmauern Trojas von innen und ließen das Heer der Griechen ein. Mit dieser Kriegslist gewannen die antiken Griechen den Trojanischen Krieg. In der griechischen Tradition wird das Pferd das „Hölzerne Pferd“ genannt.

Metaphorisch versteht man unter einem „trojanischen Pferd“ vordergründig jede List oder Strategem, welche/welches zum Ziel hat, harmlos getarnt in einen sicheren geschützten Bereich eingelassen zu werden. So ist beispielsweise heute in der EDV das Trojanische Pferd ein Begriff für ein derartiges Schadprogramm.

Das im Artikel gezeigte Foto ist ein Gemälde von Giovanni Domenico Tiepolo (1727–1804) mit dem Titel "Procession of the Trojan Horse in Troy". Web Gallery of Art: /  Image / Info about artwork - Quelle: Wikimedia Commons. Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für alle Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 Jahren oder weniger nach dem Tod des Urhebers

 



35. Knallharte Interessenkollisionen zwischen den Verhandlungspartnern


Trotz der zwar geringen Wachstums -und Arbeitsmarkteffekte, aber dennoch erhofften Summen und Gewinne, geht es bei aller Freundschaft der Handels- und Vertragspartner um knallharte Interessen, wie in der „Wirtschaftswoche“ anschaulich aufgezeigt : „Denn je nachdem, wie die Regeln ausgestaltet werden, fallen die Milliardenwerte diesseits oder jenseits des Atlantik an: Welche Branchen können wie von der Zollsenkung profitieren? Werden einzelne Produkte oder ganze Warengruppen von den Fortschritten ausgeschlossen? Für die amerikanischen Hühnerzüchter ist es beispielsweise höchst wichtig, dass auch ihre mit genverändertem Futter aufgezogen Viecher in die EU verkauft werden dürfen. Die Europäer möchten dagegen lieber kein Gen-Huhn aus US-Produktion. Dasselbe gilt für die Frage von Umweltstandards, beispielsweise bei Automobilen (…) Und für die staatlichen amerikanischen Unterhändler ist es ein entscheidender Vorteil, wenn sie in Erfahrung bringen (etwa auch über NSA-Wirtschaftsspionage?), bei welchen Punkten die Europäer für sich noch Verhandlungsspielraum sehen oder wo die Schmerzgrenze liegt.

Für die Verhandlungspartner jenseits des Atlantik ist es attraktiv, zu erfahren: Wie setzt sich die „europäische Front“ zusammen? Welche Länder sind bei diesem oder jenem Produkt besonders kritisch? Dann könnte die US-Seite ihre Verhandlungsstrategie besser festlegen oder gar Druck auf einzelne EU-Staaten ausüben, die Verhandlungsposition der Kommission anders festzulegen. (Das wiederum veranlasst die EU-Kommission, die Geheimhaltung ihrer Verhandlungspositionen gegenüber Kritikern zu verteidigen). Nicht jedes kleine EU-Land möchte beispielsweise seine eigenen Handelschancen gefährdet sehen, wenn die Agrargroßmacht Frankreich weiter auf den Schutz ihrer Landwirte setzt“. (Europa hofft zudem auch auf Aufträge für Projekte des Straßenbaus und des öffentlichen Verkehrs, was umgekehrt die Öffnung unseres öffentlichen Personenverkehrs und Straßenwesens bedingt, bis hin zur Gefahr der Privatisierung von Autobahnen.)

In den USA mit Hormonen behandeltes Fleisch sowie gechlorte Hühner sind derzeit in der EU verboten. Und beim Einsatz gentechnisch behandelter Pflanzen sieht die EU anders als in den USA eine Mitteilungspflicht auf der Verpackung vor. Das soll sich ändern, denn die US-Unternehmen sollen künftig zu ihren vorwiegend niedrigeren Standards Waren in Europa anbieten können. „Aufgrund der fehlenden Qualitätsstandards sind die US-Produkte natürlich billiger  als die europäischen – ein Verdrängungswettbewerb wird beginnen. Am Ende werden die niedrigeren Preise mit höheren gesundheitlichen Risiken bezahlt werden. Dieses Wegkonkurrieren von Qualitätsstandards wird auch die arbeitsrechtlichen, sozialen u. ökologischen Mindestregulierungen schwächen.“
. Ist das nun „heimliche Konzernherrschaft“ oder offene Demokratie ?
 



36. Wirtschaftslobbyisten sitzen stets mit am Tisch


Dazu hatten später auf einem EU-US-Gipfeltreffen im November 2011 der US-Präsident Obama und Hermann van Rompuy als Präsident des europäischen Rates noch eine „High-Level Working Group on Jobs and Growth“ gegründet. Deren Mitglieder blieben lange geheim, bis sie auf Druck der NGO „Corporate Europe Observarory“ veröffentlicht wurde . Diesem seit April 2012 tagenden Beratungsgremium gehören vor allem Wirtschaftslobbyisten wie „Business Europe“ (ein europäischer Arbeitgeberverband mit Sitz in Brüssel) und der Bertelsmann-Stiftung an, von denen natürlich keiner ein demokratisches Mandat hat. Die US- und EU-Lobbyverbände (wie die American Chamber of Commerce und Business Europe) sprechen dazu Klartext: „Interessengruppen würden mit Regulierern zusammen an einem Tisch sitzen, um gemeinsam Gesetze zu schreiben.“ In den Regularien von TTIP selber soll die frühzeitige Konsultation der Investoren und ihrer Interessenverbände vor neuen staatlichen Gesetzesvorhaben mit einem faktischen Veto-Recht (living agree-ment“) verankert werden. 

Außerdem entsteht seit 2009 mit den laufenden Verhandlungen zum dem erwähnten EU-Kanada-Freihandelsabkommen CETA die „Blaupause“ zum „großen transatlantischen Abkommen“. Nach Aussagen des EU-Verhandlungsführers, des belgischen EU-Handelskommissars Karel de Gucht, seien die Verhandlungen zu CETA bald mit ratifizierungsfähigen Beschlüssen beendet. Im Februar 2013 bekräftigten US-Präsident Obama und EU-Kommissionspräsident Barroso in einer gemeinsamen Erklärung das Vorhaben einer Freihandelszone ihrer beiden Wirtschaftsblöcke.

Bislang hatten die einzelnen EU-Staaten bereits zahlreiche Investitionsabkommen mit anderen Staaten abgeschlossen, davon alleine Deutschland 140 solcher Verträge, wie schon erwähnt. Darin verpflichtet es sich gegenüber Investoren, als Staat „fair und ausgeglichen“ zu handeln. (Aufgrund eines solchen Abkommens ist die Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall ermöglicht worden, die Bundesrepublik Deutschland auf Schadenersatz für entgangene Gewinne wegen der Beschlüsse zum Atomausstieg zu verklagen). Nun möchte die EU den Flickenteppich an Einzelregelungen durch „moderne und nachvollziehbare“ Vereinbarungen ablösen und damit zugleich „ein für alle Mal einen Missbrauch der Investmentregeln verhindern“.

Diese Begründung gab jedenfalls der für Handelsfragen zuständige belgische EU-Kommissar Karel de Gucht zum Besten, nachdem sich massiver Widerstand in der Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit sowie aus den Kommunen gegen das Freihandelsabkommen mit den USA entlud. Hunderttausende Menschen hatten, wie bereits erwähnt, allein auf der deutschen Webseite von campact  einen Stopp der Verhandlungen mit den USA gefordert. Zuvor  hatten NGOs national und weltweit Bündnisse gebildet, um über die Gefahren und Risiken des geplanten Freihandelsabkommen aufzuklären und ein unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeltes Abkommen zu verhindern (siehe auch Rundbrief Nr. 2/2013) sowie ein alternatives Handelsmandat zu formulieren. Die Chancen zur Verhinderung des umstrittenen Abkommens stehen nicht einmal so schlecht, da es am Ende in jedem einzelnen Mit-gliedsstaat ratifiziert werden muss. Möglich sind auch Volksentscheide in einzelnen Mitgliedsländern. Wird der Vertrag von nur einem Staat nicht ratifiziert, wäre er vorerst gescheitert.  
 



37. TTIP wäre eine weitere „Todsünde der EU“ und ein soziales Gegenbild


Der Streit um TTIP verdeutlicht im Europawahljahr das Problem der weiter zunehmenden weltweiten Dominanz der Wirtschaft und des Marktes über die politischen und rechtlichen sowie kulturellen Entscheidungs- und Gestaltungsbereiche. Diese entfernen uns immer mehr von den Bedingungen der „sozialen Dreigliederung“ auf der makrosozialen Ebene, obwohl diese für die Menschen und ihr soziales Zusammenleben lebensnotwendig wären. Vielmehr erleben wir das Gegenbild zur sozialen Dreigliederung und zur europäischen Idee: Politik und Wirtschaft mit ihrer allzu engen Verflechtung treten machtvoll als „gemischter König“ auf und lassen der kulturellen Freiheit zur Gestaltung eines anderen Europa und einer anderen Welt nur geringe Chancen.

Diese Entwicklungsrichtung von TTIP „führt zunehmend zu einer Unterordnung des Verhaltens des Einzelnen unter den Willen der Wirtschaft. Das sind im Kern Wesenszüge eines totalitären Regimes. Der Staat als Hüter der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung verliert seine Bedeutung und Macht, weil global agierende Konzerne ihre Regeln für allgemeingültig erklären“. Damit gewinnt die Wirtschaft die Oberhand über das Rechtsleben und erstickt damit die individuelle Freiheit und den Sozialimpuls.

Auch von einem „fairen Handel“, den TTIP von sich behauptet, sind wir angesichts der wenigen Gewinner und vielen Verlierer noch weit entfernt. TTIP gilt als das „unfairste Handelsabkommen aller Zeiten“. Deshalb ist die Zivilgesellschaft mehr denn je gefordert, diesen Fehlentwicklungen entgegenzutreten, denn TTIP wäre  - wie dieser Beitrag aufzeigt - eine weitere Todsünde der EU  und der Ausverkauf  einer großen Idee von Europa für die Welt. Der „europäische Traum“ und die Wirklichkeit liegen ziemlich weit auseinander, aber die eigentliche Idee und Aufgabe Europas kann wiederbelebt werden - im Gegensatz zur allgegenwärtigen Perversion des Europa-Gedankens, die in TTIP & Co. gipfelt. Dazu eignet sich ganz besonders auch die öffentliche Debatte um TTIP während des Europawahlkampfes, auch als Schritt von einer (egoistischen) nationalen zu einer europäischen Identität mit weltbürgerlicher Gesinnung, um die richtigen Impulse für die Zukunft zu setzen.

Zu Recht scheiden sich an TTIP die Geister und es wird sichtbar, wer im Hinblick auf ein solidarisches Wirtschaften unter Beachtung von Sozial- und Menschenechten auf welcher Seite steht und überdies zum solidarischen Teilen bereit ist – denn teilen (statt übervorteilen) macht alle reich.

 



38. Kommunale Auswirkungen von TTIP


Bei TTIP geht es nicht nur um Warenhandel, sondern auch um ..

  • Handel mit Dienstleistungen,
  • Teilhabe an öffentlicher Auftragsvergabe,
  • um Handel mit Finanzprodukten,
  • Patente und Urheberrechte, Lockerung Datenschutz
  • Nutzung von Land und Rohstoffen,
  • das Bildungs- und Gesundheitswesen,
  • kulturelle Dienstleistungen,
  • Veränderung von Verbraucher- und Umweltstandards,
  • Veränderung von Sozialstandards,
  • um Regelungen des Tarif- und Arbeitsrechtes,
  • Rechte und Arbeitsmöglichkeiten von Immigranten,
  • Liberalisierung der Wasser- und Abwasserwirtschaft,
  • Marktöffnungen für Energie und Transportwesen,
  • weitere Marktöffnung für Müllentsorgung,
  • um Verkehr und öffentlichen Nahverkehr
  • Subventionsabbau (auch für kommunale und kulturelle Einrichtungen etc.)
  • etc.

Damit sind fast alle Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge massiv betroffen, obwohl von der EU-Handelskommission bestritten...



Wilhelm Neurohr
 



Volltext aller 37 Kapitel .. inklusive 247 Fußnoten und einem 19-seitigen Anhang - klick und unten als -Anhang

 

► Volltext "Kommunale Auswirkungen von TTIP" (38) .. gibt es hier - klick und unten als -Anhang

 

Volltext "Ausverkauf v. Bildung u. Kultur in Europa durch TTIP" .. gibt es hier - klick und unten als  -Anhang



Danksagung:

  • Herrn Wilhelm Neurohr für den informativen Artikel und die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung. Tolle Arbeit - Kompliment!
  • Wilfried Kahrs / QPress für die Grafiken und Fotos sofern keine anderen Quellen benannt sind
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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Freihandels- u. Dienstleistungsabkommen als totalitärer Eingriff


Freihandels- und Dienstleistungsabkommen als totalitärer Eingriff


Das Umweltinstitut München gab in seinem heutigen Newsletter folgende Verlautbarung bekannt:

„… am gestrigen Donnerstag übergaben wir im Rahmen des Bündnisses ttip-unfairhandelbar in Berlin fast 715.000 Unterschriften gegen das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen TTIP an die SpitzenkandidatInnen für die Europawahl am kommenden Sonntag. Die enorme Zahl der Unterschriften machte den PolitikerInnen deutlich: Die Menschen in Deutschland wollen TTIP nicht!“

Ich wünsche mir nur, daß diese Art von Aktionen noch mehr Schule machen und die Adressaten dieser Botschaften sie auch wirklich ernst nehmen.


Marie-Luise Volk (Klartext) und Wilhelm Neurohr haben in ihren Veröffentlichungen einen wichtigen Aufklärungsbeitrag geleistet. Insbesondere der Artikel von Wilhelm Neurohr stellt einen Maßstab auf in Sachen detaillierter Recherche, umfassender Berichterstattung und Klarstellung der kritischen Ansätze hinsichtlich des geplanten Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP dar. Im Kritischen Netzwerk haben wir bereits seit 2013 über diese ungeheuerliche politische Anmaßung aufgeklärt. Aber die Reportage von Neurohr ist derart umfassend, daß eigentlich nichts mehr zum TTIP gesagt werden müßte, sofern dieses Projekt auch tatsächlich verhindert werden könnte.


Einen Punkt will ich nochmal herausstreichen, weil er in unseren bisherigen Beiträgen fehlte. Es handelt sich um das Folgeabkommen des bisherigen WTO-Dienstleistungsabkommens GATS, PTiSA (Plurilateral Trade in Services Agreement), das uns als doppeltes Lottchen zum TTIP untergejubelt werden soll. Wenn man bedenkt, daß der Umsatz des EU-Binnenmarktes 60 – 70 % Anteil am Gesamtvolumen ausmacht, wird die Tragweite dieses Dienstleistungsabkommens erst richtig deutlich. Dieses soll natürlich – analog des TTIP - ebenfalls am Bürger und Verbraucher vorbei völlig Lobbyisten und Unternehmen abgestimmt werden.


Ansonsten brauche ich den Ausführungen von Marie-Luise Volk und Wilhelm Neurohr nichts mehr hinzuzufügen. Ich hoffe, daß endlich einer Mehrheit der Bürger ein Licht aufgeht und sie erkennen, daß mit diesen Abkommen in ihre existenziellsten Interessen eingegriffen wird. Sie beinhalten und verändern fast alle wirtschaftlichen, staatlichen und sogar kulturelle Abläufe zum Nachteil des Bürgers wie

  • Verbraucherschutz
  • Lebensmittelerzeugung
  • Landwirtschaft, Ökologie
  • Privatisierung
  • Energiewirtschaft
  • Transport und Verkehr
  • Finanzwirtschaft und Banken
  • Arbeitnehmerrechte
  • Steuergesetzgebung
  • Soziales und Gesundheit
  • Medien und Informationswesen
  • Datensammlung und Überwachung
  • Verstösse gegen fairen Handel. Wirtschaftliche schwache Staaten, die von derartigen Handelsabkommen und von der EU abhängig sind, werden über den Tisch gezogen. Das einheimische Gewerbe und die Landwirtschaftsstrukturen - insbesondere in Afrika -  werden zerstört, so daß es zu Verelendung und Tod von vielen Menschen kommt. Die Folge davon sind Flüchtlingsströme nach Europa!
  • Rechtswesen etc.

Diese dirigistischen Strukturen der Abkommen, die einseitig die Kapitaleigner begünstigen, sollen zu einem anti-demokratischen wirtschaftstotalitären System umgebaut werden. Üblicherweise heißt es, daß jeder selbst entscheiden darf und soll, was und wen er wählt. Wenn allerdings diejenigen Bürger, die Parteien wählen, die sich für die o. a. Abkommen engagieren, sich durch ihre Dummheit nur selbst in Mitleidenschaft ziehen würden, dann könnte ich mich mit einem Achselzucken damit abfinden. Aber in der Praxis schädigen sie alle anderen Menschen, die nicht zu den wenigen Privilegierten gehören, ebenso – einschließlich mir. Und damit will ich mich nicht abfinden, denn gerade dort wird die Angelegenheit persönlich und meine Zurückhaltung stößt an ihre Grenzen …


MfG Peter A. Weber

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