Zu frühe Fremdbetreuung in Kitas

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Zu frühe Fremdbetreuung in Kitas
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Zu frühe Fremdbetreuung in Kitas

Die Entwurzelung der Kinder

von Verband Familienarbeit e.V. | Beitrag für MANOVA (vormals RUBIKON)

Durch zu frühe Fremdbetreuung in Kitas kann die emotionale und sprachliche Entwicklung von Heranwachsenden schwer beeinträchtigt werden.

Die Pädagogik der gemeinsamen Betreuung von Vorschulkindern geht auf Friedrich Fröbel (* 21. April 1782 in Oberweißbach/Thüringer Wald; † 21. Juni 1852 in Marienthal) zurück und verbreitete sich wie auch die Bezeichnung „Kindergarten“ weltweit. Dieser Begriff brachte zum Ausdruck, dass kleine Kinder weder nur verwahrt noch im schulischen Sinne belehrt werden sollten, sondern in natürlicher Umgebung zu „hegen“ seien wie Blumen in einem Garten. Dabei sollte das von Erwachsenen angeregte Spiel als altersgemäße Beschäftigung im Vordergrund stehen.

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Dieses Konzept hat sich für Kinder ab 3 Jahren bewährt. Für Fröbel war aber klar, dass im U3-Alter die Beziehung zur Hauptbezugsperson, meist der Mutter, im Vordergrund stehen muss, um das für die persönliche Sicherheit erforderliche Urvertrauen zu erwerben.

Der Erfolg des Kindergartens hat zu Trugschlüssen geführt, die unsere heutige Familienpolitik prägen. Es wird von „frühkindlicher Bildung“ gesprochen und damit suggeriert, das U3-Alter sei vergleichbar mit schulischer Bildung, also der Vermittlung von Lesen, Schreiben, Rechnen und Wissen. Dabei wird übersehen, dass in diesem Alter noch nicht diese „Bildung“ wesentlich ist, sondern die emotionale Beziehung zu zumindest einer festen Bezugsperson, was mit dem Begriff „Bindung“ umschrieben wird.

Hier werden die sogenannten „soft skills“ vermittelt wie Vertrauen, Selbstsicherheit, Ausdauer und so weiter, die Voraussetzung für erfolgreiches späteres Lernen in der Schule sind. Diese „soft skills“ werden dann im Kindergartenalter im Spiel trainiert.

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Der Begriff „Kita“ (Kindertagesstätte) wird als Oberbegriff für U3- und Ü3-Kinder sowie für die neben der Schule betreuten Grundschulkinder verwendet. Damit werden drei in ihren Bedingungen ganz unterschiedlichen Altersstufen in einen Topf geworfen. Daraus folgt dann oft ein völlig undifferenzierter Umgang mit den Kindern, der insbesondere den U3-Kindern nicht gerecht wird. Sie sollen gemeinsam in Kinderkrippen, der Begriff wurde von der DDR übernommen, betreut werden – ähnlich wie im Kindergartenalter. Das ist in aller Regel eine massive Überforderung im U3-Alter. Erkennbar ist das an einem erhöhten Cortisolspiegel, der im Speichel gemessen wird. Dieser zeigt einen Stress, der in der Regel über den ganzen Tag anhält. Dauerstress führt aber zu einer deutlichen Entwicklungsbehinderung.

Untersuchungen im Grundschulalter haben gezeigt, dass sowohl die soziale als auch die sprachliche Entwicklung mit der Fremdbetreuung im U3-Alter gegensätzlich korreliert. Je früher die Fremdbetreuung begann und je länger sie am Tag erfolgte, desto schlechter war die sprachliche Leistung im Alter von drei Jahren und desto risikobehafteter war die spätere soziale Entwicklung [1],[2]. Der Gebrauch des Begriffs „Kita“ hat diese Fehlentwicklung erleichtert.

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Es wäre auch zu fragen, ob die nachgewiesene Verschlechterung der schulischen Leistung von Viertklässlern seit 2011 [3] mit der seit 2006 laufenden „Krippenoffensive“ zusammenhängt. Offensichtlich wird hier das Kindeswohl den angeblichen Erfordernissen des Arbeitsmarktes geopfert. Das Mantra „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ dient vor allem der Profitmaximierung in der Wirtschaft.

Die sogenannte „Vereinbarkeit“ ist aber ein Sonderopfer für Eltern, da sie denen, die keine Kinder haben, nicht abverlangt wird. Die elterliche Kinderbetreuung wird abgewertet, was auch einen klaren Verstoß gegen die Gleichberechtigung von Frauen darstellt, da es meist die Mütter sind, die diese für die gesamte Gesellschaft der Erwerbsarbeit gleichwertige Arbeit leisten. Am meisten belastet werden die Kinder.

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Übrigens zeigten schon Untersuchungen in der früheren DDR, dass die sprachlichen Fähigkeiten im Alter von drei Jahren nicht nur vom sozialen Status der Eltern, sondern auch von der Betreuungsart abhingen. Bei vergleichbaren sozialen Bedingungen der Eltern waren die „Familienkinder“ den Tageskrippenkindern deutlich überlegen und die Tageskrippenkinder wiederum den Wochenkrippenkindern.

Daneben wurde eine deutliche Korrelation zwischen den sprachlichen Fähigkeiten der Drei-Jährigen und dem schulischen Erfolg nach dem ersten Schuljahr beobachtet. [4]. Diese Erkenntnisse erlangten allerdings in der DDR keine große Verbreitung.

„Lasst uns von unsern Kindern lernen;
lasst uns den leisen Mahnungen ihres Lebens,
den stillen Forderungen ihres Gemütes Gehör geben!
Kommt, lasst uns mit unseren Kindern leben!"

(Friedrich Fröbel in seinem Hauptwerk 'Die Menschenerziehung', 1826)

Verband Familienarbeit e.V.

[1] Karin Hortmann, „Zur Diagnostik der sprachlichen Entwicklung dreijähriger Kinder“; Pädiatrische Grenzgebiete 26 (1987), Seite 133 ff

[2] NICHD-Studie (National Institute of Child Health and Human Development) an circa 1000 Kindern in den USA

[3] IQB-Bildungstrend 2021, der eine Verschlechterung bei Viertklässlern in Deutsch und Mathematik seit 2016 und 2011 zeigte.

[4] Hortmann, Karin; „Zur Diagnostik des sprachlichen Entwicklungsstandes dreijähriger Kinder“, Pädiatrische Grenzgebiete (1987), Seite 133

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Der Verband Familienarbeit e.V. entwickelte sich aus der 1979 gegründeten Deutschen Hausfrauengewerkschaft e.V. (dhg, im Jahr 2000 umbenannt in Verband der Familienfrauen und -männer e.V.). Auf dem Höhepunkt der Emanzipationsbewegung erklärte die Soziologin und Gründerin Dr. Gerhild Heuer, dass es eigentlich eine Hausfrauengewerkschaft geben müsse, damit Hausarbeit und Erwerbsarbeit gleichgestellt würden. Hausarbeit und Pflegearbeit dürften nicht weiterhin zu Altersarmut und Abhängigkeit führen. Dies war die Geburtsstunde der Deutschen Hausfrauengewerkschaft. Tausende Frauen traten spontan dem Verband bei.

Aber noch heute wird der generative Beitrag “Kindererziehung” weitgehend von der Politik als “Nichtleistung” im Sinne der sozialen Sicherungssysteme definiert. Dies ist ein großes Unrecht. In der Konsequenz führt es dazu, dass immer weniger Kinder gewünscht und geboren werden.

Der im Jahr 2012 geänderte Verbandsname “Verband Familienarbeit e.V.” entspricht dem heutigen Selbstverständnis der Menschen, die in der und für die Familie arbeiten. Dabei verstehen wir unter „Familie“ jede Hausgemeinschaft von Kindern und Sorgeberechtigten, die in Verantwortung gegenüber den individuellen Bedürfnissen des Kindes Schutz, Bindung und Entwicklung ermöglicht. Nach wie vor sichern Mütter und/oder Väter durch ihre familiäre Erziehungs- und Betreuungsarbeit die Zukunft des Staates, die Innovationskraft der Wirtschaft und die Funktionsfähigkeit des umlagefinanzierten Renten- und Pflegesystems, ohne dass die Gesellschaft diese Leistung honoriert.

Im Gegenteil: Eltern werden infolge deren Nichtachtung durch Einkommenslücken und Altersarmut massiv benachteiligt.

Der Verband Familienarbeit setzt sich für Wahlfreiheit ein. Wahlfreiheit bedeutet, dass Mütter / Väter entweder die Familienarbeit leisten oder erwerbstätig sind und die Erziehungsarbeit delegieren oder beides miteinander vereinbaren, ohne dass sie ins wirtschaftliche und soziale Abseits geraten und ohne dass sie überfordert sind. Erst durch die gleiche Bewertung und Bezahlung von Erwerbs- und Familienarbeit ist die Wahlfreiheit gewährleistet.

Die sieben Forderungen sind:

1. Ziel: Familienarbeit in der Öffentlichkeit sichtbar machen und honorieren

2. Ziel: Gerechte Rente für die Erziehungsleistung

3. Ziel: Ein partnerschaftliches Eherecht

4. Ziel: Aufnahme der Familienfrauen in die gesetzliche Unfallversicherung

5. Ziel: Mütterkuren und ambulante Dienste

6. Ziel: Aufnahme in die Statistik

7. Ziel: Wahlrecht von Geburt an

Details zu den Zielen bitte HIER nachlesen. 

https://familienarbeit-heute.de/


► Quelle: Dieser Text erschien als Erstveröffentlichung am 13. April 2023 bei MANOVA (vormals RUBIKON) >> manova.news/ >> Artikel. MANOVA versteht sich als Magazin für neue Perspektiven und lebendige Debatten, vertreten durch die Geschäftsführerin Jana Pfligersdorffer. Herausgeber & Chefredakteur ist Roland Rottenfußer.

Die vierte Gewalt ist vom Wachhund zum Schmusekätzchen der Politik und Wirtschaft mutiert. Wir, das Team von MANOVA, haben Biss – bieten schonungslose Kritik, lebendige Debatten und beleuchten neue Wege für eine menschen- und mitweltfreundliche Gesellschaft.

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1. Kindergartenkinder beim Malen. Alle sollen arbeiten, doch nach wie vor fehlt es in Deutschland an Kitaplätzen, und die Qualität der Kinderbetreuung ist mangelhaft. Laut einer Studie liegt auch das am sogenannten Fachkräftemangel. Hauptgrund sind aber überschuldete Kommunen infolge einer neoliberalen Politik, die Superreiche schont. Foto: _Alicja_ / Alicja, Polski/Polen (user_id:5975425.). Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.

2. Kindergartenkinder machen einen Ausflug in die Stadt. Foto: whoefle / Wolfgang Höfle, Ludwigshafen. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.

3. Junge Frau und Kinder: Die elterliche Kinderbetreuung wird abgewertet, was auch einen klaren Verstoß gegen die Gleichberechtigung von Frauen darstellt, da es meist die Mütter sind, die diese für die gesamte Gesellschaft der Erwerbsarbeit gleichwertige Arbeit leisten. Die auf Frauen beschränkte Festschreibung der Arbeitszeiten durch das erste Kind hemmt die berufliche Entwicklung maßgeblich. Sobald Mütter aber längerfristig auf der Teilzeitstelle hängen bleiben, erwachse daraus eine „dauerhafte Verantwortung der Frau für Haushalt und Familie“. Kein Wunder also, dass viele erwerbstätige Mütter dann doch in der Teilzeitfalle stecken bleiben.

Legale Schlupflöcher für die Oberschicht: Alles dreht sich ums Geld, heißt es treffend. Kinder und Greise, Kranke und sozial Bedürftige lassen aber keine Kassen klingeln. Sie kosten, und keiner will es bezahlen, schon gar nicht jene Milliardäre, die ihren Profit stets fest im Blick haben und sich private Kindermädchen leisten. Urheber: © BPW Germany | Foto: Frank Nürnberger. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0). Das Foto entstand während des Equal Pay Kongresses, Berlin 18.03.2017.

4. Kleinkind beim Spaziergang mit seinen Eltern. Entgegen den Werten des Grundgesetzes werden Minderjährige in Deutschland nach wie vor wie Minderwertige behandelt. Angriffe auf die Würde ist gängiger Alltag. Foto: Pexels. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Bild.