Von geschlechtlicher Not zur sozialen Katastrophe (OTTO GROSS)

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Von geschlechtlicher Not zur sozialen Katastrophe (OTTO GROSS)
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Von geschlechtlicher Not zur sozialen Katastrophe


Autor:  Otto Gross

Mit einem Essay von Franz Jung zu Werk und Leben von Otto Gross

Verlag:  Edition Nautilus Verlag Lutz Schulenburg, Hamburg (2000) -   zur Verlagsseite

ISBN  978-3-89401-357-8

Broschur, 192 Seiten, € (D) 15,80 / € (A) 16,30


»Die Klinik des Psychoanalytikers umfaßt das ganze Leiden der Menschheit an sich selbst.«

»Es bleibt Otto Gross vorbehalten, von der Psychoanalyse ausgehend Schlußfolgerungen auf die ,kulturellen Perspektiven der Wissenschaft' explizit zu formulieren. Den Schritt von der individuellen Neurose zum gesellschaftlichen Leid und damit auch zur Kritik an der bestehenden Gesellschaft, hat Otto Gross als erster unternommen.«
Emanuel Hurwitz


Die Schriften des Psychoanalytikers und Anarchisten Otto Gross faszinieren noch heute, zielen seine Fragestellungen doch direkt ins Zentrum des menschlichen Erlebens. Beziehung, Sexualität, Ethik, Geschlechterdifferenz, Emanzipation der Frau sind die zentralen Themen, um die das Denken von Otto Gross kreist. Er ist der erste – lange vor Reich, Marcuse, Fromm oder R.D. Laing – der die von Freud errichteten Grenzen der »Psychoanalytischen Bewegung« überschreitet und die wissenschaftlichen Schlußfolgerungen direkt auf die Gesellschaft anwendet.

Der Lebensweg von Otto Gross zeigt eine Linie auf, die weiterhin im Zentrum der gegenwärtigen Diskussion steht: die Frage der sozialen und politischen Ausrichtung der Psychoanalyse und -therapie; die Problematik antiautoritärer Erziehung sowie die Infragestellung patriarchalischer Familien- und Gesellschaftsstrukturen. Von Freud kommt die Warnung: »Wir sind Ärzte, und Ärzte wollen wir auch bleiben!« Der Vater, der »bekannte Kriminalprofessor Hans Gross«, versucht, den unbotmäßigen Sohn entmündigen und in der Psychatrie internieren zu lassen. Mit Otto Gross verbindet sich nicht nur das Entstehen der Sozialpsychologie, er wurde selbst zum »Fall«, zum Patienten einer kranken Gesellschaft.

Dem Band ist ein einleitender Essay des Schriftstellers und Politikers Franz Jung (1888–1963) vorangestellt, der Leben und Wirken Otto Gross' über lange Jahre verfolgt hat.


Zum Autor:

Otto Gross, 1877 in Österreich geboren, wird Arzt, Psychiater und Analytiker. Bricht mit dem vorgezeichneten Lebensweg, verkehrt in der Boheme und anarchistischen Kreisen. 1913 wird er auf Betreiben des Vaters entmündigt, zeitweilig interniert, schließlich durch eine von Franz Jung initiierte internationale Kampange befreit. Lebt in München, Ascona, Berlin, Wien, Prag und Budapest. Stirbt 1920 unter tragischen Umständen in Berlin. Detallierte Infos gibt es bei Wikipedia – klick


Leseproben:


»Die sexuelle Scham, die dem Konflikt der Menschen mit allem Wahren und Lebendigen in ihnen erschütternden Ausdruck verleiht, ist die markante Geste einer Sexualität, die aufgehört hat, gemeinsames Interesse zu sein. An dessen Stelle ist das Ringen von gegeneinander gestellten Interessen getreten, d.h. ein Kampf um Macht, in welchem und durch welchen der Wille zur Macht immer mehr als Selbstzweck entwickelt, immer mehr zum Automatismus wird und den Kampf der Geschlechter zuletzt zur gegebenen Selbstverständlichkeit macht.«

»... stets neu empirisch die Wahrheit zu vermitteln, daß der natürlich angeborene Anspruch des Menschen an den Menschen die freie Beziehung freier Individualitäten ist, im Gegensatz zur Anpassung an den Druck der Außenwelt, aus der die universelle Krankhaftigkeit des menschlichen Trieblebens, die Unterwerfungsbereitschaft sowohl als der Wille zur Macht hervorgehen. Der Wille zur Beziehung im Gegensatz zum Willen zur Macht ist als der elementare Gegensatz der revolutionären zur angepaßten – bürgerlichen – Psyche freizulegen und als das höchste, eigentlichste Ziel der Revolutionen aufzuzeigen.«

»Die Rückeroberung des unbewußt gewordenen, durch übermächtigen Druck von außen her in die Verdrängung gezwungenen Anteils des Seelenlebens durch die modernen psychologischen Methoden bedeutet, konsequent und kompromißlos durchgeführt, die Wiederherstellung reinen Menschentums (...); bedeutet in folgerichtiger Weiterführung den Kampf gegen Anpassung überhaupt und damit das Prinzip der Autorität in jeder, zum mindesten in jeder zur Zeit bestehenden Form, im Inneren der Familie und der Beziehung von Mensch zu Mensch wie im Verhältnis zu Staat, Kapital und Institution.«

»Das Ziel wird die Befreiung der Liebe von der Sabotage durch die latenten Autoritätsmotive sein, das passive wie das aktive, die Unterwerfungsbereitschaft wie den Willen zur Macht.«

»Die revolutionäre Politik ist frei von jedem Glauben an einen inneren Fortschritt als einer Gegebenheit (...) Sie steht auf dem Vertrauen auf eine elementare, wenn auch mehr primitive Menschheitsfähigkeit: auf eine allgemeine Fähigkeit, die aufgenötigt miterlebte Menschlichkeit als höchsten Wert – oder zum mindesten: als Medium einiger Vorteile zu begreifen.«

»Der naturnotwendige Konflikt zwischen dem Individuum und der Allgemeinheit verwandelt sich unter dem Druck des sozialen Zusammenlebens naturnotwendig in einen Konflikt im Individuum selbst, weil sich das Individuum sich selbst gegenüber als der Vertreter der Allgemeinheit zu fühlen beginnt. Erst dieser innere Konflikt ist es, der eigentlich pathogen zu wirken vermag.«


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