Schwarzwälder Schinkenhersteller drohen foodwatch

2 Beiträge / 0 neu
Letzter Beitrag
Bild des Benutzers Helmut S. - ADMIN
Helmut S. - ADMIN
Online
Verbunden: 21.09.2010 - 20:20
Schwarzwälder Schinkenhersteller drohen foodwatch
DruckversionPDF version


Schwarzwälder Schinkenhersteller drohen foodwatch



Der Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller will Kritik von foodwatch mit juristischen Schritten verbieten. Schwarzwälder Schinken könne „auch aus Timbuktu“ kommen – so hatte foodwatch darauf hingewiesen, dass das Fleisch für das Traditionsprodukt von überall her kommen kann. Das ist auch richtig: Es darf aus Timbuktu kommen, aus Honolulu oder aus Fuchs am Buckel...

Der Schinken für den Schwarzwälder Schinken hat in der Regel auch de facto mit dem Schwarzwald nichts zu tun. Die Firma Abraham als Groß-Produzent etwa bezieht das Fleisch von weit außerhalb des Schwarzwalds und schneidet, verpackt und vertreibt das geräucherte Produkt von Niedersachsen aus – am Ende wird es mit viel Regionalitäts-Werbung als „Schwarzwälder Schinken“ verkauft. Wo die Schweine gehalten, geschlachtet oder zerlegt werden, ist nicht geregelt: Der Hinterschinken kann also von überall herkommen, sprichwörtlich „aus Timbuktu“. So formulierte es foodwatch im Januar in einer Presseerklärung.

Abmahnung und Drohung mit weiteren Schritten

Der Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller hat foodwatch am 6. März zur Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung aufgefordert und mit weiteren juristischen Schritten gedroht, falls die Aussage weiter verbreitet werde, nach der Schwarzwälder Schinken auch aus Timbuktu kommen könnte. Dem Schutzverband gehört auch die Firma Abraham an, die von dem Vorsitzenden der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), Jürgen Abraham, geleitet wird.

foodwatch wird eine solche Unterlassungserklärung selbstverständlich nicht unterzeichnen. Denn anders als viele Verbraucher das erwarten mögen: Der Schinken, den sie am Ende als Schwarzwälder Schinken kaufen, darf von überall her kommen – ob aus Honolulu oder Buxtehude, aus Walla Walla oder Ouagadougou, aus Posemuckel oder aus Fuchs am Buckel. Der Schutzverband weiß das selbst am besten, denn er hat in seinem erfolgreichen Antrag für den europäischen Schutz der Bezeichnung Schwarzwälder Schinken keinerlei Festlegung für die Herkunft des Fleischs getroffen. Nun will er offenbar unliebsame Kritik an der intransparenten Herkunft des Schinkens verbieten – die Fortsetzung einer Verbrauchertäuschung mit juristischen Mitteln. Im aktuellen Kontext des Krieges in Mali ist die Timbuktu-Formulierung zwar verunglückt, in ihrer Aussage über die Herkunft des Schinkens jedoch weiterhin richtig.

EU-Siegel lässt Herkunft der Zutaten offen

Auf Antrag des Schutzverbandes stufte die Europäische Union Schwarzwälder Schinken als geschützte geographische Angabe (g.g.A.) ein. Demzufolge gelten feste Kriterien für die Produktion von Schinken, der als „Schwarzwälder“ verkauft werden soll. Allerdings gibt es dabei insbesondere für den Ort der Tierhaltung und Schlachtung und somit für die Herkunft des Schinken-Fleisches keinerlei Vorgaben. foodwatch kritisiert seit langem, dass der g.g.A.-Schutz der EU Verbraucher in die Irre führt, weil es die tatsächliche Herkunft eines Produktes aus der genannten Region suggeriert. Im Gegensatz dazu gilt für die geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.), dass alle Produktionsschritte in der genannten Region erfolgen müssen.

Einige  Hersteller von Schwarzwälder Schinken verstärken die Herkunfts-Illusion, indem sie ihr Produkt mit Bollerhüten oder Schwarzwald-Trachten als regional bewerben. Sie machen sich dabei zunutze, dass sie die Herkunft des Schinkens nicht kennzeichnen müssen.

foodwatch fordert Pflicht-Angaben zur Herkunft

foodwatch fordert eine verbindliche Herkunftskennzeichnung für die Hauptzutaten aller Lebensmittel. Bei Produkten, die Hersteller mit regionalen Aspekten bewerben, soll über das Herkunftsland hinaus mindestens bundeslandgenau auch die Herkunftsregion genannt werden.

Ihr foodwatch-Team



PS: Juristische Auseinandersetzungen mit Behörden und Unternehmen kosten viel Geld. foodwatch ist dabei auf Ihre Unterstützung angewiesen – nur gemeinsam können wir uns zur Wehr setzen. Daher unsere große Bitte: Helfen Sie uns und werden Sie jetzt Fördermitglied: www.foodwatch.de/mitglied-werden
 

Bild des Benutzers Helmut S. - ADMIN
Helmut S. - ADMIN
Online
Verbunden: 21.09.2010 - 20:20
Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller


Erfolgreiche Abmahnung:


Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller darf Unwahrheiten über foodwatch nicht weiter verbreiten


Mindestens 90 Prozent des Fleischs kommt nicht aus dem Schwarzwald


Die Verbraucherorganisation foodwatch hat den Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller erfolgreich abgemahnt. Im Streit um irreführende Regionalitätswerbung hatte der Schinken-Verband den Eindruck erweckt, es habe eine Entscheidung des Landgerichts Konstanz gegen foodwatch gegeben, die der Verbraucherorganisation eine kritische Formulierung untersagt. Dies entspricht nicht den Tatsachen. In einer Unterlassungserklärung verpflichtete sich der Schutzverband nun, diese Unwahrheit über foodwatch nicht weiter zu verbreiten.

In dem Streit geht es um die Herkunftskennzeichnung, Regionalitätswerbung und die tatsächliche Herkunft der Hauptzutat für den Schwarzwälder Schinken. „Fakt ist: Mindestens 90 Prozent des für Schwarzwälder Schinken verwendeten Schweinefleischs kommt nicht aus dem Schwarzwald. Wenn ein Hersteller sein Schinkenfleisch von weit her holt und – statt dies offenzulegen – den fertigen Schinken dennoch als regionales Produkt bewirbt, führt er seine Kunden in die Irre“, erklärte foodwatch-Sprecher Martin Rücker.

Mit einer zugespitzten Äußerung hatte foodwatch diese Irreführung in einer Presseerklärung im Januar 2013 kritisiert. Gegen die Formulierung ging der Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller mit einer Klage vor. Er sah nicht ausreichend klargestellt, dass für den fertigen Schinken immer Produktionsschritte wie das Räuchern im Schwarzwald stattfinden müssen. Aus prozessökonomischen Gründen und ohne die Kritik zurückzunehmen sagte foodwatch in einer Unterlassungserklärung zu, die konkrete Aussage nicht mehr zu wiederholen – knüpfte dies jedoch daran, stattdessen die Formulierung zu verwenden, nach der das Schweinefleisch für den Schwarzwälder Schinken „auch aus Neuseeland kommen dürfte“. Für foodwatch ein gangbarer Weg, weil so die Kritik weiterhin verständlich gemacht werden konnte. Schließlich hatte gegen diese Formulierung auch der Schutzverband offenbar keine Einwände: Er erklärte die Klage für erledigt, ein Urteil war damit hinfällig. In einem Schreiben an beide Parteien stellte das Gericht zuletzt klar, dass es keine abschließende Bewertung vorgenommen und keine Entscheidung in der Sache getroffen hat.

Der Schutzverband hatte jedoch in seiner Pressemitteilung vom 29. August 2013 behauptet, er habe mit seiner Klage „vor dem Landgericht vollumfänglich Recht bekommen“. Ferner zeigte sich der Herstellerverband „zufrieden mit der Entscheidung des Landgerichts“. Wegen dieser unwahren Tatsachenbehauptung mahnte foodwatch den Schutzverband ab. Nachdem dieser eine Unterlassungserklärung zunächst verweigerte, beantragte foodwatch beim Landgericht Konstanz eine einstweilige Verfügung. Noch vor einer Entscheidung des Gerichts über den foodwatch-Antrag gab der Schutzverband nun doch eine Unterlassungserklärung ab. Er darf nunmehr unter anderem nicht länger behaupten, es habe eine Entscheidung des Gerichts gegen foodwatch gegeben.

foodwatch-Sprecher Martin Rücker: „Wir fordern den Verband auf, sich nun endlich der Kritik von vielen Verbrauchern an der verbreiteten Irreführung zu stellen: Die Schinkenhersteller können ab sofort freiwillig auf jeder Packung angeben, woher das Fleisch kommt, oder am besten nur noch solchen Schinken als regionale Spezialität verkaufen, bei dem auch das Fleisch tatsächlich aus der Region Schwarzwald kommt. Damit wäre für alle die nötige Klarheit geschaffen.“


PRESSEMITTEILUNG 29.07.2013

Ihr foodwatch-Team

 

Kontakt zu foodwatch e.V. für Mitglieder und Verbraucherweiter

PS: Juristische Auseinandersetzungen mit Behörden und Unternehmen kosten viel Geld. foodwatch ist dabei auf Ihre Unterstützung angewiesen – nur gemeinsam können wir uns zur Wehr setzen. Daher unsere große Bitte: Helfen Sie uns und werden Sie jetzt Fördermitglied: www.foodwatch.de/mitglied-werden
 

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden.