UN-Klimakonferenzen: Von Paris nach Marrakesch

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UN-Klimakonferenzen: Von Paris nach Marrakesch
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UN-Klimakonferenzen: Von Paris nach Marrakesch

von Franz Garnreiter c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

In Marrakesch in Marokko fand vom 7. bis 18. November 2016 die diesjährige UN-Klimakonferenz statt. Sie war die 22. Folgekonferenz nach dem sogenannten Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro. Diese Konferenzen bemühen sich, den beständigen und gefährlichen Prozess des menschengemachten[1] Klimawandels zu bekämpfen. Die bisherigen Ergebnisse sind aber äußerst unzureichend ausgefallen. Auf der letztjährigen Klimakonferenz in Paris wurden Beschlüsse gefasst, die als endlich gefundener Durchbruch gefeiert wurden.

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Die beiden wichtigsten Vereinbarungen waren:

Eine Verpflichtung, die Klimaerwärmung deutlich unter 2°C zu halten und alle Anstrengungen aufzubieten, um die Erwärmung schon bei 1,5°C zu stoppen. Dazu verpflichtete sich jedes Land in einer selbst aufgestellten To-do-Liste zu Klimaschutzaktionen.

Eine Verpflichtung der Industrieländer, den armen und vom Klimawandel bedrohten Ländern (die Länder in den Tropen und Subtropen werden im Durchschnitt weit mehr unter dem Klimawandel leiden als die reichen Industrieländer, die diesen hauptsächlich verursachen) einen Fonds für Emissionsreduzierungen und zur Anpassung an die Klimafolgen in Höhe von 100 Mrd. Dollar jährlich ab 2020 zur Verfügung zu stellen (ca. 0,2 % des BIP der reichen Länder). Dieses Versprechen wurde erstmalig auf der UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen abgegeben und seither jährlich erneuert.

Das erste Problem an beiden Beschlüssen ist, dass es – bewusst und absichtlich so gewollt – keinerlei Sanktionen oder Strafen gibt, wenn ein Land seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Das ist also ein ganz anderes Herangehen als bei den Handelsverträgen, wo Politik gegen die Konzerne mit extrem hohen Strafzahlungen geahndet werden kann. Hier wird an die Moral und die Ehre der Staaten appelliert. Insofern sind es keine Verpflichtungen, sondern unverbindliche Absichtserklärungen.

Das zweite Problem ist, dass diese Verpflichtungen bzw. Absichtserklärungen völlig unzureichend sind. Zum einen reicht die Vereinbarung bei weitem nicht für eine Einhaltung des 2°C-Limits (siehe das in Kürze erscheinende isw-spezial „Klimawandel und Verantwortungslosigkeit“). Zum anderen ist beim 100-Mrd.-Dollar-Versprechen noch unverhandelt, welches Land wie viel zu den 200 Mrd. beitragen muss; fix zugesagt ist bisher nur ein sehr kleiner Teil. Zudem kann dieser Betrag auch aus Krediten oder aus Auslandsinvestitionen der Konzerne bestehen. Der Wert der 100 Mrd. ist also ungeklärt.

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Marrakesch sollte nun nach der großen Feierstunde von Paris eine Arbeitskonferenz werden: es sollten die Details zu den beiden Beschlüssen festgelegt werden: zum einen Fragen nach der Messung und dem Vergleich der Klimaziele, ihrer Bewertung, der nötigen Überprüfungs- und Zurechnungsmaßnahmen usw.; zum anderen die Konkretisierung und das Handling des Anpassungsfonds. Es ging also darum, eine Art Bedienungsanleitung aufzustellen.

Die Arbeit daran ist wohl nicht weit gediehen. Der Komplex 100-Mrd.-Fonds wurde gleich auf 2018 vertagt (nicht 2017!). Nicht viel erfolgreicher waren die Bemühungen um die Fragen zu den Klimaschutzzusagen. Nach Berichten in den begleitenden Medien führte die Trump-Wahl in den USA (08.11.) zu einer weithin verbreiteten Verstörung der Teilnehmer. Trump ist erklärter Klimawandelleugner, sein erwählter Umweltchef Myron Ebell steht einem von Exxon finanzierten Institut vor und tourt überall herum als Agitator gegen jeden Klimaschutz. Es brauchte wohl einige Zeit in Marrakesch, um den Schock zu überwinden, und so blieb viel Arbeit liegen. Umweltministerin Barbara Hendricks ist trotzdem zufrieden mit der Konferenz: „Sie war eine Konferenz des Tuns … Die in Paris beschlossene Transformation hin zu einer klimaverträglichen Welt ist in vollem Gange und nicht mehr zu stoppen.“ Das geht wohl gegen Trump, aber zufrieden sein mit den Pariser Klimabeschlüssen kann man nur bei eher niedrigen Klimaschutz-Ambitionen.

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Für Aufsehen hat ein Beschluss des Climate Vulnerable Forum gesorgt, das sind 47 arme und vom Klimawandel sehr bedrängte Länder (darunter viele afrikanische Länder ohne die Ölländer und Südafrika, dazu auch z.B. Bangladesch, Philippinen, Sri Lanka, Vietnam, Haiti). Sie vereinbarten den Übergang ihrer Volkswirtschaften zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2050. Das ist in wesentlichen Punkten weitreichender als die Zusagen der reichen Länder in Paris. Sie konkretisierten ihren Beschluss in: Emissionshöhepunkt spätestens 2020; Energieversorgung durch 100 % heimische Erneuerbare so schnell wie möglich; dringlicher Aufbau eines nationalen Anpassungsplanes an den Klimawandel; Zusammenarbeit mit internationalen Gremien und Aufklärung der Bevölkerung; wechselseitige Unterstützung und Erfahrungsaustausch bei diesen Vorhaben. Mal sehen, ob diese armen, notleidenden Länder effizienter und zielorientierter am Klimaschutz arbeiten können als es die reichen, mit Luxus beladenen Länder wollen.

Franz Garnreiter, Diplom-Volkswirt, Autor

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[1] Anmerkung gesetzt durch ADMIN H.S.: "menschengemachter Klimawandel" nennt man auch anthropoger Klimawandel. Das Adjektiv "anthropogen" (altgriechisch ánthropos „Mensch“, mit dem Verbalstamm gen- „entstehen“) ist ein Fachbegriff für das durch den Menschen Entstandene, Verursachte, Hergestellte oder Beeinflusste. So sind beispielsweise Kunststoffe anthropogen, da sie nur vom Menschen hergestellt werden. Die Bezeichnung anthropogen wird häufig verwendet für Eingriffe des Menschen in die Umwelt und für vom Menschen verursachte Umweltprobleme.

Als Gegensatz zu "anthropogen" wird häufig der Begriff "natürlich" verwendet. Viele Einflüsse auf die Umwelt können sowohl anthropogen als auch natürlich bedingt sein, wobei eine eindeutige Abgrenzung nicht immer möglich ist. So kann ein Waldbrand beispielsweise sowohl durch Menschen als auch durch eine natürliche Ursache (z. B. Blitzschlag) verursacht worden sein.

Die gestiegenen Bedürfnisse der Menschen, insbesondere seit der Industrialisierung in den sog. Industrieländern, haben weltweit anthropogene Veränderungen bis hin zu Schädigungen von Ökosystemen bewirkt und auch zu einem Rückgang der Artenvielfalt und damit der Biodiversität geführt.

Dieser Hinweis soll klarstellen: Klimawandel hat es selbstverständlich schon VOR den Menschen gegeben. Wenn in Artikeln wie diesem von "menschengemachtem" Klimawandel gesprochen wird, ist die zusätzliche, hergestellte und damit beeinflussbare Schädigung der Umwelt und des Weltklimas gemeint. Dummen Menschen, die behaupten es gäbe keinen "menschengemachten" Klimawandel und ihn leugnen, sei hiermit widersprochen!



Quelle:  Erstveröffentlichung am 28. November 2016 bei isw-muenchen.de > Artikel.

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Das isw versteht sich als Wirtschaftsforschungs-Institut, das alternativ zum neoliberalen Mainstream Analysen, Argumente und Fakten für die wissenschaftliche und soziale Auseinandersetzung anbietet. Unsere Themen und Forschungen beziehen sich deshalb in besonderem Maß auf die "Bedürfnisse" von Gewerkschaften und von sozialen, ökologischen und Friedensbewegungen. Unser Anspruch ist, Wissenschaft in verständlicher Form darzustellen und anschaulich aufzubereiten. Deshalb sind isw-Ausarbeitungen auch besonders geeignet für Unterricht und Schulungsarbeit und als Grundlage für Referate und Diskussionen. Die Mehrheit unserer LeserInnen, AbonnentInnen und Förder-Mitglieder sind Menschen, die sich in Bewegungen und Gewerkschaften engagieren.

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Auf Veranstaltungen und jährlich stattfindenden isw-Foren werden Erfahrungen ausgetauscht, Gegenstrategien diskutiert und Alternativen erarbeitet. Wir freuen uns über Vorschläge und Anregungen, aber auch über solidarische Kritik.

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► Bild- und Grafikquellen:

1. Grafik #1 zeigt den Verlauf der CO2-Konzentration in der Atmosphäre während der letzten 400.000 Jahre. Urheber: David W. Das Bild wurde für "Global Warming Art" erstellt. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

2. Grafik #2: Globaler Temperaturindex Oberflächentemperaturen Land und See 1880-2015. Urheber: NASA Goddard Institute for Space Studies. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist gemeinfrei (public domain), da sie von der NASA erstellt worden ist. Die NASA-Urheberrechtsrichtlinie besagt, dass „NASA-Material nicht durch Urheberrecht geschützt ist, wenn es nicht anders angegeben ist“. (NASA-Urheberrechtsrichtlinie-Seite oder JPL Image Use Policy).

3. Grafik #3: Die Antreiber der globalen Erwärmung seit 1750 und ihr Nettoeffekt auf den Wärmehaushalt der Erde. Urheber: Arne Nordmann. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

Der Strahlungsantrieb der einzelnen Faktoren wird in der technischen Zusammenfassung des Vierten IPCC-Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe I folgendermaßen angegeben (jeweils in Watt pro Quadratmeter):

  • CO2: 1,66 (1,49-1,83)
  • CH4: 0,48 (0,43-0,53)
  • N2O: 0,16 (0,14-0,18)
  • FCKW/FKW: 0,34 (0,31-0,37)
  • Stratosphärisches Ozon: -0,05 (-0,15-0,05)
  • Troposphärisches Ozon: 0,35 (0,25-0,65)
  • Stratosphärischer Wasserdampf von CH4: 0,07 (0,02-0,12)
  • Oberflächenalbedo durch Landnutzung: -0,2 (-0,4-0,0)
  • Oberflächenalbedo durch Ruß auf Schnee: 0,1 (0,0-0,2)
  • Direkter Aerosoleffekt: -0,5 (-0,9--0,1)
  • Wolken-Albedo-Effekt: -0,7 (-1,8--0,3)
  • Luftfahrt-Kondensstreifen: 0,01 (0,003-0,03)
  • Solarstrahlung: 0,12 (0,06-0,30)
  • Nettoeffekt anthropogen: 1,6 (0,6-2,4)

4. Traurige Erde - Sad Earth. Ein Aktion in Chicago, um auf die Erderwärmung aufmerksam zu machen. Foto: John LeGear at TimComm.com . Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).