Ungarn raus, Niger rein. Die Zukunft der Europäischen Union ist schwarz

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Ulrich Gellermann
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Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
Ungarn raus, Niger rein. Die Zukunft der Europäischen Union ist schwarz
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Ungarn raus, Niger rein

Die Zukunft der Europäischen Union ist schwarz

jean_asselborn_aussenminister_immigration_asyl_migration_luxemburg_europaeische_union_european_union_kritisches_netzwerk_luxembourg_ungarn_groussherzogtum_letzebuerg.jpgUngarn raus aus der EU! Forderte jedenfalls der EU-Außenminister Jean Asselborn und wahrte dabei die gewohnte luxemburgische Zurückhaltung. Denn natürlich könnte er beim Rauswurf auch an Polen denken. Auch an Tschechien, die Slowakei und Österreich. Alles Länder, die sich brutal gegen Flüchtlinge abschotten. Alles Länder, in denen die bürgerliche Demokratie ordentlich beschädigt ist. Alles Länder, die in der einen oder anderen Weise der Eurokratie zu widersprechen wagen. Und wenn man mal beim Rauswerfen ist: Was ist eigentlich mit den baltischen Staaten?

Ginge es nicht um die Aufnahme von Flüchtenden, sondern um die Ursachen der Flucht, müsste sich die EU natürlich komplett selbst rauswerfen. Selbst bei AfD-Wählern soll sich rumgesprochen haben, dass zu den wesentlichen Fluchtursachen Kriege gehören. Und an der Spitze der weltweiten Waffenexporteure stehen Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Die beiden letzteren waren führend an der kriegerischen Zerstörung Libyens beteiligt. Und es gibt kaum einen Krieg in Afrika, an dem die alten Kolonialmächte nicht wenigsten ein bisschen mitgemischt haben. Also, wenn einer was davon versteht, die Völker der Welt in Bewegung zu setzen, dann die EU. Unter sachkundiger Hilfe der USA versteht sich.

Nicht wenige Flüchtlinge verlassen ihre Länder auch, weil sie schlicht hungern. Hunger herstellen, dass ist für die Europäische Union die leichteste Übung: Afrikanische Futtermittel billig einkaufen, in der europäische Hühnchenmast verwenden, die „besseren“ Hühnerteile selber fressen, Flügel, Hälse, Füße, Knochen und Innereien nach Afrika exportieren, mit Niedrigstpreisen für das Abfallfleisch die heimische Geflügelproduktion kaputt machen und so eines der Wunder kapitalistischer Ökonomie bewirken: Mit dicken Hühnchen magere Afrikaner und fette Profite erzeugen. Damit das so bleibt, drückt die EU gerade diverse „Economic Partnership Agreements“ (EPA) mit afrikanischen Ländern durch, Freihandelsabkommen, die in Afrika die Freiheit des Neoliberalismus herstellen. Allein Kenia würde der Abbau der Zölle auf europäische Importe nach Schätzungen eines kenianischen Wirtschaftsinstitutes jährlich bis zu 110 Millionen Euro kosten.

Sehr störend in diesem Szenario freier Kriege und freien Handels sind jene Araber und Afrikaner, die sich einfach nicht mehr zu Hause erschießen oder erhungern lassen wollen und die Verursacher ihres Elend besuchen. Doch auch für die hat die genialische EU gute Vorschläge: Im afrikanischen Land Niger soll ein Asyl-Zentrum entstehen. In Agadez, im Zentrum des afrikanischen Staates Niger, eine der ärmsten Nationen der Welt, werden schon jetzt etwa 120.000 Migranten pro Jahr durch die Stadt geschleust. Niger bietet sich an: Analphabetismus und Armut beherrschen das Land, die Eliten sind korrupt, der französische Staat bezieht von dort 40 Prozent seines Uranbedarfs. Damit das ungestört weiter geht, werden Offiziere der „Forces Armées Nigériennes“ (FAN) in Frankreich auf der Elite-Militärschule von Saint-Cyr ausgebildet. Rund um die Förderstätten herrscht schon seit langem die französische Armee.

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Um diesen Defacto-Kolonialstatus endlich in eine Dejure-Legalität zu überführen, sollte Niger zu einer Art überseeischem Gebiet der EU werden: Regiert würde dann in Brüssel, verwaltet in Nigers Hauptstadt Niamey. Doch das alles wird nicht ausreichen, wenn Niger zum Lager für die Konzentration afrikanischer Flüchtlinge erkoren wird. Man kennt das aus den provisorischen Flüchtlingslagern in Frankreich oder Italien: Die unwillkommenen Gäste begehren manchmal auf. Das verlangt eine straffe Ordnung. Auch wenn Israel bisher nur Kandidat für den Beitritt in die EU ist, haben doch die Israelis die größten Erfahrungen, wie man eine große Menge Flüchtlinge auf kleinem Raum hinterm Zaun hält: Der Gaza-Streifen gilt als weltweit bestens organisiertes Lager. An der israelischen Armee wird deshalb bei den Plänen der EU kein Weg vorbei führen.

Das alles kostet natürlich erstmal Geld. Aber allein Ungarn bekommt jährlich 2,7 Milliarden netto aus der EU-Kasse. Bei den anderen Flüchtlings-Verweigerungs-Ländern ist es ähnlich. Polen steht mit 8,42 Milliarden Euro an der Spitze der Almosen-Empfänger der EU. Auch deshalb ist der Vorschlag des gelernten Gemeindeangestellten Asselborn so brillant: Ungarn raus, das könnte Platz für Niger rein bringen. Das würde der Europäischen Union jene Perspektive eröffnen, die im Lissabon-Vortrag in unerreichter Lyrik formuliert wurde: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte.

Ulrich Gellermann, Berlin

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► Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel vom 15.09.2016.

► Bild- und Grafikquellen:

Bernhard_Schmid_Frankreich_in_Afrika_Eine_(Neo)Kolonialmacht_in_der_Europaeischen_Union_Kolonialismus_Imperialismus.jpg1. Jean Asselborn (* 27. April 1949 in Steinfort, Luxemburg) ist ein luxemburgischer Politiker. Seit dem 30. Juli 2004 ist er luxemburgischer Außenminister, seit 2014 auch Minister für Immigration und Asyl. Jean Asselborn ist der momentan dienstälteste Außenminister der Europäischen Union. Urheber: Estonian Foreign Ministry. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert

2. Luftaufnahme des Stadtviertels Saga Kourtey im Arrondissement Niamey IV, Niamey, Niger. Urheber: Jean Rebiffé. Quelle: Wikimedia Commons.  Diese Datei wird unter den Creative-Commons-Lizenzen „Namensnennung 3.0 nicht portiert“, „Namensnennung 2.5 generisch“, „Namensnennung 2.0 generisch“ sowie „Namensnennung 1.0 generisch“ lizenziert.

3. Die Streitkräfte Nigers (französisch: Forces Armées Nigériennes, kurz: FAN) sind das Militär der Republik Niger. Sie umfassen die Teilstreitkräfte des Heeres und der Luftwaffe Nigers. Zudem gehören die Nationalgendarmerie, die Nationalpolizei und die Nationalgarde Nigers zu den Streitkräften. Der Präsident Nigers ist Oberbefehlshaber aller Einheiten der Streitkräfte Nigers. Urheber: U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 1st Class Michael Larson. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Bild ist das Werk eines Seemanns oder Angestellten der U.S. Navy, das im Verlauf seiner offiziellen Arbeit erstellt wurde. Als ein Werk der Regierung der Vereinigten Staaten ist diese Datei gemeinfrei.

4. Buchcover "Frankreich in Afrika": Eine (Neo)Kolonialmacht in der Europäischen Union zu Anfang des 21. Jahrhunderts, (BERNHARD SCHMID); Unrast Verlag, Münster, ISBN: 978-3-89771-034- 4; Softcover, 312 Seiten;  1. Aufl. (Oktober 2011)