Werbeversprechen vieler Lebensmittelhersteller

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Werbeversprechen vieler Lebensmittelhersteller
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Werbeversprechen vieler Lebensmittelhersteller werden vielleicht gebrochen!


foodwatch fordert Maßnahmen gegen Etikettenschwindel




Berlin, 29. Oktober 2013. Jeder zweite Lebensmittelhersteller weiß nach eigenen Angaben nicht, ob er seine Werbeversprechen auch einhalten kann. Das ist das Ergebnis einer bislang kaum beachteten Unternehmens-Umfrage, die der Branchenverband BVE in diesem Oktober veröffentlicht hat. Darin stimmten lediglich 52 Prozent von 300 befragten Firmen der Aussage zu, die eigenen „Werbeversprechen sind geprüft und werden eingehalten“ - bei den anderen findet offenbar nicht einmal eine Prüfung statt. Die Verbraucherorganisation foodwatch wertete dies als neuen Beleg dafür, dass Verbraucher nur durch konsequente Gesetzgebung vor irreführender Werbung geschützt werden können.

„Das ist zumindest mal bemerkenswert ehrlich: Jedem zweiten Unternehmen ist es offenbar völlig egal, ob seine Werbeversprechen stimmen oder die Verbraucher täuschen“, erklärte Oliver Huizinga, foodwatch-Experte für Lebensmittelwerbung. „Die Umfrage zeigt: Solange eine große Anzahl von Unternehmen gar nicht ehrlich sein will, ja noch nicht einmal die eigenen Versprechen prüft, hilft eine Debatte über Selbstverpflichtungen oder Selbstreinigungskräfte des Marktes nicht weiter. Nur durch gesetzliche Vorgaben können Verbraucher vor den Werbelügen geschützt werden.“  

Für die Studie „Krisenmanagement & Krisenkommunikation 2013“ hatten die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) und die AFC Consulting Group online mehr als 300 Vertreter der Lebensmittelindustrie befragt. Der unbekümmerte Umgang mit Werbebotschaften erstaunt umso mehr, als die Lebensmittelwirtschaft bereits seit Jahren eine Vertrauenskrise beklagt und eine Verbraucher-Umfrage im Auftrag der BVE schon 2011 vernichtende Zahlen geliefert hatte. Damals hatte das Marktforschungsinstitut GfK 30.000 Haushalte repräsentativ befragt - lediglich 18 Prozent gaben an, den Aussagen der Lebensmittelhersteller zu vertrauen. 81 Prozent der Befragten sagten, sie könnten die Qualität von Produkten anhand der vorhandenen Informationen nicht richtig einschätzen. Anfang 2012 hatte zudem ein Gutachten zu dem von der damaligen Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner initiierten Internetportal gegen Etikettenschwindel, lebensmittelklarheit.de, klaren „Handlungsbedarf“ aufgezeigt, um „den Kunden, aber auch den Mitbewerbern Schutz vor opportunistischem Verhalten einzelner Unternehmen [zu] bieten“.  

„Studie um Studie lässt sich die Lebensmittelwirtschaft verheerende Zeugnisse ausstellen, zieht jedoch keinerlei  Lehren daraus. Unverdrossen machen Unternehmen weiter aus Zuckerbomben gesunde Mahlzeiten und Kinder zur Zielscheibe perfidester Werbemaschen, ungebremst kämpfen ihre Lobbyisten mit aller Kraft gegen jedes bisschen Mehr an Transparenz und Information. Höchste Zeit, dass der Gesetzgeber Regeln einführt, die Verbraucher ebenso wie ehrliche Wettbewerber schützen“, so Oliver Huizinga von foodwatch. „Wenn der Gesetzgeber nicht dort eingreift, wo eine Branche ihr eigenes Versagen zugibt – wo eigentlich dann?“  

Anlässlich der laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD forderte foodwatch von der neuen Bundesregierung entschiedene Maßnahmen und europarechtliche Initiativen gegen irreführende Werbung und Etikettierung. foodwatch hat dazu einen 15-Punkte-Plan vorgelegt. (siehe unten) Dazu gehören verpflichtende EU-weite Kennzeichnungsvorgaben, etwa für die Herkunft von Lebensmitteln oder für den Einsatz genveränderter Futtermittel, aber auch nationale Vorhaben: foodwatch forderte die neue Bundesregierung auf, Informationsrechte von Verbrauchern nicht nur gegenüber Behörden, sondern auch gegenüber Unternehmen zu schaffen.  

Quellen:

 

  • Unternehmens-Umfrage der BVE, Oktober 2013weiter
  • Verbraucher-Umfrage der BVE, 2010weiter
  • Trends in der Lebensmittelvermarktung: Begleitforschung zu lebensmittelklarheit.deweiter  


 




15-Punkte-Plan gegen Etikettenschwindel (foodwatch):



1. Vorrang von Information vor Werbung

Die wichtigsten Informationen über ein Lebensmittel müssen groß, verständlich und für alle Hersteller einheitlich auf der Schauseite der Verpackung stehen. Sie dürfen nicht durch werbliche Verpackungsgestaltung in den Hintergrund gedrängt werden. Werbung darf den Produkteigenschaften nicht widersprechen.



2. Lesbare Mindestschriftgröße

Alle Produktinformationen müssen deutlich sichtbar und auch für ältere Menschen gut lesbar sein. Anstelle der EU-weit festgelegten von 0,9 bzw. 1,2 Millimeter müssen – wie bei Büchern oder Zeitschriften üblich – wenigstens 2 Millimeter als Mindestschriftgröße vorgegeben werden.



3. Realistische Produkt-Abbildungen

Die Abbildung eines Lebensmittels auf der Verpackung muss dem tatsächlichen Produkt entsprechen. Geschönte Abbildungen müssen untersagt werden.



4. Verbindliche Mengenangaben für beworbene Zutaten

Werden einzelne Zutaten eines Produktes werblich in Bild oder Text hervorgehoben, muss der Hersteller in Form von Prozentangaben nennen, welchen Anteil diese Zutat im Produkt ausmacht. Die Angabe muss gut sichtbar direkt bei der werblichen Hervorhebung erfolgen.



5. Umfassende Herkunftskennzeichnung

Hersteller müssen verpflichtet werden, die Herkunftsländer der Hauptzutaten ihrer Produkte anzugeben. Mit regionaler Herkunft darf nur dann geworben werden, wenn dies durch die tatsächliche Herkunft der Zutaten gedeckt ist und die Ursprungsregion (für Deutschland mindestens bundeslandgenau) für alle Zutaten angegeben wird.



6. Klare Nährwertangaben

Schluss mit verwirrenden Portionsgrößen: Kilokalorien und die wichtigsten Nährwerte (Zucker, Fett, gesättigte Fettsäuren und Salz) müssen auf der Schauseite von Verpackungen aufgeführt werden – einheitlich pro 100 Gramm bzw. 100 Milliliter. Anstelle des Natriumgehalts muss immer der Salzgehalt genannt werden. Das beste System zur Nährwertinformation ist die Ampelkennzeichnung nach dem Muster der britischen Food-Standards-Agency.



7. Verständliche Aromen- und Zusatzstoff-Deklaration

Der Einsatz von Aromen und Zusatzstoffen muss transparent sein. Werden echte Fruchtaromen verwendet, müssen diese als „natürliches Aroma" unter Nennung der Frucht in der Zutatenliste stehen – alle anderen Aromen müssen dort als „künstliches Aroma" deklariert werden. Alle gesundheitlich umstrittenen Zusatzstoffe müssen verboten werden. Werden Zusatzstoffe durch andere Substanzen ersetzt, die nicht unter die EU-Zusatzstoffverordnung fallen, müssen diese unter Angabe ihrer Funktion genannt werden (z.B. „Geschmacksverstärker Hefeextrakt").



8. Transparenz über die Verwendung tierischer Zutaten und die Form der Tierhaltung

Die tiergerechte Haltung von Nutztieren ist gesetzlich sicherzustellen. Solange dies nicht gewährleistet ist, müssen die Hersteller von Tierprodukten auf der Verpackung über die Form der Tierhaltung informieren – Vorbild ist die Angabe der Haltungsform bei frischen Eiern. Wo Zutaten tierischen Ursprungs eingesetzt werden, muss dies erkennbar sein. Das gilt auch für tierische Bestandteile in Aromen oder Zusatzstoffen oder bekannte produktionsbedingte Verunreinigungen. Wer vollständig auf Zutaten tierischen Ursprungs verzichten möchte, muss die Möglichkeit dazu haben.



9. Lückenlose Kennzeichnungspflicht für genveränderte Pflanzen und Tiere

Der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen und Tiere muss kenntlich gemacht werden. Dies gilt auch für Tierprodukte, bei deren Erzeugung gentechnisch veränderte Futtermittel zum Einsatz kamen – die bestehende Kennzeichnungslücke muss geschlossen werden, damit Verbraucher echte Wahlfreiheit haben.



10. Transparenz über Herstellungsweise

Wenn die Herstellungsweise eines Produktes beworben wird, muss diese mit konkreten Angaben belegt werden. Industriell hergestellte Lebensmittel dürfen nicht mit Begriffen wie traditionell, natürlich oder handwerklich beworben werden. Imitate bekannter Produkte müssen als Imitat gekennzeichnet sein.



11. Kennzeichnung herstellungsbedingter Alkoholgehalte

Wird einem Produkt Alkohol zugesetzt oder die Bildung von Alkohol durch die Herstellungsweise gefördert, muss der Alkoholgehalt ausgewiesen werden. Produkte, die Alkohol auch in geringen Mengen enthalten, dürfen nicht als „alkoholfrei" bezeichnet werden.



12. Mindest-Füllmengen für Verpackungen

Große Packung, wenig Inhalt – mit diesem Trick muss Schluss sein. Verpackungen und Abbildungen dürfen nicht mehr Inhalt suggerieren, als tatsächlich drin ist. Daher dürfen Produktabbildungen nicht größer sein als das Produkt selbst; für Verpackungen ist eine Mindest-Füllmenge von 70 Prozent vorzugeben.



13. Marketingverbot für unausgewogene Kinderprodukte

Kinder essen zu viele Süßwaren und Snacks und trinken zu viele Soft Drinks. Als Kinderprodukte dürfen daher nur noch ausgewogene, den Ernährungsempfehlungen für Kinder entsprechende Lebensmittel vermarktet werden. Unausgewogene Produkte dürfen nicht länger als geeignet für Kinder dargestellt und mit Comicfiguren oder Spielzeugbeigaben für Kinder attraktiv gemacht werden.



14. Verbot von Gesundheitsversprechen

Lebensmittel sind keine Medikamente. Gesundheitsbezogene Werbeaussagen (Health Claims) sind häufig irreführend und nicht dazu geeignet, eine ausgewogene Ernährung zu fördern – sie sollten daher grundsätzlich verboten werden.



15. Klage- und Informationsrechte für Verbraucherverbände

Nicht alle irreführenden Etikettierungen und Werbepraktiken lassen sich über Kennzeichnungsregeln verhindern. Legale Verbrauchertäuschung wird erleichtert durch die ungenügenden Möglichkeiten, gerichtlich gegen Gesetze vorzugehen. Verbraucherverbände müssen daher das Recht erhalten, durch ein nationales und europäisches Verbandsklagerecht gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen zu klagen. Die Verbraucherinformationsrechte dürfen sich nicht länger auf Behörden beschränken: Auch Unternehmen müssen zur Information über Produkte verpflichtet werden.


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Marie-Luise Volk
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Verbunden: 28.10.2010 - 13:29
Nährwertkennzeichnungen


Nährwertkennzeichnungen


Ich halte Nährwertkennzeichnungen generell für problematisch. Auch habe ich mich schon an anderer Stelle zum Thema "Ampelkennzeichnung" im Kritischen Netzwerk geäußert. Nährwertkennzeichnungen können nur wenig darüber aussagen, ob das Produkt der Gesundheit zuträglich ist oder es sich nur um einen minderwertigen Füllstoff oder gar Schadstoff handelt. Wer bei seinem Einkauf auf möglichst unverarbeitete Lebensmittel (Gemüse, Salate, Obst, Getreide) zurückgreift, braucht sich um Nährwertkennzeichnungen überhaupt keine Gedanken zu machen.

Der Kauf von unverarbeiteten Lebensmitteln hat obendrein den Vorteil, dass ein Großteil von Verpackungsmüll wegfällt.

Die Forderung von foodwatch, dass Tierprodukte, bei denen gentechnisch veränderte Futtermittel zum Einsatz kamen, gekennzeichnet werden müssen, ist voll zu unterstützen. Beim Einkauf von tierischen Produkten (Fleisch, Eier, Milchprodukte) sollte darauf geachtet werden, dass diese Produkte aus gentechnikfreier Fütterung stammen. Die konventionelle / industrielle Landwirtschaft bezieht ihre Futtermittel aus Südamerika. Dort wird auf riesigen Agrarflächen gentechnisch verändertes Soja angebaut. Zum Einsatz kommt obendrein das Spritzmittel Roundup, mit dem Wirkstoff Glyphosat.

Über die Nahrungskette werden die Konsumenten einmal mit synthetischen Genen und mit den Rückständen des Spritzmittels Roundup belastet. Das Hintergrundpapier  des BUND's vom 12. Juni 2013 zeigt auf, dass immer mehr Menschen über den Urin Glyphosat (Wirkstoff von Roundup) ausscheiden.

 


 

Glyphosat – Hintergrundpapier

 

 

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)


Stand: 12. Juni 2013

Glyphosat ist das weltweit meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel und in Europa das am weitesten verbreitete Herbizid. Es wird in der Landwirtschaft eingesetzt, in Parkanlagen, auf Bahngleisen und in Gärten. Glyphosat wird außerdem zusammen mit gentechnisch veränderten Pflanzen ausgebracht. Rund 85 Prozent aller Gentech-Pflanzen sind so verändert, dass sie Glyphosat-Anwendungen überstehen, während alle anderen Pflanzen auf dem Acker sterben.

Neuere Studien zu Glyphosat lassen fraglich erscheinen, dass Glyphosat wirklich so harmlos ist, wie Hersteller und Zulassungsbehörden behaupten. Zum einen werden zunehmend Auswirkungen auf das menschliche Hormonsystem mit Glyphosat in Verbindung gebracht, zum anderen geben eine Reihe von Umweltauswirkungen - wie Schädigung von Amphibien - Anlass zur Sorge. Die Sicherheit von Glyphosat hätte auf EU-Ebene bereits 2012 neu bewertet werden sollen, aber die Prüfung wurde auf 2015 verschoben.

Aktuelle Tests haben Glyphosat auch im menschlichen Körper nachgewiesen. Das Umwelt-Netzwerk Friends of the Earth hat ein unabhängiges Labor in Deutschland damit beauftragt, Urinproben von Menschen aus 18 europäischen Ländern auf Glyphosat zu untersuchen. In 44 Prozent aller Proben wurde Glyphosat nachgewiesen, in Malta in 90 Prozent der Proben, in Mazedonien in 10 Prozent.



Was ist Glyphosat?

Glyphosat (N-(phosphonomethyl)glycin) ist ein Breitbandherbizid. Es wirkt, indem es ein Enzym blockiert, das für die Proteinsynthese in Pflanzen zuständig ist. Das bedeutet, dass es jede Pflanze tötet, die nicht gentechnisch so verändert wurde, dass sie den Herbizid-Einsatz überlebt. Die Unkraut vernichtenden Eigenschaften von Glyphosat wurden von Monsanto in den 1970er Jahren patentiert. Das Mittel kam als Roundup® auf den Markt und wurde zum Bestseller. Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat enthalten noch weitere Komponenten, etwa Netzmittel zur Behandlung der Oberfläche, die die Pflanzenzellen durchlässig für Glyphosat machen.

Glyphosat wirkt systemisch, d. h. es dringt in alle Bestandteile der Pflanze ein, in Blätter genauso wie in Samen. Glyphosat lässt sich nicht abwaschen und wird weder durch Erhitzen noch durch Einfrieren abgebaut. Glyphosat-Rückstände halten sich etwa ein Jahr lang in Lebens- und Futtermitteln.

Die Hälfte der weltweit vertriebenen Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat geht auf das Konto von Monsanto. Andere Agro-Chemiekonzerne wie Syngenta, BASF, Bayer und Dow vermarkten ihre eigenen Glyphosat-Produkte.

Einen großen Anteil am Glyphosat-Markt sichert sich Monsanto über Farmer, die vertraglich dazu verpflichtet werden, Monsantos gentechnisch veränderte Roundup Ready-Pflanzen ausschließlich mit Roundup zu besprühen.



Wo wird Glyphosat eingesetzt?

Glyphosat wird von vielen Landwirten eingesetzt, um das Feld vor der neuen Aussaat von Unkraut zu „befreien“, oder bevor die neuen Pflanzen auskeimen. Glyphosat wird auch vor der Ernte gesprüht, um Getreide, Raps, Mais und Sonnenblumen zur vorzeitigen Reifung zu bringen - ein Vorgang, der Sikkation (Trocknung) genannt wird, da so der Feuchtigkeitsgehalt der Ernte gesenkt werden soll. In Großbritannien ist Glyphosat das am häufigsten verwendete Herbizid auf dem Acker. In Deutschland wird es auf rund 39 Prozent aller Ackerflächen bzw. auf 4,3 Millionen Hektar gespritzt.

Glyphosat ist jenseits des Ackerbaus u.a. im Weinbau zugelassen, außerdem in Olivenhainen und Obstplantagen.

Außerhalb Europas wird Glyphosat zudem in gentechnisch veränderten Kulturen verwendet. Rund 85 Prozent aller Gentech-Pflanzen sind Glyphosat-resistent. In den USA wurde 2012 die Hälfte des Ackerlandes mit Monsantos Roundup Ready-Pflanzen bestellt. Der Großteil der aus Lateinamerika nach Europa importierten Soja ist Roundup Ready-Soja. Sie wird als Futter in der Tiermast eingesetzt.

In der EU sind bisher keine Glyphosat-resistenten Pflanzen zum Anbau zugelassen. Allerdings liegt für 14 ein Antrag auf eine Anbau-Zulassung vor. In den Hauptanbauregionen Glyphosat-resistenter Pflanzen in Nord- und Südamerika ist der Herbizid-Einsatz dramatisch gestiegen - es liegt auf der Hand, dass sich diese Erfahrungen auch in Europa wiederholen würden.

Weltweit wurden 2011 etwa 650.000 Tonnen an Glyphosat-haltigen Herbiziden eingesetzt. Für 2017 wird eine Verdoppelung des Glyphosat-Verbrauchs vorausgesagt. Sollten Glyphosat-resistente Pflanzen für den Anbau in Europa zugelassen werden, würde hier Prognosen zufolge der Einsatz von Glyphosat sogar bis zu 800 Prozent steigen1.



Kontrollen auf Glyphosat-Rückstände

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Unkrautvernichtungsmittel. Dennoch führen europäische Behörden keinerlei Untersuchungen auf eine Glyphosat-Belastung der Bevölkerung durch; Lebensmittel werden extrem selten getestet.

Friends of the Earth Europe hat in18 europäischen Ländern Urin auf Glyphosat-Rückstände untersuchen lassen. In 45 Prozent der Proben konnte Glyphosat nachgewiesen werden.

Daraus ergibt sich eine Reihe von Fragen:

  • Woher rührt diese Glyphosat-Belastung?
  • Was bedeutet sie für Gesundheit und Umwelt?
  • Warum findet keinerlei Glyphosat-Monitoring bei Menschen statt?
  • Warum werden Lebens- und Futtermittel nicht routinemäßig getestet, um sicherzustellen, dass sie kein Glyphosat enthalten?
  • Gibt es Pläne, die Belastung mit Glyphosat zu reduzieren? Wenn ja, durch welche Maßnahmen soll dies erreicht werden?

 

Gesundheitsrisiken

Daten aus Tierversuchen liefern Hinweise, dass der Körper 15-30 Prozent des in der Nahrung enthaltenen Glyphosats 2 aufnimmt. Glyphosat kann in Blut und Körpergewebe3 nachgewiesen werden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass es während der Schwangerschaft4 die Blut-Plazenta-Schranke überwinden kann. Ein kleiner Anteil Glyphosat kann im Körper zu Aminomethyl-Phosphonsäure (AMPA) umgewandelt werden. Wissenschaftliche Daten deuten darauf hin, dass sich ein Prozent Glyphosat noch eine Woche nach der Aufnahme im Körper nachweisen lässt. So erhielten Ratten einmalig Glyphosat5, das nach einer Woche noch nicht vollständig ausgeschieden war. Aufgrund seines allgegenwärtigen Einsatzes ist anzunehmen, dass ein Großteil der Bevölkerung kontinuierlich Glyphosat ausgesetzt ist.

Glyphosat-haltige Herbizide variieren hinsichtlich ihrer Toxizität. Sie können sich verheerend auf die menschliche Gesundheit auswirken6. Es konnte gezeigt werden, dass sie bereits in geringen Dosen toxisch für menschliche Zellen sind, so für Embryonal- und Plazenta-Zellen7. Das Abbauprodukt AMPA ist für Menschen sogar noch toxischer als Glyphosat8.

Glyphosat könnte das menschliche Hormonsystem negativ beeinflussen. Dies kann irreversible Auswirkungen auf besondere Lebensabschnitte haben, etwa eine Schwangerschaft. Studien an Ratten haben einen geschädigten Testosteron-Spiegel beim männlichen Nachwuchs9 gezeigt und Studien an Zellkulturen demonstrierten, dass Glyphosat die Rezeptoren für die männlichen Geschlechtshormone10 blockiert. Bei weiblichen Tieren hemmt es die Bildung von Östrogen11. Sollte Glyphosat das menschliche Hormonsystem beeinflussen, könnte jede Aufnahmemenge ein potenzielles Gesundheitsrisiko darstellen.

In den großen Soja-Anbaugebieten in Südamerika häufen sich die Berichte über einen Anstieg von Missbildungen bei Neugeborenen. Eine Studie aus Paraguay ergab für Frauen, die in einem Radius von einem Kilometer zu Glyphosat-besprühten Feldern leben, eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, ein fehlgebildetes Kind12 zu gebären. Im Laborversuch zeigten sich Mißbildungen bei Frosch- und Hühner-Embryonen, die Glyphosat-haltigen Herbiziden13 ausgesetzt wurden.

Sowohl Glyphosat als auch AMPA wirken im Laborversuch „genotoxisch“, das bedeutet, sie beeinflussen die Fähigkeit der Zelle, ihre DNS exakt zu kopieren und zu vervielfältigen. Dies führt potenziell zu genetischen Mutationen und einem erhöhten Krebsrisiko14. In Ecuador und Kolumbien werden Glyphosat-haltige Herbizide in Coca-Plantagen eingesetzt. Studien zeigten genetische Schäden und eine erhöhte Fehlgeburtsrate während der Sprühperioden15 16. In der argentinischen
Provinz Chaco, in der intensiv Roundup Ready-Soja angebaut wird, sind die Krebsraten in den letzten zehn Jahren um das Vierfache gestiegen17.



Umweltauswirkungen

Als Totalherbizid tötet Glyphosat jede Pflanze auf dem gespritzten Feld ab (sofern sie nicht durch einen gentechnischen Eingriff Glyphosat-resistent ist). Deshalb sind die Auswirkungen auf die Ackerflora und Ackerfauna so groß. Weil die Beikräuter Nahrungsgrundlage für viele Insekten und Vögel sind, nimmt mit steigendem Glyphosat-Einsatz die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft ab. In Großbritannien durchgeführte Versuche mit Herbizid-resistenten Pflanzen zeigten negative Effekte auf die dort lebenden Vögel18.

Glyphosat gelangt durch Auswaschung und Erosion in Bäche, Flüsse und ins Grundwasser19 und wird dort zum Problem für Wasserlebewesen. Studien aus Nordamerika haben gezeigt, dass Glyphosat für Frösche und Kröten20 giftig ist. Damit werden die ohnehin in ihrem Bestand gefährdeten Amphibien noch weiter dezimiert. Etwa die Hälfte dieser Arten steht auf der Roten Liste; ein Drittel ist vom Aussterben bedroht. Bei Karpfen, die Glyphosat ausgesetzt waren, fanden sich geschädigte Leberzellen21.

Glyphosat beeinträchtigt auch die Chemie des Bodens. In einigen Böden bindet es an Bodenpartikel und wird dadurch inaktiv, in anderen verbleibt es in seiner chemisch aktiven Form und wird von Mikroben abgebaut. Dies beeinträchtigt die biologischen und chemischen Prozesse im Bereich der Pflanzenwurzeln, einschließlich der Fähigkeit der Pflanze, Stickstoff22 zu binden. Dies wiederum führt zu einer erhöhten Stickstoff-Düngung.



Zulassungsprozess schützt Industrieinteressen

Glyphosat wurde 2002 für den EU-weiten Einsatz zugelassen. Jedoch führen die zuständigen Behörden keine eigenen Sicherheitstests durch. Stattdessen verlassen sie sich fast ausschließlich auf die Daten der Hersteller. Die meisten Studien, die in den Zulassungsprozess einfließen, kommen von Firmen wie Monsanto, Syngenta und anderen Produzenten von Agro-Chemikalien. Anders als in wissenschaftlichen Fachjournalen veröffentlichte Studien durchlaufen sie keinen Peer-Review-Prozess, also keine Beurteilung durch Fachkollegen. Die Originaldaten bleiben unter Verschluss und können daher nicht von unabhängiger Stelle überprüft werden. Geschützt durch die EU-Gesetzgebung, verweigern die Hersteller die Herausgabe ihrer Studien unter Berufung auf ihre „Geschäftsgeheimnisse“.

Den EU-weiten Zulassungsprozess für Glyphosat koordiniert Deutschland als Berichterstatter, so auch die Wiederzulassung, die turnusgemäß 2012 angestanden hätte. Jedoch hat die EU-Kommission die alte Bewilligung um drei Jahre bis 2015 verlängert – um den Herstellern mehr Zeit zu geben, die erforderlichen Unterlagen vorzubereiten. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) fertigt derzeit ein Dossier mit einer Bewertung an, die European Food Safety Authority (EFSA) prüft es, und die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der EU-Kommission entscheidet schließlich zusammen mit den Mitgliedstaaten über die Wiederzulassung.

2002 wurde im Rahmen der Zulassung für Glyphosat ein ADI (acceptable daily intake) von 0,3 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt. Der ADI bezeichnet die Menge an Glyphosat, die ein Mensch nach Meinung der Behörden täglich ohne Bedenken zu sich nehmen kann. Der Wert von 0,3 mg/kg liegt deutlich höher als die Werte von 0,05 bis 0,15mg/kg, für den sich einige Hersteller ausgesprochen hatten. Eine unabhängige Studie aus dem Jahre 2012 schlägt sogar einen Wert von
0,025 mg/kg23 vor.

Im europäischen Zulassungsverfahren wird nur der Wirkstoff selber bewertet, also Glyphosat, nicht aber die Spritzmittel, die Landwirte und Gärtner tatsächlich anwenden. Diese enthalten eine Reihe weiterer Inhaltsstoffe, etwa Netzmittel, die die Zellen durchlässig für Glyphosat machen sollen. Das ist insofern bedenklich, als neuere Studien zeigen, dass die Kombination von Glyphosat mit anderen Ingredienzien toxischer24 wirken kann, als der Grundstoff selbst. Wissenschaftler warnen, dass der Fokus allein auf Glyphosat das Gefährdungspotential Glyphosat-haltiger Produkte unterschätzt 25.

Die Glyphosat-Zulassung aus dem Jahr 2002 lässt die möglichen Auswirkungen auf das menschliche Hormon- und Fortpflanzungssystem außen vor. Nach der inzwischen geänderten Pestizidgesetzgebung müssen diese jedoch im Wiederzulassungsprozess berücksichtigt werden. Gerade Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung des Hormonsystems beschäftigen, dringen darauf, hier das Vorsorgeprinzip anzuwenden.



Schlussfolgerungen und offene Fragen

Hersteller von Glyphosat und Zulassungsbehörden haben lange behauptet, dass Glyphosat harmlos und deshalb bedenkenlos in großem Umfang einzusetzen sei. Diese Schlussfolgerungen lässt der heutige Stand der Wissenschaft nicht mehr zu. Vielmehr zeigt sich, dass Glyphosat ein erhebliches Problem für Mensch und Umwelt darstellt. Die von Friends of the Earth erhobenen Proben zeigen, dass Menschen in allen 18 untersuchten Ländern Glyphosat im Urin haben. Das wirft viele Fragen auf: Wie kommt Glyphosat in unsere Körper? Was sind die langfristigen Folgen für die Gesundheit, wenn wir Glyphosat in niedrigen Dosen aufnehmen? Was passiert mit dem Glyphosat, das im Körper verbleibt? Was passiert, wenn wir wiederholt oder gar permanent Glyphosat aufnehmen?



Forderungen:

  • Sowohl die EU als auch jeder Mitgliedstaat muss umgehend ein Monitoring-Programm für Glyphosat in Lebens- und Futtermitteln auflegen. Dies muss Importfuttermittel und besonders gentechnisch veränderte Soja umfassen. Für Glyphosat (und sein Abbauprodukt AMPA) ist umgehend ein Umwelt-Monitoring einzurichten. Dies muss Gewässer und Böden berücksichtigen. Beide Monitoring-Programme müssen umfassend sein, und die Ergebnisse sind der Öffentlichkeit umgehend mitzuteilen.
  • Jedes Mitgliedsland, also auch Deutschland, muss ein Glyphosat-Reduktionsprogramm einführen. Die Sikkation (Spritzeinsatz direkt vor der Ernte) ist sofort zu verbieten. Alle anderen Verwendungszwecke von Glyphosat sind bis 2015 zu evaluieren, ebenso die zulässigen Rückstandsgehalte für pflanzliche und tierische Lebens- und Futtermittel. Weitere Erhöhungen von Rückstandshöchstgehalten sind definitiv auszuschließen.
  • Glyphosat-resistente Gentech-Pflanzen dürfen keine Anbauzulassung in der EU erhalten.
  • Lebensmittelverarbeiter und –händler müssen aktiv dazu beitragen, die Glyphosat-Belastung ihrer Kundinnen und Kunden deutlich zu senken. Dazu müssen sie von ihren Zulieferern Glyphosat-freie Produkte einfordern. Zudem sind sie aufgerufen, ihre internen Pestizid - Überwachungsprogramme um Glyphosat zu erweitern und ihre Produkte regelmäßig darauf testen zu lassen.

 

Quelle:  Webseite des BUND - weiter (hier können auch die Fußnoten-Anmerkungen nachgelesen werden)

 

Kontakt und weitere Informationen:


Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)

Bundesgeschäftsstelle

Heike Moldenhauer

Referat Gentechnikpolitik

Am Köllnischen Park 1

10179 Berlin

Tel. (0 30) 2 75 86-456


www.bund.net

 

 

 

 

 

 

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