Vom "Wesen" des Menschen

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Vom "Wesen" des Menschen
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Vom "Wesen" des Menschen

Der Mensch, wer oder was ist er?

Ein Geschöpf Gottes? Ein Zufallsprodukt der Laune der Natur? Ein evolutiv arrivierter Affe?

Wer so nach dem Menschen fragt, will sein Wesen ergründen. Spätestens seit Kant wissen wir, dass uns Menschen Wesenserkenntnisse prinzipiell verschlossen sind. Wir müssen das Wesen der Dinge unerkannt liegenlassen, heißt es 1787 in der zweiten Auflage der „Kritik der reinen Vernunft“.

Wer also sagt, dass das Wesen des Menschen darin liege, Geschöpf Gottes zu sein, der behauptet mehr als er wissen kann. Entsprechendes gilt für die Wesensbestimmung, der Mensch sei das Ergebnis von Zufall und Notwendigkeit in einem nun schon Jahrtausende währenden Evolutionsprozess.

Wer die Wesensfrage im Blick auf den Menschen stellt, nimmt teil an einem geistigen Kampf der Deutungen dessen, was das Menschsein sei. Die je persönliche Meinung und die je herrschende Gruppenmeinung werden wie Geschütze in Stellung gebracht, um im Krieg der Positionen nicht durch Gründe, wohl aber durch Machtausübung die Festung des Anderen zu schleifen.

Zwei Jahrtausende war in Europa das christliche Bild vom Menschen siegreich. Die Herrschaft des christlichen Menschenbildes ging von Rom aus und hatte im Papst den unfehlbaren Regenten.

Mit der europäischen Aufklärung geriet dieses Menschenbild ins Kreuzfeuer der Kritik. Zunehmend mussten die Kreationisten ihre Stellung räumen. Heute flackert, u.a. in den USA, ihr verlöschendes Feuer immer wieder einmal auf. Ansonsten übernahmen die Evolutionisten die Herrschaft über die Deutungshoheit dessen, was der Mensch sei. Sie implementierten gegenüber der christlichen Idee vom Menschen ein materialistisches Menschenbild. Darin erscheint der Mensch als das Produkt seines Genmaterials. Je mehr dieser Materialist lernt, diese Biomasse zu manipulieren, desto mehr macht er sich zum Experimentalobjekt der Natur. Er greift aktiv in den Evolutionsprozess ein und erschafft sich nach dem Willen einzelner Experten wie Gott selbst. Wer so denkt und handelt, geht von einer evolutiven Fehlentwicklung des Säugetiers Mensch aus. Er sieht ihn als Irrläufer der Natur. Der Irrlauf soll korrigiert, verbessert werden.


Damit stellt sich die Frage: verbessern – im Blick auf welches Menschenbild?

Muss man nicht, um herauszufinden, wer der Mensch sei, zwischen der Skylla der Kreationisten und der Charybdis der Evolutionisten hindurchsteuern, indem man präzise beschreibt, was sich von sich aus vom Menschen zeigt? Statt das Wesen des Menschen zu verkünden und zu postulieren, geht es zunächst einmal darum, bescheiden eine phänomenologische Anthropologie zu begründen. Eine solche Lehre vom Menschen greift weder auf offenbarungstheologische Glaubenssätze zurück noch beruhigt sie sich im Horizont naturwissenschaftlicher Ursache-Wirkungs-Mechanismen.

Eine solche phänomenologische Anthropologie zeigt, dass der Mensch immer mehr ist, als er von sich weiß. Sie macht sichtbar und lässt verstehen, dass der Mensch als Naturobjekt Geistiges hervorbringt, das sich mit den zeitgemäßen soziobiologischen Erklärungsmustern nicht einfangen lässt. Wohl aber lässt sich dieses Geistige phänomenologisch als „vernehmende Vernunft“ beschreiben. In solchen Beschreibungen wird die Leben fördernde Wirkung dieses Geistes sichtbar. Eine existentielle Empirie lässt verstehen, welches Menschenbild uns und der uns tragenden Natur bekommt. Es ist der Mensch, der sich in Akten der Selbstwahl aus der Grundbefindlichkeit der Liebe bewährt. Die christlichen Dogmen verraten längst diese Liebe, und die materialistischen Deutungen enden in einem freiheitslosen Funktionieren im Horizont des Status Quo.

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Vom Sinn des Lebens und der Natur des Menschen
 
Vom Sinn des Lebens und der Natur des Menschen
 
Ich  möchte einmal versuchen, den etwas vergeistigten Beitrag von Peter Kern auf eine allgemein verständlichere und praktische Ebene zu reduzieren:
 
Natürlich fragt sich jeder, der über einen normalen Wissensdrang verfügt, woher der Mensch kommt, wer ihn geschaffen hat, was er ist, welchen Sinn das Leben hat und wohin der Mensch geht, wenn er stirbt. Doch glaube ich nicht, daß man alle diese Fragen endgültig und zufriedenstellend beantworten kann, weshalb man auch nicht unnötige Energie bei der Suche nach der letzten Ergründung verschwenden sollte. Der einzelne Mensch besitzt allerdings durchaus die Fähigkeit, für sich persönlich zu bewerten, was er als Individuum darstellen will und zu entscheiden, wie er seinen Mitmenschen entgegentreten möchte. Die entscheidende Voraussetzung dafür ist aber eine Vorstellung vom Sinn des Lebens – d. h. jeder ist aufgefordert, für sich darüber zu reflektieren, welche Aufgabe er in seinem Leben erfüllen und welches Ziel er erreichen will. Diese Bemühung mag zwar für den einen oder andern mühevoll sein, aber sie lohnt sich. Ohne dieses Procedere ist kein gedeihliches Zusammenleben, sondern nur ein nebeneinander her Existieren oder ein Kampf aller gegen alle durchführbar.
 
Vorausgesetzt, man akzeptiert die Regeln der Evolution, dann ist der Mensch wie alle anderen Lebewesen und Bestandteile der Natur ein Produkt der evolutionären Entwicklung. Über die Unsicherheit, ob der Mensch vom Affen abstammt oder nicht, kann ich nur lächeln. Die einfache Logik sagt uns, daß sowohl Affe und Mensch einen gemeinsamen Ursprung besitzen. Daraus folgt, daß weder der Mensch vom Affen noch der Affe vom Menschen abstammen kann, sondern daß es einen Zeitpunkt gab, an dem eine Gabelung die Entwicklung der beiden Spezies trennte. Zu diesem Zeitpunkt hatte das entsprechende Lebewesen noch keinen Namen und auch nicht das Bewußtsein, sich selbst zu erkennen, um sich mit einem Namen zu klassifizieren.
 
Die Natur des Menschen entspringt natürlich seinen Vorfahren, den Tieren. Das heißt, der Instinkt des Menschen, die Befriedigung der Grundbedürfnisse, die Abwehr von Gefahr sowie das Fluchtverhalten sind von unseren Brüdern und Schwestern aus der Tierwelt vererbt. Von dem Scheidepunkt an, an dem der Mensch ein Bewußtsein seiner selbst und seines Gegenüber erlangte (symbolisch durch die Vertreibung aus dem Paradies aufgezeigt), fand eine Transformation zu einer Fähigkeit der Willensentscheidung statt. Von da an war der Mensch nicht mehr unwillkürlichen Reaktionen des Instinkts ausgeliefert, sondern er konnte selbst entscheiden, was in einer gewissen Situation zu tun war. Je weiter sich das menschliche Bewußtsein und sein Verstand vervollkommnete, desto weniger war der Mensch auf die instinktiven Abläufe angewiesen. Damit entfernt er sich aber zusehends aus der Geborgenheit von Mutter Erde, zu der wir uns im Unterbewußtsein hingegezogen fühlen. Diese Diskrepanz spielt in der Psychologie des Menschen ebenfalls eine nicht zu unterschätzenden Rolle.
 
Das Schicksal des Menschen war damit besiegelt, daß er fortan in einem weiteren ewigen Zwiespalt leben mußte. Es ist der innewohnende Zwiespalt, hin und her gerissen zu sein zwischen Gewissen und libidinöser Neigung. Vereinfacht ausgedrückt ist damit die Entscheidung zwischen Gut und Böse gemeint, vor der wir täglich stehen, selbst in den kleinen Vorgängen. So kommt es ständig vor, daß der Mensch offensichtlich willentlich Entscheidungen trifft, die sich gegen ihn selbst und seine Mitmenschen richten. In der Natur des Menschen existiert zwar die Veranlagung und auch die Motivation, seine in ihm vorhandenen positiven Potenziale zu seinen eigenen Vorteil und im Sinne eines friedvollen und harmonischen Zusammenlebens mit anderen zu verwirklichen. Aber je nach Stärke der Veranlagung sowie Art und Umfang von Umwelteinflüssen aus Familie und Gesellschaft kann es zu irrationalen Verhaltensweisen kommen.
 
Abschließend möchte ich noch einige Bemerkungen zur Sinnsuche des Menschen verlieren. Worin der Mensch seinen Sinn sucht und vor allen Dingen, worauf er seine ethische Motivation begründet, ist natürlich von seiner Weltsicht abhängig. Damit meine ich die Abhängigkeit von religiösen Vorstellungen, seinen Glauben an humanistische Prinzipien, seine nicht- oder atheistische Überzeugung oder sein Verirrtsein im Nichts. Wenn sich aus all diesen verschiedenen Grundüberzeugungen heraus ein übereinstimmendes Muster ergibt, was die Bejahung und Förderung des mitmenschlichen Zusammenlebens betrifft, dann kann es uns doch völlig egal sein, woher der einzelne Mensch seine Ambitionen bezieht. Unter diesem Aspekt sollte es doch keiner Anstrengung bedürfen, sich von kleingeistigen Vorurteilen zu befreien, so daß sich Theist und Atheist oder Christ und Muslim in Toleranz und auf Augenhöhe begegnen können.
 
 
Peter A. Weber
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