Vierundsechzig Jahre und kein bisschen weise!

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Verbunden: 18.06.2012 - 19:17
Vierundsechzig Jahre und kein bisschen weise!
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NRhZ Kommentar vom Hochblauen

Vierundsechzig Jahre und kein bisschen weise!


Von Evelyn Hecht-Galinski


Verbindet man die anstehenden Propagandafeierlichkeiten zum 64. Unabhängigkeitstag des jüdischen Staates Israel und dem 100. Geburtstag von Axel Cäsar Springer, dann findet man erschreckende Gemeinsamkeiten. Beide werden unter Ausblendung ihrer dunklen Geschichte in Deutschland von den Regierenden in unerträglicher Art und Weise verherrlicht, das widerspricht allem demokratischen Anstand.

Hier wird ein Staat gefeiert, der seine Staatsbildung auf Landraub, Vertreibung der nativen palästinensischen Bevölkerung verdankt, unter Missachtung des Völkerrechts und der Menschenrechte. Auf der anderen Seite wird ein Mann gefeiert, der wie kein anderer bis heute die deutsche Öffentlichkeit polarisiert. Gerade Axel Cäsar Springer, dessen Redakteure alle einen Vertrag unterschreiben müssen, der sie verpflichtet, für das "Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen" und für die "Lebensrechte des israelischen Volkes" einzutreten , umringte sich in seinem Imperium mit alten Nazis. Immerhin hatte er einen "Alibi-Juden", nämlich Ernst Cramer im Team an herausragender Stelle. Ich selbst machte eine ganz besondere Erfahrung mit Ernst Cramer, als ich mal einen Leserbrief an die Welt am Sonntag schrieb.

Gegen "einen Liebling der Springer Götter", wollte Cramer diesen nur in seinem Sinn umgeschrie- ben veröffentlichen. Dass lehnte ich natürlich ab. Daraufhin versuchte mich Cramer zu ködern - mit dem Hinweis, würde ich dem zustimmen, könnte ich demnächst immer mit Einladungen beim Oscar Preisträger Cohn aus Basel rechnen. Ich lehnte empört ab, Cramer aber war ganz erstaunt, da diese Methode sonst immer sehr "gut ankomme".
 
Sein Chef Springer verstand sich sehr gut darauf, eine Aura des Besonderen und Charisma-tischen um sich zu verbreiten. Das beeindruckte viele Menschen gerade auch in rechten Kreisen und in Israel und auch unter deutschen Juden. Ich frage mich noch heute, da ich diesem "Charme" nie erlag, wie es dazu kam? Heute weiß ich, dass Israel und Springer, beide etwas zu verbergen hatten/haben und daher auch so innig geistig verbunden sind.
 
Ich vermute, Springers Philosemtismus gründete auf seinem schlechten Gewissen gegenüber seiner ersten "halbjüdischen" Frau Dicky Funke, geborene Martha Else Meyer. Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, schien der Liebe von Axel Springer und Else Meyer noch nichts im Wege zu stehen, schließlich war Else Meyers Mutter schon lange zum Christentum konvertiert. Im Frühjahr 1933 wurde Else schwanger und im November, einen Monat vor der Geburt der Tochter, heiratete man. Aber das Glück wurde schnell brüchig, als 1935 die Nürnberger Rassegesetze in Kraft traten. Da war Elses Mutter auf einmal "Volljüdin" und Else demnach "Halbjüdin".
 
In ihrem Erinnerungsband "Bitte komm mit mir" erzählte Dicky Funke später, dass sie als "Halbjüdin" nicht einmal mehr Kaffee trinken gehen konnte, ihr Mann sie "am liebsten in die Standuhr eingesperrt und abends wieder rausgeholt" hätte, während er mit Freunden ausging. Schließlich fand sie in seinem Anzug auch ein Foto einer anderen Frau. Axel Springer arbeitete seit 1934 als Redakteur bei den Altonaer Nachrichten, einer Zeitung, die seinem Vater gehörte. Diese Zeitung war zwar nicht so aggressiv antisemitisch wie "Der Stürmer", passte aber trotzdem in die Medienwelt der damaligen nationalsozialistischen Gleichschaltung. So titelte ein Artikel "Erhabenste Aufgabe Erhaltung des Blutes". Diese Propaganda Artikel waren nicht namentlich zu identifizieren. Aber interessanterweise war der zuständige Verantwortliche für das Politikressort der inzwischen stellvertretende Chefredakteur Axel Springer!
 
Wie noch Ehefrau Else schreibt, hatte der schon damals ehrgeizige Pläne und Visionen selbst Zeitungen zu besitzen. Also hätte Axel Springer ohne die baldige Scheidung womöglich ein Berufsverbot gedroht? Nicht gerade förderlich für einen Karrieristen und Lebemann. So wurde die Ehe 1938 "auf Befehl" von Joseph Goebbels geschieden, wie Dicky Funke schrieb.
 
Axel Cäsar Springer - ein Mann, der sich selbst mehr als wichtig nahm und die Aussöhnung mit den Juden und Israel und die Wiedervereinigung als Glaubensbekenntnis zelebrierte, und dessen Blätter bis heute kritiklos Israel unterstützen und dabei, wie schon in den Berliner Tagen gegen alle politisch Andersdenkenden "schießen". Diese gefährliche Tendenz führte von den Tagen der 68er bis heute, von den Kampagnen gegen Heinrich Böll bis Günter Grass, zu einem gefährlichen "kalten Krieg" in seinen Medien.
 
Da passt auch die erfreuliche Tatsache, dass es drei Süddeutsche Zeitung-Redakteure ablehnten, den Henri Nannen Preis anzunehmen, weil sie nicht in einer Kategorie mit Kollegen von der "Bild"-Zeitung ausgezeichnet werden wollten. Sie lehnten die Ehrung ab. Hut ab!
 
Und noch eine Preisverleihung: Am 1. Juni erhält Frau Friede Springer die Moses Mendelsohn-Medaille des Zentrums für europäisch jüdische Studien in Potsdam. Die Laudatio wird natürlich der Pornoverfasser und Welt-Hofschreiber Henryk Modest Broder auf seine "Chefin" halten. Wie passend - wissen wir nicht alle, dass nicht die Deutschen ein Problem mit dem Antisemitismus haben, sondern Broder ein Problem mit den Deutschen?
 
In diese Stimmung passt dann auch die Feierstunde der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, wo es sich die "Duzfreunde" Guido und Avigdor nicht nehmen ließen, Axel Cäsar Springer und seinem Reich zu huldigen. Untermalt von der Musik von fünf Bundeswehrmusikern in weißer Galauniform schwärmten diese zwei Geistesbrüder von einer gemeinsamen Tour in Jeans und offenen Hemd durchs abendliche Tel Aviv. Ob Avigdor dabei Guido seine früheren Wirkungsstätten als "Rausschmeißer und Türsteher" vor einschlägigen Nachtclubs zeigte? Auf dieser Feier betonte Außenminister Westerwelle dann jedenfalls, dass die Bundesrepublik fest an der Seite Israels stehe, wenn es sich durch verschiedene Nachbarn in der Region und vor allem durch das derzeitige Atomprogramm in Iran bedroht fühle. Hier haben wir wieder eine Verdrehung der Tatsachen, wer hier wen bedroht! Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman, schämte sich nicht, zu sagen, dass der Hass auf den Judenstaat, auch Hass auf alles sei was mit Freiheit und Gerechtigkeit zusammenhänge. Meinte er damit vielleicht, dass der jüdische Staat Israel Freiheit und Gerechtigkeit allen Palästinensern vorenthält?
 
Die Schleimspur der philosemitischen Unterwürfigkeit ging weiter, als der israelische Botschafter Yakov Hadas Handelsman einen Empfang zum 64. Geburtstag des jüdischen Staates im Hotel Interconti gab - sinnigerweise dasselbe Hotel wo Michel Friedman (Paolo Pinkel) kokste und die Zwangsprostituierten in seiner Suite empfing. Dieses Mal waren mehr als 1000 illustre Gäste aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik erschienen. Abermals konnte Avigdor Lieberman an die prekäre Lage Israels als einziger Demokratie im Nahen Osten erinnern und an die vielfältigen Versuche, den jüdischen Staat zu deligitimieren. Dann räumte er noch mit den "Missverständnissen" auf, dass die jüdischen Siedlungen ein Hauptfriedenshindernis seien. Aber Israels Platz in der Welt sei gesichert durch die exzellenten Fortschritte in Wissenschaft und Technologie. sicher auch durch unsere Hilfe: Waffen-Technologien, U-Boote (ein fast geschenktes U-Boot kostete allein 1/2 Milliarde Euro), Drohnen etc. Finanzminister Schäuble gratulierte im Namen der Bundesregierung, erinnerte an die besondere Verantwortung Deutschlands für Israel und die Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft, mit "politischen und diplomatischen Mitteln" dafür zu sorgen, dass der Iran niemals nuklear bewaffnet sein wird.
 
Haben wir alle - also die gesamte Welt - nicht dafür zu sorgen, dass die Atomwaffen insgesamt abgebaut werden? Warum soll Israel als Besatzer und Menschenrechte verletzender zionistischer Apartheidstaat weiter über Atomwaffen verfügen? Weil es so schlau war, keinen Atomwaffensperrvertrag zu unterschreiben, um damit besser mit "Verteidigungs-Präventivkriegen" drohen zu können und wie Günter Grass sehr richtig sagte, den Weltfrieden bedroht? Meint deshalb der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman sich sogar in innerdeutsche Belange einmischen zu müssen und von der Schriftstellervereinigung PEN- Zentrum eine "intellektuell redliche" Debatte einzufordern? Diese "redlichen" Debatten von israelischer und jüdischer Zentralratsseite kennen wir zu Genüge. Damit also wollte er eindeutig Druck ausüben auf die Tagung, um die Ehrenpräsidentschaft von Günter Grass in Frage zu stellen. Glücklicherweise - wollte er es denn - ist es ihm misslungen. Günter Grass bleibt und ist weiterhin Ehrenpräsident! Glückwunsch!
 
Im "Wonnemonat" Mai werden wir wieder von der unerträglichen Propaganda des jüdischen Staates überrollt. Wollen wir das wirklich, wollen wir dass die Politiker diese Feierlichkeiten so unkritisch und philosemitisch begleiten? Nein und nochmals Nein! Gedenken wir auch der Nakba, der Katastrophe für die Palästinenser vor 64 Jahren. bis heute ein nicht wieder gut gemachtes und vergessenes Problem. Ich hoffe sehr, dass Bundespräsident Gauck anlässlich seines bevorstehenden Israel-Besuches seine Worte von Freiheit und Gerechtigkeit auch für das palästinensische Volk gelten lässt.

 

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