Weltmarkt, Hunger und Gerechtigkeit - Misereor-Studie

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Helmut S. - ADMIN
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Verbunden: 21.09.2010 - 20:20
Weltmarkt, Hunger und Gerechtigkeit - Misereor-Studie
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Weltmarkt, Hunger und Gerechtigkeit


Die Europäische Union ist der wichtigste Exporteur und Importeur von Lebensmitteln auf dem Weltmarkt. Deutschland allein ist nach den USA weltweit die Nr. 2. In einer Welt, auf der fast eine Milliarde Menschen Hunger leidet, mag es auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, Lebensmittel dorthin zu exportieren, wo sie fehlen. Auf den zweiten Blick bewirken Agrar-Exporte in Entwicklungsländer jedoch meist das Gegenteil. Sie verhindern landwirtschaftliche Entwicklung und konkurrieren Kleinbauern nieder, die ums Überleben kämpfen.

Jahrzehnte lang förderte die EU den Verkauf von Überschüssen durch Exportsubventionen. Heute sind sich alle Politiker einig, dass diese Praxis unfair ist und Landwirte in sogenannten Entwicklungsländern in den Ruin treibt. Seit 1993 sind die direkten Exportsubventionen deshalb von 10 Milliarden Euro auf knapp 650 Millionen Euro im Jahre 2009 gesunken und sollen weiter abgebaut werden.

Allerdings richten Billigexporte aus der EU noch immer gewaltigen Schaden an. In der EU schwer absetzbare, „minderwertige“ Teile von Geflügel und Schweinen überschwemmen beispielsweise noch immer weit unter den dortigen Erzeugerpreisen den Markt in Westafrika. Für die hiesige Fleischindustrie ist diese Form der „Entsorgung“ ein lukratives Zusatzgeschäft. Für die Kleinbauern vor Ort bedeutet die billige Tiefkühlware oft das Aus und verhindert die Entwicklung nationaler und regionaler Märkte und Versorgungsstrukturen.

Immer wieder drängt die EU dabei Staaten in Freihandelsabkommen dazu, auf ihr von der Welthandelsordnung der WTO durchaus garantiertes Recht zu verzichten, die eigene Landwirtschaft vor derartigen Dumping-Exporten durch Import-Zölle zu schützen, wie dies auch die EU Jahrzehnte lang tat und in vielen Bereichen noch immer tut.

In anderen Bereichen, etwa bei Milch, können Landwirte, deren Kühe eine jährliche Milchleistung von 1.000 bis 3.000 Litern haben, mit durchrationalisierten Betrieben der EU, deren Kühe 10.000 Liter im Jahr geben, nicht konkurrieren. Investitionen in eine eigene Milchwirtschaft und die Steigerung ihrer Produktivität lohnten sich in den betroffenen Staaten nicht während Europas Milchindustrie nicht allein von Exportsubventionen, sondern einer Vielzahl von Investitions- und Rationalisierungsbeihilfen profitierte. Folgerichtig kann heute europäisches Milchpulver in Länder wie Burkina Faso auch ohne Exportsubventionen billiger verkauft werden als lokale Milch.

Die daraus entstehende Abhängigkeit von Lebensmittel-Importen kann in Zeiten, in denen die Preise auf dem Weltmarkt in die Höhe schnellen, zu Hunger-Krisen und Zahlungsunfähigkeit der betroffenen Staaten führen, wie zuletzt im Hungerjahr 2008. Gegenwärtig erreichen die Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt erneut ähnliche Höhen.

Spekulationen mit Agrarrohstoffen führen in den letzten Jahren zu immer heftigeren Preisschwankungen. In Europa, wo Lebensmittel die meisten Bürger weniger als 15 Prozent ihres Einkommens kostet, spüren wir diese eher am Rande. Für die Ärmsten der Welt, die bis zu 70 Prozent ihres Einkommens für das tägliche Brot aufwenden müssen, bedeutet dies Hunger.

Die Frage bleibt also wie Europa verantwortungsvoll mit seiner dominanten Stellung auf dem Weltagrarmarkt umgeht. Ist das seit der Kolonialzeit gängige Prinzip, billige Rohstoffe zu importieren und teure Veredelungsprodukte zu exportieren sozial und ökologisch gerechtfertigt? Ist Chancengleichheit auf den globalen Agrarmärkten überhaupt herstellbar? Sind Investitionen aus öffentlichen Mitteln der Europäischen Agrarpolitik in eine exportorientierte Landwirtschaft und Agrarindustrie eine nachhaltige Perspektive?

In der Misereor-Studie "Wer ernährt die Welt?" werden die Zusammenhänge zwischen der durch die GAP (Anm.: Gemeinsame Agrarpolitik der EU)   verursachten Rolle der EU auf den Weltagrarmärkten und ländlicher Entwicklung und Armutsbekämpfung vor allem in Afrika beleuchtet. Dabei wird deutlich, dass der Aufstieg der EU zum Nettoexporteur wichtiger Grundnahrungsmittel entscheidend zum Verfall der Weltmarktpreise beigetragen hat, der von den 1980er Jahren bis Anfang des Jahrtausends anhielt. Dies verführte viele Regierungen afrikanischer Länder, kleinbäuerliche Landwirtschaft und Grundnahrungsmittelproduktion zu vernachlässigen und zunehmend abhängiger von Importen zu werden.


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