Der erfolgreiche Manager (TEIL I - Folgeteile einfach weiterscrollen)
Es war einmal ein erfolgreicher Manager. Jahrelang hat er hart gearbeitet und vieles entbehrt, um die Karriereleiter emporzuklettern. Unzählige Überstunden in Kauf genommen … auch seine Familie musste einiges an Mangel ertragen. Jetzt endlich wurde er befördert, was mit einer großen Gehaltszulage samt Firmenwagen belohnt wurde. Er fühlte sich am Ziel seiner Träume. Um diesen Erfolg gebührend zu feiern belohnte er sich selbst mit einer Fernreise. Nur das beste Hotel sollte es sein, mit allem Luxus und Komfort.
An dem Urlaubsort angekommen, spürte er einen Drang auch außerhalb der Ferienanlage Land und Leute kennenzulernen. Er lieh sich für einen Tag einen Jeep und machte sich allein auf Achse. In einem kleinen Dorf angekommen merkte er sofort den Unterschied zu seiner Hotelanlage – er befand sich hier wahrlich in der Dritten Welt. Als er dann die meisten Dorfbewohner beim geselligen Beisammensein sah, wie sie palaverten, mit den Kindern spielten oder einfach nur in der Hängematte lagen, war ihm sofort klar, wieso diese Menschen so arm waren.
Er nahm sich vor, diesen Menschen auch etwas an seinem Wohlstand teilhaben zu lassen. Sie sollten erfahren, wie er sich von ganz unten nach oben gearbeitet hatte. Wie er selbst zu einer Führungskraft wurde, dem seine Mitarbeiter folgten. Wie er es geschafft hat, inzwischen nur edelste Hotels nutzend, fremde Länder bereisen zu können. Wie ihm aller Luxus förmlich zuflog.
Schnell fand er einen Mann, der alleine in seinem Schaukelstuhl saß, welcher bei jeder Bewegung vor Altersschwäche knarzte. Routiniert nahm er das Gespräch auf: „Es ist noch nicht einmal Mittag und sie können sich bereits ausruhen. Wie kommen Sie über die Runden?“
Der Mann im Schaukelstuhl wandte sich seinem Gast zu und sagte: „Ich bin schon sehr früh aufgestanden und habe ein paar Fische gefangen. Der Fang war gut und so konnte ich recht bald mit zehn Fischen heimkehren. Die reichen mir und meiner Familie für das heutige Mahl.“
Völlig verwundert vor soviel Torheit wandte der Manager ein: „Wenn man soviel Glück hat, muss man die Gunst der Stunde doch nutzen und solange Fische fangen, wie es nur geht!“
Der Mann im Schaukelstuhl erwiderte: „Was soll ich denn mit den überzähligen Fischen machen? Frisch schmecken sie nun mal am Besten und mehr als zwei kann ich an einem Tag nicht essen!“
Über soviel Unwissenheit konnte sich der Manager nur wundern, schossen ihm doch unzählige Dinge durch den Kopf. Aber woher sollte so ein ungebildeter Mensch, was der Mann im Schaukelstuhl offenbar einer wahr, denn auch wissen, welche schönen Dinge es gibt? Bemüht Gutes zu tun, fing sich der Manager und sprach in ruhigen Worten: „Du selbst musst die alten Fische doch gar nicht essen. Die verkaufst Du an diejenigen, die kein so großes Fang-Glück hatten oder an die Menschen, die gar keine Fische fangen können!“
„Und was mache ich dann mit dem Geld?“, fragte der Mann im Schaukelstuhl sichtlich interessiert. Jetzt kam die Stunde des Managers: „Dann kannst Du dir die Dinge kaufen, die dein Leben ausfüllen. Zum Beispiel ein Fernseher, dann weißt Du immer, was auf der Welt passiert und lernst viele neue Dinge kennen, die sich lohnen zu besitzen, oder Du kannst fremde Kulturen entdecken ohne das Du Dein Haus verlassen musst und wenn dir langweilig sein sollte, findest Du kurzweiliges.“
Der arme Mann aber verstand nicht, wieso er bei schönem Wetter im Haus sitzen soll und auf den Fernseher starren, wo doch die Sonne scheint, er in dem Schaukelstuhl sitzend den Kindern beim Spielen zusehen kann.
Der Manager ließ sich davon nicht entmutigen: „dann spare eben das Geld und kauf dir irgendwann ein Motorboot mit einem Schleppnetz. Mit dem kannst Du soviel Fische fangen, dass das ganze Dorf für dich arbeitet!“ Wie zu erwarten, fand der undankbare Dorfbewohner auch bei diesem Vorschlag ein Haar in der Suppe, denn er erwiderte dem Gast: „wieso soll ich allen im Dorf sagen, was sie tun sollen? Wieso soll ich ihnen ihre Freiheit nehmen, den Tag selbst zu gestalten?“
Der Manager war ratlos, fehlten dem Dorfbewohner doch die fundamentalsten Erkenntnisse der modernen Betriebswirtschaftslehre. Wie konnte er einem so rückständigen Volk den Wohlstand bringen, den er sich nach langer und harter Arbeit endlich leisten konnte? Er ließ sich nicht entmutigen und versuchte es nochmals: „Denk doch einfach etwas globaler! Wenn das ganze Dorf Arbeit hat und viele Fische fängt, könnt ihr irgendwann selbst die ganzen Fische vermarkten. Ihr baut eine Fabrik und exportiert die Fische in die ganze Welt. Mit dem Geld könnt ihr dann Eure Nachbardörfer auch den Wohlstand bringen, den ihr längst genießt. Ihr könnt Schulen für Eure Kinder bauen, so dass diese endlich etwas lernen können. Ihr könnt eine Kirche bauen, um Gott zu danken. Ihr könnt Sportplätze bauen um gemeinsam Sport zu treiben – sogar einen Flughafen könnt ihr bauen und seid dann im Nu in allen Ecken auf diesem Planeten! Euer Volk wäre dann kein Dritte-Weltland mehr und würde zu den westlichen Industrienationen aufschließen können.“
Wieder schaute ihn der Alte Mann nur verwundert an. Nach einer längeren Stille fragte er: „was aber, wenn ein Fischereikonzern von Euch kommt und mir die Fischereirechte nimmt? Was mach ich dann um die ganzen Gebäude zu unterhalten? Was mache ich dann mit den ganzen Menschen, die nur noch das eine können? Was mache ich dann?“
Das war für den Manager eine harte Nuss. Ihm viel gleich der Ruf nach dem Staat und Subventionen ein, aber soweit ist ihr Land ja noch gar nicht. Da fiel ihm ein, wie er selbst einmal bei seiner Karriereplanung Ellenbogen zeigen musste, um die erhoffte Stelle zu ergattern. Verschwörerisch wandte er sich dem Mann im Schaukelstuhl zu: „dann müsst ihr es dem Konzern etwas unattraktiver machen, dass er hier fischt. Leitet doch einfach Euren Müll in das Gewässer ein, das mögen die Verbraucher gar nicht. Oder sabotiert einfach die Konzerne mit Euren Booten. Wenn ihr etwas kreativ seid, dann haben die gar kein Interesse an Eurem Fischereigebiet.“
In diese Richtung wollte der Alte Mann eigentlich gar nicht weiterdenken. Um das Gespräch an dieser Stelle nicht zu beenden, fragte der alte Mann den Manager: „Was mache ich denn mit dem ganzen Geld? Wozu ist es denn Nutze wenn ich mir alles kaufen kann aber keine Zeit mehr für mich habe?“
„Schau mich an.“, sagte der Manager strahlend. „Ich kann in den besten Hotels wohnen, die fernsten Länder bereisen und ich bin noch lange nicht oben angekommen.“ Noch bevor der Mann einlenken konnte, setzte der Manager erneut an: „Wenn ich erst einmal ganz oben angekommen bin und meine erste Million gemacht habe, werde ich mich zur Ruhe setzen und meinen Kindern all das geben, was sie so lange entbehren mussten. Ich werde meinen Ruhestand in vollen Zügen genießen und es wird mir an nichts mangeln!“
Völlig verwundert blickte ihn der Alte Mann an. Dann sprach er: „aber mir fehlt doch heute schon nichts! Was also kann ich dazu gewinnen, wenn ich Deinem Weg folge?“. Der Manager schüttelte verwundert den Kopf. „Manchen Menschen kann man es einfach nicht Recht machen!“, quoll es aus ihm heraus. Er ging zurück zu seinem Jeep und fuhr wieder zurück in die beschützte Ferienanlage. Die viele Sonne tat ihm nicht gut und so verbrachte er den Rest des Tages im vollklimatisierten Hotelzimmer. Der Fernseher brachte ihn wieder auf andere, heimische Gedanken. Dennoch fiel es ihm schwer nicht an das Gespräch mit dem alten Mann im Schaukelstuhl zu denken: „Wie soll man solchen Menschen klar machen, wie sie aus ihrer Armut herauskommen?“. Er verstand nun etwas besser, wieso die ganze Entwicklungshilfe so wenig fruchtete. Für sich selbst jedoch beschloss er, beim nächsten Besuch die große Hotelsuite zu buchen, um dann auch hier im Urlaub ausreichend Platz für seine gut gemeinten Gedanken zu haben, bei angenehm regelbaren Zimmertemperaturen … nie wieder in kleinen, muffigen Hotelzimmern verkommen zu müssen. Still malte er sich bereits seine nächste Beförderung aus, damit er sich beim nächsten Urlaub, in ein paar Jahren, genau diese, ersehnte Suite leisten konnte …
Und so endet diese Geschichte … beide Männer bleiben so wie sie sind, jedoch reicher an Wissen zur Verschiedenheit der Kulturen. Was aber, wenn der Manager nicht locker gelassen hätte und einen im Dorf gefunden hätte, der seinen Ideen zugänglich gewesen wäre. Wie wäre die Geschichte dann geendet?
Roland Forberger (zu TEIL II und III bitte einfach weiterscrollen)
► Quelle: Erstveröffentlich auf meinem Blog SchnappfischKapitalismus.de [4] > Artikel [5].
► Bild- und Grafikquellen:
1. "KARRIERE MACHT KAPUTT". Ein Burnout-Syndrom [6] (engl. burn out ‚ausbrennen‘) bzw. Ausgebranntsein ist ein Zustand ausgesprochener emotionaler Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit. Erleben von Misserfolg, besonders im beruflichen Alltag: Die Betroffenen haben häufig das Gefühl, dass sie trotz Überlastung nicht viel erreichen oder bewirken. Es mangelt an den Erlebnissen des Erfolges. Weil die Anforderungen quantitativ und qualitativ steigen und sich ständig verändern, erscheint die eigene Leistung im Vergleich zu den wachsenden Anforderungen gering. Diese Diskrepanz zwischen Anforderungen und Leistungen nimmt der Betroffene als persönliche Ineffektivität bzw. Ineffizienz wahr. Foto: Christian Mayrhofer. Quelle: Flickr [7]. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0 [8]).
2. Mann mit Strohhut - Geld ist nicht alles. Foto: Alwin Gasser. Quelle: pixelio.de
3. Geldkreislauf: Wenn das Geld nicht fließt, fehlt es dort, wo es gebraucht wird - bei denen die arbeiten und konsumieren wollen. Foto: Flickr-user Laura. Quelle: Flickr [9]. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0 [8]).
4. Eat Money: Only when the last tree has died and the last river has been poisoned and the last fish has been caught will we realise we cannot eat money. (Cree Indian Proverb) Foto: Lynne Hand, Nottingham / UK. Quelle: Flickr [10]. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0 [8]).
5. Graffito: "EIN HAMSTERRAD SIEHT VON INNEN AUS WIE EINE KARRIERELEITER." Foto: Frank M. Rafik, Berlin. Quelle: Flickr [11]. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0 [12]).