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Aktualisiert: vor 57 Minuten 28 Sekunden

Das undurchsichtige Lobbynetzwerk chinesischer Techkonzene

19. August 2024 - 8:35

Chinesische Techkonzerne drängen stark auf den europäischen Markt und bauen ihre Lobbyarbeit in Brüssel und Berlin aus. In einer Kurzstudie stellen wir deren Macht und Einfluss in Europa dar.

Zusammenfassung
  • Chinesische Techkonzerne sind in Europa verstärkt präsent über Sponsoring, zuletzt bei der Fussball-Europameisterschaft in Deutschland.
  • Mit Huawei und Tiktok fallen zwei chinesische Techkonzerne mit zunehmender Lobbyarbeit auf. Zusammen geben sie 6,39 Mio. Euro in der EU und Deutschland aus.
  • Chinesische Techkonzerne haben ein Imageproblem und investieren deshalb in Imagewerbung. Tiktok und Huawei etwa setzen auf Präsenz auf der Republica oder über Förderprogramme für junge Menschen.
  • Um ihr Image gegenüber der Politik zu verbessern, arbeiten Huawei und Tiktok mit Denkfabriken in Brüssel zusammen. Die Verbindungen legen die Konzerne teilweise nicht offen.
  • Wegen ihres schlechten Images bei der Politik setzen chinesische Techkonzerne auf die Zusammenarbeit mit Lobbyagenturen, die im Auftrag der Unternehmen lobbyieren. Die zentralen Agenturen in Brüssel sind Brunswick und FTI Consulting.
  • Schützenhilfe bei der Lobbyarbeit bekommen chinesische Techkonzerne von der deutschen Industrie. Bei der Beteiligung am 5G-Ausbau unterstützten die deutschen Netzbetreiber Huawei, allen voran die Telekom.
  • Neben der deutschen Industrie können sich chinesische Unternehmen darauf verlassen, dass sie stets die chinesische kommunistische Partei und ihre verlängerten Arme vor Ort an ihrer Seite haben. Die Botschaften in Berlin und Brüssel spielen dabei eine bedeutende Rolle.
  • Die Kommunistische Partei Chinas hat über die Jahre Netzwerke in Europa aufgebaut. Eine zweifelhafte Rolle spielen dabei die Parlamentariergruppen in Brüssel und Berlin sowie sogenannte chinesische Freundschaftsvereine.
  • In Berlin fällt vor allem die China-Brücke als Lobbyforum der chinesischen Techkonzerne auf. Huawei Cheflobbyist Carsten Senz ist einer der Mitgründer der China-Brücke.

Chinesische Techkonzerne drängen aktuell stark auf den europäischen Markt. Besonders sichtbar wurde das zuletzt durch das massive Sponsoring bei der Fußball-Europameisterschaft. Daher ist es nicht überraschend, dass diese Konzerne auch ihre Lobbyarbeit in Brüssel und Berlin ausbauen. Das gilt vor allem für Huawei und Tiktok, aber auch Alibaba macht sich mittlerweile bemerkbar. Über eine Ausweitung der Lobbyaktivitäten, Imagewerbung und ein undurchsichtiges Lobbynetzwerk, das die Unterstützung der staatlichen Diplomatie der kommunistischen Partei und der deutschen Industrielobby hat, weitet sich der Einfluss chinesischer Techkonzerne aus. Ein Überblick.

Wer ist Chinese Big Tech?

Die drei größten chinesischen Techkonzerne Baidu, Alibaba und Tencent spielen auf dem europäischen Markt keine vergleichbar dominante Rolle wie auf ihrem chinesischen Heimatmarkt. Das chinesische Internet ist von der sogenannten „Great Firewall“ umgeben, aller Datenverkehr von und nach außen wird politisch kontrolliert. Im chinesischen Internet gelten besondere Gegebenheiten, die von starker Zensur und der Abwesenheit internationaler Konkurrenz geprägt sind.

Viele chinesische Digitalkonzerne sind deshalb fast ausschließlich auf den chinesischen Markt konzentriert. Einerseits wegen seiner Größe, aber auch wegen der Schwierigkeit, Parallelstrukturen für das chinesische und das internationale Internet aufzubauen. Entsprechend ist deren Lobbyarbeit bisher überschaubar: Baidu betreibt laut europäischem und deutschem Lobbyregister überhaupt keine Lobbyarbeit. Alibaba und Tencent geben zusammen 1 Mio. Euro in Brüssel und 120.000 Euro in Berlin an Lobbyausgaben an. Zum Vergleich: Google, Amazon und Meta geben in Brüssel zusammen 19,5 Mio. Euro jährlich aus.

BAT: Baidu, Alibaba und Tencent

Als die drei größten Techkonzerne aus China gelten Baidu, Alibaba und Tencent. Sie werden kurz BAT genannt.

  • Baidu ist das chinesische Google mit der entsprechenden Suchmaschine.
  • Alibaba verfügt mit Taobao und außerhalb von China mit Aliexpress über die größte chinesische Handelsplattform und den breit genutzten dazugehörigen Bezahldienst Alipay. Der Konzern ist das chinesische Gegenstück zum US-Konzern Amazon.
  • Tencent vereint die größten chinesischen Social Media Plattformen und Messenger auf sich. Das Unternehmen ist vergleichbar mit Meta, dem Mutterkonzern von Facebook, Instagram und Whatsapp. Tencent bietet mit WeChat noch viel mehr Funktionen an als Meta mit seinen Social Media Angebot, allen voran die Bezahlfunktionen. Inzwischen wird in China fast jede Alltagszahlung über WeChat gemacht.
  • Sowohl Alibaba als auch Tencent bieten damit vergleichbare Bezahldienste wie das US-Pendant Paypal an. Baidu hat ebenfalls einen Bezahldienst, der aber nicht vergleichbar relevant ist.

    Quelle

Auffällig ist, dass Alibaba zwar nicht mit direkter Lobbyarbeit, sehr wohl aber über Sponsoring präsent ist. Alipay und Aliexpress waren Sponsoren der Fussball EM 2024 in Deutschland und tauchten in zahlreichen Werbebannern auf. Das deutet darauf hin, dass Alibaba in naher Zukunft verstärkt auf den europäischen Markt expandieren könnte. Ein größeres Logistikzentrum gibt es bereits seit 2021 am Flughafen Lüttich.

Huawei und Tiktok: Großes Interesse am europäischen Markt

Doch es gibt durchaus andere chinesische Techkonzerne, die bereits in Europa engagiert sind und zunehmend ihr Geschäft auf dem europäischen Markt aggressiv ausbauen beziehungsweise verteidigen. Deren Auftreten dürfte uns Hinweise darauf geben, was wir perspektivisch von Alibaba & Co zu erwarten haben. Allen voran sind das der Technologiekonzern Huawei und die umstrittene Videoplattform Tiktok des Mutterkonzerns ByteDance. Das schlägt sich auch in deren Lobbyarbeit nieder.

Verstärkte Lobbyarbeit von Huawei und Tiktok

Huawei und Tiktok betreiben zunehmend Lobbyarbeit in Berlin und Brüssel. Hier ein Überblick über ihr Engagement:

Eckdaten zu Huaweis Lobbyarbeit
  • Huawei gibt seit 2012 2-3 Mio. Euro pro Jahr für Lobbyarbeit in Brüssel aus.
  • Das Unternehmen verfügt über 11 Vollzeitlobbyist:innen in der EU (Quelle), die seit Beginn der von der Leyen Kommission Ende 2019 insgesamt 32 Treffen mit dem Top-Level der EU-Kommission (Kommissar:innen und ihre Kabinette) hatten (Quelle). Weitere Treffen auf der Arbeitsebene dürften stattgefunden haben. Diese legt die EU-Kommission allerdings nicht offen.
  • In Berlin betreibt der Konzern ebenfalls Lobbyarbeit und gibt dort 2,9 Mio Euro aus. Das ist vergleichbar mit den Ausgaben in Brüssel. Das Hauptstadtbüro in Berlin existiert seit 2012 (Quelle), also ähnlich lang, wie Huawei Lobbyarbeit in Brüssel angibt.
  • Interessant dabei: offenbar sind ähnlich viele Personen in die Lobbyarbeit in Berlin involviert wie in Brüssel. Das zeigt das große Interesse von Huawei an einer Beeinflussung der deutschen Politik beziehungsweise der Position der Bundesregierung bei EU-Gesetzgebung im Rat.
Eckdaten zu Tiktoks Lobbyarbeit
  • Tiktok hat sich erst 2019 im EU-Transparenzregister eingetragen. Während die Videoplattform 2019 400.000 Euro ausgab, gibt der Konzern zuletzt 1,25 Mio. Euro für seine Lobbyarbeit an (Quelle).
  • Tiktok verfügt über 5 Vollzeitlobbyist:innen in Brüssel und hatte insgesamt 34 Treffen mit der EU-Kommission auf der Kommissar:innen- und Kabinettsebene während der letzten 5 Jahre. Auch hier gilt wie bei Huawei, dass womöglich weitere Treffen auf unteren Ebenen der Kommission stattfanden, die nicht offengelegt werden müssen.
  • In Deutschland gibt der Konzern 200.000 Euro für seine Lobbyarbeit an und verfügt über drei Vollzeitlobbyist:innen.
Huawei: Kontroverse um den 5G-Netzausgbau

Huawei engagiert sich in Deutschland und anderen EU-Ländern um nicht beim 5G-Netzausbau ausgeschlossen zu werden. Viele der Lobbytreffen von Huawei in Brüssel fanden zum Thema 5G statt. [Quelle] Während Frankreich, die USA, Australien und Großbritannien etwa Huawei-Komponenten im Netzausbau bereits ausgeschlossen haben, ist die Entscheidung der Bundesregierung dazu lange offen gewesen. Erst vor wenigen Tagen erst entschied sie sich für einen Teilausschluss von Huawei Komponenten. Zu Recht. Schon lange gibt es die Forderung Huawei vom 5G-Netzausbau aus sicherheitspolitischen Gründen auszuschließen, weil der Vorwurf im Raum steht, dass die Verbindungen zur chinesischen Regierung zu nah sind und diese damit Zugriff auf Kommunikationsinfrastruktur in Europa habe.

Auch wenn sich die Bundesregierung jetzt mit den Netzbetreibern Telekom, Vodafone und O2 Telefónica geeinigt hat, wurde die Entscheidung von der Vorgängerregierung und der aktuellen Regierung jahrelang verzögert. Das gefährdet nach wie vor die Sicherheit von kritischer Infrastruktur für unsere Gesellschaft (Quelle). Nach dem russischen Gas könnte der nächste sicherheitspolitische Gau mit der Abhängigkeit von chinesischer Kommunikationsinfrastruktur folgen, in die die Bundesregierung sehenden Auges hineingerannt ist. Die Abhängigkeit unserer Demokratien von autokratischen Staaten ist ein Demokratieproblem. Und sie wird mit der jetzigen Entscheidung der Bundesregierung noch einige Jahre fortbestehen. Mehr hierzu in unserer Recherche zu Huawei und 5G.

Tiktok und die Digitalgesetzgebung

Das Demokratieproblem setzt sich auch bei der Bedeutung von Tiktok für die mediale Öffentlichkeit, insbesondere unter jungen Menschen fort. Unsere Demokratie braucht faktenbasierte öffentliche Debatten als Luft zum Atmen. Tiktok produziert jedoch allzu oft das Gegenteil: Fakenews und Hatespeech. Dass dies eine Bedeutung für den Ausgang von Wahlen hat, zeigte zuletzt die Europawahl im Juni.

Lobbyarbeit machte Tiktok zuletzt in Brüssel zu den großen Digitalgesetzen der von-der-Leyen-Kommission, dem Digital Markets Act (DMA) und dem Digital Services Act (DSA). Von beiden Gesetzen, dem DMA und dem DSA, wird die Videoplattform erfasst und darüber stärker kontrolliert. Das ist ein Riesenschritt nach vorn gegen Fakenews und Hatespeech. Ein Großteil der Lobbytreffen von Tiktok mit der EU-Kommission seit 2020 betraf die beiden Gesetze (Quelle).

Auch bei Tiktok steht immer wieder die Forderung im Raum, dass der Konzern vom europäischen Markt ausgeschlossen werden soll. In den USA wird derzeit ein Verkauf oder Verbot von Tiktok diskutiert. Dem Mutterkonzern ByteDance wird vorgeworfen, dass er der chinesischen Regierung Zugang zu sämtlichen Daten auf Tiktok gewähre. (Quelle)

Auftreten als „privater Konzern“ und Lobbyakteur

Huawei und Tiktok teilen das Interesse sich als private Unternehmen und als unabhängig vom chinesischen Staat darzustellen, weil es in ihrem Geschäftsinteresse ist, auf dem europäischen Markt wie jedes andere private Unternehmen behandelt zu werden. Deshalb betreiben beide Unternehmen im klassischen Sinne Lobbyarbeit. Die Unabhängigkeit vom Staat ist jedoch zweifelhaft. Selbst wenn sie formal gegeben ist, hat das chinesische Regime im Zweifel Zugriff auf die Konzerne und unsere Datenflüsse, über die sie verfügen.

Um den Eindruck des privaten Unternehmens zu verstärken, sind sowohl Huawei als auch Tiktok in Brüssel und Berlin Mitglied in zahlreichen übergreifenden Wirtschaftsverbänden, Huawei etwa im European Services Forum (ESF), dem Verband des EU-Dienstleistungssektors (Quelle) oder Tiktok im Verband der EU-Digitalindustrie DigitalEurope. Gleiches gilt in Deutschland, wo beide Unternehmen Mitglied im Branchenverband Bitkom sind. (Quelle)

Undurchsichtige Lobbyarbeit: Huawei, Tiktok und die EU-Denkfabriken

US-Techkonzerne wie Google und Amazon arbeiten in Europa sehr eng mit Denkfabriken zusammen. Es gibt zahlreiche Verbindungen zu den großen Denkfabriken in Brüssel, die teilweise intransparent waren und die Google & Co nur auf von uns erzeugten öffentlichen Druck hin offenlegten. Das gilt nicht gleichermaßen für chinesische Techkonzerne. Doch auch Huawei und Tiktok haben Verbindungen zu Denkfabriken in der EU. Teilweise legen sie diese nicht offen:

  • Huawei und Tiktok geben jeweils Verbindungen zu 3 Denkfabriken in Brüssel an: Centre on Regulation in Europe (CERRE), BRUEGEL, Centre for European Policy Studies (CEPS).
  • Beide Konzerne haben zudem weitere Verbindungen zum Center for International Policy Leadership (CIPL), geben diese jedoch nicht an. Huawei verschweigt ferner seine Verbindung zum European Policy Centre (EPC), Tiktok gibt sie an.

Denkfabriken sind private Einrichtungen an der Schnittstelle von Forschung, politischer Debatte und Lobbying. Es gibt große Unterschiede zwischen ihren Arbeitsweisen und ihrem Ethos, und kontrolliert werden ihre Aktivitäten kaum. Denkfabriken sind oft ein wichtiger Bestandteil der Lobbystrategien großer Unternehmen, da sie durch die Veröffentlichung von Studien und Positionspapieren neue Gesetze beeinflussen können. Sie erwecken den Anschein der Objektivität und Unparteilichkeit in ihrer wissenschaftlichen Arbeit und können gleichzeitig mit auf die Gesetzgebung einwirken.

Die oben genannten Denkfabriken organisieren auch Diskussionsveranstaltungen mit politischen Entscheidungsträger:innen, durch die sich interessante Kontakte mit hochrangigen Beamte:innen aus Regierungen und EU-Institutionen ergeben. Alle der oben genannten Denkfabriken haben sich zu Themen der Digitalgesetzgebung geäußert, etwa zum Digital Markets Act und Digital Services Act der EU oder zur Beteiligung von Huawei und ZTE am 5G-Netzausbau.

Tiktok Werbekampagnen Tiktok-Werbung zum Thema Datenschutz und Sicherheit

Neben Ausgaben für Lobbyarbeit setzt Tiktok (weniger Huawei) auf Motiv-Kampagnen in Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland, um seinen Ruf zu verbessern. Wie viel Geld Tiktok dafür in die Hand nimmt, zeigen jetzt neue Berechnungen von uns. Demnach hat Tiktok seit Januar 2023 allein in Deutschland Imagewerbung im Wert von mehr als 910.000 Euro in Zeitungen und Zeitschriften geschaltet, darunter die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und Handelsblatt. Dabei handelt es sich um die Bruttowerbeausgaben und nicht um den von Tiktok tatsächlich aufgewendeten Betrag. Zum einen wird das Unternehmen versuchen einen niedrigeren Preis auszuhandeln. Dabei kann nur spekuliert werden, wie hoch die Rabatte in der Regel ausfallen. Zum anderen werden für solche Werbekampagnen Dienstleister engagiert, die ebenfalls bezahlt werden müssen.

Die Kosten für Printwerbung stellen gleichzeitig nur einen Teil der Aufwendungen für die Öffentlichkeitskampagnen dar. Beworben werden die Motive nämlich auch als Onlinewerbung und vor allem auch auf den Apps der Plattformen wie Tiktok selbst. Zudem wurden die Kampagnen auch in mehreren europäischen Ländern veröffentlicht. Insgesamt dürfte Tiktok in Europa deutlich mehr für Imagewerbung ausgeben, als die von uns berechneten 900.000 Mio. Euro.

Tiktoks Imagepflege: Sponsoring der Republica

Neben Motivkamapagnen fällt auf, dass Tiktok und Huawei auch auf andere Art und Weise systematisch an ihrem Image in Europa arbeiten. Tiktok etwa war 2024 Partner und Sponsor der Republica (Quelle) und hatte auch einen Stand mit diversen Veranstaltungen vor Ort. Am Stand verweilten zahlreiche Besucher:innen, die Veranstaltungen dort waren gut besucht. Alle Berliner Lobbyvertreter:innen des Konzerns waren zugegen und im Gespräch mit Interessierten. Das ist ein Erfolg für Tiktok. Denn die Republica ist die zentrale jährlich stattfindende Konferenz zur digitalen Gesellschaft, die tausende von Besucher:innen nach Berlin lockt. Dort tummelt sich auch die Prominenz der Berliner und der europäischen Politik. Selbst Kommissionspräsidentin von der Leyen war in diesem Jahr zu Gast.

Werbestand von Tiktok auf der Republica 2024 HUAWEI4HER: Huaweis Förderung von Frauen in Techjobs und weitere Imageinitiativen

Auch Huawei arbeitet an seinem Image, etwa über ein Förderprogramm für Frauen in Techjobs in ganz Europa namens HUAWEI4HER. Unter anderem bietet Huawei eine Summer School für weibliche Führungskräfte an und vergibt Stipendien für besonders begabte weibliche Jungunternehmerinnen.

Zudem bietet Huawei seit 11 Jahren das Nachwuchsprogramm „Digital Seeds“ für Studierende an, an dem laut eigener Aussage bereits 15.000 Studierende weltweit teilgenommen haben. 2013 begann das Förderprogramm für digitale Nachwuchsunternehmer:innen mit 14 Teilnehmer:innen, 2023 waren es 100, zwischenzeitlich sogar 200. Hauptgewinn des Wettbewerbs ist eine Reise in Chinas große Metropolen.

Zusammenarbeit mit Lobbyagenturen und Anwaltskanzleien

Die große Bedeutung von Imagearbeit ist kein Zufall bei Tiktok und Huawei. Wie es aus EU-Kommissionskreisen heißt, sind Vertreter:innen chinesischer Konzerne eher unbeliebt. Deshalb findet neben Imagewerbung Lobbyarbeit der Techkonzerne indirekt über Lobbyagenturen statt, die im Auftrag von Huawei & Co arbeiten.

Es sind vor allem zwei angelsächsische Lobbyagenturen, die regelmäßig im Zusammenhang mit chinesischen Techkonzernen auftauchen: Brunswick und FTI Consulting. Beide sind international aufgestellt und haben auch Standorte in China. Tiktok arbeitet mit FTI Consulting zusammen. Brunswick unterstützt Alibaba und Tencent bei der Lobbyarbeit in Brüssel. Huawei dagegen setzt auf die aus Spanien stammende, eher kleinen Lobbyagentur ACENTO. Sie verfügt über 5 Vollzeitlobbyist:innen in Brüssel vor Ort (Quelle).

Auch Anwaltskanzleien arbeiten im Auftrag chinesischer Techkonzerne. Bekannt ist das für die Kanzlei Albert & Geiger, die Huawei zu 5G-Lobbyarbeit unterstützt. (Quelle) Albert & Geiger arbeitet auch im Auftrag des Techkonzerns Xiaomi, dem weltweit drittgrößten Smartphonehersteller.

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Ob bei der Frage von 5G-Komponenten oder bei der problematischen Rolle von Tiktok bei der öffentlichen Meinungsbildung: Stets konnten sich chinesische Techkonzerne des Rückhalts der deutschen Industrie sicher sein. Bei der Frage etwa, ob Huawei vom 5G-Netzausbau ausgeschlossen werden solle, verhielten sich deutsche Konzerne auffällig zurückhaltend. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hielt vor einigen Jahren wenig davon, einzelne Hersteller vom Aufbau der 5G-Infrastruktur auszuschließen (Quelle), sprach zwar von der Notwendigkeit von IT-Sicherheit, weigerte sich allerdings bis zuletzt die chinesischen Komponentenhersteller Huawei und ZTE als Sicherheitsproblem zu benennen. (Quelle).

Noch deutlicher ist die Position der Netzbetreiber: Telekom, Vodafone und O2 Telefónica machten so lange wie möglich Druck, chinesische Netzkomponenten weiter verbauen zu können, wie es politisch möglich schien. (Quelle).

Die Sorge deutscher Unternehmen, vom wichtigen chinesischen Markt ausgeschlossen zu werden, ist groß. Hinzu kommt, dass viele deutsche Unternehmen günstige Produkte aus China für ihre eigene Fertigung beziehen, so etwa die Netzbetreiber im Falle von Huawei. Diese Abhängigkeiten erklären die Zurückhaltung der Verbände und der Unternehmen selbst, wenn es um den Ausschluss chinesischer Unternehmen in Deutschland und Europa geht, trotz berechtigter sicherheitspolitischer Bedenken.

Weil deutsche Unternehmen nicht auf russisches Gas verzichten wollten und bis zuletzt Druck dafür machten es weiter zu beziehen, war Deutschland nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine in seiner Abhängigkeit von einem autokratischen Staat bloßgestellt. Das könnte auch bei digitaler Infrastruktur passieren, wenn die Bundesregierung jetzt nicht schnell gegensteuert.

Repräsentanten der KP in Brüssel und Berlin

Neben der deutschen Industrie können sich chinesische Unternehmen darauf verlassen, dass sie stets die chinesische kommunistische Partei und ihre verlängerten Arme vor Ort an ihrer Seite haben, wenn es um Expansion auf Auslandsmärkten geht. Insbesondere Europa ist zuletzt verstärkt in den Fokus chinesischer Konzerne geraten, nachdem es in den USA häufiger zu Ausschluss vom Markt kam, unter anderem für Huawei beim Netzausbau.

In Brüssel und Berlin gibt es diverse staatliche und staatsnahe chinesische Institutionen und Lobbyorganisationen, die Interessen der chinesischen Konzerne gegenüber der Politik vertreten. Generell haben private chinesische Unternehmen ein engeres Verhältnis zum Staat als im Westen, der viel mehr Steuerungs- und Zugriffsmöglichkeiten auf Unternehmen hat. Deshalb ist das Risiko, dass etwa Daten an die chinesische Regierung abfließen, selbst bei privaten Techkonzernen hoch.

Botschaften in Berlin und Brüssel

Gleichzeitig bedeutet das enge Verhältnis zum chinesischen Staat auch, dass Unternehmensinteressen teilweise von Staats- oder Parteiorganen vertreten werden – so auch in Europa. Die Grenze von Lobbyismus und Diplomatie ist also teilweise fließend. Dennoch kann man auch auch nicht sagen, dass jedes chinesische Unternehmen direkt der verlängerte Arm des Staates ist. Die dargestellten Akteure vertreten nicht allein die Interessen chinesischer Techkonzerne, sondern der chinesischen Wirtschaft ingesamt.

Dazu gehören die chinesischen Botschaften. Der chinesische Botschafter in Brüssel macht immer wieder damit auf sich aufmerksam, dass er der EU und ihren Mitgliedstaaten damit droht, Marktzugänge in China zu schließen, sollten irgendwelche chinesische Unternehmen in Europa ausgeschlossen werden. In der Regel führt die Botschaft auch europäische Unternehmen ins Feld, die gegen eine Erschwerung des Marktzugangs für chinesische Unternehmen seien. Das dürfte auch zutreffen, sind diese doch selbst besorgt selbst den Marktzugang in China zu verlieren (Quelle), sehr interessant ist auch der X-Account der Botschaft.

  • Die chinesische Botschaft in Brüssel wies etwa noch Anfang Juli 2024 darauf hin, dass Huawei weiterhin der wichtigste Lieferant von Netzkomponenten weltweit sei trotz der westlichen Sanktionen (Quelle). Im Juli 2023 drohte die Botschaft, dass ein Ausschluss von Huawei aus dem 5G-Ausbau den eigenen Prinzipien widerspreche (Quelle). Das kommt einer unverhohlenen Drohung gleich entsprechende Konsequenzen auf dem chinesischen Markt zu ziehen.
  • Auch eine Studie der Telekom als Netzbetreiber führt die chinesische Botschaft ins Feld gegen den Ausschluss von Huawei aus dem 5G-Ausbau. (Quelle)
Agressives Auftreten

Deutlich aggressiver als die EU-Botschaft tritt die chinesische Botschaft in Berlin auf. Nach der Ankündigung, dass Huawei und ZTE vom 5G-Netzausbau perspektivisch ausgeschlossen werden, drohte die Botschaft über den Nachrichtendienst X Konsequenzen an. Bislang beruhe demnach die Marktöffnung auf Gegenseitigkeit. China werde „notwendige Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Interessen eigener Unternehmen zu schützen.“ (Quelle).

Auch die Chinesische Handelskammer in der EU vertritt die Interessen von chinesischen Unternehmen. Das ist zunächst nicht überraschend. Eine Besonderheit ist dabei jedoch, dass sie ausschließlich Interessen chinesischer Unternehmen vertritt und auch nur chinesische Unternehmen dort Mitglied sein dürfen. In der deutschen Handelskammer in China etwa sind sowohl chinesische als auch deutsche Unternehmen organisiert. Unter den Mitgliedern sind auch die Techkonzerne Huawei und ZTE, die Netzkomponenten für das 5G Netz bauen.

Weiterbildung mit der Chinesischen Handelskammer und internationalen Anwaltskanzleien

Die internationalen Anwaltskanzleien TMF Group und Clifford Chance sind assoziierter Partner der Chinesischen Handelskammer. Clifford Chance bot zuletzt Anfang Juni 2024 eine Weiterbildung für chinesische Unternehmen zur EU-Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten an, gemeinsam mit der Wirtschaftsberatungsfirma CompassLexecon (Quelle). Die TMF Group stammt aus den Niederlanden und betreut unter anderem eine Vielzahl von Briefkastenfirmen im Auftrag internationaler Konzerne (Quelle).

Parlamentariergruppen und Freundschaftsvereine

Immer wieder in der Kritik standen Parlamentariergruppen in Brüssel und Berlin. Die „EU-China Friendship Group“ wurde zwar infolge des Korruptionsskandals im Europäischen Parlaments offiziell aufgelöst (Quelle). Es gibt allerdings Anzeichen dafür, dass mindestens informelle friendship groups auch in der neuen Legislatur fortbestehen.

In Berlin besteht die Deutsch-Chinesische Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag ohnehin fort. Vorsitzender ist einer der Gründer der China-Brücke, der ehemalige Innenminister und CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Friedrich.

Daneben bestehen Freundschaftsvereine, die nicht direkt an die Parlamente gekoppelt sind. Sie sollen die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Europa und China verbessern. In Deutschland existiert der Deutsch Chinesische Freundschaftsverein, der in direkter Verbindung zur Kommunistischen Partei Chinas steht (Quelle). Eng verbunden mit dem Deutsch-Chinesischen Freundschaftsverein ist die ICP International China Projects GmbH, ein Beratungsunternehmen, das laut eigenen Angaben Unternehmen wie Airbus und Siemens zu Chinafragen berät. Geschäftsführerin von ICP ist die Vorsitzende des chinesischen Freundschaftsvereins Luoding Lammel-Rath.

Die Rolle der China-Brücke in Berlin

In Deutschland fällt vor allem die China-Brücke ins Auge. Die China-Brücke ist ein im Jahr 2019 gegründeter Verein, der sich selbst als unabhängige und überparteiliche Dialogplattform für den Austausch zwischen Deutschland, der Europäischen Union und China beschreibt. Laut den Angaben des Vereins kommen hierfür führende Akteure aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik zusammen, die über jahrelange Erfahrungen und ein ausgebautes Netzwerk in China verfügen. In verschiedenen Formaten will der Verein über die deutsch-chinesischen Beziehungen informieren, diskutieren und hierbei die Gesprächskanäle in die chinesische Politik und Gesellschaft offen halten und pflegen.

Die Initiative zur Gründung der China-Brücke geht insbesondere auf Michael Schumann, den Vorstandsvorsitzenden des Bundesverbands für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA), und den ehemaligen Bundesinnenmister und Bundestagsvizepräsidenten Hans-Peter Friedrich (CSU) zurück. Michael Schumann ist aktuell sehr bemüht um die chinesischen Wirtschaftsbeziehungen und kritisierte zuletzt die Zölle auf chinesische Elektroautos (Quelle). Ebenfalls zu den Gründern gehört der Huawei-Deutschland Cheflobbyist Carsten Senz. Er ist auch weiterhin im Vorstand der China-Brücke (Quelle).

Die übrigen Mitglieder der China-Brücke werden nicht offengelegt. Der Verein erklärte jedoch gegenüber dem Tagesspiegel, dass es sich unter anderem um Politiker:innen fast aller Bundestagsfraktionen handele. Die Namen der Mitglieder hält der Verein geheim. (Quelle)

Diskrete Gespräche in angenehmster Atmosphäre

Die China-Brücke hat verschiedene Dialogforen eingerichtet, darunter auch ein Forum zur Digitalisierung, das von Vorstandsmitglied Markus Hoffmann geleitet wird. Markus Hoffmann arbeitet beim Elektronikunternehmen CMS Electronics und ist unter anderem Gastprofessor an einer technischen Hochschule in China (Quanzhou Vocational and Technical University). Neben den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen macht er sich vor allem auch für die deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen stark. Noch im Juni 2024 empfing Hoffmann eine chinesische Delegation aus Wirtschafts- und Politikvertretern in München. Thema waren unter anderem Wirtschaftssanktionen gegen China. Er meldete sich dazu kritisch zu Wort via Linkedin. (Quelle).

Die China-Brücke organisiert seit Ende 2023 zudem eine Webinarreihe, die Hoffmann ebenfalls über sein Linkedin-Profil bewarb. Präsenzveranstaltungen der China-Brücke finden unter anderem im exklusiven China-Club Berlin statt, einem zentralen Ort für diskrete Lobbygespräche im Berliner Regierungsviertel. Die Deutsche Welle berichtete unter anderem über den China Club (Quelle), über exklusive Veranstaltungen und legendäre Partys, die dort stattfinden. Der ehemalige Präsident des Wirtschaftsrats der CDU Kurt Joachim Lauk wird zitiert mit der Aussage, der China Club sei ein „idealer Treffpunkt [geworden] im politischen Zentrum der Stadt, für diskrete Gespräche zwischen Politik und Wirtschaft in angenehmster Atmosphäre.“ (Quelle). Die Aufnahme in den Club kostet laut Business Insider mindestens 10.000 Euro. (Quelle)

Die Lobbymacht der chinesischen Techkonzerne

Insgesamt zeichnet sich eine verstärkte Präsenz und Lobbyarbeit chinesischer Techkonzerne ab, die durch ein weit verzweigtes Netzwerk an Akteuren flankiert werden. Diese stehen teilweise dem chinesischen Staat nahe. Das Lobby-Netzwerk der Techkonzerne ist undurchsichtig, Kontakte zu Denkfabriken werden von Huawei und Tiktok teilweise nicht offengelegt.

Auch wenn chinesische Techkonzerne im Vergleich zu US-Big Tech noch nicht vergleichbar aggressiv auftreten, sind sie dennoch zunehmend aktiver und äußerst einflussreich. Sie können sich zusätzlich auf Rückendeckung staatlicher chinesischer Institutionen verlassen und auf die Lobbyarbeit der deutschen Industrie in Berlin und Brüssel verlassen.

Nach der massiven Werbung während der Fussball Europameisterschaft ist damit zu rechnen, dass weitere chinesische Techkonzerne in den kommenden Jahren auf den europäischen Markt streben und sich deren Lobbyarbeit ebenfalls bemerkbar machen wird, sobald die Politik ihre Interessen berührt. Wir bleiben hier dran und machen Druck für Transparenz und effektive Lobby- und Korruptionskontrolle.

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Kategorien: Externe Ticker

Wie wirken die neuen Lobbyregister-Regeln?

5. August 2024 - 11:34

Seit Juli 2024 gelten deutlich verschärfte Regeln für das Lobbyregister. Wie gut funktionieren sie und wo bestehen weiterhin Probleme? Wir haben uns das am Beispiel der Lobbyagentur EUTOP genauer angeschaut.

In den kommenden Wochen werden wir Schlaglichter auf einzelne Bereiche werfen und kritisch beleuchten. Eine umfassende Bewertung der neuen Regeln haben wir bereits in unserem Lobbyreport 2024 vorgenommen. Nun geht es um die Praxis. In diesem ersten Teil widmen wir uns dem Thema Lobbyismus im Auftrag.

Eine Kernfunktion eines Lobbyregisters ist es, sichtbar zu machen, wer in wessen Auftrag Interessen vertritt und auf was genau die Lobbyarbeit abzielt. Vor der Reform des Lobbyregister-Gesetzes durch die Ampelkoalition war beides nur sehr eingeschränkt gegeben: Lobbyist:innen waren nicht verpflichtet transparent zu machen, auf welche Gesetze sie einwirken wollen. Lobby-Dienstleister wie Lobbyagenturen oder -kanzleien mussten zwar ihre Auftraggeber benennen, aber keine weiteren Angaben machen, was sie für diese eigentlich leisten und wie viel Geld sie dafür bekommen.

Altes Lobbyregister schaffte nur wenig Klarheit

Zudem wurde die Transparenz darüber, wer eigentlich in wessen Auftrag auf Bundesregierung und Bundestag zugeht, erheblich durch Kettenbeauftragungen beeinträchtigt. Konkret: Unternehmen X erteilt Lobbyagentur Y einen Auftrag, diese reicht diesen an ihre Partneragentur Z weiter, die wiederum Unterauftragnehmer A beauftragt. Letzterer gab dann nur Agentur Z als Auftraggeber an, welche wiederum Agentur Y nannte, sodass für niemanden nachvollziehbar war, für welche der vielen Kunden von Agentur Y Unterauftragnehmer A letztlich tätig war.

Diese fehlende Information ist aber äußerst relevant. Denn es ist ein großer Unterschied, ob zum Beispiel eine ehemalige Verteidigungsministerin für einen Rüstungskonzern Lobbyarbeit betreibt oder ob sie für einen Konzern tätig ist, mit dessen Bereich sie als Politikerin keine Berührungspunkte hatte.

Die Lobbyagentur EUTOP beschäftigt zahlreiche frühere Politiker:innen

Diese Problematik haben wir im Lobbyreport 2024 am Beispiel der Lobbyagentur-Familie EUTOP ausführlich beleuchtet. EUTOP ist besonders betrachtenswert, da die Agentur zahlreiche ehemals hochrangige Politiker:innen als Unterauftragnehmer beauftragt. Diese dienen dazu, ihr Netzwerk zu aktiven Politiker:innen und ihre Kenntnisse des Politbetriebs zu nutzen, um den Kunden von EUTOP die Türen zu öffnen und Informationen einzuholen. Daher ist es von besonderem Interesse zu erfahren, wer letztlich für wen bei Bundestag und Bundesministerien an die Türen klopft.

Hochrangige Ex-Politiker:innen wurden Lobbyist:innen

Im Lobbyreport hatten wir ganze 25 Ex-Politiker:innen identifiziert, die für EUTOP tätig waren, darunter ehemalige Minister:innen, Staatssekretär:innen, Bundestags- und Europaabgeordnete. Für welche der Auftraggeber von EUTOP, darunter Konzerne aus vielen verschiedenen Branchen wie Bayer, Huawei, Krauss-Maffei Wegmann, BMW, Südzucker, British American Tobacco und ExxonMobil, sie jeweils eingesetzt wurden, war aber nicht feststellbar.

Das verschärfte Gesetz soll Abhilfe schaffen: Werden Lobbyaufträge weitergereicht, müssen die Unterauftragnehmer angegeben werden. Zudem müssen Lobbyist:innen transparent machen, auf welche Gesetze sie einwirken wollen und was der Auftrag umfasst. Was lässt sich also mit dem neuen Gesetz erkennen? Wurde das Transparenzziel erreicht?

Neues Lobbyregister verbessert Transparenz

Kurz gesagt: Ja und Nein. Es lässt sich nun tatsächlich deutlich besser nachvollziehen, welche der Ex-Politiker:innen für welche Unternehmen tätig sind. Aber so wie EUTOP und teilweise ihre Unterauftragnehmer die neuen Regeln umsetzen, bleiben dennoch Fragen offen. Die Bundestagsverwaltung sollte hier genau hinschauen.

Zunächst lässt sich feststellen, dass sich die Zahl der laut den Angaben der Agenturfamilie EUTOP konkret benannten Unterauftragnehmern deutlich reduziert hat. Waren es zuvor 27 Lobbyist:innen (davon 25 Ex-Politiker:innen), die nach den alten Regeln eine der EUTOP-Agenturen als Auftraggeberin identifizierten, benennt EUTOP jetzt lediglich 13. Diese sind meist für mehrere der EUTOP-Kunden tätig, Anzahl jeweils in Klammern:

  • Leo Dautzenberg (10), CDU-Bundestagsabgeordneter 1998-2011
  • Volkmar Vogel (9), CDU Bundestagsabgeordneter 2002-2021, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern 2020-2021
  • TKM Consulting (7), Beratungsunternehmen von Martin Dörmann, SPD-Bundestagsabgeordneter 2002-2017
  • Ursula Heinen-Esser (6), CDU-Bundestagsabgeordnete 1998-2013, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium 2007-2013, Ministerin für Umwelt und Landwirtschaft in NRW 2018-2022.
  • Dr. Hans-Ulrich-Krüger (5), SPD-Bundestagsabgeordneter 2002-09 & 2013-17
  • Clemens Neumann (5), Abteilungsleiter im Bundeslandwirtschaftsministerium 2006–2019
  • Ludwig Stiegler (5), SPD-Bundestagsabgeordneter 1980-2009
  • Dr. Hans Bernhard Beus (3), Staatssekretär im Bundesfinanzministerium 2010-2013 und im Bundesministerium des Innern 2008–2010
  • Alexander Pickart Alvaro (2), FDP-Europaabgeordneter 2004-2014, Vizepräsident des Europaparlaments 2011–2014
  • Franz-Josef Lersch-Mense (2), SPD, NRW-Europa- und Medien-Minister 2015–2017, Chef der Staatskanzlei NRW 2010–2017
  • Uwe Beckmeyer (ExxonMobil), SPD, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium 2013–2018
  • Dr. Wolfgang Herrmann (Bayer AG), Präsident der TU München 1995-2019
  • Christine Scheel (Edeka), Grünen-Bundestagsabgeordnete 1994-2012
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Betrachtet man die Lobbyregister-Einträge dieser EUTOP-Unterauftragnehmer, fällt auf, dass die Angaben dort in einigen Fällen von denen von EUTOP selbst abweichen oder zumindest Fragen offen lassen. Die meisten der Unterauftragnehmer:innen geben an, lediglich einen Auftrag von EUTOP erhalten zu haben, auch wenn sie für mehrere der EUTOP-Kunden tätig sind. Der Auftrag wird dann sehr allgemein beschrieben und ist bei den meisten EUTOP-Lobbyist:innen exakt gleich formuliert:

„Im Rahmen des Auftrags zur Unterstützung der Aufträge der EUTOP Group werden Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung und der Bundesministerien sowie mit dem Deutschen Bundestag zur Sachstandsaufklärung sowie etwaiger Erläuterung von Änderungsnotwendigkeiten hinsichtlich einer Vielzahl von Themenfeldern, geführt. Zweck der Interessenvertretung ist es, die Sicht der beauftragenden Organisationen zu vermitteln.“

Unkonkrete Angaben

Diese Formulierung findet sich bei Leo Dautzenberg, Volkmar Vogel, Martin Dörmann, Hans-Ulrich Krüger, Clemens Neumann, Ludwig Stiegler, Uwe Beckmeyer, Wolfgang Herrmann, Christine Scheel und in leichter Abwandlung bei Hans Bernhard Beus.

Lediglich Ursula Heinen-Esser macht genauere Angaben zu den EUTOP-Aufträgen. Einer ihrer Aufträge bezieht sich demnach auf die Strom- und Gaspreisbremse. Ein anderer hat zum Ziel, eine Verschärfung des Gesetzes zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich abzuwenden. Möchte man nun herausfinden, wer der eigentliche Auftraggeber zu diesen beiden Aufträgen ist, ist einige Recherchearbeit notwendig. Der erste Auftrag zur Strom- und Gaspreisbremse geht auf Edeka zurück, was aus den Angaben von EUTOP Europe hervorgeht. Dort ist außerdem sichtbar, dass Heinen-Esser für den Edeka-Auftrag eingesetzt wird. Doch auf welchen der EUTOP-Kunden könnte der Auftrag im Agrarbereich zurückgehen?

Heinen-Esser gibt an, das konkrete Regelungsvorhaben, um das es bei dem Auftrag gehe, sei die „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe in der Wertschöpfungskette“. Diese Formulierung findet sich wiederum ebenfalls bei der Auftragsbeschreibung von EUTOP Europe zu Edeka. Somit lässt sich schlussfolgern, dass Heinen-Esser im Auftrag von EUTOP für Edeka in diesen beiden Bereichen tätig ist. Nicht aber etwa beim Thema Verbot von Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt in für Kinder relevanten Medien. In dieser Sache ist EUTOP Europe zwar für Edeka aktiv, aber eben nicht Heinen-Esser. Das Thema Werbeverbot findet sich dagegen in den Angaben des ehemaligen Abteilungsleiters im Bundeswirtschaftsministeriums Clemens Neumann, der demnach in dieser Hinsicht für Edeka unterwegs ist. Er schlüsselt das allerdings nicht auf, was den Rechercheaufwand erhöht und die Nachvollziehbarkeit einschränkt.

Nur eine EUTOP-Lobbyistin schlüsselt Aufträge auf

Sind die Angaben also wie vom Gesetz vorgesehen vollständig erfolgt, lässt sich nun durchaus gut nachvollziehen, wer für wen in welcher Hinsicht tätig ist – auch wenn dazu etwas zusätzlicher Rechercheaufwand nötig ist. Heinen-Esser ist allerdings die einzige unter den Unterauftragnehmer:innen von EUTOP, die einzelne Aufträge aufschlüsselt. Die anderen geben wie erwähnt nur einen globalen Auftrag an, auch wenn es sich vermutlich um völlig unterschiedliche Tätigkeiten handelt. Das erschwert die Nachvollziehbarkeit.

Zudem stellt sich aber auch bei Heinen-Esser die Frage, was sie für die anderen EUTOP-Kunden tut, für die sie neben Edeka ebenfalls tätig ist. Laut den EUTOP-Angaben ist sie für den Zentralverband Oberflächentechnik, die Deutsche Telekom, British American Tobacco, Bayer sowie ExxonMobil tätig. Zu keinem dieser Kunden findet sich eine Auftragsbeschreibung in ihrem Eintrag und es wird auch kein Gesetz oder keine Verordnung genannt, das zu diesen Kunden passt. Insofern ist die Transparenz dann doch stark eingeschränkt, wenn die Angaben inkonsistent oder nicht vollständig sind.

Viele offene Fragen

Fragen bleiben daher an vielen Stellen. Wenn etwa die Unterauftragnehmer angeben, keine konkreten Regelungsvorhaben beeinflussen zu wollen, obwohl das Teil des eigentlichen Auftrags an EUTOP ist. So ist zum Beispiel der ehemalige TU München-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Herrmann laut EUTOP für die Bayer AG unterwegs. Teil des Auftrags von Bayer an EUTOP ist es, auf die Pflanzenschutzanwendungsverordnung einzuwirken, um den Einsatz von Glyphosat in Deutschland weitgehend zu ermöglichen. Wolfang Herrmann gibt dagegen an, auf kein konkretes Regelungsvorhaben Einfluss zu nehmen. Damit stellt sich die Frage, was er stattdessen im Auftrag von Bayer tut.

Ähnlich sieht es bei Franz-Josef Lersch-Mense aus, der für EUTOP für die Deutsche Post und Autobahn Tank+Rast tätig ist. Laut seines Eintrags bezieht sich seine Arbeit aber ebenfalls auf kein konkretes Regelungsvorhaben. Somit bleibt letztlich offen, ob die Einträge unvollständig sind oder es sich tatsächlich um andere Tätigkeiten im Auftrag der Deutschen Post und Autobahn Tank+Rast handelt, die sich nicht auf ein konkretes Regelungsvorhaben beziehen. Wobei sich durchaus die Frage stellt, wie das sauber voneinander abgegrenzt sein soll.

Unvollständig erscheint auch der Eintrag von Martin Dörmann/TKM Consulting. Dörmann ist für sieben EUTOP-Kunden tätig, darunter DocMorris und die Deutsche Telekom. Als konkrete Regelungsvorhaben sind aber offenbar wieder nur diejenigen benannt, die sich aus dem Auftrag von Edeka ergeben. Zwar nennt Dörmann unter „Interessenbereiche“ die für DocMorris und Telekom relevanten Bereiche wie „Arzneimittel“, „Cybersicherheit“ und „Datenschutz und Informationssicherheit“. Die konkreten Regelungsvorhaben wie im Fall von DocMorris die Apothekenbetriebsverordnung findet sich bei Dörmann aber eben nicht.

Die Liste an Beispielen ließe sich noch länger fortsetzen.

EUTOP-Lobbyist:innen ohne Auftrag

In eine andere Kategorie fallen diejenigen ehemaligen Politiker:innen, die im Lobbyregister selbst angeben, für EUTOP tätig zu sein, aber bei den EUTOP-Agenturen nirgends als Unterauftragnehmer benannt sind. Hier zu nennen sind unter anderem:

  • der ehemalige einflussreiche SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs mit seiner Beratungsfirma Duckdalben Consulting
  • der ehemalige Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen Bundestagsfraktion Volker Beck, im Register eingetragen mit seinem Beratungsunternehmen N.N.
  • der ehemalige Koordinator der Nachrichtendienste des Bundes im Bundeskanzleramt Günter Heiß
  • der ehemalige EU-Abgeordnete (CDU) Karl Heinz Florenz

Johannes Kahrs gibt beispielsweise an, für EUTOP unter anderem in den Bereichen Arzneimittel, Automobilwirtschaft, Digitalisierung, Energienetze, Steuern und Abgaben und Rüstungsangelegenheiten unterwegs zu sein. Das würde eine Tätigkeit im Auftrag von EUTOP-Kunden wie DocMorris, BMW, Deutsche Telekom oder KNDS (ehemals Krauss-Maffei Wegmann) nahelegen. Doch laut den Angaben von EUTOP ist Kahrs bzw. Duckdalben Consulting für keinen dieser Kunden als Unterauftragnehmer eingesetzt.

Auffällig ist auch, dass Kahrs laut Register zwischen 100.000 und 150.000 Euro im Jahr 2023 von EUTOP Europe erhalten hat. Das macht es noch fragwürdiger, dass er dort nirgends als Unterauftragnehmer auftaucht.

Irreführende Lobbyregister-Angaben

Volker Beck gibt dagegen an, gleich in allen möglichen Interessenbereichen von „Allgemeine Energiepolitik“ bis „Zivilrecht“ im Auftrag von EUTOP tätig zu sein. Dazu gehören dann auch Bereiche, in denen EUTOP selbst sicher keinen Auftrag hat, wie „Vorschulische Bildung“ oder „Breitensport“. Bei EUTOP selbst taucht Beck ebenfalls nirgends auf. Was soll der Eintrag also? Gibt es eine vertragliche Beziehung zwischen Beck und EUTOP? Oder nicht?

Solche Einträge sorgen nicht für Klarheit, sondern erscheinen irreführend. Gerade ehemalige hochrangige Politiker:innen und Amtsträger:innen sollten Transparenz bei ihren Lobbytätigkeiten ernst nehmen, statt verwirrende und am Ende verschleiernde Einträge im Lobbyregister zu hinterlassen. EUTOP muss sich zudem fragen lassen, warum Kahrs, Beck und Co. angeben, in ihrem Auftrag unterwegs zu sein, obwohl das nach EUTOP-Angaben nicht der Fall ist.

Fazit

Es lässt sich feststellen, dass wir im verschärften Lobbyregister deutlich mehr darüber erfahren, welche Lobbyist:innen in wessen Auftrag auf welche Gesetzesvorhaben einwirken wollen. Allerdings zeigt sich auch, dass bereits jetzt Informationen ausgelassen oder Angaben vage formuliert werden. Entsprechend finden sich alleine in den Einträgen des EUTOP-Firmengeflechts viele Lücken und widersprüchliche Angaben. Das zeigt, wie wichtig die Kontrolle und Durchsetzung des Registers ist. Gerade bei den Lobbyagenturen sollte die Bundestagsverwaltung genau hinsehen und früh durchgreifen, damit zentrale Informationen auch wirklich im Register angegeben werden. Ist das aber der Fall, ist die Lobby-Transparenz in Deutschland durch das Register wirklich ein großes Stück vorangekommen.

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5G-Netzausbau: Lobbykampagne deutscher Netzbetreiber verzögert Huawei-Ausschluss

1. August 2024 - 10:14

Der chinesische Telekommunikationsausrüster Huawei sowie deutsche Netzbetreiber haben jahrelang den Ausschluss von chinesischen Herstellern aus dem 5G Netzausbau verzögert. Das zeigt eine gemeinsame Recherche von ZDF, FragDenStaat und LobbyControl.

Insbesondere Digitalminister Volker Wissing (FDP) hielt lange an einem „herstellerneutralen Ansatz“ fest. Die Bundesregierung bleibt insgesamt intransparent bei dem Thema.

Fatale Lobbystrategie: Jahrelange Verzögerung

Vor allem die Telekom und Huawei haben fünf Jahre lang hinter den Kulissen Druck auf die Bundesregierung ausgeübt, chinesische Hersteller nicht vom 5G-Netz auszuschließen. Das belegen Antworten auf IFG-Anfragen sowie Kleine Anfragen von Bundestagsabgeordneten. Auch Vodafone und O2-Telefonica verhinderten aktiv den Ausschluss der chinesischen Hersteller Huawei und ZTE.

Dabei wurde der Vorstandsvorsitzende der Telekom AG, Timotheus Höttges, mit Gesprächen auf höchster Ebene vorstellig. Mit Erfolg. ZTE und Huawei wurden weder von der Merkel-Regierung, noch von der Ampelkoalition ausgeschlossen. Dieser Ausschluss erfolgt erst jetzt. Allerdings erstreckt sich der Ausstieg über einen längeren Zeitraum bis 2029 und gilt zunächst nicht für das gesamte Netz.

Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Konstantin von Notz spricht von einem „veritablen Sicherheitsrisiko“. Die Folgen für die Sicherheitslage tragen Bürger:innen. Nach russischem Gas begibt sich die Bundesregierung mit 5G erneut in die Abhängigkeit von kritischer Infrastruktur von Konzernen, auf die der chinesische Staat im Zweifel Zugriff hat.

Max Bank von LobbyControl kommentiert:
„Trotz Warnungen von verbündeten Staaten hat die Politik sich beim 5G-Netzausbau von den Lobbyinteressen von Huawei und der Telekom leiten lassen. Sicherheitspolitische Bedenken wischte die Bundesregierung zugunsten von Geschäftsinteressen beiseite.“

Unzureichende Transparenz über Hinterzimmergespräche
Die Recherche zeichnet nach, wie seit 2019 Lobbytreffen hinter verschlossener Tür stattfanden. Obwohl zahlreiche Treffen mit Minister:innen und Staatssekretär:inne stattfanden, legten die Ministerien deren Inhalt bedauerlicherweise nur in Einzelfällen offen.

Das Digitalministerium und das Finanzministerium reagierten auf IFG-Anfragen mit größtenteils geschwärzten Dokumenten. Das Innenministerium verweigerte sich sogar gänzlich, diese offen zu legen. Die Dokumente wurden vom Ministerium als „Verschlussache“ eingestuft.

Vera Deleja-Hotko von FragDenStaat kommentiert:
„Es ist im öffentlichen Interesse zu erfahren, warum die Bundesregierung derart lange gezögert hat, Huawei und ZTE aus dem Netzausbau auszuschließen. Die unzureichende Transparenz um den Sachverhalt ist inakzeptabel. Wir fordern Aufklärung von der Bundesregierung.“

Hintergrund

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Wie Lobbyismus den Ausschluss von Huawei beim Mobilfunk-Ausbau verzögerte

31. Juli 2024 - 14:55

Gemeinsame Recherche von ZDF, FragDenStaat und LobbyControl zeigt: Der Lobbyeinfluss von Huawei, Telekom und anderen Netzbetreibern auf die Bundesregierung hat den Ausschluss chinesischer Netzbetreiber jahrelang verzögert, trotz sicherheitspolitischer Bedenken.

Insgesamt verhielt sich die Bundesregierung äußerst intransparent bei dem Thema: Erst durch kleine Anfragen der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion zwischen 2019 und 2023 zu Lobbytreffen zum Thema Huawei, ZTE und 5G bekamen wir einen ersten Einblick davon, wie häufig sich Vertreter:innen von Netzbetreibern und von Huawei mit hochrangigen Vertreter:innen der Bundesregierung trafen, um über die Frage des Ausschlusses chinesischer Hersteller zu sprechen.

Lobbyismus von Telekom und Huawei beim 5G-Netzausbau

Zahlreiche Treffen fanden auf höchster Ebene mit Minister:innen und Staatssekretär:innen statt. Treffen gab es mit dem Digitalministerium, dem Finanzministerium, dem Wirtschaftsministerium, hinauf bis zum Kanzleramt. Auch auf Lobbyseite war die Spitzenebene der CEO’s beteiligt. Das gilt für Huawei, vor allem aber auch für die Telekom: Der Vorstandsvorsitzende der Telekom, Timotheus Höttges, sprach vielfach zum Thema Huawei und 5G vor. Der Telekom-Konzern hat durch seinen 30-prozentigen Staatsanteil einen direkten Zugang zur Politik. Höttges fand so bei der damaligen Bundeskanzlerin Andrea Merkel ein offenes Ohr, wie Anfragen zeigen. Der Vorstandschef der Telekom wurde aber auch bei Wirtschaftsminister Robert Habeck und Digitalminister Volker Wissing vorstellig.

Telekom: Speerspitze der Lobbyarbeit

Auch öffentlich hielten sich die Netzbetreiber nicht mit Kritik an einem möglichen Ausschluss von Huawei zurück. Sie warnten vor jahrelangen Verzögerungen des 5G-Ausbaus und vor steigenden Kosten. Telekom und Telefonica drohten sogar mit rechtlichen Schritten gegen die Bundesregierung, als ein Ausschluss von Huawei und ZTE wahrscheinlicher wurde. Interessant dabei ist, dass die Telekom in den USA das Netz ebenfalls ausbaut – ohne dabei Komponenten chinesischer Hersteller zu nutzen, die dort bereits ausgeschlossen sind.

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Obwohl zahlreiche Treffen mit Minister:innen und Staatssekretär:innen stattfanden, legten die Ministerien deren Inhalt bedauerlicherweise nur in Einzelfällen offen. Das Digitalministerium und das Finanzministerium reagierten auf IFG-Anfragen mit größtenteils geschwärzten Dokumenten. Das Innenministerium verweigerte jegliche Offenlegung. Die Dokumente seien demnach als Verschlusssache eingestuft. Antworten von Kanzleramt, Wirtschaftsministerium und Auswärtigem Amt stehen immer noch aus, obwohl die Fristen längst abgelaufen sind.

Auf der Bremse: Digitalminister Wissing

Wie öffentlich bekannt ist, gehörte insbesondere Digitalminister Wissing zu den Bremsern beim Ausschluss chinesischer Hersteller. Noch im Dezember 2023, als das Innenministerium bereits einen konsequenten und schnellen Ausschluss aus sicherheitspolitischen Gründen forderte, stemmte Wissing sich dagegen . Mit Huawei und Telekom auf einer Linie vertrat er stets einen „technologie- und herstellerneutralen Ansatz,“ der einen Ausschluss chinesischer Hersteller nicht vorsah.

Auch das Digitalministerium legte auf unsere Anfragen hin nur wenige Informationen zu Lobbytreffen offen. Es verwies auf die „Auswirkungen auf die innere Sicherheit mit Blick auf 5G-Mobilfunknetze.“ Trotz der Schwärzungen finden sich zwei brisante Punkte in den Unterlagen.

Festlegung schon vor Prüfergebnis

In den Vorbereitungsunterlagen für ein Treffen mit Michael Yang, damals Huawei-Lobbyist in Berlin, am 29. März 2022 steht: „ein genereller Ausschluss eines Herstellers von Netzkomponenten vom Aufbau der 5G-Infrastruktur ist nicht vorgesehen.“ Das ist eine problematische Festlegung des Ministeriums zu einem Zeitpunkt, zu dem das gesetzlich verpflichtende Prüfverfahren für die Frage des Ausschlusses noch nicht einmal begonnen hatte.

Ebenfalls in den Vorbereitungsunterlagen finden sich Informationen zu einem brisanten Treffen von Wissings Staatssekretär Schnorr. Er traf sich noch Ende August 2023 mit dem Chef von Huawei Deutschland, Tommy Zhou, und dem Cheflobbyisten von Huawei, Ingobert Veith, in München, um die 6G-Prototypen in den Laboren des Konzerns anzuschauen. Zu einem Zeitpunkt also, als die Debatte um das sicherheitspolitische Risiko beim Einsatz von Komponenten chinesischer Hersteller längst entbrannt war, beschäftigte sich Schnorr bereits mit der nächsten Generation der Netzkomponenten von Huawei.

Vom russischen Gas zu chinesischen 5G-Komponenten

Seit 2019 wurde die Beteiligung von chinesischen Herstellern am 5G-Ausbau zunehmend kritisch diskutiert. Allen voran die USA, aber auch andere europäische Staaten wie Großbritannien und Frankreich, stiegen deutlich früher aus. Trotzdem entschied sich die Bundesregierung erst im Juli 2024 für einen schrittweisen Ausschluss bis 2029. Hier haben Huawei, Telekom und Co enormen Lobbydruck zugunsten einer weiteren Beteiligung chinesischer Hersteller gemacht, offenbar mit Erfolg.

Ein generelles Problem zeigt sich im Umgang mit chinesischen Herstellern beim 5G-Ausbau. Teile der Bundesregierung lassen sich offenbar von den Geschäftsinteressen deutscher Unternehmen leiten – in diesem Fall den Netzbetreibern – anstatt zentrale kritische Infrastruktur zu sichern. Mit Sorge beobachten wir, dass sich hier ein Muster wiederholt: Wie beim russischen Gas hörte die Bundesregierung zu lange auf die Interessen der deutschen Industrie, anstatt das Gemeinwohl in den Mittelpunkt zu stellen – und war am Ende abhängig von Putin.

Dass die Bundesregierung die Inhalte zahlreicher Lobbytreffen nicht offenlegt oder erst gar nicht reagiert, zeigt dass hier weiter Aufklärungsbedarf besteht. Wir werden Druck machen für Transparenz zu den Lobbyauseinandersetzungen um 5G.

Weitere Informationen

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LobbyControl-Finanzbericht 2023

26. Juli 2024 - 14:42

Für uns steht Transparenz an erster Stelle. Deshalb veröffentlichen wir einmal im Jahr einen umfassenden Überblick über unsere Finanzierung.

Die letzten beiden Jahre waren unter anderem geprägt von einer hohen Inflation und stark steigenden Lebenshaltungskosten. Trotzdem haben im letzten Jahr 11.902 Menschen LobbyControl mit einem finanziellen Beitrag unterstützt. 7.764 Menschen waren Ende 2023 Fördermitglieder unseres Vereins und sichern mit ihrem Beitrag planbare Einnahmen. Mit dieser breiten Unterstützung können wir auf eine solide Basis vertrauen – dafür danken wir allen ganz herzlich!

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LobbyControl hat im letzten Jahr insgesamt 1.811 T€ (= Tausend Euro) eingenommen. Gegenüber dem Vorjahr 2022 sind das Mindereinnahmen von 4 %, was v. a. an einem Rückgang der Spenden einnahmen liegt. Den größten Anteil an den Einnahmen haben auch in diesem Jahr wieder die Spenden und Mitgliedsbeiträge von Privatpersonen mit knapp 85 %.

Wie bereits in den Vorjahren kommt ein Teil unserer Einnahmen auch aus institutioneller Förderung. Im Jahr 2023 lag dieser Anteil bei knapp 12 %. Auch in den kommenden Jahren werden wir von zwei langjährigen Förderern unterstützt: Die Olin gGmbH gewährte uns für 2023 einen Zuschuss von 60 T€ und hat uns für die Jahre 2024 und 2025 jeweils 70 T€ zugesagt. Die Schöpflin Stiftung förderte uns 2023 mit 150 T€, für 2024 und 2025 ist eine Fortsetzung der Förderung in Höhe von jährlich 150 T€ vereinbart.

Gemäß unserer Transparenzrichtlinie veröffentlichen wir die Namen aller privaten Spender:innen, die uns mit 10.000 Euro oder mehr im Jahr unterstützen. Dies waren 2023:

  • Bettina Bock 51.000 €
  • Martin KloepferHagen 10.300 €
  • Philipp Schmidt 10.000 €

Wir danken allen für diese großzügige Unterstützung! All diese Bausteine – Spenden, Fördermitgliedschaften und institutionelle Förderung – sind wichtig und ermöglichen uns den Einsatz für Transparenz und Demokratie. Zusätzlich zu den oben genannten Einnahmen erzielen wir Einnahmen aus unserem Zweckbetrieb. Dazu gehören die Tickets für unsere Stadtführungen und der Verkauf unserer Publikationen über unseren Onlineshop.

Ausgaben Finanzbericht 2023: Ausgaben nach Arbeitsbereichen

Im Jahr 2023 sind die Gesamtausgaben gegenüber dem Vorjahr um knapp 9 % gestiegen. Sie belaufen sich auf 1.864 T€. Dies ist vor allem auf den Anstieg bei den Personalausgaben zurückzuführen. Im Jahr 2023 wurde das allgemeine Gehaltsniveau angehoben und die Personalkapazitäten ausgebaut, wobei wir nicht alle Stellen durchgängig besetzen konnten und zu Ende 2023 zwei Stellen vakant waren. Schwankungen bei anderen Sachkosten liegen zum Beispiel daran, dass sich Zahlungen von 2023 nach 2024 verschoben haben (siehe Druckkosten und Honorare). Im Zweckbetrieb wurde 2023 eine aufwendige Studie zur Macht der Gaslobby veröffentlicht, was zu einer Kostensteigerung führte.

In diesem Finanzbericht können wir erstmalig unsere Gesamtausgaben auch anhand der Arbeitsbereiche aufteilen, in denen die Ausgaben entstehen: Zu dem Bereich „Kampagnen“ gehören unsere inhaltlichen Recherchen und Veröffentlichungen, unsere Lobbypedia sowie öffentlichkeitswirksame Aktionen und unsere Stadtführungen. Allgemeine Berichterstattung über Lobby Control, die sich nicht auf eine bestimmte Kampagne bezieht, rechnen wir der „Öffentlichkeitsarbeit allgemein“ zu, ebenso unseren Newsletter. Im Bereich „Fundraising und Mitgliederbetreu ung“ kommunizieren wir mit unseren Spender:innen, schreiben aber auch Rundbriefe und den Jahresbericht für unsere Mitglieder. Die „Verwaltung“ kümmert sich zum Beispiel um die Buchhaltung und die Personalverwaltung.

Ergebnis und Ausblick Finanzbericht 2023: Entwicklung der Fördermitgliedschaften

Wegen gesunkener Einnahmen und gleichzeitig gestiegener Aus gaben haben wir 2023 wie erwartet einen Verlust in Höhe von 53 T€ erzielt. Diesen Fehlbetrag konnten wir wie geplant aus den vorhandenen Rücklagen decken, die sich dadurch auf 1.465 T€ reduzierten.

Im Jahr 2024 werden wir den Ausbau unserer Personalkapazitäten fortsetzen. Wir begleiteten die Wahl zum Europaparlament mit Informationen und Analysen vor und nach der Wahl und wir veröffentlichten einen Lobbyreport sowohl für Deutschland als auch für die EU. Unsere Rücklagen geben uns das nötige Sicher heitspolster, diese Aktivitäten anzugehen, auch wenn die Ein nahmeentwicklung zurzeit sehr unsicher ist. Für unser Ziel einer transparenten und gerechteren Demokratie können wir nur mit einer sicheren finanziellen Basis kraftvoll kämpfen. Wir freuen uns deshalb, wenn Sie uns auch weiter unterstützen. Herzlichen Dank!

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Verbrennerlobby nutzt privilegierten Zugang zur Ministeriumsspitze

25. Juli 2024 - 12:20

Sechs Thesen zur Ökodiesel-Lobbyaffäre von Minister Wissing und Staatssekretär Luksic im Verkehrsministerium

Nach Recherchen von ZDF frontal steht das Verkehrsministerium im Fokus einer neuen Lobbyaffäre: Verkehrsminister Volker Wissing und sein Staatssekretär Oliver Luksic (beide FDP) waren eng in eine fragwürdige und irreführende Lobbykampagne eingebunden. Ziel der Kampagne ist es, den vermeintlichen „Öko-Diesel“ HVO100 zu bewerben und gleichzeitig das bereits beschlossene Zulassungsverbot für Verbrennerautos ab 2035 rückgängig zu machen. Die Nähe zwischen den beiden Spitzenpolitikern mit einem Autolobby-Verein war dabei so groß, dass dieser sogar seine engen Kontakte zum Verkauf anbieten konnte.

Besonders brisant war zudem, dass Staatssekretär Luksic ein Video gemeinsam mit einem Tankstellenlobbyverband drehte und damit ganz explizit ein bestimmtes Produkt bewarb. Lindner und Wissing machen damit gemeinsame Sache mit der Verbrennerlobby – und setzten sich bei ihrer Entscheidung für die Beteiligung an der Kampagne sogar über den expliziten Rat der Fachreferate ihres Hauses hinweg. Diese einseitige Lobbynähe ist für Bundesminister:innen untragbar und schädlich für die Demokratie. Der Fall braucht dringend klare Konsequenzen. In sechs Thesen ordnen wir den Fall ein und machen Vorschläge für weitere Schritte.

1. Besonders eklatant, aber kein Einzelfall:

Die aktuelle Lobby-Affäre sorgt zurecht für große Empörung in der Öffentlichkeit. Der Fall steht für eine besonders enge und damit einseitige Privilegierung der Interessen einer mächtigen und besonders lauten Interessengruppe – in diesem Fall der Verbrennerlobby. Dieses Muster zeigt sich immer wieder: Politische Entscheidungen werden dadurch verzerrt, dass einzelne Interessengruppen besondere Zugänge erhalten, während Expert:innen aus der Wissenschaft oder zivilgesellschaftliche Organisationen weniger Gehör finden.

Lobbynetzwerke aus Politik und Unternehmen begünstigen solche Einseitigkeit und legen die Grundlage für Klüngelei. Ein Beispiel dafür ist auch das dichte Lobby-Netzwerk des Gazprom-Konzerns, durch das Deutschland sich in eine fatale Abhängigkeit von russischem Gas manövrierte. Doch einseitige und übergroße Nähe zu bestimmten Lobbyinteressen steht im Widerspruch zur Kernaufgabe von Politiker:innen: Sie sollten sich ausgewogen mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Interessen auseinandersetzen, um so informierte und ausgewogene politische Entscheidungen zu treffen.

2. Das Verkehrsministerium fällt immer wieder durch besonders große Nähe zur Verbrennerlobby auf:

Genau 80-mal traf sich der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer mit der Autolobby, während Umweltverbände nur einen Termin bei ihm bekamen. Zum Autogipfel lädt die Bundesregierung regelmäßig die Autolobby in das Kanzleramt ein. Umweltverbände oder andere kritische Stimmen blieben lange Zeit außen vor und sind auch jetzt nur in Minimalbesetzung dazu geladen. Es gehört quasi zur DNA des Verkehrsministerium und der deutschen Verkehrspolitik, der Autoindustrie und der Verbrennerlobby besonders nah zu sein und als deren Sprachrohr aufzutreten.

Das setzt sich auch unter der Ampel-Regierung fort: FDP-Chef Christian Lindner war mit Porsche-Chef Oliver Blume in engem Austausch, während sich Deutschland in Brüssel damit blamierte, einen bereits vereinbarten Kompromiss zum Verbrenner-Aus wieder aufzukündigen. Erst Anfang des Jahres 2024 stand das Verkehrsministerium wegen der Vergabe von Fördergeldern unter Skifreunden für Wasserstoffprojekte in der Kritik. Auch hier ging es darum, eine bestimmte Antriebsform im Straßenverkehr gegenüber der batteriebetriebenen E-Mobilität zu privilegieren, obwohl dies der Einschätzung der meisten Fachleuten widersprach. Erst kürzlich hatte die FDP eine Spende eines Mineralöllobbyverbands erhalten, kurz nachdem Wissing und anderen Spitzenpolitiker auf dem FDP-Parteitag sich mit Plakaten der Lobbykampagne des Verbands zum Verbrenner-Aus haben ablichten lassen. Die aktuelle HVO100-Lobbyaffäre reiht sich in die lange Liste einseitiger Lobbynähe ein.

3. E-Fuels, Wasserstoff und Biokraftstoffe – Lobbynarrative im Interesse der fossilen Lobby:

E-Fuels, Wasserstoff-Technologien und Biokraftstoffe können in einigen Segmenten sinnvoll sein. Laut der großen Mehrheit der Expert:innen ist aber klar, dass sie nicht für die Breite im Straßenverkehr sinnvoll sind und selbst im Güterverkehr allenfalls ein Nischenprodukt bleiben werden. Es ist eine Lobbystrategie, immer wieder die Bedeutung von E-Fuels, Brennstoffzellen und Biokraftstoffen zu überhöhen, um so den bereits eingeschlagenen Weg in die batteriebetriebe Elektromobilität bei PKWs auszubremsen. Das Credo der Technologieoffenheit und die Überhöhung alternativer Kraftstoffe ist ein interessengeleitetes Lobbynarrativ: Es entspricht den Gewinninteressen derer, die noch länger entlang der Wertschöpfungskette des Verbrennungsmotors Geld verdienen wollen – allen voran die großen Öl- und Gaskonzerne, Teile der Autoindustrie, Tankstellenbetreiber oder Kraftstoffhändler.

4. Lobbyaffären und Lobbyskandale gehen zu Lasten des Gemeinwohls und der Demokratie:

Die einseitige Privilegierung finanzstarker und besonders lauter Lobbygruppen schadet letztlich uns allen. In diesem Fall wird der zukunftsfähige Umbau der Mobilität ausgebremst und Verbraucher:innen durch falsche Versprechen in die Irre geführt. Es geht zu Lasten des Wirtschaftsstandortes Deutschland, wenn eine Auslauftechnologie politisch weiter am Leben gehalten werden soll. Solche Affären und Skandale gefährden das Ansehen und die Glaubwürdigkeit einzelner Politiker:innen, aber auch der Demokratie. Das ist vor allem in Krisenzeiten ein besonders schwerwiegendes Problem, weil Menschen so Vertrauen in das politische System verlieren und sich weiter von demokratischen Strukturen abwenden können.

5. Es braucht klare Konsequenzen statt wohlfeiler Ausreden:

Immer wieder werden Skandale nur unzureichend aufgearbeitet oder bleiben sogar gänzlich folgenlos. Es braucht Eingeständnisse von Fehlern sowie Maßnahmen, die ähnliche Vorfälle zukünftige verhindern können. In der vorliegenden Lobbyaffäre gab es zwar bislang keine ganz klaren, im engeren Sinne Regelverstöße. An mehreren Stellen wurden aber die Grenzen des politischen „Anstands“ deutlich überschritten. Dazu gehört die übergroße Nähe und Privilegierung der Verbrennerlobby durch die Gewährung von Hinterzimmertreffen oder Maßnahmen mit deutlich werbendem Charakter für ein bestimmtes Produkt. Weiterhin muss geklärt werden, warum sich die Hausleitung des Verehrsministeriums so deutlich über die Expertise der eigenen Fachleute hinwegsetzte.

6. Als Konsequenzen aus der Affäre fordern wir:
  • Wissing, Luksic und andere an der Lobbyaffäre beteiligten Politiker:innen müssen öffentlich Rede und Antwort zu noch offenen Fragen steht. Weitere Dokumente – etwa zu Messwerten von HVO100-Emissionen – müssen endlich auf den Tisch. Fehler rund um die Lobbyaffäre müssen klar eingestanden werden.
  • Es reicht nicht, dass Luksic’ Schirmherrschaft „ruht“, sie muss beendet werden. Es braucht eine deutliche öffentliche Abgrenzung des Verkehrsministeriums von den fragwürdigen Methoden von „Mobil in Deutschland“.
  • Staatssekretär Luksic, der mit einem Lobbyverband gemeinsam ein Werbevideo dreht, sich bei der Aufarbeitung in Widersprüchen verstrickt und Unwahrheiten verbreitet, muss zurücktreten. Auch Wissing muss sich die Frage gefallen lassen, warum sein Ministerium immer wieder durch Lobbyaffären auffällt und ob er als Verkehrsminister weiter geeignet ist.
  • Es braucht ein klares Bekenntnis zu einer ausgewogenen Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und auch kritischer Perspektiven in verkehrspolitischen Fragen. Es muss deutlich werden, dass sich die Leitungsebene des Verkehrsministeriums ernsthaft mit wissenschaftlichen Fakten und zivilgesellschaftlicher Kritik etwa von Umweltverbänden an dem Kraftstoff HVO100 auseinandersetzt. Um ausgewogene Beteiligung längerfristig zu fördern, könnte eine Leitlinie zur ausgewogenen Einbindung gesellschaftlicher Interessen hilfreich sein. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat eine solche Leitlinie in ihrem Arbeitsprogramm für die EU-Kommission festgelegt.
  • Es braucht endlich Offenlegungspflichten für Regierungsmitglieder sowie Staatssekretär:innen. Sie müssen ihre Termine mit im Lobbyregister eingetragenen Lobbyist:innen offenlegen, wie es die EU-Kommission bereits seit Jahren vormacht. Angegeben werden sollte Datum, Thema und Teilnehmende eines Termins. Unterhalb der Staatssekretärsebene genügt die Angabe der jeweiligen Abteilung bzw. des Referats.
  • Die Bundesregierung sollte einen Beschluss fassen, dass ihre Mitglieder sowie Staatssekretär:innen an keinen Maßnahmen von Unternehmen, Verbänden oder Organisationen teilnehmen dürfen, die einen überwiegend werbenden Charakter haben.
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Lobbyaffäre im Verkehrsministerium spitzt sich zu: Staatssekretär Luksic reagiert völlig unangemessen

19. Juli 2024 - 12:43

Nach neuen Recherchen von ZDF frontal rund um die Beteiligung von FDP-Spitzenpolitikern zur Einführung des „Öko-Diesels“ HVO100, spitzt sich die Affäre weiter zu. LobbyControl kritisiert die unzureichenden Reaktionen der beteiligten Politiker und fordert eine Offenlegungspflicht von Lobbytreffen.

Christina Deckwirth, Sprecherin von LobbyControl, kommentiert: „Die weiteren Recherchen von ZDF frontal zeigen immer deutlicher: Wissing und Luksic agieren als Sprachrohr der Verbrenner-Lobby. Sie ordnen Fachexpertise – selbst die aus dem eigenen Haus – Lobbyinteressen unter. Wissing und Luksic haben sich wissentlich von der Verbrennerlobby einspannen lassen: Wissing hat einzelnen Lobbyverbänden und Unternehmen exklusive privilegierte Zugänge in einem Hinterzimmertreffen gewährt. Die Nähe zwischen dem Verein Mobil in Deutschland, der die Lobbykampagne organisiert, und Wissing und Luksic ist offenbar so groß, dass der Verein sogar ein Geschäftsmodell daraus machen und Termine an andere verkaufen konnte.

Wissing und Luksic treten als verlängerter Arm der Verbrennerlobby auf. Aber gerade als Regierungsvertreter verbietet es sich, so einseitig gemeinsame Sache mit einzelnen Lobbyakteuren zu machen. Politiker:innen haben die Aufgabe, sich ausgewogen zu informieren – alles andere stellt die Integrität der Politik allgemein und der Handelnden konkret in Frage. Das schadet ihrer Glaubwürdigkeit und letztlich auch dem Ansehen der Demokratie. Dazu müssen sich Wissing und Luksic nun erklären. Ihre bisherige Reaktionen sind völlig unzureichend und unangemessen.

Stattdessen verstrickt sich Luksic in seinen Reaktionen in Widersprüchen. Er wirft LobbyControl auf X „Fake News“ vor mit Bezug auf die Aussage, dass das zuständige Fachreferat im Verkehrsministerium gegen eine Übernahme der Schirmherrschaft votiert habe. Dabei lässt sich genau das in den Unterlagen, die ZDF frontal vorliegen, nachvollziehen. Die Option, dass ein Staatssekretär statt des Ministers die Schirmherrschaft übernehmen solle, wird zwar – wie Luksic sagt – tatsächlich „skizziert“, die ablehnende Haltung des Ministeriums ist dennoch deutlich. Es bleibt zudem unklar, warum Luksic einerseits die Schirmherrschaft ruhen lässt, andererseits aber seine Beteiligung rechtfertigt. Auch hierzu braucht es dringend weitere Aufklärung.

Die schweren Vorwürfe, einseitige Lobbyzugänge zu gewähren, stellen die Eignung der beteiligten Politiker immer weiter in Frage. Das Ministerium sollte eigentlich aus der Affäre rund um die Wasserstoffförderung und Skifreundschaften gelernt haben – auch damals waren die Reaktionen unzureichend. Zudem braucht es endlich gesetzliche Offenlegungspflichten für Lobbytreffen. Nur so können Einseitigkeit und privilegierte Zugänge systematisch auffallen und verhindert werden.“

Hintergrund

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Lobbyregeln mit Biss: Die neue EU-Kommission muss liefern!

18. Juli 2024 - 14:33

Lobbyregeln und Lobbyregister in den EU-Institutionen sind nicht wirksam. Gerade jetzt, wo die EU-Institutionen unter massiver Einflussnahme stehen, ist das ein echtes Problem. Wir waren in Straßburg und haben von der Leyen und das EU-Parlament aufgefordert, die Demokratie zu schützen, indem sie endlich für die Durchsetzung der Regeln sorgen.

Die Demokratie in Europa steht im Fadenkreuz von Machtinteressen wie noch nie. Autoritäre Staaten zielen darauf ab, die EU-Institutionen zu destabilisieren. Rechtsextreme Parteien mit einer autoritären Agenda verfügen über ein Viertel der Sitze im Europäischen Parlament. Gleichzeitig versuchen Unternehmenslobbyist:innen, den Rechtsruck im Parlament und die geopolitischen Auseinandersetzungen dafür zu nutzen, um ihre Interessen durchzusetzen. Dabei kann das Gemeinwohl leicht unter die Räder geraten, wenn zum Beispiel Klimaschutz oder Arbeitsrechtsrechte demontiert werden.

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Lobbyist:innen mit fragwürdigen Absichten profitieren von den unzureichend durchgesetzten EU-Lobbyregeln und einem Lobbyregister, das nicht in der Lage ist, unzulässige Einflussnahme aufzuzeigen. Das muss sich schnellstens ändern, denn sonst drohen demokratische Prozesse immer mehr unterwandert zu werden. Das hätte fatale Folgen für das Vertrauen in die europäische Demokratie, das nach dem Katargate-Korruptionsskandal sowieso erschüttert ist.

Wir verteilen vor dem EU-Parlament in Straßburg Flyer mit unserer Forderung nach einer Lobbykontrolle mit Biss.

Wir haben daher Ursula von der Leyen dringend aufgefordert, dem einen Riegel vorzuschieben. Gemeinsam mit den Nichtregierungsorganisationen Corporate Europe Observatory (CEO), Transparency International und The Good Lobby haben wir ihr schon Anfang der Woche einen offenen Brief geschrieben. Um unserer Forderung Nachdruck zu verleihen, waren wir am Dienstag den ganzen Tag in Straßburg unterwegs, um mit Abgeordneten zu sprechen.

Eine Woche voller Macht für das EU-Parlament

Denn: Selten kann das EU-Parlament so viele Zugeständnisse von der EU-Kommission erwirken wie in dieser Woche, wo die Kandidatin für das Amt der EU-Kommissarin die Stimmen der Abgeordneten braucht. Sie hat nur eine Chance, gewählt zu werden, und ihre Mehrheiten sind alles andere als sicher. Sie muss den Abgeordneten also Zugeständnisse machen. Deshalb wollten wir, dass die Abgeordneten Ursula von der Leyen klarmachen, dass sie hier schnelle Verbesserungen erwarten. Eigentlich sollten alle Fraktionen und EU-Institutionen daran interessiert sein, dass die bestehenden Regeln auch durchgesetzt werden und es ein funktionierendes Lobbyregister gibt.

Auch das Fernsehen war an unserer Botschaft interessiert: Interview mit einem polnischen TV-Team.

Wir haben die Abgeordneten am Dienstagmorgen vor dem EU-Parlament in Straßburg mit Flyern und Schildern erwartet und den ganzen Tag im Parlament Gespräche geführt. Jetzt sind die Abgeordneten am Zug, Ursula von der Leyen für eine bessere Durchsetzung der Lobbyregeln in die Pflicht zu nehmen.

Unsere Forderungen:
  • Ein verpflichtendes Lobbyregister, das auch wirklich kontrolliert wird. Das jetzige Register zeigt zu große Schlupflöcher. Wichtige Informationen müssen nicht angegeben werden, Nichteintragung hat kaum Konsequenzen und dem zuständigen Referat fehlen Ressourcen und Befugnisse, um die Einträge wirklich zu prüfen. Dadurch ist das Lobbyregister ungeeignet, Einflussnahme auf den politischen Prozess abzubilden und benachteiligt diejenigen, die freiwillig mehr Angaben machen als diejenigen, die die Regeln missachten und keine Konsequenzen fürchten müssen. Das hat sich unter anderem bei Katargate gezeigt, dem größten Korruptionsskandal in der Geschichte des EU-Parlaments, in deren Zentrum eine unregistrierte Lobbyorganisation stand, die ungehindert im EU-Parlament ein- und ausgehen konnte. Neben verbesserten Angaben, schärferer Kontrolle und besserer Durchsetzung fordern wir die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass es keine Lobbytreffen von Kommissionsbeamt:innen mit Lobbyist:innen gibt, die sich nicht registrieren. Nachdruck verleiht unseren Forderungen auch ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs vom April diesen Jahres, in dem er die gleiche Forderung aufstellt.
  • Auch bei den Transparenz- und Ethikregeln braucht es bessere Durchsetzung. Bisher sind die Institutionen selbst zuständig dafür zu sorgen, dass ihre internen Regeln auch eingehalten werden. Doch die Selbstkontrolle funktioniert nicht. Die neue Ethikbehörde war eigentlich dafür gedacht, dieses Problem zu lösen, doch letztendlich wurde statt einer Kontroll- und Durchsetzungsbehörde ein Gremium geschaffen, dass nur Ethikregeln erarbeitet. Der Bedarf für eine unabhängige Behörde, die Ethik- und Lobbyregeln kontrolliert und durchsetzt, besteht also weiterhin und sollte von der EU-Kommission angegangen werden. Dazu sollten entweder bestehende Behörden mit den entsprechenden Befugnissen und Ressourcen ausgestattet werden, oder eine neue Lobby-Behörde nach französischem Vorbild muss geschaffen werden.
  • Drittens muss die Kommission dafür sorgen, dass der demokratische Prozess vor einseitiger Einflussnahme geschützt wird. Besonders in den Bereichen von Umwelt- und Klimaschutz, Arbeits- und Menschenrechten droht eine Vereinnahmung durch Unternehmensinteressen. Dem muss die EU-Kommission entgegentreten und für einen demokratischen Prozess mit ausgewogener Beteiligung sorgen. Wir dürfen die Gesetze, die unser langfristiges Überleben und unseren Wohlstand sicherstellen sollen, nicht für kurzfristige Gewinninteressen aufs Spiel setzen.
  • Viertens: Transparenz und Verantwortlichkeit gegenüber der europäischen Demokratie spielen keine Rolle für Ursula von der Leyen. Ein sprechendes Beispiel dafür ist die gerade erteilte Rüge des EU-Gerichts, dass sie den EU-Abgeordneten die Verträge zu den Impfstoffvereinbarungen mit Pharmaunternehmen nur in extrem geschwärzter Form übergeben hat. Wir wollen, dass Ursula von der Leyen in der kommenden Wahlperiode nicht nur die Transparenzverpflichtungen gegenüber der Öffentlichkeit einhält, sondern diese auch verbessert.
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Wenn sie gewählt wird, wird die EU-Kommissionspräsidentin danach beginnen, sich aus den Personalvorschlägen der Mitgliedstaaten eine Kommission zu formen. Wir werden nicht locker lassen einzufordern, dass sie ihre Hausaufgaben macht und Lobbyregister wie Lobbyregeln mit Biss versieht. Einen Fokus werden wir dabei natürlich auf den/die neue:n Kommissar:in für Transparenz und Lobbyregeln legen. Wie alle Kommissar:innen wird er oder sie im Herbst dem Parlament Rede und Antwort zu ihren Vorhaben stehen müssen! Da haben die Abgeordneten eine weitere Möglichkeit, Druck zu machen. Wir werden das von ihnen einfordern! Zugleich werden wir Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin nicht aus der Verantwortung lassen.

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Kraftstoff HVO100: LobbyControl kritisiert Beteiligung von Volker Wissing und Staatssekretär Oliver Luksic an Verbrenner-Kampagne

16. Juli 2024 - 19:18

Laut Recherchen von ZDF frontal haben Verkehrsminister Volker Wissing und sein parlamentarischer Staatssekretär Oliver Luksic (beide FDP) eine Lobbykampagne zur Einführung des neuen Kraftstoffs HVO100 und gegen das Verbrenner-Verkaufsverbot unterstützt.

Laut ZDF frontal-Recherche habe der Verband Mobil in Deutschland „seine Kontakte ins Verkehrsministerium genutzt, um Unternehmen und Verbänden gegen Zahlung ‚exklusive VIP-Termine‘ und andere Leistungen mit Wissing und weiteren Entscheidern anzubieten.“ Das Verkehrsministerium streitet ab, vom „Verkauf“ von Terminen gewusst zu haben. LobbyControl kritisiert die Vorgänge und das Verhalten der beiden FDP-Politiker scharf.

Organisiert wurde die Kampagne vom Automobilclub Mobil in Deutschland, finanziert wurde sie unter anderem von Tankstellen- und Mineralöl-Lobbyverbänden. Luksic übernahm für die Kampagne die Schirmherrschaft und drehte ein Werbevideo für den Kraftstoff HVO100 gemeinsam mit dem Lobbyverband Bundesverband Freier Tankstellen. Das zuständige Fachreferat des Verkehrsministeriums hatte nach Informationen von ZDF frontal gegen die Beteiligung an der Kampagne votiert.

Christina Deckwirth, Sprecherin von LobbyControl, kommentiert:

„Es ist nicht die Aufgabe von Politikerinnen und Politikern, sich für irreführende Lobbykampagnen einspannen zu lassen. Sie machen damit gemeinsame Sache mit der Verbrenner- und Benzinlobby und bieten deren Anliegen einseitige privilegierte Zugänge. Ziel dahinter ist es, das in Brüssel beschlossene Verbrenner-Aus zu kippen. Das widerspricht laut Fachleuten sowohl dem Stand der Forschung als auch klimapolitischen Notwendigkeiten. FDP-Politiker erweisen sich zum wiederholten Male als Erfüllungsgehilfen der Interessen der Verbrenner-Lobby – und setzen sich damit sogar über die hausinterne Fachkenntnis hinweg. Das schadet dem Klima, führt Verbraucher:innen in die Irre und schafft Verunsicherung für den Wirtschaftsstandort Deutschland.“

Die FDP fiel bereits mehrmals durch enge Verbindungen zur Kraftstoff-Lobby auf– und zugleich durch massiven politischen Druck für alternative Kraftstoffe als vermeintliche Lösung zum Erhalt des Verbrennungsmotors. Vor kurzem erhielt die Partei eine Spende vom Mineralöllobbyverband UNITI, der kurz zuvor einen Auftritt auf dem FDP-Parteitag hatte. Dort ließen sich Wissing und Lindner mit Plakaten des Verbands gegen das Verbrenner-Aus ablichten. Und schon während der Koalitionsverhandlungen 2021 prahlte der Porsche-Chef Oliver Blume mit seinen engen Kontakten zu FDP-Chef Christian Lindner zum Thema E-Fuels.

Verkehrsministerium bereits in der Kritik

Das Verkehrsministerium stand bereits Anfang des Jahres wegen enger Verbindungen von Ministerialbeamten und Fördergeldempfängern für Wasserstoffprojekte in der Kritik. Expert:innen kritisieren den von FDP und Verbrenner-Lobby propagierten Einsatz von Wasserstoff, E-Fuels und HVO100 im Straßenverkehr als teuer und ineffizient. Umweltverbände wie der NABU, die Deutsche Umwelthilfe und Greenpeace bezeichnen den Einsatz von E-Fuels und HVO100 im Straßenverkehr als Scheinlösung. Die Kraftstoffe stünden nicht für ausreichend Kund:innen zur Verfügung, seien nicht vollständig klimaneutral und verzögerten ein Verbrenner-Aus. Die angeblich klimaneutralen alternativen Kraftstoffe für den breiten Einsatz im Straßenverkehr anzupreisen, dient den Interessen der Verbrenner-Lobby am Erhalt klimaschädlicher Geschäftsmodelle.

„Die FDP wird ihrem Image als Lobby-Partei gerecht, wenn sie sich wiederholt zum Sprachrohr der Verbrenner-Lobby macht – und Fachexpertise ganz offensichtlich Lobbyinteressen unterordnet. Es braucht nun Konsequenzen: Wissing, Luksic und andere beteiligte Politiker:innen müssen erklären, warum sie sich über das eigene Ministerium hinwegsetzten, welche Absprachen es gab und welche Gelder geflossen sind. Als Regierungsvertreter verbietet es sich, so einseitig gemeinsame Sache mit einzelnen Lobbyakteuren zu machen. Es braucht nun eine klare Abgrenzung gegenüber Mobil in Deutschland und dessen fragwürdigen Kampagnen- und Finanzierungsmodell. Die FDP sollte zudem auf deutlich ausgewogenere Kontakte achten und fundierte Kritik an ihren Positionen berücksichtigen. Der Fall zeigt einmal mehr, wie wichtig eine Offenlegungspflicht für Lobbytreffen zwischen Politik und Lobbyakteuren ist. Diese würde einseitige Kontakte sichtbar machen“, so Deckwirth.

Hintergrund

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Offener Brief an Ursula von der Leyen: EU-Lobbyregeln brauchen dringend Biss

15. Juli 2024 - 11:16

Ein Bündnis aus Transparenz-Organisationen fordert Ursula von der Leyen auf, die Bedrohung der europäischen Demokratie durch Korruption und unzulässigen Lobbyeinfluss ernst zu nehmen. Im Falle ihrer Wiederwahl sollte sie als eine ihrer ersten Amtshandlungen für die Durchsetzung der Lobbyregeln sorgen, so Corporate Europe Observatory, LobbyControl, Transparency International EU und The Good Lobby in ihrem offenen Brief an die EU-Kommissionspräsidentin.

Im offenen Brief des Bündnisses, bestehend aus zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Europa, heißt es:

„Die europäische Demokratie ist in Gefahr. Autoritäre Staaten zielen darauf ab, die EU-Institutionen zu destabilisieren. Rechtsextreme Parteien mit einer autoritären Agenda verfügen über ein Viertel der Sitze im Europäischen Parlament. Gleichzeitig profitieren Lobbyist:innen mit fragwürdigen Absichten von den unzureichend durchgesetzten EU-Lobbyregeln.”

“Korruptionsskandale wie Katargate haben überdeutlich gemacht, dass Europa nicht ausreichend gegen eine derartige Einflussnahme gewappnet ist. Das EU-Transparenzregister weist nicht nur große Schlupflöcher auf, sondern ist aufgrund mangelnder Überwachung, Ressourcen und Durchsetzung faktisch ungeeignet, unzulässige Einflussnahme auf den politischen Prozess zu erkennen. Ursula von der Leyen muss endlich handeln, sobald ihr Kabinett im Amt ist!”

“Nur mit der Durchsetzung strenger Lobbyregeln kann sich die EU davor schützen, dass ihre Entscheidungen unzulässig von außen oder innen beeinflusst werden. Das von der EU-Kommission neu eingerichtete Ethikgremium ist mit der Schaffung eines Ethikrahmens für neun EU-Institutionen beauftragt. Es muss über die notwendigen Ressourcen und Befugnisse verfügen, um die Einhaltung dieser Regeln zu überwachen und durchzusetzen.”

“Schließlich gibt es alarmierende Anzeichen dafür, dass in einer Zeit heftiger geopolitischer Auseinandersetzungen und Machtkämpfe das Wohlergehen von Unternehmen über das Gemeinwohl gestellt wird. Wir fordern daher die neue Kommissionspräsidentin auf, sicherzustellen, dass die demokratische Politikgestaltung in Bezug auf den Europäischen Green Deal und andere wichtige Themen von öffentlichem Interesse geschützt wird. Wir dürfen Politik, die unseren langfristigen Wohlstand sichern soll, nicht für kurzsichtige Gewinne aufs Spiel setzen.”

Hintergrund

Die Organisationen werden diesen offenen Brief auch an die Mitglieder des Europäischen Parlaments weiterleiten, um ihnen die Möglichkeit zu geben, diese Transparenzforderungen zu einer Bedingung für die Wiederwahl von Ursula von der Leyen zu machen.

Den offenen Brief können Sie hier herunterladen.

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Die INSM und der Deckmantel „Bürokratieabbau“

12. Juli 2024 - 11:23

Ein Blick auf eine fragwürdige PR-Kampagne der Konzernlobby, die das Lieferkettengesetz schwächen will.

Konzerne und Wirtschaftslobbyverbände leisten sich neben der klassischen Lobbyarbeit auch PR-Kampagnen, um ihre Geschäfts- und Gewinninteressen durchzusetzen. Die Botschaften der PR-Lobbyinitiative INSM konzentrieren sich dabei aktuell auf den Begriff Bürokratieabbau. Dieser wird als Feigenblatt genutzt, um ganz bestimmte Gesetze für Konzerne zu verhindern. Das kann zu Lasten des Gemeinwohls gehen – etwa wenn der Schutz von Menschenrechten in Lieferketten nur als Bürokratie-Last dargestellt wird. Wir nehmen eine PR-Lobbykampagne der INSM genauer unter die Lupe.

Bürokratieabbau gehört aktuell zu den zentralen Forderungen aus der Wirtschaft, die auch die Konzernlobby über die Medien an Politik und Öffentlichkeit richtet. Besonders fällt dabei die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) auf. Die INSM ist eine von Arbeitgeberverbänden finanzierte PR- und Lobbyorganisation. Sie nutzt den Begriff für eine umfangreiche Kampagne, die unter dem Deckmantel „Bürokratieabbau“ ganz bestimmte Gesetze verhindern will. Auch die Debatte um das deutsche Lieferkettengesetz wurde von diesem Begriff gelenkt.

Bürokratieabbau ist zu Recht ein Begriff, dem viele Menschen etwas abgewinnen können. Die INSM benutzt ihn jedoch, um dahinter ihre Lobbyanliegen zu verstecken, die zu Lasten des Gemeinwohls gehen könnten: Die INSM will erreichen, dass es weniger gesetzliche Regeln für Unternehmen gibt. Dabei geht es ihr hauptsächlich um Bürokratie, die Konzerne betrifft. Manche Gesetze sollen sogar ganz verhindert werden – zum Beispiel das Lieferkettengesetz. Dabei braucht es Regeln, um sicherzustellen, dass Konzerne nicht ihre Gewinne höher priorisieren als Menschenrechte, faire Löhne, Umwelt- oder Verbraucherstandards.

Unliebsame Gesetze und die Erzählung von „Bürokratie“: Das deutsche Lieferkettengesetz

Die Auseinandersetzung um das Lieferkettengesetz ist ein Paradebeispiel für ein Bürokratie-Framing. Zivilgesellschaftliche Organisationen haben sich lange für eine Regelung eingesetzt, die sicherstellt, dass Unternehmen verantwortungsvoll wirtschaften. Etwa, um menschengemachte Tragödien wie den Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza zu verhindern oder Kinderarbeit und die Ausbeutung von Arbeitenden in Lieferketten. Dafür wurde das Lieferkettengesetz geschaffen. Doch die wichtigen neuen Regeln gingen in der Erzählung als „Bürokratie“ unter.

Lobbyist:innen von Wirtschaftsverbänden wie dem BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) sind von Anfang an energisch gegen das Lieferkettengesetz vorgegangen und haben es bereits in der Entwurfsphase abgeschwächt. Die Positionen der Wirtschaftslobby lassen sich im Gesetz aufspüren. Es wurde am Ende schwächer umgesetzt, als es erste Entwürfe vorsahen. Von Wirtschaftsverbänden wie dem Wirtschaftsrat der CDU und aus Union und FDP kam die Forderung, das inzwischen eingeführte Gesetz auszusetzen oder abzuschaffen. Die Ampelregierung hat es nun mit dem neuen Haushalts- und Wachstumspaket erneut abgeschwächt. Die Erzählung um Bürokratie hat hier scheinbar verfangen, die Abschwächung des Gesetzes steht unter der Überschrift „Unnötige Bürokratie abbauen“.

INSM – PR- und Lobbyarbeit finanzstarker Arbeitgeberverbände

Die INSM ist eine PR- und Lobbyorganisation, die sich an Medien und die breite Öffentlichkeit richtet, um Debatten zu prägen. Sie finanziert sich vollständig durch die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie. Sie ergänzt deren klassische Lobbyarbeit, die sich direkt an die Politik richtet. Für das Jahr 2023 erhielt die INSM von Gesamtmetall laut Lobbyregister 5,6 Millionen Euro. Mitglieder der Arbeitgeberverbände Gesamtmetall und der regionalen Verbände sind zwar Unternehmen jeder Größe aus verschiedenen Branchen, vor allem aus der Autoindustrie. Prägend sind jedoch meist große Konzerne, etwa über Sitze in Gremien.

Der irreführende Name verschleiert die klare Verbindung mit Arbeitgeberverbänden und somit auch, dass dahinter Unternehmensinteressen stehen. Die INSM fällt vor allem mit klassischen Arbeitgeberthemen mit starker neoliberaler Prägung auf – wie etwa die Verhinderung von Steuererhöhungen für Unternehmen und Superreiche oder die Torpedierung des Mindestlohns. Auch das Lieferkettengesetz ist der INSM schon länger ein Dorn im Auge. Schon 2021 schaltete sie Anzeigen etwa im Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeine Zeitung, um das deutsche Gesetz zu verhindern. Die aktuelle Kampagne nutzt zwar den Begriff „Bürokratieabbau“, doch tatsächlich dreht es sich erneut um die Abschaffung unliebsamer Gesetze, allen voran offenbar des Lieferkettengesetzes.

Lobbymethoden der INSM

Für die aktuelle Kampagne zu „Bürokratieabbau“ nutzt die INSM ihre bewährten Mittel. Um die Öffentlichkeit zu erreichen, schaltet sie regelmäßig großflächige Anzeigen in Zeitungen und auf Social Media-Plattformen. In Berlin wurde etwa am Hauptbahnhof großflächig plakatiert.

Großflächige Werbung für das „Bürokratiemuseum“ der Lobbyorganisation am Bahnhof Berlin Friedrichstraße. Im Regierungsviertel befindet sich das Lobbybüro der INSM.

Über ein Netz aus Kampagnen-Botschaftern und Unterstützer:innen bindet die INSM immer wieder Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft für ihre Anliegen ein. Für die aktuelle Kampagne wurden diverse „Bürokratie-Paten“ auserkoren, die für bestimmte Gesetze (oder deren Abschaffung) eine Patenschaft übernehmen und über die INSM-Webseite darüber berichten. Zu diesen Paten gehören hauptsächlich Abgeordnete von CDU/CSU, z.B. Julia Klöckner oder Philipp Amthor, sowie einige FDP-Abgeordnete.

Der Bundestagsabgeordnete Klaus Wiener (CDU) hat die INSM-„Patenschaft“ für das Lieferkettengesetz übernommen.

Für die aktuelle Kampagne hat die INSM mit Hilfe einer Kreativagentur mächtig aufgefahren und sogar ein „Bürokratie-Museum“ in den Räumen des Lobbybüros im Berliner Regierungsviertel eingerichtet. Der Ausstellungsraum will Bürokratie nach eigenen Aussagen „sichtbar“ und „fühlbar“ machen, aber erklärt oder gar aufgeklärt wird dabei wenig. Die meisten Installationen sind kurze Gags mit provokanten politischen Botschaften: Es gibt etwa ein Terrarium mit Schnecken, das den langsamen „Staatsapparat“ darstellt oder einen Raum „Daddy Staat“ mit BDSM-Ästhetik. Doch in einigen Installationen werden die Botschaften ganz konkret. Zum „Sado-Maso-Raum“ schreibt die INSM etwa: „Der aktuellste Peitschenhieb: Das Lieferkettengesetz.“ Das Museum verbreitet aktiv ein politisches Framing bestimmter Gesetze als bürokratische Last – vorrangig solcher, die Unternehmen betreffen. Nochmal deutlich übersetzt wird das an der Installation im Hauptraum: Am Papier-Schredder können die unliebsamen Gesetze symbolisch vernichtet werden. Dazu gehört auch das Lieferkettengesetz, das man hier in den Papier-Vernichter schickt – und den Schutz von Menschenrechten gleich mit.

Julia Klöckner (CDU) freut sich im Bürokratie-„Museum“ über die Schnecken im Terrarium. Name der Installation: „Staatsapparat“

Direkter Draht zur Politik

Mit diesem PR-Museum schafft die INSM einen Raum, in dem sie ihre interessengeleiteten Botschaften direkt an Politiker:innen herantragen kann: Die Besuche zahlreicher Politiker:innen oder Vertreter:innen großer Verbände wurden auf der Webseite dokumentiert. Die INSM berichtet u.a. von Justizminister Marco Buschmann (FDP), den Generalsekretären von CDU und FDP, Carsten Linnemann und Bijan Djir-Sarai, oder Julia Klöckner, der wirtschaftspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion. Prominentester Besucher war wohl Finanzminister Christian Lindner, der eine Führung durch den INSM-Chef Thorsten Alsleben bekam und die Lobbybotschaften der INSM gleich über seinen eigenen Instagram-Kanal weiterverbreitete.

Christian Lindnder im Bürokratie-„Museum“ der INSM

Beim CDU-Parteitag Anfang Mai 2024 wandte sich die INSM ebenfalls mit einem Stand direkt an die Politik. Die Parteitags-Besucher:innen wurden auch hier eingeladen, die vermeintlichen Bürokratie-Lasten zu zerschreddern und sich dabei ablichten zu lassen. Das Lieferkettengesetz und damit auch den Schutz von Menschenrechten mit einem Lächeln in den Schredder zu jagen, mag man pietätlos finden. Bei den meisten Parteitags-Besucher:innen kam der Gag aber scheinbar gut an. Selbst CDU-Spitzenpersonal war sich nicht zu schade, sich für ein Foto mit dem „Bürokratie-Vernichter“ ablichten zu lassen.

Links: Julia Klöckner (CDU) und Parteichef Friedrich Merz am Stand der Lobbyorganisation INSM, vernichten sinnbildlich das Lieferkettengesetz. Rechts Christoph Plöß (CDU) mit INSM-Chef Thorsten Alsleben am „Bürokratie-Vernichter“.

Teure Kampagne mit lauten Botschaften

Es sind die Interessen großer Konzerne und ihrer Verbände, für die die INSM hier gegen vermeintliche Bürokratie und das Lieferkettengesetz wettert. Die großen Verbände sprechen dabei mit eigener Stimme und nicht für alle Unternehmen: Eine repräsentative Umfrage hat gezeigt, dass nur sieben Prozent der Betriebe in Deutschland die Verpflichtung ablehnen, auf Menschenrechte und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu achten. Die große Mehrheit ist dafür.

Die INSM hat für die PR-Kampagne jedoch tief in die Tasche gegriffen. Allein das PR-“Museum“ kostete laut Medienberichten 500.000 Euro. Hinzu kommen die Werbebanner etwa am Berliner Hauptbahnhof und Werbeanzeigen in Printmedien und sozialen Netzwerken. Teuer bezahlen müssen am Ende aber trotzdem andere, wenn Gesetze wie das Lieferkettengesetz geschwächt werden und Menschen und Umwelt weiter ausgebeutet werden.

Die Lobby der großen Konzerne hat ein Interesse daran, sich Regeln zu entziehen, um mehr Gewinne zu erzielen und ihre wirtschaftliche Macht auszubauen. Zu den Forderungen nach Bürokratieabbau zählt für die INSM auch, dass Konzerne noch mehr Mitspracherechte im Gesetzgebungsprozess erhalten sollen. Das würde ihre ohnehin schon privilegierten Zugänge als mächtige Lobbyakteure weiter stärken. Diesen Einfluss von Konzernen auf die Politik werden wir genau beobachten. Wir setzen uns schon lange dafür ein, dass Konzerne keine privilegierten Zugänge in die Politik nutzen können, sondern dass die Interessen des Gemeinwohls stärker gehört werden. Medien und Zivilgesellschaft sollten dafür die Erzählungen der Konzernlobby kritisch hinterfragen.

Stellen wir sicher, dass die Stimmen für das Gemeinwohl nicht von teuren Lobbykampagnen übertönt werden!

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Weitere Informationen:

Auch auf EU-Ebene ist zu beobachten, dass Lobbykampagnen für mehr Konzerneinfluss und weniger Regeln Erzählungen um bestimmte Begriffe stricken, wie es hier zu Bürokratieabbau der Fall ist. In Brüssel läuft derweil eine Kampagne zum Thema Wettbewerbsfähigkeit, zu der hier mehr zu lesen ist.

Neue EU-Kommission: Vorfahrt für Konzerne?
Die „Strategische Agenda“ für die Arbeit der neuen EU-Kommission in den nächsten fünf Jahren rückt die Wettbewerbsfähigkeit in den Vordergrund. Das hat die Industrie mit einer großen Lobbykampagne durchgesetzt und könnte zu Lasten der EU-Klimapolitik und anderer Interessen des Gemeinwohls gehen.

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