Schwarzwälder Schinkenhersteller drohen foodwatch
Der Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller will Kritik von foodwatch mit juristischen Schritten verbieten. Schwarzwälder Schinken könne „auch aus Timbuktu“ kommen – so hatte foodwatch darauf hingewiesen, dass das Fleisch für das Traditionsprodukt von überall her kommen kann. Das ist auch richtig: Es darf aus Timbuktu kommen, aus Honolulu oder aus Fuchs am Buckel...
Der Schinken für den Schwarzwälder Schinken hat in der Regel auch de facto mit dem Schwarzwald nichts zu tun. Die Firma Abraham als Groß-Produzent etwa bezieht das Fleisch von weit außerhalb des Schwarzwalds und schneidet, verpackt und vertreibt das geräucherte Produkt von Niedersachsen aus – am Ende wird es mit viel Regionalitäts-Werbung als „Schwarzwälder Schinken“ verkauft. Wo die Schweine gehalten, geschlachtet oder zerlegt werden, ist nicht geregelt: Der Hinterschinken kann also von überall herkommen, sprichwörtlich „aus Timbuktu“. So formulierte es foodwatch im Januar in einer Presseerklärung [5].
► Abmahnung und Drohung mit weiteren Schritten
Der Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller hat foodwatch am 6. März zur Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung aufgefordert und mit weiteren juristischen Schritten gedroht, falls die Aussage weiter verbreitet werde, nach der Schwarzwälder Schinken auch aus Timbuktu kommen könnte. Dem Schutzverband gehört auch die Firma Abraham an, die von dem Vorsitzenden der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), Jürgen Abraham, geleitet wird.
foodwatch wird eine solche Unterlassungserklärung selbstverständlich nicht unterzeichnen. Denn anders als viele Verbraucher das erwarten mögen: Der Schinken, den sie am Ende als Schwarzwälder Schinken kaufen, darf von überall her kommen – ob aus Honolulu oder Buxtehude, aus Walla Walla oder Ouagadougou, aus Posemuckel oder aus Fuchs am Buckel. Der Schutzverband weiß das selbst am besten, denn er hat in seinem erfolgreichen Antrag für den europäischen Schutz der Bezeichnung Schwarzwälder Schinken keinerlei Festlegung für die Herkunft des Fleischs getroffen. Nun will er offenbar unliebsame Kritik an der intransparenten Herkunft des Schinkens verbieten – die Fortsetzung einer Verbrauchertäuschung mit juristischen Mitteln. Im aktuellen Kontext des Krieges in Mali ist die Timbuktu-Formulierung zwar verunglückt, in ihrer Aussage über die Herkunft des Schinkens jedoch weiterhin richtig.
► EU-Siegel lässt Herkunft der Zutaten offen
Auf Antrag des Schutzverbandes stufte die Europäische Union Schwarzwälder Schinken als geschützte geographische Angabe (g.g.A.) ein. Demzufolge gelten feste Kriterien für die Produktion von Schinken, der als „Schwarzwälder“ verkauft werden soll. Allerdings gibt es dabei insbesondere für den Ort der Tierhaltung und Schlachtung und somit für die Herkunft des Schinken-Fleisches keinerlei Vorgaben. foodwatch kritisiert seit langem, dass der g.g.A.-Schutz der EU Verbraucher in die Irre führt, weil es die tatsächliche Herkunft eines Produktes aus der genannten Region suggeriert. Im Gegensatz dazu gilt für die geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.), dass alle Produktionsschritte in der genannten Region erfolgen müssen.
Einige Hersteller von Schwarzwälder Schinken verstärken die Herkunfts-Illusion, indem sie ihr Produkt mit Bollerhüten oder Schwarzwald-Trachten als regional bewerben. Sie machen sich dabei zunutze, dass sie die Herkunft des Schinkens nicht kennzeichnen müssen.
► foodwatch fordert Pflicht-Angaben zur Herkunft
foodwatch fordert eine verbindliche Herkunftskennzeichnung für die Hauptzutaten aller Lebensmittel. Bei Produkten, die Hersteller mit regionalen Aspekten bewerben, soll über das Herkunftsland hinaus mindestens bundeslandgenau auch die Herkunftsregion genannt werden.
Ihr foodwatch-Team
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