VW und Folter in Brasilien: Deutsche Sympathie für die Diktatur

1 Beitrag / 0 neu
Bild des Benutzers Ulrich Gellermann
Ulrich Gellermann
Offline
Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
VW und Folter in Brasilien: Deutsche Sympathie für die Diktatur
DruckversionPDF version

VW und Folter in Brasilien

Deutsche Sympathie für die Diktatur


Fast heimlich schlich sich jüngst eine Nachricht in das deutsche Medien-Unwesen ein: VW kooperierte mit der brasilianischen Militärdiktatur (1964 - 1985). Beim Bayerischen Rundfunk war diese Information zu hören, um 01.51 Uhr, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Quelle war die "Brasilianische Wahrheitskommission", jene vom ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva gegründete Organisation, die Verbrechen der Militärdiktatur aufarbeiten soll.

VOLKSWAGEN: Das Aushängeschild der deutschen Automobilproduktion eroberte schon ab 1953, unter Führung des ehemaligen Wehrwirtschaftsführers Heinrich Nordhoff, den brasilianischen Markt: „Wir sind arm und Amerika ist reich. Deutschland sollte deshalb dorthin folgen, wohin VW es führt – und nicht umgekehrt“. Und so folgte denn die Bundesrepublik dem deutschesten aller Automobilwerke in die Zusammenarbeit mit einem Folter-Regime, das vom amerikanischen Geheimdienst CIA inspiriert und unterstützt wurde. Gern half der VW-Sicherheitsdienst dem brasilianischen Geheimdienst bei der Jagd auf Gewerkschafter. Einer der VW-Verfolgten war übrigens Lula (ehemals Dreher), Brasiliens erster Präsident "von unten". Dass zeitweilig die berittene Polizei im VW-Hauptwerk von São Bernardo do Compo einquartiert war wurde in den Wolfsburger Akten wahrscheinlich unter dem Begriff Tierschutz abgelegt.

Während in Wolfsburg und São Paulo ein Käfer nach dem anderen vom Band lief, waren es immer mehr deutsche Kanzler, die durch Weg-Gucken und Mit-Wissen die Bundesrepublik zum Rang des Exportweltmeisters führten: Erhard, Kiesinger, Brandt, Schmidt, Kohl - sie alle gaben sich blind. Denn natürlich war die VW AG immer ein Laden unter staatlicher Kontrolle. Nicht nur wegen des hohen staatlichen Besitzanteils an der Aktiengesellschaft, auch wegen des VW-Gesetzes, das dem deutschen Staat ein Veto-Recht einräumt. Und wer glaubt, die auch außenpolitisch wesentliche VW-Investition in Brasilien sei kein Thema deutscher Regierungen gewesen, der ist naiv.

Schon 1975 unterzeichnete der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher und sein brasilianischer Amtskollege Azeredo da Silveira ein Atomabkommen in Bonn: Im selben Jahr wurde in Sao Paulo der jüdische Journalist Vladimir Herzog zu Tode gefoltert. Als Bundespräsident Walter Scheel 1978, den brasilianischen Diktator Ernesto Geisel in Bonn begrüßte, quoll ihm dieser Satz aus dem singend Mund: ”Die Freundschaft zwischen Brasilien und der Bundesrepublik Deutschland kann als Modell für die Nord-Süd-Beziehungen dienen." Dass es den ehemaligen SA-Mann und späteren Bundespräsidenten Karl Carstens 1982 zu einer zehntägigen offiziellen Reise zur Militärdiktatur nach Brasilien zog, verstand sich aus dessen Biografie von selbst.

Zur Zeit zeichnet sich in Brasilien ein neuer Putsch-Versuch ab: Wie nach dem chilenischen 73er Modell, das die Folter-Junta unter Pinochet zur Folge hatte, marschieren Leute der "besseren" Gesellschaft durch brasilianische Straßen. Die gut genährten und gut gekleideten Gegner der Präsidentin Dilma Rousseff trommeln auf Töpfe und Pfannen, um einen Hunger zu imaginieren, den sie nicht haben. Deutschen Medien, die fleißig und nicht ohne Sympathie über diese Demonstrationen berichten, fällt mit keiner Zeile auf, dass die "Hungernden" fast ausnahmslos weiß sind: Ein Rasse-Merkmal der Reichen.

Wenn die brasilianischen Demonstrationen mit der Unterzeichnung eines Abkommens über die "Neue Entwicklungsbank" der BRICS-Staaten (Vereinigung aufstrebender Volkswirtschaften von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) durch den russische Präsidenten Wladimir Putin zeitlich zusammenfallen, dann ist das ein kein Zufall. Soll doch diese Bank den genannten Staaten eine gewisse Unabhängigkeit vom IWF, also von den USA ermöglichen.

Für ein operatives Vorgehen zugunsten eines Putsches - Besetzung von Regierungsgebäuden und TV-Anstalten - verfügt die brasilianische Armee über "Spezialkräfte" in Brigadestärke, die in den USA ausgebildet und indoktriniert wurden. Für den schnellen Transport von Einsatzort zu Einsatzort besitzt das Heer 80 "Eurocopter" der deutsch-französischen Firma "Airbus Helicopter".

VW würde seine Werkshallen diesmal nicht für Pferde räumen müssen.

Ulrich Gellermann, Berlin


► Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel



Bild- und Grafikquellen:

1. Volkswagen do Brasil Sociedade Limitada ist eine Tochtergesellschaft des Volkswagen-Konzerns, die 1953 in Brasilien gegründet wurde. Nach Deutschland und seit Neuestem China ist Brasilien das Land, in dem Volkswagen die größte Vertretung hat. Deren Ursprünge gehen auf 1950 zurück, als Heinz Nordhoff, damals Vorstandsvorsitzender von Volkswagen, die Idee hatte, die Aktivitäten des Konzerns auf andere Länder auszudehnen.

Im Laufe der Zeit hat sich Volkswagen do Brasil mit Modellen und Varianten eigener Konstruktion profiliert, die für verschiedene Märkte in Südamerika und Afrika geeignet sind und dort die europäischen Modelle ersetzen oder ergänzen. Zurzeit belegt Volkswagen den zweiten Platz bei Automobilverkäufen in Brasilien, gleich hinter Fiat.

Foto: Dami Izolan. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0)

2. . . . . und läuft . . und läuft! Foto/Quelle: Motiv einer alten französischen Postkarte. Collection "HUMOUR ET INSOLITE" (2eme serie) - LA VOITURE À UN CHEVAL (1973) - Editions ADMIRA & Francis Stoppelman, Aix-en-Provence.