Kiews Botschafter in Österreich und Deutschland
Heldenliedspieler
von Franz Schandl, Wien/A.
„Es muss zusammenwachsen, was zusammengehört“, sagt Kiews Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez [5]: „Die Neutralität ist eindeutig keine Option für die Ukraine“. Freiheit heißt NATO. Zwar ist der Mann nicht ganz so schrill wie sein Kollege Andrij Melnyk [6] in Deutschland, doch die Deutlichkeit des „erfrischenden Klartext-Deutsch“ (Ulf Poschardt), nach dem unmissverständlichen Motto „Alles hört auf unser Kommando!“, ist auch in Wien zu vernehmen.
In solchen Gesandtschaften wird heiß gekocht und heiß gegessen. Auch schon vor der russischen Invasion. So wurde 2019 unter Olexander Scherba [7], dem Amtsvorgänger von Chymynez zwischen 2014–2021, sogar dem ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz nach fadenscheinigen Vorwürfen kurzfristig die Frontgebietsakkreditierung aberkannt.
Fotos von links nach rechts: Andrij Melnyk, Olexander Scherba und Wassyl Chymynez.
Man nimmt sich jedenfalls kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, zu fordern, was zu fordern ist: Sanktionen und Waffen. Die Lieferanten haben zu spuren. Spuren sie nicht, sind sie zu bezichtigen und zu beflegeln. So findet diese Diplomatie zu ihrem eigenen Komparativ. Je gröber, desto größer das Echo. Die Gebotschafter sind forsche Künder ihrer Gebote:
„Du sollst!“ - „Du hast!“ - „Du musst!“.
Natürlich gilt es auch die seltsame Gunst der Stunde zu nützen, Interessen als Imperative zu offenbaren und sie in die heroische Sprache von Pflicht und Verrat zu kleiden. Heldenliedspieler haben Hochsaison. Zur Zeit inszenieren sie die Sagen des heiligen Wolodymyrs.
Am besten kommen sie damit bei jenen an, die sich noch gestern derlei kaum hätten bieten lassen, bei den frischgebackenen Neobellizisten. Im lauten „Wir!“ befangen, geht das Was und das Warum, aber auch das Wohin und das Woher dieses globalen Weltordnungskriegs völlig unter.
Wozu fragen, wenn man schießen will, wenn es Haubitzen gibt und Panzerfäuste?
Es geht nicht darum, aus dem Konflikt rauszukommen, sondern darum, andere reinzuziehen.
Das Schlachtfeld soll entscheiden.
Schlachtenbummler singen lautstark den Wertekanon.
Ukrainische Botschaften messen die Dezibel.
Es dreht sich nur noch um Sieg oder Niederlage.
Indes, wer immer dort siegen wird, wird kein Gewinner sein.
Franz Schandl
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Franz Schandl, geb. 1960 in Eberweis/Niederösterreich. Studium der Geschichte und Politikwissenschaft in Wien. Lebt dortselbst als Historiker und Publizist. Mitglied der Redaktion der Streifzüge. Vater dreier erwachsener Kinder.
► Quelle: Erstveröffentlicht am 19. Mai 2022 in Streifzüge >> Artikel [8]. "Streifzüge - Magazinierte Transformationslust" ist eine Publikation des Vereins für gesellschaftliche Transformationskunde in Wien. Verbreitung: COPYLEFT [9]. „Jede Wiedergabe, Vervielfältigung und Verbreitung der Publikationen in Streifzüge ist im Sinne der Bereicherung des allgemeinen geistigen Lebens erwünscht. Es gibt kein geistiges Eigentum. Es sei denn, als Diebstahl. Der Geist weht, wo er will. Jede Geschäftemacherei ist dabei auszuschließen." (Kritischer Kreis. Verein für gesellschaftliche Transformationskunde, Wien.).
Über: Die Streifzüge sind Mitte der Neunzigerjahre als Informationsblatt eines wertkritischen Diskussionszirkels in Wien entstanden. Wir verstehen uns als ein Publikationsprojekt, das Kritik, Perspektive und Transformation miteinander zu verbinden versucht.
Im Zentrum der Kritik steht der universelle Modus der Verwertung in all seinen Ausprägungen. Beim Wert und allen seinen Metamorphosen wie Markt, Tausch, Geld, Ware, Konkurrenz, Arbeit, Recht und Politik – da sind wir nicht nur skeptisch, wir wollen das weg machen und weg haben. Die Entwertung der Werte bedeutet nicht nur die Abschaffung des ökonomischen Werts, sondern stellt alle bürgerlichen Wertvorstellungen zur Transposition. So vertreten wir auch nicht irgendeine Realpolitik, die aufgrund ihrer falsch verstandenen Konstruktivität stets reparieren möchte, was kaputt macht.
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► Bild- und Grafikquellen:
1. S.E. Dr. Andrij Jaroslawowytsch Melnyk (* 7. September 1975 in Lwiw, Ukrainische SSR, Sowjetunion) ist seit dem 19. Dezember 2014 der ukrainische Botschafter in Deutschland. Foto: Stephan Röhl / stephan-roehl.de . Quelle: Flickr [10] / Flickr-Account der Heinrich-Böll-Stiftung. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0 [11]). Das im Artikel gezeigte Foto ist ein kleiner Bildausschnitt des Originalfotos, verändert von Helmut Schnug. Die Originallizenz bleibt bestehen!
2. Olexander Vasilyovich Scherba (* 22 Juni 1970 in Kiew) ist ein ukrainischer Diplomat. Von 2010 bis 2013 arbeitete er als Sonderbotschafter im Außenministerium der Ukraine. In den Jahren 2013-2014 war er als Berater des ersten Vizepremierministers der Ukraine, Serhiy Arbuzov, für die Verhandlungen mit dem IWF und der Europäischen Union (insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der EU) zuständig. Danach war er ab dem 17. November 2014 bis 11. Juli 2021 Botschafter der Ukraine in Österreich. Am 28. April 2021 wurde er als Botschafter in Österreich abberufen und trat am 11. Juli 2021 offiziell von seinem Amt zurück. Foto/Urheber: Ministry of Foreign Affairs of Ukraine. Quelle: Wikimedia Commons [12]. Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“ (CC BY-SA 4.0 [13]). Das im Artikel gezeigte Foto ist ein kleiner Bildausschnitt des Originalfotos, verändert von Helmut Schnug. Die Originallizenz bleibt bestehen!
3. Wassyl Wassyljowytsch Chymynez (engl. Transkription Vasyl Khymynets; * 13. Januar 1970 in Uschhorod oder Kybljary, Rajon Uschhorod, Ukrainische SSR) ist ein ukrainischer Diplomat. Im Oktober 2021 wurde er als Nachfolger von Oleksandr Schtscherba außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Ukraine in der Republik Österreich. Foto: © BMEIA / Gruber. Urheber: Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten. Quelle: Flickr [14] und Wikimedia Commons [15]. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) (CC BY 2.0 [16]) lizenziert. Das im Artikel gezeigte Foto ist ein kleiner Bildausschnitt des Originalfotos, verändert von Helmut Schnug. Die Originallizenz bleibt bestehen!
4. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besucht Stellungen seiner Streitkräfte nahe der Frontlinie in der Region Donbass, Ukraine. Jahrelang wurden die russischstämmige und -verwurzelte Bevölkerung in der Ostukraine von den Regierungstruppen und den zahlreichen neofaschistischen Söldnermilizen massiv drangsaliert, gedemütigt und entrechtet. All die Jahre schaute der selbsternannte Wertewerte [sic!] dabei untätig zu. Foto: Pressedienst des ukrainischen Präsidenten / Ukrainian Presidential Press Service/Handout via REUTERS. Quelle: Flickr [17]. Diese Datei wurde mit der CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0 [16]) lizenziert.
5. Der österreichische Vizekanzler Werner Kogler (* 20. November 1961 in Hartberg, Steiermark) trifft am 3. März 2022 den ukrainischen Botschafter Vasyl Khymynets in Österreich. Foto: © Shervin Sardari. Urheber: Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS), Radetzkystraße 2 - 1030 Wien > http://bmkoes.gv.at. Quelle: Flickr [18]. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0 [19]).