Zur Folter nicht länger schweigen!

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Zur Folter nicht länger schweigen!
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Zur Folter nicht länger schweigen!

von Hans von Sponeck

Abu-Ghraib-Folter-Foltermethoden-Folterskandal-Kritisches-Netzwerk-Menschenrechte-Human-Rights-Folterfotos-torture-Sabrina-Harman-Satar-JabarIn der arabischen Welt kennt man ihn und nennt ihn bei seinem Namen: Satar Jabar. Im Westen weiß man von ihm als dem gesichtslosen, namenlosen Mann in der schwarzen Kutte. Das Bild des gefolterten Irakers im Gefängnis von Abu Ghraib ging um die Welt und erschütterte die Menschen.

Was in den US-Gefängnissen von Bagram in Afghanistan, von Abu Ghraib und Camp Cropper im Irak an Frevelhaftem geschah, wurde immer wieder als dienstwidriges Verhalten Einzelner dargestellt. Einfache Soldaten wie Charles Graner und Lynndie England, deren Bilder in den Fotoalben der Brutalität verewigt sind, wurden für ihre Verbrechen in Abu Ghraib zu geringen Gefängnisstrafen verurteilt und nach wenigen Jahren in die Freiheit entlassen. Geplante, systematische und kontinuierlich durchgeführte Folteraktionen, so behaupteten offizielle US-amerikanische Stellen, habe es nicht gegeben.

Ähnlich wurde die Öffentlichkeit in Europa beschwichtigt, als die CIA mit sogenannten Renditions- oder Auslieferungsflügen terrorverdächtigte Personen entführte, um sie in Geheimgefängnissen in Libyen, Syrien, Polen, Rumänien und anderen Ländern zu interrogieren und zu foltern. »Wir billigen Folter nicht. Die USA achten internationale Verpflichtungen und Völkerrechte«, erklärte US-Außenministerin Condoleezza Rice in Berlin im Dezember 2005. Bundeskanzlerin Merkel begrüßte diese Versicherung.

Wie unwahr die Aussagen waren, hatte schon lange zuvor der im Jahr 2003 in Skopje (Makedonien) illegal verhaftete Deutsche Khaled al-Masri bezeugt. Die CIA hatte ihn nach Bagram (Afghanistan) geflogen und ihn dort gefoltert.

Menschenrechte-Human-Right-Kritisches-Netzwerk-Folter-Foltermethoden-CIADie 2006/07 vorgenommenen Untersuchungen des ehemaligen Abgeordneten im Europarat, Dick Marty, wie auch die des UN-Sonderberichterstatters für Folter, Manfred Nowak, im Jahre 2005 und die Recherchen des Europaparlaments 2006 über CIA-Geheimgefängnisse in Europa, Asien und dem Nahen wie Mittleren Osten haben ein düsteres Bild der Mißachtung geltenden Rechts und der Verletzung ethisch-moralischer Grundwerte ergeben.

Mit wenigen Ausnahmen hat die offizielle Welt dazu geschwiegen. Tun Mahathir bin Mohamad, Premierminister von Malaysia (1981–2003), ernannte im Jahr 2005 eine Kriegsverbrecherkommission, die unter anderem Folterverbrechen untersuchen sollte. Der Ire Denis Halliday, mein Vorgänger in Bagdad als Koordinator für das humanitäre Programm der UNO im Irak, und ich sind Mitglieder dieser Kommission. In den Jahren 2011/12 haben wir in Kuala Lumpur Zeitzeugen und Folteropfer, die in den Gefängnissen von Bagram, Abu Ghraib und Guantanamo inhaftiert gewesen waren, eingehend befragt. Dazu gehörte auch Satar Jabar, der gefolterte Mann in der Kutte. Wir wissen aus erster Hand, welchen Foltermethoden die Gefangenen ausgesetzt waren.

In zwei Bänden, die im Jahr 2012 erstellt wurden, hat der ehemalige Premierminister Mahathir das Beweismaterial an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH; französisch Cour pénale internationale, CPI; englisch International Criminal Court, ICC) in Den Haag gesandt. Das Büro des ICC-Anklägers in Den Haag reagierte fünf Monate später, im Dezember 2012, mit einem Standardbrief: Der Gerichtshof halte sich in diesem Fall für »nicht zuständig«. Im Juni 2014 überreichten Halliday und ich anläßlich einer Irak-Anhörung im englischen Parlament dasselbe Beweismaterial auch im House of Lords. Eine Reaktion hat es bisher nicht gegeben.

Zusammenfassend muß gesagt werden, daß sowohl nationale als auch multi-nationale Einrichtungen offensichtlich bisher nicht bereit gewesen sind, eine Anklage gegen die Macht USA zu erheben. Obwohl die Vereinigten Staaten kein Mitglied des Internationalen Strafgerichtshof sind, wäre eine Anklage beim ICC durchaus möglich.

Am 9. Dezember 2014 veröffentlichte der US-Senat eine auf 525 Seiten reduzierte Zusammenfassung seines Berichts über die CIA-Folter. Diese Publikation, die seit Mitte Januar auch in deutscher Sprache vorliegt, herausgegeben von dem früheren Bundesrichter und Bundestagsabgeordneten Wolfgang Nešković, verdient stärkste Beachtung. Der Senat war nur noch bis Ende 2014 von einer Majorität der Demokratischen Partei besetzt. Die inzwischen eingetretene Mehrheit der Republikanischen Partei hätte eine vergleichbare Veröffentlichung der Verbrechen der Regierung Bush ohne Zweifel zu verhindern versucht. Doch hier wird nun offiziell eingestanden und bekannt gemacht, daß die USA durch die grausame, demütigende und inhumane Behandlung von Gefangenen die Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und die Genfer Konvention III sowie anderes internationales und nationales Recht erheblich verletzt haben.

Der nächste Schritt müßte nun sein, daß die US-amerikanische Justiz die Verantwortlichen für diese Verbrechen zur Rechenschaft zieht. Bisher ist das nicht geschehen. Präsident Obama versichert, er werde alles tun, »damit so etwas nie wieder geschieht« und solche »Techniken der Vergangenheit angehören«. Er weigert sich aber, zu dem Thema »Rechenschaftspflicht« Stellung zu nehmen. Ähnliches Schweigen kommt aus dem US-Kongreß.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Prinz Zeid Ra’ad Al-Hussein, weist darauf hin, daß es »völkerrechtlich sonnenklar« sei, daß die Vereinigten Staaten, die die UN-Konvention gegen Folter von 1994 ratifiziert haben, jetzt die Pflicht haben, Rechenschaft zu gewährleisten. Trotzdem ist davon auszugehen, daß die US-Justiz keine Schritte gegen die Verantwortlichen unternehmen wird.

Mein Vorgänger in Bagdad, Denis Halliday, und ich fordern daher, daß sich nun der Internationale Strafgerichtshof darauf vorbereitet, die Verantwortung dafür zu übernehmen, daß die Folter nicht straffrei bleibt. An verläßlichem Beweismaterial wird es nicht fehlen. Eine entsprechende von uns initiierte Petition »Rechenschaftspflicht: Ja, Straffreiheit: Nein« ist gegenwärtig in 15 Sprachen im Umlauf und findet weltweit Zustimmung. Unterstützt wird damit auch der Hinweis des UN-Sonderberichterstatters für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, Ben Emmerson QC, daß »Folter ein Verbrechen darstellt, das der universellen Gerichtsbarkeit untersteht«.
 

Abu-Ghraib-Folter-Foltermethoden-Folterskandal-Kritisches-Netzwerk-Menschenrechte-Human-Rights-Folterfotos-torture-Sabrina-Harman-Satar-Jabar      Abu-Ghraib-Folter-Foltermethoden-Folterskandal-Kritisches-Netzwerk-Menschenrechte-Human-Rights-Folterfotos-torture-Sabrina-Harman-Satar-Jabar

 

Überall sind Bürger besorgt, daß Untätigkeit und Doppelmoral unserer Regierungen den Frieden und die Sicherheit der Menschen gefährden. Europa darf nicht länger schweigen!


Hans-Christof von Sponeck, Beigeordneter UN-Generalsekretär a.D.

bitte unbedingt die 3 weiter unten angehängten s beachten!



Quelle:  Erschienen in Ossietzky, der Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft - Heft 3/2015 > zum Artikel

Ossietzky, Zweiwochenschrift für Politik, Kultur, Wirtschaft, wurde 1997 von Publizisten gegründet, die zumeist Autoren der 1993 eingestellten Weltbühne gewesen waren – inzwischen sind viele jüngere hinzugekommen. Sie ist nach Carl von Ossietzky, dem Friedensnobelpreisträger des Jahres 1936, benannt, der 1938 nach jahrelanger KZ-Haft an deren Folgen gestorben ist. In den letzten Jahren der Weimarer Republik hatte er die Weltbühne als konsequent antimilitaristisches und antifaschistisches Blatt herausgegeben; das für Demokratie und Menschenrechte kämpfte, als viele Institutionen und Repräsentanten der Republik längst vor dem Terror von rechts weich geworden waren. Dieser publizistischen Tradition sieht sich die Zweiwochenschrift Ossietzky verpflichtet – damit die Berliner Republik nicht den gleichen Weg geht wie die Weimarer.

Wenn tonangebende Politiker und Publizisten die weltweite Verantwortung Deutschlands als einen militärischen Auftrag definieren, den die Bundeswehr zu erfüllen habe, dann widerspricht Ossietzky. Wenn sie Flüchtlinge als Kriminelle darstellen, die abgeschoben werden müßten, und zwar schnell, dann widerspricht Ossietzky. Wenn sie Demokratie, Menschenrechte, soziale Sicherungen und Umweltschutz für Standortnachteile ausgeben, die beseitigt werden müßten, dann widerspricht Ossietzky. Wenn sie behaupten, Löhne müßten gesenkt, Arbeitszeiten verlängert werden, damit die Unternehmen viele neue Arbeitsplätze schaffen, dann widerspricht Ossietzky – aus Gründen der Humanität, der Vernunft und der geschichtlichen Erfahrung.

Ossietzky erscheint alle zwei Wochen im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Berlin – jedes Heft voller Widerspruch gegen angstmachende und verdummende Propaganda, gegen Sprachregelungen, gegen das Plattmachen der öffentlichen Meinung durch die Medienkonzerne, gegen die Gewöhnung an den Krieg und an das vermeintliche Recht des Stärkeren.

Redaktionsanschrift:

Redaktion Ossietzky
Haus der Demokratie und Menschenrechte

Greifswalderstr. 4, 10405 Berlin

redaktion@ossietzky.net

http://www.ossietzky.net/


Bild- und Grafikquellen:

1. + 4. + 5. Folterfotos aus dem Gefängnis Abu Ghraib bei Bagdad / Irak.

These photographs came to light only because a member of the 372nd Military Police Company, Spc. Sabrina Harmon, took pictures of the torture they inflicted and sent them to friends back home in an apparent attempt to boast about how “tough” she was being with these “terrorists.” Of course, in reality the U.S. military’s victims in this case weren’t “terrorists” at all. According to the military’s own intelligence, which was in turn relayed to the International Red Cross, up to 90% of all inmates interned in U.S. occupational prisons in Iraq, in addition to CIA “black sites”, were innocent and never charged with a crime.

Quelle: U.S. Hypocrisy, ein kritischer Blog von Caleb Gee. /  UShypocrisy.com > Artikel mit diesen und weiteren Fotos. Einige davon sind auch bei Wikimedia Commons.

2. Menschenrechte - ALL HUMAN BEINGS ARE BORN FREE AND EQUAL IN DIGNITY AND RIGHT . . . Foto: Zack Lee. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0)

3. Cover des Buches von Wolfgang Nešković "Der CIA-Folterreport. Der offizielle Bericht des US-Senats zum Internierungs- und Verhörprogramm der CIA." Westend, 2013. ISBN 978-3-86489-093-2. Broschur, 640 Seiten. Dieses Projekt wurde realisiert durch: NACHDENKSEITEN.de

Die umfassende Revision der Methoden der CIA zur Informationsbeschaffung. „Der CIA-Folterreport ist ein entsetzlicher Blick in den Abgrund, der viele Fragen aufwirft, denen sich auch die deutsche Politik stellen muss.“ Wolfgang Nešković

Der kürzlich vom Geheimdienstausschuss des US-Senats veröffentlichte Report basiert auf über sechs Millionen interner CIA-Dokumente. Diese beinhalten bislang unbekannte Informationen zu geheimen Gefängnissen, fälschlich inhaftierten, misshandelten und getöteten Insassen sowie zu den angewandten Verhör- und Foltermethoden. Darüber hinaus zeigen sie die Verzahnung der CIA mit anderen Regierungsorganisationen – innerhalb und außerhalb der USA. Zu klären gilt unter anderem die Frage: Hat die CIA parlamentarische Abgeordnete und Regierungsvertreter über das Ausmaß und die Gesetzeskonformität ihres Handelns vorsätzlich getäuscht?

Wolfgang Nešković, Herausgeber der deutschen Ausgabe und ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, schreibt einen einordnenden Kommentar zum Kampf der USA gegen den Terrorismus, zu den im Report dokumentierten Ereignissen und zur Missachtung der UN-Antifolterkonvention. Außerdem legt er die Bedeutung für Deutschland dar und zeigt, ob und in welchem Umfang  Strafverfolgungsbehörden tätig werden können bzw. müssen und welche Grenzen dem Rechtsstaat im Kampf gegen den Terror gesetzt sind. In seiner Funktion als MdB war Nešković Teil des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die deutschen Nachrichtendienste Verfassungsschutz, BND und Militärischer Abschirmdienst sowie im Untersuchungsausschuss, der sich mit dem Fall Murat Kurnaz befasste.