US-Wahl 2012: Weder Pest noch Cholera!
von Alwin Traska, Workers Power (US), Neue Internationale 174, November 2012
Anders, als von beiden Lagern behauptet, ist die Wahl zum Präsidenten der USA am 6. November für die wahlberechtigte Arbeiterklasse keine richtungsbestimmende Entscheidung. Beide Parteien, Demokraten und Republikaner, treten ganz klar für das kapitalistische System ein. Beide Parteien wollen die ArbeiterInnen für die Finanzkrise bluten lassen, damit die Profite für Wohlhabende und Unternehmen weiter sprudeln. Der einzige wirkliche Unterschied besteht darin, welche Rolle der Staat dabei einnehmen soll. Darf er weiterhin eine moderierende Rolle einnehmen, wie von den Demokraten gefordert, oder aber sollen seine Befugnisse dermaßen beschnitten werden, dass er am Ende noch nicht einmal die brutalsten Auswirkungen des Kapitalismus mildern kann, wie es die Republikaner fordern?
In beiden Fällen gibt es für die ArbeiterInnen, die Jugend, und die sozial Benachteiligten nichts zu gewinnen; sie sollten der Wahl zwischen Pest und Cholera eine klare Absage erteilen.
► Ernüchternde Bilanz
Nach der Wahl zum 44. Präsidenten der USA vor vier Jahren hat es nicht wirklich lange gedauert, bis Barack Obama, der von Millionären unterstützte Politiker der offen pro-bourgeoisen Demokratischen Partei, auch noch die letzten Illusionen verpuffen ließ. Es wurde schnell klar, was seine Präsidentschaft für Millionen Arme und Unterdrückte bedeutet - seine Prioritäten lagen bei den Banken und Bossen, nicht bei den arbeitenden Massen. Seine Präsidentschaft hatte seitdem nichts Neues zu bieten, außer vielleicht die ermüdenden Erklärungen und Versuche, seine imperialistische Politik schön zu reden.
Als die Republikaner 2010 die Mehrheit im Repräsentantenhaus erhielten - mit kräftiger Unterstützung der erzreaktionären Tea Party-Bewegung, erklärte Obama, dass eine fortschrittliche Politik nun bis zur nächsten Wahl warten müsse, wenn Demokraten wieder die Mehrheit bekämen. Doch selbst davor, als die Demokraten das Repräsentantenhaus und den Senat kontrollierten, hat Obama keine seiner Wahlversprechen umgesetzt. Warum? Es war und ist eine Frage der politischen Zugehörigkeit: die Bosse waren ihm nun einmal wichtiger als der „Rest“.
Obama bekundete öffentlich, dass er sich mit Streikenden solidarisieren würde, ja sogar in ihren Reihen mitlaufen würde, wo und wann es dazu kommen würde. Nicht nur hat er das nicht gemacht, v.a. während wichtiger Kämpfe, zu denen selbst der Gewerkschaftsflügel der Demokratischen Partei mobilisiert hatte (wie in Wisconsin, oder auch kürzlich der Lehrerstreik in Chicago). Der Präsident hat abgewiegelt, während seine Partei den Kampf entweder frühzeitig aufgab oder sich sogar gegen ihn aussprach.
► Legenden
Die schon ausgebluteten ArbeiterInnen mit niedrigen Einkommen stellten nun fest, dass sie die kränkelnden Banken retten und für Förderprogramme bezahlen mussten, die nicht, wie versprochen, Millionen gut bezahlter Jobs schufen, sondern rauschende Gewinne für Spekulanten und Börsenhändler.
Von all den Legenden war jedoch wahrscheinlich diejenige die größte, die Obama als einen Friedenspräsidenten erscheinen ließ: einer, der nicht wie sein Vorgänger fast im Alleingang zwei imperialistische Invasionen vom Zaun bricht. Nicht nur hat Obama keinen Krieg beendet, er hat sie sogar teilweise intensiviert, zum Beispiel in Afghanistan. Schlimmer noch als Bush hat Obama die CIA-geführten Drohneneinsätze verstärkt, dem schon tausende unschuldige Frauen und Kinder z.B. in Afghanistan, Pakistan, Jemen oder Somalia zum Opfer gefallen sind und die einen direkten Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker darstellen.
Auch wenn es um Deportationen ging, hat Obama kräftig losgelegt: fast 400.000 “undokumentierte” Einwanderer wurden seit 2010 aus dem Land geworfen, hauptsächlich ArbeitsmigrantInnen aus Lateinamerika. Dieser brutale Verrat an Menschen, denen ein sicherer Ort zum Leben und Arbeiten versprochen wurde, ist wahrscheinlich der schändlichste von allen.
► Reformen - für wen?
Das einzige Leuchtfeuer, auf das die immer weniger werdenden Überzeugungsunterstützer des Präsidenten verweisen, ist sein Erfolg bei der Verabschiedung der Gesundheitsreform. Dieses Gesetz tut jedoch ungleich mehr für die Versicherungs- und Gesundheitsindustrie als für die Millionen unversicherten Armen. Denn selbst mit dem Inkrafttreten des Gesetzes und seiner zukünftigen Umsetzung wird es weiterhin Millionen Menschen ohne Krankenversicherung geben. Nun soll auch noch Medicare (gesetzliche Krankenversicherung für alte Menschen) dafür bluten, dass der Staat die Kosten für die Strafen trägt, die Menschen zu bezahlen hätten, wenn sie nicht versichert sind, anstatt die Reichen endlich einmal ordentlich zu besteuern. Und dann wagt es Obama auch noch, dies als fortschrittlichen Versuch zu bezeichnen, die Mängel der Gesundheitsversorgung zu beseitigen! Als letzte Entschuldigung bleibt den Demokraten nur der Verweis: “Die Republikaner sind aber noch viel schlimmer!”
So gesehen stimmt dies auch. Aber natürlich wird dies von den Republikanern tunlichst hinter wohlklingenden Versprechen versteckt. So wird von den Republikanern gefordert, dass die Staatsausgaben stark gedrosselt werden müssen, um einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu erreichen. Wenn man allerdings genauer hinsieht, wird dies dann doch noch ein paar Jahrzehnte dauern, da der vorgeschlagene Staatshaushalt eben auch Steuerbefreiungen für das eine Prozent der Superreichen bedeutet.
Das Geschwätz vom ausgeglichenen Staatshaushalt, den die Republikaner erreichen wollen, ist eine große Lüge: ihre Prioritäten sind Steuerbefreiungen für Reiche und die Erhöhung der Verteidigungsausgaben, um noch mehr Leid und Elend über die Welt zu bringen.
Aber mit der Mär vom ausgeglichenen Staatshaushalt, versuchen die Republikaner auch die Armen und die arbeitende Bevölkerung für die immensen Schulden verantwortlich zu machen - nicht die staatliche Unterstützung für Banken, nicht die Steuerbefreiungen für Wohlhabende und Unternehmen, nicht die weltweiten Kriege. Nein, es sind die Sozialausgaben, von denen Millionen abhängig sind, die gekürzt werden sollen.
Was die Republikaner umsetzen wollen, wurde über Jahrzehnte vorbereitet - mit tatkräftiger Unterstützung der Demokraten. Die Befugnisse der Regierung sollen bei der Sozialpolitik dermaßen zusammen gestrichen werden, dass sie kaum noch der Rede wert wären. Aber natürlich ist die Kürzung der Sozialausgaben noch nicht genug. Nein, dazu sollen auch noch öffentliche Einrichtungen und Dienste, wie Straßen, Schulen, Feuerwehren, Krankenhäuser, Bibliotheken und Gefängnisse privatisiert werden - sofern sie es nicht schon wurden. Weil es immer schwieriger wird, hohe Profitraten im Investitions- und Produktionssektor zu erreichen, und weil die Finanzmärkte immer instabiler werden, wollen sich diese Blutsauger nun noch mehr öffentliches Eigentum unter den Nagel reißen und entsprechend der kapitalistischen Ausbeutungslogik umgestalten.
Ohne Frage würde ein Wahlsieg der Republikaner im November enorme Herausforderungen für die Arbeiterklasse mit sich bringen. Wenn das Proletariat die sozialen Errungenschaften der Nachkriegsära nicht weitgehend verlieren wollen, müssen sie den Klassenkampf dagegen organisieren. Aber dies bedeutet eben auch, dass Obama als das vermeintlich “kleinere Übel” gewählt wird. Denn am Ende bedeutet das „kleinere Übel“ an der Macht ist, dass es vom “größeren Übel” fast ununterscheidbar ist.
Die Demokraten sind wie die Republikaner Parteien für die Unternehmen und Bosse, trotz der Unterstützung der Demokraten durch Gewerkschaften. Wenn AktivistInnen ständig erzählt wird, dass die Demokratische Partei schon noch “liefern” werden, und dass sie bloß nicht so laut schreien mögen, da sonst die Republikaner an die Macht kämen, verhindert dies jeden ernsthaften Kampf gegen Krieg, Rassismus und neoliberale Gesetzgebung.
Die ArbeiterInnen in den USA können und dürfen nicht tatenlos zusehen, wie sich ihre Situation immer weiter verschlechtert. Bei vielen von ihnen ist der Hunger schon täglicher Gast. Was sie brauchen, sind Organisationen, die Kampagnen, Massenproteste und Streiks in die Tat umsetzen, um die Politik im Interesse der Bourgeoisie wirksam zu bekämpfen und zu Fall zu bringen - ganz gleich, ob diese Gesetze von Romney oder von Obama erlassen werden.
► Alternative
Anstatt für Obama zu stimmen, um die Republikaner zu blockieren und zu hoffen, dass er es dieses Mal schon irgendwie besser machen wird, müssen die ArbeiterInnen, die Jugend, die sozial und rassistisch Unterdrückten ungültig wählen und sich selbst für die kommenden Kämpfe organisieren!
Um den ewigen Kreislauf zwischen einer demokratischen und einer republikanischen Regierung zu beenden, müssen die Gewerkschaften und die Unterdrückten mit der Demokratischen Partei brechen und eine eigenständige Partei der Arbeiterklasse aufbauen. Doch das Ziel kann dabei nicht nur sein, die schlimmsten Angriffe und Auswirkungen des kapitalistischen Systems zu bekämpfen; es muss auch darum gehen, dieses System durch den revolutionären Kampf zu stürzen und die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Amerika aufzubauen!
Quelle: Gruppe Arbeitermacht - deutsche Sektion der Liga für die 5. Internationale
Lieber Peter,
Deine Einschätzung ist richtig. Als bestes Beispiel kann die Agro-Gentechnik dienen. Seit Präsident Reagan ist klar, wie die amerikanische Drehtürpolitik funktioniert. Die Abhängigkeit der amerikanischen Präsidenten von den Großkonzernen wie z.B. Monsanto steht mit den Wahlkampfspenden an den jeweiligen Präsidenten in engem Zusammenhang. Die Vertreter dieses Konzerns haben längst alle Schalthebel in der Hand.
Ich gehe nicht davon aus, dass sich bei der zweiten Amtszeit von Barack Obama irgend etwas ändert. Eine Befreiung vom Würgegriff der Konzerne ist ziemlich unwahrscheinlich.