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Aktualisiert: vor 2 Stunden 26 Minuten

Frauen stehen im Zentrum des Friedenskampfes

27. November 2025 - 22:04

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Frieden ist kein abstraktes Ideal, sondern ein lebendiger gesellschaftlicher Prozess. Für Halide Türkoğlu, Sprecherin der DEM‑Frauen, gilt: Wenn Frieden dauerhaft Fuß fassen soll, müssen Frauen eine zentrale Rolle spielen. Denn der Kampf für Frieden ist zugleich ein Kampf gegen Gewalt, welcher auf ein freies und gleichberechtigtes Leben abzielt.

In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres wurden laut der Plattform KCDP („Wir werden Frauenmorde stoppen“) mindestens 285 Frauen in der Türkei und in Nordkurdistan von Männern getötet. Allein im letzten Monat gab es 19 Tötungsfälle und 22 weitere Frauen starben unter „verdächtigen Umständen“. Da der Staat keine umfassenden und verlässlichen Daten bereitstellt, übernehmen Frauenorganisationen und feministische Netzwerke die Aufgabe, diese Gewalt sichtbar zu machen und zu dokumentieren.

Die Gewalt, der sich Frauen ausgesetzt sehen – physisch, psychisch oder digital – ist kein Randphänomen. Sie steht im Zentrum der gesellschaftlichen Realität. Frauenorganisationen berichten, dass genau diese Formen von Gewalt zu den stärksten Hebeln gehören, mit denen Herrschaftssysteme ihren Fortbestand sichern. Für Türkoğlu lässt sich dieser Gewalt nur entgegentreten, wenn der Kampf um ein freies und gleichberechtigtes Leben der Frauen mit einem umfassenden Demokratisierungsprozess verknüpft wird.

Frauen müssen nicht nur Teil des Friedensprozesses sein, sondern ihn aktiv mitgestalten.

Frauen müssen nicht nur Teil des Friedensprozesses sein, sondern ihn aktiv mitgestalten. Sie müssen in führenden, gestaltenden Rollen wirken, damit Demokratie, Freiheit und Gewaltfreiheit nicht nur leere Worte bleiben, sondern gelebte Realität werden. Denn Frieden heißt mehr als die Abwesenheit von Krieg oder offener Konflikte. Frieden heißt ein Leben in Selbstbestimmung, ohne Angst, ohne Gewalt, mit Teilhabe aller. Frieden, wie sie ihn versteht, ist ein gesellschaftlich verankerter Prozess, der scheitert, sobald er auf Regierungs- und Diplomatieebene reduziert wird.

Die Verantwortung für Frieden darf nämlich nicht allein bei Regierung und Parlament verbleiben, sondern muss von der gesamten Gesellschaft, von Institutionen und jeder einzelnen Person übernommen werden. Deshalb sind Treffen von Frauenorganisationen, Debatten über soziale Räume, Frauenforen und Initiativen wie die „Fraueninitiative für Frieden“ zentral. Sie eröffnen Räume, in denen Frieden nicht nur besprochen, sondern gestaltet wird und gelebt wird. Politische Parteien stehen in der Pflicht, die Friedensfrage offensiv in die Öffentlichkeit zu tragen und Perspektiven einer wiederherstellenden Gerechtigkeit zu entwickeln, die Heilung, Verantwortungsübernahme und gesellschaftliche Versöhnung verbindet.

Wenn Frauen frei, gleichberechtigt und sicher leben können, wird diskriminierender und polarisierender Politik der Boden entzogen. Demokratisierung, sozialer Wandel und Gewaltfreiheit werden erst möglich, wenn Frauen als Hauptakteurinnen im Friedenskampf sichtbar sind.

Der Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft vom 27. Februar von Abdullah Öcalan überträgt Verantwortung auf jede einzelne Person: Frieden ist kein Geschenk von oben, sondern ein Auftrag an uns alle. Er ermutigt Frauen, ihren Platz in diesem Prozess nicht zu erbitten, sondern ihn selbstbewusst einzunehmen und aus dieser Position heraus Gewaltverhältnisse in Frage zu stellen.

„Was wir erleben, ist kein Frauenproblem, es ist ein Problem der Männlichkeit“

Die Veränderung betrifft jedoch nicht nur Frauen. Auch Männer müssten in die Pflicht genommen werden. „Was wir erleben, ist kein Frauenproblem, es ist ein Problem der Männlichkeit“, so Sebahat Tuncel, Aktivistin der Bewegung freier Frauen (Tevgera Jinên Azad, TJA).

Sie warnt vor der Ignoranz hinsichtlich der Entrechtung einer Gruppe: „Wer hier wegschaut, wird später selbst betroffen sein.“ Die Erfahrungen der letzten Jahre in Form von Repression, Justizwillkür und Einschränkungen demokratischer Freiheiten, hätten das Vertrauen der Gesellschaft in Institutionen geschwächt. Dennoch: „Die Frauen stehen nicht still. Sie rufen auf den Straßen nach Frieden. Sie demonstrieren, fordern, organisieren.“

Wenn Frieden gelingen soll, muss er sichtbar, inklusiv und von unten getragen sein. Freiheit und Sicherheit der Frauen sind keine Nebensache. Sie sind zentrale Bausteine jeder Friedensordnung. Organisation, Teilhabe und kollektives Handeln von Frauen verändern nicht nur einzelne Lebenswege, sondern ganze Gesellschaften.

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EGMR bestätigt Rechtswidrigkeit der Inhaftierung – Türkei muss Selahattin Demirtaş freilassen

8. November 2025 - 19:05

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Am 3. November 2025 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) den Einspruch der Türkei gegen ein früheres Urteil endgültig abgewiesen. Damit ist die Entscheidung, dass die Inhaftierung des oppositionellen Politikers Selahattin Demirtaş gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt, nun rechtskräftig und für die Türkei verbindlich.

Ein Urteil mit Signalwirkung

Das Straßburger Gericht hatte bereits 2018 festgestellt, dass die Verhaftung und fortgesetzte Inhaftierung von Demirtaş politisch motiviert und nicht auf rechtmäßigen Gründen beruhte. Der EGMR ordnete damals seine sofortige Freilassung an. Dieses Urteil ignorierte Ankara jedoch konsequent. Auch der Versuch, gegen das Urteil juristisch vorzugehen, ist nun endgültig gescheitert.

Die Entscheidung vom November 2025 statuiert klar, dass die Türkei internationales Recht verletzt hat und die Grundrechte eines gewählten Volksvertreters über Jahre hinweg missachtete. Für Beobachter:innen ist dies nicht nur ein juristischer, sondern auch ein politischer Wendepunkt.

Hintergrund: Von Kobanê bis zur Verhaftung

Selahattin Demirtaş, ehemaliger Ko-Vorsitzender der Demokratischen Partei der Völker (HDP), war über Jahre eine der wichtigsten Stimmen der demokratischen Opposition in der Türkei. Er trat für eine pluralistische, friedliche und inklusive Politik ein, darunter für gleiche Rechte der Kurd:innen, Frauen und Minderheiten.

Im November 2016 wurde er verhaftet, nachdem die türkische Regierung in der Folge des Putschversuchs gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan massiv gegen Oppositionelle vorging. Zahlreiche HDP-Abgeordnete wurden ihrer Immunität beraubt und verhaftet.

Der Hauptvorwurf gegen Demirtaş bezieht sich auf Ereignisse aus dem Jahr 2014: Damals hatte die HDP zu Protesten gegen die Angriffe der Terrormiliz IS auf die kurdische Stadt Kobanê in Nordsyrien aufgerufen. Diese Demonstrationen wurden später als Grundlage für Anklagen wegen „Terrorpropaganda“ und „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ genutzt. Zahlreiche internationale Stimmen bezeichnen die Anschuldigungen seit Beginn der Inhaftierung als politisch motiviert und rechtlich nicht haltbar.

Fortgesetzte Rechtsverletzung und politische Verantwortung

Trotz des klaren EGMR-Urteils von 2018 blieb Demirtaş in Haft. Seine Verteidigung betonte nun erneut, dass jede weitere Inhaftierung eine fortgesetzte Verletzung internationalen Rechts darstelle und die Glaubwürdigkeit der türkischen Justiz untergrabe.
Der Anwalt des Politikers forderte die unverzügliche Umsetzung der EGMR-Entscheidung und die sofortige Freilassung seines Mandanten.

Politische Reaktionen in der Türkei

Das Urteil bleibt auch innenpolitisch nicht ohne Wirkung. Sogar aus den Reihen der Regierungskoalition kamen vorsichtig positive Signale. Devlet Bahçeli, Vorsitzender der nationalistischen MHP und enger Verbündeter von Präsident Erdoğan, erklärte überraschend, die Freilassung des pro-kurdische Politikers wäre „ein positiver Schritt für die Türkei“.

Ein Symbol für Demokratie und Hoffnung

Selahattin Demirtaş steht längst über seine Partei hinaus für die Hoffnung auf Demokratie, Gleichheit und Meinungsfreiheit in der Türkei. In zahlreichen Schriften, Interviews und Briefen aus dem Gefängnis betont er, dass er sich nicht als Opfer, sondern als Vertreter eines politischen Kampfes versteht. Eines Kampfes für Freiheit und Gerechtigkeit für alle Menschen im Land.

In einem seiner Briefe formulierte er:

„Sie können uns einsperren, aber sie können unsere Hoffnung nicht einsperren.“

Mehr als ein juristischer Erfolg

Das EGMR-Urteil vom November 2025 ist mehr als nur ein juristischer Erfolg. Es ist eine Mahnung an die Türkei, ihre internationalen Verpflichtungen ernst zu nehmen. Die Freilassung von Selahattin Demirtaş wäre daher nicht nur die Umsetzung eines Urteils, sondern ein Zeichen für Gerechtigkeit und Hoffnung auf Wandel.

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