Der erfolgreiche Manager

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Der erfolgreiche Manager
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Der erfolgreiche Manager (TEIL I - Folgeteile einfach weiterscrollen)

Es war einmal ein erfolgreicher Manager. Jahrelang hat er hart gearbeitet und vieles entbehrt, um die Karriereleiter emporzuklettern. Unzählige Überstunden in Kauf genommen … auch seine Familie musste einiges an Mangel ertragen. Jetzt endlich wurde er befördert, was mit einer großen Gehaltszulage samt Firmenwagen belohnt wurde. Er fühlte sich am Ziel seiner Träume. Um diesen Erfolg gebührend zu feiern belohnte er sich selbst mit einer Fernreise. Nur das beste Hotel sollte es sein, mit allem Luxus und Komfort.

An dem Urlaubsort angekommen, spürte er einen Drang auch außerhalb der Ferienanlage Land und Leute kennenzulernen. Er lieh sich für einen Tag einen Jeep und machte sich allein auf Achse. In einem kleinen Dorf angekommen merkte er sofort den Unterschied zu seiner Hotelanlage – er befand sich hier wahrlich in der Dritten Welt. Als er dann die meisten Dorfbewohner beim geselligen Beisammensein sah, wie sie palaverten, mit den Kindern spielten oder einfach nur in der Hängematte lagen, war ihm sofort klar, wieso diese Menschen so arm waren.

Er nahm sich vor, diesen Menschen auch etwas an seinem Wohlstand teilhaben zu lassen. Sie sollten erfahren, wie er sich von ganz unten nach oben gearbeitet hatte. Wie er selbst zu einer Führungskraft wurde, dem seine Mitarbeiter folgten. Wie er es geschafft hat, inzwischen nur edelste Hotels nutzend, fremde Länder bereisen zu können. Wie ihm aller Luxus förmlich zuflog.

Schnell fand er einen Mann, der alleine in seinem Schaukelstuhl saß, welcher bei jeder Bewegung vor Altersschwäche knarzte. Routiniert nahm er das Gespräch auf: „Es ist noch nicht einmal Mittag und sie können sich bereits ausruhen. Wie kommen Sie über die Runden?“

Der Mann im Schaukelstuhl wandte sich seinem Gast zu und sagte: „Ich bin schon sehr früh aufgestanden und habe ein paar Fische gefangen. Der Fang war gut und so konnte ich recht bald mit zehn Fischen heimkehren. Die reichen mir und meiner Familie für das heutige Mahl.“

Völlig verwundert vor soviel Torheit wandte der Manager ein: „Wenn man soviel Glück hat, muss man die Gunst der Stunde doch nutzen und solange Fische fangen, wie es nur geht!“

Der Mann im Schaukelstuhl erwiderte: „Was soll ich denn mit den überzähligen Fischen machen? Frisch schmecken sie nun mal am Besten und mehr als zwei kann ich an einem Tag nicht essen!“

Über soviel Unwissenheit konnte sich der Manager nur wundern, schossen ihm doch unzählige Dinge durch den Kopf. Aber woher sollte so ein ungebildeter Mensch, was der Mann im Schaukelstuhl offenbar einer wahr, denn auch wissen, welche schönen Dinge es gibt? Bemüht Gutes zu tun, fing sich der Manager und sprach in ruhigen Worten: „Du selbst musst die alten Fische doch gar nicht essen. Die verkaufst Du an diejenigen, die kein so großes Fang-Glück hatten oder an die Menschen, die gar keine Fische fangen können!“

„Und was mache ich dann mit dem Geld?“, fragte der Mann im Schaukelstuhl sichtlich interessiert. Jetzt kam die Stunde des Managers: „Dann kannst Du dir die Dinge kaufen, die dein Leben ausfüllen. Zum Beispiel ein Fernseher, dann weißt Du immer, was auf der Welt passiert und lernst viele neue Dinge kennen, die sich lohnen zu besitzen, oder Du kannst fremde Kulturen entdecken ohne das Du Dein Haus verlassen musst und wenn dir langweilig sein sollte, findest Du kurzweiliges.“

Der arme Mann aber verstand nicht, wieso er bei schönem Wetter im Haus sitzen soll und auf den Fernseher starren, wo doch die Sonne scheint, er in dem Schaukelstuhl sitzend den Kindern beim Spielen zusehen kann.

Der Manager ließ sich davon nicht entmutigen: „dann spare eben das Geld und kauf dir irgendwann ein Motorboot mit einem Schleppnetz. Mit dem kannst Du soviel Fische fangen, dass das ganze Dorf für dich arbeitet!“ Wie zu erwarten, fand der undankbare Dorfbewohner auch bei diesem Vorschlag ein Haar in der Suppe, denn er erwiderte dem Gast: „wieso soll ich allen im Dorf sagen, was sie tun sollen? Wieso soll ich ihnen ihre Freiheit nehmen, den Tag selbst zu gestalten?“

Der Manager war ratlos, fehlten dem Dorfbewohner doch die fundamentalsten Erkenntnisse der modernen Betriebswirtschaftslehre. Wie konnte er einem so rückständigen Volk den Wohlstand bringen, den er sich nach langer und harter Arbeit endlich leisten konnte? Er ließ sich nicht entmutigen und versuchte es nochmals: „Denk doch einfach etwas globaler! Wenn das ganze Dorf Arbeit hat und viele Fische fängt, könnt ihr irgendwann selbst die ganzen Fische vermarkten. Ihr baut eine Fabrik und exportiert die Fische in die ganze Welt. Mit dem Geld könnt ihr dann Eure Nachbardörfer auch den Wohlstand bringen, den ihr längst genießt. Ihr könnt Schulen für Eure Kinder bauen, so dass diese endlich etwas lernen können. Ihr könnt eine Kirche bauen, um Gott zu danken. Ihr könnt Sportplätze bauen um gemeinsam Sport zu treiben – sogar einen Flughafen könnt ihr bauen und seid dann im Nu in allen Ecken auf diesem Planeten! Euer Volk wäre dann kein Dritte-Weltland mehr und würde zu den westlichen Industrienationen aufschließen können.“

Wieder schaute ihn der Alte Mann nur verwundert an. Nach einer längeren Stille fragte er: „was aber, wenn ein Fischereikonzern von Euch kommt und mir die Fischereirechte nimmt? Was mach ich dann um die ganzen Gebäude zu unterhalten? Was mache ich dann mit den ganzen Menschen, die nur noch das eine können? Was mache ich dann?“

Das war für den Manager eine harte Nuss. Ihm viel gleich der Ruf nach dem Staat und Subventionen ein, aber soweit ist ihr Land ja noch gar nicht. Da fiel ihm ein, wie er selbst einmal bei seiner Karriereplanung Ellenbogen zeigen musste, um die erhoffte Stelle zu ergattern. Verschwörerisch wandte er sich dem Mann im Schaukelstuhl zu: „dann müsst ihr es dem Konzern etwas unattraktiver machen, dass er hier fischt. Leitet doch einfach Euren Müll in das Gewässer ein, das mögen die Verbraucher gar nicht. Oder sabotiert einfach die Konzerne mit Euren Booten. Wenn ihr etwas kreativ seid, dann haben die gar kein Interesse an Eurem Fischereigebiet.“

In diese Richtung wollte der Alte Mann eigentlich gar nicht weiterdenken. Um das Gespräch an dieser Stelle nicht zu beenden, fragte der alte Mann den Manager: „Was mache ich denn mit dem ganzen Geld? Wozu ist es denn Nutze wenn ich mir alles kaufen kann aber keine Zeit mehr für mich habe?“

„Schau mich an.“, sagte der Manager strahlend. „Ich kann in den besten Hotels wohnen, die fernsten Länder bereisen und ich bin noch lange nicht oben angekommen.“ Noch bevor der Mann einlenken konnte, setzte der Manager erneut an: „Wenn ich erst einmal ganz oben angekommen bin und meine erste Million gemacht habe, werde ich mich zur Ruhe setzen und meinen Kindern all das geben, was sie so lange entbehren mussten. Ich werde meinen Ruhestand in vollen Zügen genießen und es wird mir an nichts mangeln!“

Völlig verwundert blickte ihn der Alte Mann an. Dann sprach er: „aber mir fehlt doch heute schon nichts! Was also kann ich dazu gewinnen, wenn ich Deinem Weg folge?“. Der Manager schüttelte verwundert den Kopf. „Manchen Menschen kann man es einfach nicht Recht machen!“, quoll es aus ihm heraus. Er ging zurück zu seinem Jeep und fuhr wieder zurück in die beschützte Ferienanlage. Die viele Sonne tat ihm nicht gut und so verbrachte er den Rest des Tages im vollklimatisierten Hotelzimmer. Der Fernseher brachte ihn wieder auf andere, heimische Gedanken. Dennoch fiel es ihm schwer nicht an das Gespräch mit dem alten Mann im Schaukelstuhl zu denken: „Wie soll man solchen Menschen klar machen, wie sie aus ihrer Armut herauskommen?“. Er verstand nun etwas besser, wieso die ganze Entwicklungshilfe so wenig fruchtete. Für sich selbst jedoch beschloss er, beim nächsten Besuch die große Hotelsuite zu buchen, um dann auch hier im Urlaub ausreichend Platz für seine gut gemeinten Gedanken zu haben, bei angenehm regelbaren Zimmertemperaturen … nie wieder in kleinen, muffigen Hotelzimmern verkommen zu müssen. Still malte er sich bereits seine nächste Beförderung aus, damit er sich beim nächsten Urlaub, in ein paar Jahren, genau diese, ersehnte Suite leisten konnte …

Und so endet diese Geschichte … beide Männer bleiben so wie sie sind, jedoch reicher an Wissen zur Verschiedenheit der Kulturen. Was aber, wenn der Manager nicht locker gelassen hätte und einen im Dorf gefunden hätte, der seinen Ideen zugänglich gewesen wäre. Wie wäre die Geschichte dann geendet?

Roland Forberger (zu TEIL II und III bitte einfach weiterscrollen)
 



Quelle:  Erstveröffentlich auf meinem Blog SchnappfischKapitalismus.de > Artikel.

Bild- und Grafikquellen:

1. "KARRIERE MACHT KAPUTT". Ein Burnout-Syndrom (engl. burn out ‚ausbrennen‘) bzw. Ausgebranntsein ist ein Zustand ausgesprochener emotionaler Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit. Erleben von Misserfolg, besonders im beruflichen Alltag: Die Betroffenen haben häufig das Gefühl, dass sie trotz Überlastung nicht viel erreichen oder bewirken. Es mangelt an den Erlebnissen des Erfolges. Weil die Anforderungen quantitativ und qualitativ steigen und sich ständig verändern, erscheint die eigene Leistung im Vergleich zu den wachsenden Anforderungen gering. Diese Diskrepanz zwischen Anforderungen und Leistungen nimmt der Betroffene als persönliche Ineffektivität bzw. Ineffizienz wahr. Foto: Christian Mayrhofer. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

2. Mann mit Strohhut - Geld ist nicht alles. Foto: Alwin Gasser. Quelle: pixelio.de

3. Geldkreislauf: Wenn das Geld nicht fließt, fehlt es dort, wo es gebraucht wird - bei denen die arbeiten und konsumieren wollen. Foto: Flickr-user Laura. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

4. Eat Money: Only when the last tree has died and the last river has been poisoned and the last fish has been caught will we realise we cannot eat money. (Cree Indian Proverb) Foto: Lynne Hand, Nottingham / UK. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

5. Graffito: "EIN HAMSTERRAD SIEHT VON INNEN AUS WIE EINE KARRIERELEITER." Foto: Frank M. Rafik, Berlin. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).

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Gedankenausrichtung. Der scheinbar erfolgreiche Manager

 

Deralte Mann und sein Dorf (TEIL II)

Längst sind die Reifenspuren des Touristen, einem erfolgreichen Manager, der einst sein Dorf besuchte, vom Regen weggespült – aber nicht die Gedanken des alten Mannes an das Gespräch. Unzählige Male nickte er in seinem knarrenden Schaukelstuhl ein und malte sich aus, was passieren würde, wenn einer im Dorf für die Idee des Managers empfänglich wäre. Was würde sich ändern? Wie könnte man diesen Wandel begleiten, so dass die Dorfgemeinschaft nicht eines Tages eine Kopie der westlichen Kultur werden würde, sondern ihre eigene Kultur bewahren könnte?

Dem alten Mann war klar, dass er nicht alleine auf eine tragfähige Lösung kommen würde und so machte er sich auf, seine Erlebnisse in einer Geschichte zu verweben. Diese Geschichte ging von Lagerfeuer zu Lagerfeuer und so von Dorf zu Dorf…

Eines Tages spürte er, dass die Zeit gekommen war. Er lud diejenigen zu einem Treffen ein, welche die Geschichte genauso nachdenklich machte, wie ihn selbst. Gemeinsam wollten sie nach einer Lösung suchen: nach ihrer Lösung. Es sollte dabei nicht nur um ihr Dorf gehen, sondern auch um die anderen Dörfer – denn er wusste bereits, dass eine lokale Lösung in einer globalisierten Welt nicht lange Bestand haben würde.

Seine erste Prämisse war es, Gemeinsamkeiten zu finden, die das Interesse nicht nur eines Einzelnen widerspiegelten, sondern auch von jenen, denen man anfangs fremd war. Es ging ihm darum, Sicherheit nicht bei und für sich selbst zu suchen, sondern die Sicherheit der anderen in den Vordergrund zu stellen. Er war sich sicher, dass ihm dann dieselbe Sicherheit zuteil würde, wenn er für die Sicherheit der anderen sorgte.

Die Vorbereitungen waren einfach aber wirksam. Jeder brachte etwas ess- und trinkbares aus seinem Dorf mit und so dauerte es nicht lange, bis ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Mahl entstand. Allein dies war für viele schon ein Grund zu kommen. Wann hatten sie sonst Gelegenheit soviele andere Speisen und Zubereitungen kennenzulernen?

Den Abend noch verbrachten sie am Lagerfeuer und warteten bis alle eingetroffen waren. Sie feierten ausgiebig, sangen und tauschten sich lebhaft aus. Das eigentliche Thema, für das sie alle erschienen waren, bekam auch noch seinen angemessenen Raum, daran bestand kein Zweifel …

Der Morgen konnte schöner nicht sein. Ein Sonnenaufgang, unvergleichlicher Klarheit und von einer Ruhe getragen, die nicht passender sein konnte. Keine Hektik machte sich bei den Gästen breit, niemand drängte, jeder machte sich in seinem Tempo und in Ruhe auf und dennoch trafen alle zeitgleich am Versammlungsort ein.

Mit Blumen geschmückt und viel frischem Obst, so wie es in ihrer Kultur die alte Gastfreundschaftstradition gebot, machten sich alle frohen Mutes an die gewaltige Aufgabe. Da alle freiwillig kamen und sich ihrer Verantwortung bewusst waren, sparten sie es sich, einen Anführer zu wählen oder einen Moderator zu benennen. Derjenige oder Diejenige – denn es waren auch viele Frauen und Kinder versammelt –, der etwas zu sagen hatte, stand auf, trat aus dem Kreise in die Mitte und sprach. Auch die, die nicht das Gesicht des Redners sehen konnten, vernahmen aufmerksam seine Sprache. Sie mussten aber nicht lange warten, dann drehte sich der Redner zu ihnen – nun konnten die anderen nur dessen Sprache vernehmen; sie aber, die zuvor noch in dieser Situation waren, sahen und hörten nun beides so, als spräche dieser direkt zu ihnen. Die Atmosphäre war von Achtsamkeit und gegenseitigem Respekt getragen.

Es waren wohl gut an die einhundert Mensch an diesem Ort versammelt. Der Raum war zwar nicht für diese Menge ausgelegt, dadurch, dass alle eng in zwei Kreisen zusammensaßen – einen äußeren und einem inneren – fanden alle ihren Platz. Die Kleineren weiter vorne, die Größeren in der hinteren Reihe. Keiner hatte das Gefühl, etwas zu verpassen und jeder hatte eine gleich gute Sicht auf den stehenden Redner, der alle überragte.

Jeder kannte die Geschichte vom erfolgreichen Manager, so wie sie der alte Mann einst überliefert hatte und alle wussten um ihre Brisanz. Vereinzelt wurden bereits an der Küste größere Fischerboote gesichtet, die unter fremder Flagge fischten. Längst kamen auch in die anderen Dörfer Touristen, die in gut gemeinter Absicht, ihre Kultur ins Dorf trugen. Längst waren die Kinder von dem vorgeblichen Wohlstand angesteckt. Längst wurden die Jüngsten mit Süßigkeiten beglückt – zum Leidwesen ihrer Gesundheit. Kurzum: es war Fünf-vor-Zwölf!

Sie diskutierten sehr kontrovers, achteten jedoch stets die Meinung der anderen, wohl wissend, dass der Einzelne alleine keine Lösung zu finden vermag. Einer der Älteren vertrat die Ansicht, dass sie diejenigen, die sich auf die Verlockungen einlassen, hart bestrafen sollten. Ein jüngeres Mädchen warf ein, dass sie sich den Süßigkeiten kaum entziehen können – zu verlockend waren diese aufgemacht. Ein Anderer warf ein, dass es auch etwas Gutes habe, was die Touristen ihnen brachten. So kam einst ein Reisender bei ihrem Dorf vorbei, welcher ihnen ihre Schrift zu lesen beibrachte und einige sehr wertvolle, alte Bücher überließ.

Ein Anderer erwiderte, dass er kürzlich von einem Transportmittel erfahren habe, mit dem man mühelos schwere Lasten bewegen konnte. Sie machten sich – unter der Anleitung des Fremden – daran, dieses Transportmittel aus Holz nachzubauen. Seitdem wird die hölzerne Sackkarre für die schweren Steine genutzt, die im Weg liegen.

Es gab noch viele andere Beispiele, für und wider der modernen Errungenschaften. Am Ende des Tages und nach vielen Pausen waren alle Argumente ausgetauscht. Man beschloss den Abend gemeinsam am Lagerfeuer zu verbringen und es für heute dabei bewenden zu lassen. Morgen werden wieder alle an diesem Ort zusammentreffen und man wird beratschlagen, was man zu tun vermag. Heute Abend aber soll gefeiert werden!

So kam die Nacht und hüllte das Dorf in Dunkelheit. Nur das große Lagerfeuer erhellte alle Menschen, die sich darum versammelten. Es waren fröhliche Menschen und doch erkannte man, dass eine große Last auf ihren Schultern ruhte. Der folgende Tag war von einer Leichtigkeit ergriffen, keine Spur mehr von den kontroversen Gedanken des Vortags. Wieder versammelten sich alle Interessierten in dem kleinen Raum. Es waren nicht mehr so viele da, wie am Vortag, aber dennoch zu viele, um nur einen Kreis zu bilden. So wurden wieder zwei Sitzkreise geformt – ein äußerer für die körperlich Größeren und ein innerer für die körperlich Kleineren. Nur diesmal trat der alte Mann, der die Geschichte in die Dörfer brachte, in die Mitte der beiden Kreise. Augenblicklich wurde es still und alle lauschten seinen Worten: „Ich danke Euch für die vielen Sichtweisen, die wir gestern geteilt haben!“

Nach einer kurzen Pause setzte der alte Mann erneut an: „Viele Worte wurden gestern gewechselt, Worte die noch lange nicht verhallt sind. Nun ist es an der Zeit die Gedanken in einen stetigen Fluss zu bringen, damit uns dieser auch in Zukunft tragen kann.“ Alle Zuhörer bestätigten seine Worte auf ihre Art und Weise, ein Raunen ging durch den Raum.

„Liebe Freunde,“, setzte der alte Mann plötzlich an, „lasst uns diesen Tag beraten, wie wir zukünftig Sorge tragen können, unsere Kultur zu erhalten und uns den Einflüssen öffnen, die vor unserer Tür stehen und nach Einlass verlangen.“ Es waren keine einfachen Worte für ihn, aber er wusste, dass er trotz seines Alters eine Verantwortung trägt. Seine Erfahrungen, gepaart mit der Hoffnung und der schöpferischen Kraft der Jugend, so spürte er, brachten ihn in eine Stimmung der heiteren Gelassenheit.

Allen war klar, das die gesellschaftlichen Modelle, von denen sie bisher erfahren hatten, sei es durch die Kunde der Touristen oder durch Bücher, nicht das Modell für sie sein konnte. Zu sehr sind die fremden Modelle von einem unbändigen Wachstumsgedanken durchdrungen, der letztendlich ins Verderben führen muss. So machten sie sich frei von allen Gedanken und Erfahrungen. Durch diese Freiheit war plötzlich Raum geschaffen, der neue Gedanken aufnehmen konnte. Diese Gedanken sind mit Worten kaum zu beschreiben. Es war ein Spiel der Farben, die sich kreisförmig nach oben schraubten. Oben angekommen, drehten sie sich abermals kreisförmig um nach unten zu schweben. Dabei nahmen sie unterschiedliche Formen und Gerüche an. Nach einer weiteren Wendung kamen sie wieder zum Anfang und setzen ihre Rundreise abermals fort. Es entstand eine gedankliche, liegende 8ter-Bahn – das Zeichen für Unendlich:

Nachdem sich alle Anwesenden bewusst an dieser Gedankenausrichtung beteiligten und die Form immer schneller und dichter wurde, gleichsam aber auch reicher an Farben, Formen und Gerüchen, erhoben sich alle und schlossen sich ebenfalls zu zwei Kreisen zusammen. Ihre äußere Form entsprach nun auch die ihrer Gedanken.

Das Ergebnis war ein zweistufiger Prozess. Der eine Kreis bildete das, was sich unmittelbar ergibt, der andere Kreis war in die unbekannte Zukunft gerichtet. Die Ältesten und Weisesten sollten den zweiten Kreis beleben um mit ihrer Weitsicht die Prozesse anzustoßen, deren Ausgang heute noch keiner ermessen kann. Der erste Kreis, der das Unmittelbare betrifft, soll aber bunt gemischt werden. Jedes Dorf sollte mindestens einen Menschen in diesen Kreis entsenden. Hier sollte gemeinsam entschieden werden, welche kurzfristigen Veränderungen entstehen. Beide Kreise aber verband das Band der Unendlichkeit und so war allen klar, dass auch der Austausch beider Kreise durch die Menschen lebt, welche diese Kreise mit Leben füllen.

Jeder konnte in den unmittelbaren Kreis eintreten und sich einbringen, er musste nur bewusst genug sein, den Kreis durch seine Präsenz zu bereichern. Ergab sich aus dem Mut und der Vernunft irgendwann die Weisheit, so war er bereit für den zweiten Kreis, der die Kultur der Gemeinschaft auch in einer fernen Zukunft erhält.


 

Der scheinbar erfolgreiche Manager (TEIL III)

Fast zeitgleich mit dem großen Treffen in dem Dorf [siehe Ausgangsartikel], das er einst als Tourist besucht hatte [siehe Teil II], um dort mit einem alten Mann in einem noch älteren Schaukelstuhl zu sprechen, verlor er das Bewusstsein. Ihm wurde schwarz vor Augen, dann brach er zusammen und knallte mit dem Kopf seitwärts auf den Marmorboden. Der dumpfe Aufschlag durchdrang den ganzen Raum. Was war passiert?

Als er seine Beförderung ins Management mit einer Fernreise feierte, war seine Welt noch in Ordnung. Auch sein Besuch in dem armen Fischerdorf und das Gespräch mit dem alten Mann hinterließen äußerlich keine Spuren. Er nahm es als Ansporn noch härter zu arbeiten, um noch erfolgreicher zu werden. Bereits in diesem Urlaub machte er sich daran, seine Ziele für die kommenden Jahre festzulegen. Er war gewillt vieles zu entbehren und war sich sicher, dass selbst seine Familie diesen Preis bereit wäre zu zahlen!

Zurück in seiner Heimat, setzte er sogleich alle Hebel in Bewegung, seine selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Nicht alle seine Kollegen schätzten seine neue Einsatzbereitschaft, aber für die Manager über ihm war sein Verhalten Ausdruck dessen, was auch sie einst zum Erfolg führte.

Die unbezahlten Überstunden häuften sich und die Arbeit wurde nicht weniger. Kaum konnte er einen kleinen Erfolg feiern, brach an anderer Stelle das Chaos los und er musste einspringen. Seine Fähigkeiten als ‚Feuerlöscher‘ wurden anerkennend zur Kenntnis genommen und so war es nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Beförderung anstand. Es sah sehr gut aus, hörte er von seinem direkten Vorgesetzten. Dann aber die bittere Enttäuschung. Statt seiner wurde der Mitarbeiter einer völlig wesensfremden Abteilung auf die Position gesetzt, die er längst im Geiste ausfüllte.

„Da war wohl Vitamin-B im Spiel!", hörte er seine Kollegen sagen und „Mach Dir nichts draus, beim nächsten Mal klappt‘s!"

Für ihn aber brach eine Welt zusammen. Über ein Jahr hatte er sich abgeschuftet und nun das! Das war der Augenblick, in dem sein Körper versagte und auf den kalten Marmorboden aufschlug.

Der Betriebsarzt war schnell zur Stelle und konnte die Platzwunde zügig versorgen. Der einst so erfolgreiche Manager war in diesem Augenblick nicht mehr derselbe. Zu allem Überdruss schob sich nun das längst Verdrängte zwischen seine Gedanken. Schon Monate zuvor hatten sich seine Ehefrau von ihm losgesagt und mit ihr gingen auch die gemeinsamen Kinder.

So schnell die äußere Wunde heilte, so schwer war es, die seelischen Wunden zu heilen. Seine Vorgesetzten wussten keinen besseren Rat als den einst so erfolgreichen Manager in die Psychiatrie einzuweisen. Hier, so hofften sie, könnte er sich von seinen Seelenqualen befreien und frohen Mutes wieder zurückkehren.

Sein Leben in der Psychiatrie war ein gutes. Er machte große Fortschritte und öffnete sich seinen Therapeuten. Doch die jahrelang erlittenen Qualen brauchten ihre Zeit überwunden zu werden. So vergingen die Monate und mit ihnen veränderte sich auch das Bild außerhalb der Anstalt.

Längst hatte sich fernab der Anstaltsmauern ein Sturm entladen, der schon seit langem – jedoch nur sehr zurückhaltend wahrnehmbar – tobte. Es ist gar nicht mehr auszumachen, was letztendlich der Auslöser war, zu viel wirkte zeitgleich. So machten sich auch Historiker mit unterschiedlichen Sichtweisen heran, die Zeit zu (er-)klären. Für die einen war der Auslöser die stetig steigende Zinslast der Staaten durch ihre Staatsverschuldung, welche irgendwann mehr als die Hälfte der Staatseinnahmen verschlang. Diese Staatspleite glich einem Dominospiel. Einmal angestoßen begann die zerstörerische Welle sich über alle Länder auszubreiten, waren sie doch längst alle wirtschaftlich voneinander abhängig.

Andere Historiker wiederum sahen die Zuspitzung der Lage in den fortwährenden Kriegen, geführt durch die USA, um sich der schwindenden Rohstoffe zu bemächtigen. Wiederum andere sahen die ausufernden Flüchtlingsströme – die Folgeerscheinung der andauernden Kriege – als Grund, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Und noch mindestens fünf weitere Thesen, wie den Individualismus in der Gesellschaft oder der zunehmende Extremismus und weitere ‚-ismen‘ wurden von den Geschichtsschreibern ins Feld geführt. Sie mühten sich, die Geschehnisse in ein Licht zu rücken, damit die Folgegenerationen den Verstand dieser Tage einst erfassen sollten. Sodass zukünftig nicht die Gier, sondern die Vernunft das Geschehen bestimmt!

Dies alles jedoch interessierte die Menschen nicht, die sich inmitten dieses Krieges befanden, der anders war, als alle Kriege zuvor. Für sie ging es ums nackte Überleben. Nachfolgenden Generationen wird es schwerfallen zu verstehen, wieso die Menschen nicht Vorsorge getroffen haben. Wieso nicht ausreichend Vorräte in den Kellern lagerten und wieso sich die Menschen so abhängig von Technologie und Energie machen konnten. Im Nachgang betrachtet mag dies so erscheinen, jedoch war der damalige Prozess ein schleichender und so besonders tückisch.

Über Jahre hinweg gab es Frieden. Die Versorgung von Lebensmitteln, Energie und Technologie schien gesichert, wenn nicht sogar im Überfluss vorhanden. Längst waren die Lebensmittel auch nicht mehr von der Qualität wie früher, dass sie lagerfähig gewesen wären, zu schnell verdarb das Obst und Gemüse. So ging allmählich auch das Wissen verloren, wie man Kartoffeln lagert oder gar dass Karotten in einer Holzkiste und in Sand gebettet, dazu noch in einem dunklen und kühlen Raum gelagert, über lange Zeit frisch blieben. Auch die Gabe aus einem Samen eine Frucht zu ziehen ging verloren. Längst gab es kaum noch Bauern in der Umgebung die dieses Wissen noch hatten. Industriell gefertigte Nahrung war gut und günstig. Kurzum, man machte sich keine Gedanken für die Zeit, die nun anstand.

Aber die Technologie brachte auch etwas Gutes – wenn man es so nennen will. Die Menschen wussten fast zeitgleich von dem nahenden Inferno: alle hatten die gleichen Chancen. So machten sich auch fast zeitgleich die Massen auf und plünderten die wenigen Supermärkte in der näheren Umgebung. Die Stimmung war erfüllt von Angst, Wut und Hass. Jeder war sich selbst der Nächste und versuchte so viel an Lebensmitteln zu ergattern, wie nur irgend möglich. Die Sicherheitskräfte waren schnell mit ihren Möglichkeiten am Ende. Selbst die Soldaten, welche nun auch im Inneren des Landes wirken durften, brachten nicht die erwünschte Ruhe. So dauerten die Plünderungen fast eine Woche, obwohl die Lebensmittelläden bereits am ersten Tag leergeräumt und verwüstet waren.

Brennende Straßen, zerstörte Häuser und blutende Äcker zeugten vom Bilder der Verwüstung. Von den einst blühenden Landschaften blieb nur die Erinnerung zurück.

Von alledem jedoch bekam unser scheinbar erfolgreicher Manager nichts mit. Er lebte in dem Gefängnis seiner Wünsche und Träume und wurde heimgesucht von seinen Erinnerungen. Da er zu der Zeit, als er noch an seinen Erfolg glaubte, keine Zeit hatte, sich für Politik oder ähnliches zu interessieren, hat er damals auch nicht die aufkeimenden Anzeichen des Niedergangs wahrgenommen. Nun war es zu spät! So verbrachte er die Monate der Verwüstung in einer ScheinWelt. Dort wurden die Wünsche seiner Vorgesetzten zwar nicht direkt erfüllt, denn das Seelenheil war noch in weiter Ferne, jedoch sein körperliches Heil war ihm wohl gesonnen. Einem Großteil seiner einstigen Kollegen jedoch wurde es genommen.

Denken, Nachdenken, Selbstdenken, Erkenntnisgewinn, ErleuchtungNach der Zeit des Krieges kommt aber auch wieder die Zeit des Friedens. Und selbst in dieser Geschichte sind die Kämpfe irgendwann gekämpft, die Wunden versorgt, die Trümmer beseitigt. Mit dem äußeren Wiederaufbau stellt sich die Frage nach dem Inneren.

Die spannendste Frage für einen Neuanfang ist somit: „Welches Gesellschaftssystem wählen wir für unseren Neuanfang?“ Um genau diese Frage zu klären, wurden die klügsten Köpfe zusammengerufen, die das Inferno überlebten. Sie trafen sich an einem geheimen Ort, um der Frage nachzugehen, wie zukünftig die Menschheit zu Glück und Wohlstand zu führen sei. Die ausgesprochene Frage nach dem „Gesellschaftssystem“ für den Neuanfang sorgte für betroffenes Schweigen im Raum, denn keiner hatte eine Antwort parat.

Da nahm einer unter den vielen seinen ganzen Mut zusammen, trat hervor und sprach mit leiser, aber fester Stimme: „Ich war als Tourist einst in einem Dritte-Welt-Land. Dort haben sich die Stämme für zwei Tage zusammengefunden, um genau der gleichen Frage nachzugehen.“ Er machte eine größere Pause, um abzuwarten, welche Reaktionen die restlichen Versammelten zeigten. Alle blieben still, mit festem Blick auf ihn gerichtet. So setzte er fort: „Ich habe noch Kontakt zu dem alten Mann, der einst die Dörfer zu diesem Treffen zusammenrief. Ich könnte ihn fragen, ob er einen passenden Vorschlag für uns hat."

Roland Forberger


Quelle:

Bild- und Grafikquellen:

1. Mann mit Strohhut - nachdenkend über eine tragfähige Lösung. Foto: Alwin Gasser. Quelle: Pixelio.de.

2. Mann auf Karton sitzend, über die Zukunft nachdenkend. Foto: Bernd Kasper. Quelle: Pixelio.de.

3. "Denk mal nach ... so lange es noch legal ist." Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de.

4. Niederlagen hinnehmen, erschrecken . . dann infolge von Erkenntnissen kommt es zu neuen Ideen. Ein weißer Rat: Es ist allemal sinnvoller, sich in der Dunkelheit zurechtfinden zu lernen, indem sich der Mensch an den kleinen Lichtern der Erkenntnis orientiert. Foto: Jenzig71, Jan Gropp - 07749 Jena / www.Blickreflex.de - Quelle: Pixelio.de. Verwendung: Nur redaktionelle Nutzung. >> Foto.

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