Völkische Ausnahmestellung und Sippenhaft

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Peter Weber
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Völkische Ausnahmestellung und Sippenhaft
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Völkische Ausnahmestellung und Sippenhaft


Weisse-Rose-Geschwister-Hans-Sophie-Scholl-Nationalsozialismus-Widerstand-Kritisches-Netzwerk-Widerstandsorganisation-Widerstandskaempfer-White-Rose Es ist schon viel über die Schuld der Deutschen wegen des begangenen Holocausts  gegenüber den Juden gesagt und geschrieben worden. Geblieben ist nach fast 70 Jahren ein sozio-pathologisches Schuldgefühl gegenüber den Juden und Israel, was dazu führt, daß wir im Umgang mit Israel nicht unbefangen sein können.

Außerdem sehe ich bei uns Deutschen immer noch eine psychologisch bedingte gesellschaftliche Spaltung: die einen tragen bewußt oder unbewußt immer noch tief verwurzelte Vorurteile gegenüber Juden in sich – die anderen lassen dem Staat Israel aufgrund ihres verdrängten oder offenen, jedoch irrationalen, Schuldgefühls selbst faschistische Handlungen durchgehen und würden sogar einen Atomwaffenangriff der Israelis unterstützen. Jeder der es wagt, die aggressive israelische, von den USA unterstützte, Politik zu kritisieren, wird als Antisemit beschimpft und verunglimpft. Es handelt sich hier um gedankliche Verwirrungen in höchster Blüte. Dieses Phänomen baut auf einer ideologisch festgemauerten Meinungsbildung der beiden kontrahierenden Ansichten auf, der man mit der Ratio nicht beikommen kann.

In diesem Kontext sollte die Begriffsbildung „auserwähltes Volk“ nicht fehlen. Die Hybris, eine solche Sonderstellung für sich zu beanspruchen, trägt natürlich stark dazu bei, sich Feinde zu schaffen und Vorurteile aufzubauen. Die Juden und auch der Staat Israel haben stets mit dieser hochmütigen Auffassung (man sollte nicht vergessen: der Hochmut gehört zu den sieben Todsünden) gewuchert. Damit tragen sind sie zu einem beträchtlichen Teil selbst verantwortlich für Vorbehalte und Abneigung, die man ihnen entgegen bringt.

In diesem Zusammenhang darf man es nicht versäumen, auch die USA in den Fokus zu bringen, die sich ja ebenfalls als von Gott auserwählte Nation proklamiert. Bei Israel kann man dafür noch ein (sehr) begrenztes Maß an Verständnis aufbringen, weil man sich auf die Aussagen des Alten Testaments stützen kann. Aber um alles in der Welt – wo ist in der Bibel die USA erwähnt? Die gleiche Schiene haben wir Deutsche betreten, als wir uns als arische Herrenrasse, die allen anderen Völkern überlegen sei, in den Himmel gehoben haben. Wie heißt doch das treffende Sprichwort: Überheblichkeit kommt vor dem Fall! Der Fall aus dieser Selbsterhöhung ist stets schmerzlich, wie wir es 1945 in Deutschland erlebt haben.

Sich mit deutscher Geschichte zu befassen und Lehren daraus zu ziehen, sollte für jeden Pflicht sein. Obwohl ich schon etwas betagt bin, bin ich trotzdem lange nach Beendigung des Krieges geboren. Dazu kommt, daß ich mir persönlich hinsichtlich des Umgangs mit Juden/Israelis keiner Verfehlungen bewußt bin und infolgedessen weder eine Schuld für Ereignisse in der Vergangenheit trage, noch ein unnötiges Schuldbewußtsein für meine Elterngeneration aufgebaut habe.

Frage: Soll ich mich nun im Sinne einer Sippenhaftung trotzdem schuldig fühlen? Welch abstruser Gedanke! Für mich ist ein Jude/Israeli ein Mitmensch wie jeder andere auch, dem ich nicht mehr Verpflichtung entgegen bringen muß als jedem anderen x-beliebigen Menschen. Es existiert daher nicht der geringste Grund, einem Juden einen Extrabonus zu gewähren – genau so wenig, wie ihm gegenüber Ressentiments aufzubauen. Über die Einschätzung von Menschen entscheidet nach wie vor ausschließlich deren individuelles Verhalten mir oder anderen Mitmenschen gegenüber. Diese Haltung entspricht natürlich auch der Grundhaltung des Kritischen Netzwerks. 

Nun wird mancher den Einwand einer gesellschaftlichen Verantwortung vortragen, die über die individuelle Ebene und die Generationen hinausgeht. Sicherlich ist dies ein Aspekt, den man nicht ganz vom Tisch fegen darf. Wiedergutmachung oder Entschädigung aufgrund begangener Verbrechen ist angebracht, was Israel und einzelnen Juden auch gewährt wurde. Allerdings empfehle ich in diesem Zusammenhang, sich einmal die Geschichte und Verbrechen der europäischen Völker (und natürlich auch die anderer Weltregionen) genauer zu betrachten. Da bleibt kein Land ohne Makel – im Gegenteil, die meisten europäischen Nationen haben sich meist mit religiöser Unterstützung gigantischer Verbrechen an der Menschheit schuldig gemacht, und das weltweit.

Angefangen vom römischen Imperium, dessen Nachfolge die römische Kirche angetreten hat bis zu den kolonialen Machenschaften und Verbrechen sämtlicher namhaften europäischen Länder zieht sich eine Blutspur durch die Geschichte. Alle haben Dreck am Stecken, sitzen im Glashaus und werfen trotzdem mit Steinen: welche unüberbietbare Heuchelei! Ein wenig mehr Aufarbeitung der Geschichte könnte beispielsweise auch der USA, Großbritannien (⇒ siehe den Artikel vom Tom Murphy zum Thema Brit. Empire), Frankreich, Spanien, Portugal, Japan etc. gut zu Gesicht stehen.

In Nordkorea wird bis heute die Auffassung vertreten, dass bei der Verurteilung eines Familienmitgliedes die gesamte Familie schuldig sei. Die strengste Anwendung dieses Grundsatzes erfolgte während Säuberungen 1958 unter Kim Il-sung. Hierbei wurde die Verurteilung bis auf Angehörige der dritten Generation ausgedehnt. (⇒ Quelle: IGFM). Man darf natürlich nicht zu solch verurteilenswerten, menschenverachtenden Maßnahmen greifen oder mit Selbstgeißelei beginnen, aber Einsicht, Einräumen von Vergehen / Verbrechen, Reue, Solidarität und bessere Absichten für eine harmonische und friedliche Zukunft wären zwingend angebracht. Wie steht es beispielsweise mit einer Entschuldigung Frankreichs gegenüber Algerien?
 

Französischer Kolonialismus als abschreckendes Beispiel
 
 
Französisches Kolonialreich

grün: erste Erwerbungen im 16. Jahrhundert, blau: Erwerbungen bis 1920,

graublau: Einflussgebiete in Indien (18. Jahrhundert), China (1885–1940) und Siam (1897–1939)

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In Deutschland gehen die Uhren diesbezüglich etwas anders. Ich fürchte, daß die Vertreter der Sippenhaftung nicht so leicht locker lassen. Sie werden niemals zur Ruhe und inneren Ausgeglichenheit gelangen. Es stellt sich die Frage: Wenn wir schon für die Sippe und unsere Ahnen haften und Verantwortung übernehmen sollten – wo ist denn dann die zeitliche Grenze angesetzt? Ich mache mir zum Beispiel als Nachkomme keltischer Vorfahren z. B. den „Spaß“, die Römer oder die Engländer für Ausmerzung der keltischen Kultur zu verurteilen. Soll ich nun auf alle Zeiten einen Haß auf die Italiener und Engländer pflegen und diese diskriminieren? Geschichte wiederholt sich leider immer wieder, weil keine Lehren aus ihr gezogen werden. Lernwilligkeit und ein Aufeinanderzugehen erleichtert die Versöhnung ungemein.

Wenn man nicht ab einem gewissen Zeitpunkt einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zieht, ohne sie jedoch zu vergessen, dann rührt man ständig in alten Wunden herum und suhlt sich im Selbstmitleid. Man vergißt allzu leicht, daß wir ein lebenswertes Dasein in der Gegenwart besitzen und eine hoffnungsvolle Zukunft auf uns wartet, falls wir bereit sind, unseren Beitrag dazu zu leisten. Dies ist jedoch nur möglich, wenn alte Gräben zugeschüttet werden, Reue geleistet und Vergebung gewährt wird. Chronische Schuldkomplexe sind fehl am Platz!
 


Bild- und Grafikquellen:

1. Die Weiße Rose war der Name einer christlich motivierten Widerstandsgruppe in München während der Zeit des Nationalsozialismus. Im Juni 1942 wurde die Gruppe gegründet und bestand bis zum Februar 1943. Die Mitglieder der Weißen Rose verfassten, druckten und verteilten unter Lebensgefahr insgesamt sechs Flugblätter, in denen zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus aufgerufen wurde. Die Geschwister Hans und Sophie Scholl gelten als die profiliertesten Mitglieder der Widerstandsorganisation Weiße Rose  Grafik: Joujou, Quelle: Pixelio.de

2. Menschenkette. Menschen sollten wieder für und miteinander stehen, und sich dabei nicht von Regierungen gängeln und von Massenmedien manipulieren lassen. Sippenhaft bedeutet zugleich auch Ausgrenzung und gibt dem Hass neue Nahrung. Lernwilligkeit und ein Aufeinanderzugehen erleichtert die Versöhnung ungemein. Grafik: Juergen Jotzo, Quelle: Pixelio.de

3. Französische Kolonialgebiete, (Grün: 1. Kolonialreich von 1546 bis 1763 / Blau: 2. Kolonialreich von 1763 bis 1962 Autor: Gd21091993 Quelle: Wikimedia Commons. Ich, der Urheberrechtsinhaber dieses Werkes, veröffentliche es als gemeinfrei. Dies gilt weltweit.

MfG Peter A. Weber