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KON-MED fordert von Bundesregierung Anpassung der Türkei-Politik

18. März 2024 - 9:56

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Der kurdische Dachverband KON-MED hat die Bundesregierung mit Blick auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (WD) über mögliche Kriegsverbrechen des türkischen Staates in Nord- und Ostsyrien zu einer Anpassung ihrer Türkei-Politik aufgefordert. „Aus unserer Sicht darf die Politik, insbesondere das Außenministerium, die Feststellungen des Wissenschaftlichen Dienstes nicht ignorieren“, erklärten die Ko-Vorsitzenden Emine Ruken Akça und Kerem Gök in einer Mitteilung. Das Gutachten weise auf wesentliche Problempunkte hin.

Die Türkei hatte im Dezember und Januar mehrtägige Luftoffensiven gegen Nord- und Ostsyrien geflogen und faktisch die komplette Infrastruktur der Region lahmgelegt. Es gab Tote und Verletzte, Millionen Menschen waren von der Versorgung mit Strom, Gas und Trinkwasser abgeschnitten, auch Krankenhäuser wurden angegriffen. Darüber hinaus führten die Angriffe zu einer Steigerung der Aktivitäten der Terrorgruppe IS, insbesondere in Auffanglagern wie Hol und Roj – eine Konsequenz, die sich aus der Schwächung des Antiterrorkampfes der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) durch die Bedrohung aus dem Nachbarland ergab.

Angriffe auf Zivilpersonen und Einrichtungen wie Krankenhäuser sind – bei Vorliegen von Vorsatz – völkerrechtswidrig, da sie gegen Art. 8 Abs. 2 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) verstoßen. Das besagt die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, die von Gökay Akbulut, Abgeordnete der Linken, angefordert wurde. Trotzdem hatte der NATO-Staat Türkei die zivile Infrastruktur im Dezember nicht zum ersten Mal öffentlich zu legitimen Zielen in Nordostsyrien erklärt und dies mit dem Recht auf Selbstverteidigung begründet. International herrschte trotz angekündigter Kriegsverbrechen weitgehend Schweigen. Auf die Zurückhaltung von Staaten bzw. staatlichen Akteuren im Kontext des NATO-Mitglieds Türkei weist auch der WD hin.

Selbst als der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan nach einer Kabinettssitzung Mitte Januar mit den Worten „Wir haben unsere Sicherheitskräfte angewiesen, alle terroristischen Elemente, die sie entdecken, zu vernichten, unabhängig davon, wer sich neben, in der Nähe oder hinter ihnen befindet“ ankündigte, den Krieg gegen Nord- und Ostsyrien erweitern zu wollen, regte sich im Westen kein Protest. KON-MED erinnert die Ankündigung Erdoğans, die auch im Gutachten des WD zitiert wird, an seine Aussage im Frühjahr 2006. Damals hatte er im Zusammenhang mit der Tötung von Zivilpersonen durch türkische Sicherheitskräfte im kurdischen Amed (tr. Diyarbakır) gesagt: „Egal, ob es sich um Frauen oder Kinder handelt; das Notwendige wird getan“.

„Wir stellen somit erneut Kontinuitäten der kriegerischen, antikurdischen Politik des türkischen Staates unter Erdoğan und seiner AKP fest“, betonte KON-MED. Bei den damaligen Todesopfern handelte es sich um Menschen, die am „Serhildana Amedê“ teilgenommen hatten. So werden mehrtägige Proteste in der kurdischen Widerstandshochburg bezeichnet, die sich im März 2006 auf der Beerdigung von vier HPG-Kämpfern entzündeten, die gemeinsam mit zehn weiteren Mitgliedern der PKK-Guerilla durch den Einsatz von geächteten Chemiewaffen in Mûş ermordet worden waren. Aus Hubschraubern hatte die türkische Armee mit scharfer Munition und Tränengas auf protestierende Menschen geschossen und 14 Personen ermordet, darunter mehrere Frauen und sechs Kinder. Auch der Zeitungskorrespondent Ilyas Aktaş (Devrimci Demokrasi) wurde getötet. Das türkische Verfassungsgericht hatte dazu im Jahr 2020 eine Rechtsverletzung festgestellt

Allgemein sei das Gutachten des WD allerdings kritikwürdig, findet KON-MED, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Da sei zum einen die Auswahl der Quellen zum Beschuss des Kobanê Medical Center auf dem Miştenûr genannt, bei dem auch eine medizinische Ambulanz des vom deutschen Sozialmediziner Gerhard Trabert geleiteten Mainzer Vereins Armut und Gesundheit zerstört wurde. Auch die Bezeichnung „Kurdenmiliz“ für die YPG, durch den WD kritisiert KON-MED. Das Wort erinnere an Begrifflichkeiten wie „Kurdendemo“ und „Kurdenführer“, die in Deutschland gerne im medialen Kontext verwendet würden, deren Sinnhaftigkeit bei Übertragung auf andere, vor allem westliche Volksgruppen allerdings fraglich erscheine. „Dennoch ist es unerlässlich, dass das Gutachten in der Politik Berücksichtigung finden muss“, so die Spitze des kurdischen Dachverbands.

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Jin Jiyan Azadî: Kurdische Frauen im Widerstand in den vier Teilen Kurdistans

12. März 2024 - 11:09

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Der Tod der Kurdin Jina Amini im September 2022 löste überall in Iran Proteste unter dem Motto „Jin, Jiyan, Azadî“ aus. Diese kurdische Formel, die übersetzt „Frau, Leben, Freiheit“ bedeutet, tauchte bald auf Transparenten in den Städten Ostkurdistans (Nordwestiran) auf und wurde schnell zur offiziellen Losung dessen, was viele für eine neue „iranische Revolution“ hielten. Es dauerte nicht lange, bis „Jin, Jiyan, Azadî“ auf das Brandenburger Tor in Berlin projiziert, bei den Filmfestspielen in Cannes skandiert und von westlichen Politikerinnen in europäischen Parlamenten gerufen wurde. In den sozialen Medien begannen Frauen sogar, sich die Haare abzuschneiden, bevor sie die Parole in ihre Kameras sprachen.

Historischer und ideologischer Hintergrund

In Wirklichkeit ist „Jin, Jiyan, Azadî“ kein Slogan, der durch den Tod von Jina Amini entstanden ist, sondern eine jahrzehntelange Botschaft aus dem Zagros-Gebirge in Kurdistan, die erstmals von Widerstandskämpferinnen verwendet wurde. Diese kurdischen Frauen waren keine hilflosen Opfer, die von der sogenannten „Sittenpolizei“ misshandelt wurden, sondern bewaffnete Guerillakämpferinnen, die „Jin, Jiyan, Azadî“ verwendeten, um das Paradigma der Frauenbefreiung, die Jineolojî (Wissenschaft aus der Perspektive der Frauen) und die politische Ideologie des demokratischen Konföderalismus darzulegen.

Diese Formel basiert auch auf der Philosophie der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK), die besagt, dass es in allen Gremien und Ämtern eine genderparitätische Vertretung bestehend aus einem Mann und einer Frau geben muss, Frauen in Selbstverteidigungseinheiten organisiert sein sollten, um sich selbst zu schützen, und dass Frauen ihre eigene Zivilgesellschaft aufbauen sollten, um ihre Interessen zu vertreten. Damit entwarfen diese kurdischen Frauen nicht nur ein Konzept zur Befreiung der Kurd:innen, sondern der gesamten Menschheit, und zeigten auf, wie die politische „gläserne Decke“ der Gesellschaft abgebaut werden kann.

Historisch gesehen hat die Dynamik der kurdischen Frauen, die für ihr Leben und ihre Freiheit Widerstand leisten, ein reiches Erbe in allen vier Teilen Kurdistans. Von Leyla Qasim, die hingerichtet wurde, weil sie sich dem Diktator Saddam Hussein widersetzte, bis zu Leyla Zana, die jahrelang im Gefängnis saß, weil sie forderte, dass die Kurd:innen in der Türkei ihre eigene Sprache sprechen dürfen – wir können die Samen sehen, die zu den Blumen „Jin, Jiyan, Azadî“ aufgegangen sind.

Zehra Doğan ist eine Künstlerin, die inhaftiert wurde, weil sie die Zerstörung der Stadt Cizre durch das türkische Militär malte. Die Musikerin Nudem Durak sitzt in einem türkischen Gefängnis, weil sie auf Kurdisch sang, und die Lehrerin Zara Mohammadi wurde von Iran verhaftet, weil sie Kindern, die für Leben und Freiheit kämpften, Kurdisch beibrachte. In all diesen Fällen wurden kurdische Frauen angegriffen und bestraft, weil sie Widerstand leisteten, sei es, dass sie einen Pinsel in die Hand nahmen, eine Melodie sangen oder ein Wort in ihrer Muttersprache aussprachen.

Kultur des Widerstands

Dieser einzigartige Freiheitsgeist der kurdischen Frauen spiegelt sich auch in der Kultur wider, in der es zahlreiche Mythen, Volkslieder und Balladen gibt, in denen Frauen gefeiert oder verehrt werden. In diesen Geschichten und Liedern wehren sich Frauen gegen eine unerwünschte Heirat oder widersetzen sich dem Diktat eines Mannes, der sie zu kontrollieren versucht, und fliehen stattdessen mit dem Partner ihrer Wahl.

Auch in den kurdischen Religionsgemeinschaften verschiedener Glaubensrichtungen spielen Frauen eine wichtige Rolle, beispielsweise in den spirituellen Praktiken der alevitischen Kurd:innen (Reya Heq), in denen die heilige Weiblichkeit eine zentrale Rolle spielt und als Beschützerin des Lebens angesehen wird. Es gibt auch eine wachsende Zahl kurdischer Dichterinnen, die Grenzen überschreiten, indem sie tabuisierte Themen der Sexualität und des Frauseins auf eine Weise ansprechen, die andere Frauengemeinschaften im Nahen Osten inspiriert, es ihnen gleichzutun.

Auch in der Welt der Künste nutzen kurdische Frauen ihre Fähigkeit als mächtiges Instrument, um auszudrücken, was es bedeutet, Kurdin, Frau und Mensch zu sein. Die Unterdrückung der kurdischen Stimme durch die Besatzungsmächte hat dazu geführt, dass gerade kurdische Frauen viel zu sagen haben, wenn sie endlich die Chance dazu bekommen. Oft ist die Botschaft, die diese Werke motiviert, die Bewahrung einer verleugneten Geschichte oder die Kritik an Strukturen, die die Freiheit der kurdischen Frauen einschränken.

Neben dem kulturellen Bereich haben kurdische Frauen vor allem in den letzten Jahrzehnten auch im zivilen und politischen Leben eine führende Rolle gespielt. So wurden in ganz Nordkurdistan kurdische Frauen zu Bürgermeisterinnen gewählt, und viele von ihnen haben sich dem türkischen Zentralstaat widersetzt und sind inhaftiert worden, weil sie die Bürgerrechte der Kurd:innen verteidigt haben. Leider werden viele kurdische Frauen in den westlichen Medien erst dann erwähnt, wenn sie entweder verhaftet oder getötet werden, weil sie ihre Freiheiten verteidigt haben, was zeigt, dass „Jin, Jiyan, Azadî“ kein Vorschlag ist, sondern ein Ethos, nach dem sie leben und für das sie ihr Leben riskieren. So reiht sich der Name Jina Amini in die Liste der aus politischen Gründen ermordeten Kurdinnen ein, die von Sakine Cansız über Hevrin Xelef bis Nagihan Akarsel reicht.

Doch der gemeinsame Nenner all dieser Geschichten ist, dass kurdische Frauen sich weigern, den begrenzten Raum zu akzeptieren, den ihnen eine patriarchalische Welt und eine traditionell konservative Gesellschaft zugewiesen haben. Dies bereitet die kurdischen Frauen darauf vor, Diktatoren, Todesschwadronen, Bereitschaftspolizei und Geheimdiensten, die sie ermorden wollen, die Stirn zu bieten, denn sie gehören zur selben Institution Mann, die sie an der buchstäblichen Heimatfront in ihren Wohnzimmern zu bekämpfen gewohnt sind. Sogar im 18. und 19. Jahrhundert schrieben viele westliche orientalistische Anthropolog:innen häufig über diesen Geist, weil sie davon angezogen waren, dass die kurdischen Frauen „freier“ zu sein schienen als ihre Erwartungen und die anderen Kulturen, die sie umgaben.

Widerstand statt Protest

Es ist unmöglich, über die Rolle zu sprechen, die kurdische Frauen bei der Verteidigung von Leben und Freiheit in ganz Kurdistan gespielt haben, ohne den einzigartigen Aspekt anzuerkennen, dass Frauen seit vielen Jahren an der Seite von Männern in einer Reihe von kurdischen Parteien kämpfen – von der Komala (Gesellschaft der revolutionären Werktätigen Iranisch-Kurdistans), der PDK-I (Demokratische Partei Kurdistans-Iran), der PJAK (Partei des freien Lebens in Kurdistan) und der PAK (Freiheitspartei Kurdistans) in Ostkurdistan/Iran; den Peschmerga-Frauen der YNK (Patriotische Union Kurdistans) in Südkurdistan/Irak, den Guerillakämpferinnen der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) in Nordkurdistan/Türkei und den Kämpferinnen der YPJ (Frauenverteidigungseinheiten) in Rojava/Syrien.

In jedem dieser Fälle haben kurdische Frauen in einer traditionell männerdominierten und konservativen Gesellschaft Stereotype in Frage gestellt und schließlich durch ihren Mut die Anerkennung vieler kurdischer Männer sich erlangt. Dies ist besonders bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass in vielen westlichen Ländern Frauen noch immer nicht Seite an Seite mit ihren männlichen Kollegen kämpfen. Das zeigt, dass kurdische Frauen in diesem Bereich eine Vorreiterrolle bei der Überwindung von Grenzen spielen. Kurdische Widerstandskämpferinnen sind weit mehr als fotogene und „exotische“ Raritäten, sie stehen in einer langen Tradition von Frauen, die sich seit Jahrhunderten gegen Geschlechternormen und patriarchale Versuche, ihren Horizont einzuschränken, gewehrt haben.

Die begrenzte Natur von Azadî

Die YPJ zeichnen sich dadurch aus, dass sie für ihren bewaffneten Widerstand gegen den IS von 2014 bis 2019 auch von westlichen Medien gefeiert wurde. Die Frauen der YPJ wurden im französischen Präsidentenpalast empfangen und waren auf den Titelseiten von Modemagazinen zu sehen, während endlose Dokumentationen und Spielfilme gedreht und Bücher darüber geschrieben wurden, wie einzigartig es sei, dass unverschleierte junge Frauen im Mittleren Osten gegen Männer kämpfen, die sie buchstäblich in Ketten legen wollten.

So konnten die kurdischen Frauen der YPJ als „Racheengel“ im ultimativen Kampf „Gut gegen Böse“ auftreten, den die westliche Berichterstattung bevorzugt. Als jedoch dieselben YPJ-Frauen von türkischen Luftangriffen getroffen wurden, ignorierte dieselbe westliche Presse die Geschichte und den moralischen Imperativ, um ihren strategischen NATO-Verbündeten nicht zu verärgern. Dies wirft die Frage auf, inwieweit der Westen sich der Universalität der Botschaft „Jin, Jiyan, Azadî“ bewusst ist, die besagt, dass Frauen das Recht haben, ihr Leben zu verteidigen und ihre Freiheit gegen jeden zu verteidigen, der sie bedroht.

Der Slogan bedeutet, dass Frauen das Recht haben, sich zu verteidigen und ihre Freiheit zu schützen, sogar durch bewaffneten Widerstand, wenn nötig. Diese Tatsache schien in Washington, Brüssel und London offensichtlich zu sein, als die YPJ sich gegen die IS-Terroristen verteidigten, aber weniger, wenn dieser Feind die Möglichkeit hat, den Zugang zum Schwarzen Meer zu kontrollieren, wie es Ankara tut.

Leider zeigt die aktuelle politische Landschaft in solchen Fällen, dass der Mut kurdischer Frauen gefeiert wird, wenn er mit den außenpolitischen Zielen der betreffenden Staaten übereinstimmt, und ignoriert oder sogar geächtet wird, wenn er diesen Zielen zuwiderläuft. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass YPJ-Kämpferinnen als Heldinnen gefeiert werden, wenn sie einen IS-Panzer abschießen, aber nicht erwähnenswerte Opfer sind, wenn sie eine türkische Drohne angreifen. Dies wirft ein Schlaglicht auf eine weitere unangenehme Realität für westliche Politiker:innen: Die Tatsache, dass der Slogan „Jin, Jiyan, Azadî“ von dem kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan populär gemacht wurde, der seit 25 Jahren von der Türkei isoliert auf einer Insel gefangen gehalten wird.

Während es kaum eine demokratische Regierung gibt, die sich theoretisch gegen das Prinzip der Gleichberechtigung der Frau ausspricht, ist insbesondere der Begriff „Freiheit“ interpretationsbedürftig. Bedeutet er, dass sie die Freiheit haben, ihre eigene Sprache zu sprechen? Oder ihre eigene Autonomie oder einen unabhängigen Staat Kurdistan zu gründen? Im Falle der Kurd:innen scheint es, dass die Freiheiten der kurdischen Frauen in Iran, in Syrien und im Irak (geopolitische Feinde) von den westlichen Mächten als legitim anerkannt werden, weniger jedoch in der Türkei.

Mehr als Worte auf einem Banner

„Jin, Jiyan, Azadî“ ist nun offiziell Teil des politischen Vokabulars auf der ganzen Welt. Der Slogan wurde von Tausenden, wenn nicht Millionen Frauen rund um den Globus gerufen, was bedeutet, dass er nicht so leicht vergessen werden kann. Aber diejenigen, die diese Botschaft unterstützen, müssen verlangen, dass die drei Worte der Losung besser verstanden werden und darauf bestehen, dass die kurdischen Frauen, die „Jin, Jiyan, Azadî“ der Welt geschenkt haben, nicht ignoriert oder aus der Formel gestrichen werden. Staaten neigen dazu, radikale Ideen aufzugreifen und sie so weit zu entschärfen, dass sie für die eigene Macht ungefährlich und nicht bedrohlich werden.

So gab und gibt es immer wieder Versuche, aus „Jin, Jiyan, Azadî“ ein Klischee oder eine Botschaft auf einem Autosticker zu machen, eine Phrase, die jeder aufsagen, aber nur wenige erklären können. Mit der Zeit wird sich der kurdische Ausdruck wahrscheinlich vollständig in die englische Übersetzung verwandeln, so dass die sprachlichen Ursprünge in Vergessenheit geraten. Selbst in Iran tauchte bald die Farsi-Variante „Zan, Zendegi, Âzâdi“ auf, und auch in anderen Konflikten weltweit wurde der Slogan in die jeweilige Muttersprache übersetzt.

Die kurdische Bewegung, von der der Slogan stammt, hatte nichts dagegen, denn der Sinn von „Jin, Jiyan, Azadî“ besteht darin, ihn zu einer universellen Botschaft in allen Sprachen der Welt zu machen. Es wäre jedoch wünschenswert, dass diejenigen, die diese Botschaft übernehmen, wenigstens aus Respekt zumindest die ursprüngliche Quelle und die Jahrzehnte des Kampfes, des Schmerzes und der Gefangenschaft anerkennen, die es gekostet hat, diese Gleichung zu formulieren. Viele kurdische Frauen haben ihr Leben und ihre Freiheit aufgegeben, damit Frauen auf der ganzen Welt sie heute einfordern können. Außerdem sollte der Slogan nicht der letzte, sondern der erste Schritt sein, um tiefergehende Fragen zu stellen und mehr über die Philosophie hinter den Worten zu erfahren. Wenn man ein erfülltes Leben und wahre Freiheit für alle Frauen fordert, muss man erklären, wie man sie erreichen und schützen kann.

Der Beitrag wurde zuerst in englischer Sprache auf der Website von The Kurdish Center for Studies veröffentlicht.

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KON-MED verurteilt Nazidrohung gegen Biratî e.V.

26. Februar 2024 - 7:12

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Nach den Nazidrohungen gegen den kurdischen Verein Biratî e.V. in Bremen hat die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V. (KON-MED) eine gründliche Aufarbeitung gefordert. Die „verabscheuungswürdige Tat“ verdeutliche die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit der Lage von Menschen, die Opfer von antikurdischem Rassismus werden, erklärte KON-MED in einer Mitteilung. Die Vorgänge müssten Politik und Behörden nun sehr genau aufarbeiten, um zu verhindern, „dass so etwas noch einmal passiert“.

Mitte vergangener Woche waren im Briefkasten des in der Bremer Neustadt ansässigen Vereins Biratî zwei mit Hakenkreuz und „SS“ versehene Patronen entdeckt worden. Es handelte sich nicht um den ersten offenbar rechtsextremistischen Vorfall gegen die kurdische Community in der Region. Erst im November hatten kurdische Geschäftsleute in der Neustadt Drohschreiben erhalten. „Ich spreng euch Scheißdönerläden in die Luft“, wurde darin angekündigt. Aufgeklärt wurde die Drohung bisher aber nicht.

Die Täter scheinen Polizei und Behörden immer einen Schritt voraus zu sein – dies, obwohl die Räumlichkeiten von Biratî e.V. und Geschäfte von kurdischstämmigen Menschen ständig von der Bremer Polizei observiert werden. Das ist aus diversen Strafverfahren gegen vermeintliche PKK-Kader bekannt. Die Observationsprotokolle aus der Vergangenheit enthalten sogar Angaben darüber, wer wann eine Zigarette vor dem Verein geraucht oder Tee getrunken hat.

KON-MED führt die Zunahme von antikurdischem Rassismus in Bremen unter anderem auf die Praxis der Polizei zurück, den Verein Biratî zu kriminalisieren und immer wieder unter verschiedenen Vorwänden zur Zielscheibe macht. „Nach jeder Polizeiaktion gegen diese Einrichtung wird Biratî e.V. verleumderischen Anschuldigungen ausgesetzt. Sicherheitsbehörden kriminalisieren Kurdinnen und Kurden in der Presse und betreiben so antikurdische Stimmungsmache.“ Als Beispiel nennt KON-MED die Berichterstattung zum Fall Kadri Saka.

Der 58-jährige Aktivist und Vater von acht Kindern war Mitte Januar in Bremen wegen des Vorwurfs, zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu gehören, festgenommen und später verhaftet worden. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg wirft ihm vor, sich in „herausgehobener Stellung“ für die PKK betätigt und einen vermeintlichen „Gebietsverantwortlichen“ unterstützt zu haben. Seine Aufgaben hätten darin bestanden, Demonstrationen und Veranstaltungen zu organisieren, Teilnehmer:innen für diese Aktivitäten zu mobilisieren, bei Streitigkeiten zu schlichten, Spendenkampagnen durchzuführen oder Zeitschriften und Veranstaltungstickets zu verkaufen.

„Polizeiberichte in der Presse diffamierten Saka daraufhin als gefährliche Person und erzeugten damit gezielt eine Drohkulisse gegenüber Kurd:innen“, betont KON-MED. Ebenso sei Biratî e.V. medial diskriminiert worden, da etwa zeitgleich zur Festnahme Sakas die Räumlichkeiten des Vereins von der Polizei durchsucht wurden. „Es ist dringend erforderlich, dass die Bremische Bürgerschaft gegen die Drohungen gegen kurdische Bürger:innen vorgeht“, verlangt KON-MED daher. „Wir erwarten vom Landesparlament und Senat, die für die Sicherheit der aller Bürgerinnen und Bürger Bremens, einschließlich der Kurd:innen, verantwortlich sind, dass sie dringend konkrete Maßnahmen gegen die zunehmende Unruhe innerhalb unserer Gesellschaft ergreift.“

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Über 30 Jahre PKK-Verbot: Die Kriminalisierung der kurdischen Freiheits-Bewegung in Deutschland

17. Februar 2024 - 9:52

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

An dem Umstand, dass sich das Hirngespinst von der terroristischen PKK bis heute hält, haben auch Medien und Journalist:innen ihren Anteil. Das schreiben Alexander Glasner-Hummel, Monika Morres und Kerem Schamberger in ihrem Buch „Geflohen. Verboten. Ausgeschlossen. Wie die kurdische Diaspora in Deutschland mundtot gemacht wird“. In Bezug auf die kurdische Freiheitsbewegung habe der deutsche Journalismus vielfach versagt, die vierte Gewalt sei gescheitert in ihrer Funktion, die Politik zu kontrollieren und kritisch zu begleiten.

In Köln findet heute eine Demonstration für die Freiheit von Abdullah Öcalan statt, zu der unter anderem die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V. (KON-MED) unter dem Motto „Schluss mit 25 Jahren Isolation, Folter und Rechtlosigkeit“ aufruft. Der Dachverband kurdischer Kulturvereine hat angesichts der reißerischen und stigmatisierenden Vorabberichterstattung die Einhaltung des Pressekodex gefordert und insbesondere einen Artikel im Kölner Express scharf kritisiert. Interessant an diesem diffamierenden Artikel unter der Schlagzeile „Brücken und Straßen gesperrt: 15.000 zu Großdemo für Anführer von Terrorgruppe in Köln erwartet” ist auch der Schluss. Dort steht nämlich: „Dieser Text wurde mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt und von der Redaktion (Adnan Akyüz) bearbeitet und geprüft.” Adnan Akyüz war von 2011 bis 2013 Reporter bei der türkischen Zeitung Hürriyet und ist seit 2014 beim Express.

Aber auch der WDR berichtete in ähnlichem Stil von einer „Demonstration für den Anführer der Terrororganisation PKK“ und behauptete, die PKK wolle einen unabhängigen kurdischen Staat gründen. Tatsächlich ist die PKK vor über dreißig Jahren von diesem Ziel abgerückt und hat seit 1993 neun einseitige Waffenstillstände gegenüber dem türkischen Staat ausgerufen. Das Alternativkonzept von Abdullah Öcalan zum Nationalstaat heißt Demokratische Nation, ein Modell, welches als strategisches Ziel ein friedliches und demokratisches Zusammenleben der Völker formuliert.

Der WDR-Bericht ist auch der Aufhänger für einen Beitrag im Blog Voices from Kurdistan, in dem das seit über dreißig Jahren bestehende PKK-Verbot und die Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung in Deutschland kritisiert wird. Darin heißt es unter anderem:

Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung in Deutschland

In der Kölner Innenstadt findet am Samstag eine Demonstration für den Anführer der Terrororganisation PKK statt. Die Polizei rechnet mit 15.000 Teilnehmern. ‚Freiheit für Öcalan‘ ist das Motto der Demonstration am Samstag. Anhänger der PKK wollen damit in Köln für die Freilassung ihres Anführers Abdullah Öcalan demonstrieren.“ Das berichtet der WDR einen Tag vor der geplanten Demonstration in Köln gegen die vollständige Isolationshaft Abdullah Öcalans auf der Gefängnisinsel Imrali. Öcalan ist vielen Menschen bekannt, wird jedoch in allen regierungspolitischen Diskursen als „Terrorist“ diffamiert. Für Kurd:innen ist er ein Philosoph und der größte Repräsentant der kurdischen Freiheitsbewegung in ihrem Streben nach einer friedlichen Lösung und einer antikapitalistischen globalen Bewegung gegen ausbeuterische und patriarchale Systeme.

Deutschland verfolgt seit Jahrhunderten ein Eigeninteresse, linke Arbeiterbewegungen und progressive Kräfte gegen den eigenen staatlichen Konservatismus niederzuschlagen, und begann mit dieser Repression bereits im Zeitalter Bismarcks mit dem Verbot linker Parteien. Der im Grundgesetz verankerte Paragraph 129a/b gegen sogenannte „terroristische Vereinigungen“ wird aktuell am stärksten gegen die kurdische Arbeiterpartei, die PKK, landesweit genutzt, um jeglichen kurdischen Aktivismus im Kern zu ersticken. Ein Tag vor der Demonstration werden bereits verfälschte Ängste mit einer bewussten Rhetorik von „Anhängern“ und „Terroristen“ geschürt, um eine gesamtgesellschaftliche diskreditierende Atmosphäre gegen alle Beteiligten zu mobilisieren. Die Debatten um die PKK, um Abdullah Öcalan und um aktivistische Kurd:innen in Deutschland finden zu diesen Zeiten erneut einen besonderen Aufschwung. Es bietet sich an, die Frage zu stellen, was ist die PKK und was für ein Ziel verfolgt die deutsche Regierung mit einem solchen Parteiverbot für einen Konflikt, der außerhalb von Deutschlands Grenzen vonstatten geht?

Sich offen zu dem Slogan Jin Jiyan Azadî bekennen und es für feministische Diskurse nutzen und gleichzeitig die kurdische Ideologie, aus der es stammt und gelebt wird, aufs Höchste kriminalisieren: Das ist Deutschland. Unsere Außenministerin Anna-Lena Baerbock war eine der vielen politischen Akteur:innen, die mit einem Plakat der ins Englische übersetzten kurdischen Parole „Woman Life Freedom“ gesichtet wurde und es stolz trug, doch im gleichen Atemzug ihre „feministische Außenpolitik“ mit Waffenlieferungen an die Türkei definiert, mit denen die Kräfte, die diese radikal-emanzipatorisch feministische Ideologie tragen, militärisch eliminiert werden.

1993 leitete die deutsche Regierung das PKK-Verbot in die Wege, jedoch nicht aus eigener staatlicher Überzeugung, sondern als eine Übernahme des Terror-Verständnisses der Türkei, um zu jedem Preis eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Kooperationen mit dem Terror-Regime zu entgehen. Deutschland kann als Land seiner Verantwortung und Aufgabe nicht entgehen und muss sich zwingenderweise mit der politischen Lösung der kurdischen Frage auseinanderzusetzen, denn hier ist die größte kurdische Diasporagemeinde in Europa ansässig. Jedoch nimmt sie bislang bei dieser Thematik zu keinem Punkt eine konstruktive Rolle ein und wird ihrem Ruf als demokratisches Land einfach nicht gerecht. (…)

Um die Jahre 2014/2015, die die intensivsten Kampfjahre gegen den IS markieren, fiel im Diskurs die „Chance einer Neueinordnung“. Viele deutsche Politiker:innen äußerten sich in diesen Jahren positiv über die YPG/YPJ und auch die PKK als Verbündete im Kampf gegen den IS. (…) Rasant verstummten die Sympathiebekundungen der Bundesrepublik aber wieder, obwohl in den dreißig Jahren des PKK-Verbots klar wurde: Die PKK stellt für Deutschland keine Gefahr dar und das Recht auf kurdischen Aktivismus ist ein Menschenrecht, welches im Grundgesetz als eine der größten zentralen Säulen verankert ist. (…) Mit diesen Worten hoffen wir auf eine laute und erfolgreiche Demonstration ohne gewalttätige Polizeieinsätze für einen der wichtigsten Freiheitsmärsche der Demokratie!

Der Artikel stammt aus dem Blog Voices from Kurdistan.

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25 Jahre Isolation: Öcalans Freiheit ist wichtiger denn je

15. Februar 2024 - 9:32

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

25 Jahre Isolation, seit einem Vierteljahrhundert hinter Gittern auf der Gefängnisinsel İmralı… Der kurdische Repräsentant Abdullah Öcalan wird seit seiner Entführung am 15. Februar 1999 in die Türkei als wichtigster politischer Gefangener des Landes und der gesamten Region von der Außenwelt isoliert. Dabei hätte alles anders kommen können…

Am 1. September 1998 verkündete Abdullah Öcalan von Syrien aus zum wiederholten Male einen einseitigen Waffenstillstand der PKK, um eine politische Lösung der kurdischen Frage zu forcieren. Die Antwort der Türkei auf dieses Friedensangebot war abermals eine Eskalation des Konflikts. Mit Unterstützung aus Washington erhöhte der türkische Staat den Druck auf Syrien, wo sich der PKK-Begründer seit mittlerweile 19 Jahren aufhielt. Um einen Krieg zwischen den beiden Staaten zu verhindern, brach Öcalan am 9. Oktober 1998 in Richtung Europa auf. Er erhoffte sich, durch die Vermittlung der europäischen Staaten eine politische Lösung der kurdischen Frage befördern zu können.

Doch diese Bemühungen schlugen fehl. Auf Italien, wo Öcalan sich zwischenzeitlich drei Monate aufhielt, übten die Türkei und die NATO ebenfalls starken politischen Druck aus. Daraufhin verließ Öcalan die italienische Hauptstadt Rom und brach nach einer Odyssee durch mehrere Staaten Europas nach Südafrika auf, wo er nie ankommen sollte. Am 15. Februar 1999 wurde er in Kenia im Rahmen einer Operation mehrerer Geheimdienste entführt und an die Türkei ausgeliefert. Die Entführung verursachte weltweite Proteste und Aufstände von Kurdinnen und Kurden. In der Türkei wurde gleichzeitig der antikurdische Nationalismus forciert, was das Land an den Rand eines Bürgerkrieges führte.

Am 29. Juni 1999 wurde Abdullah Öcalan nach einem kurzen Schauprozess auf İmralı zum Tode verurteilt. Der Prozess wurde später von der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) als unfaires Verfahren verurteilt. 2002 wurde die Todesstrafe in der Türkei abgeschafft. Daraufhin wandelte die Justiz die Strafe Öcalans in „verschärfte lebenslange Haft“ ohne Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung um – in anderen Worten: Haft bis zum Tod. Auch dies wurde vom EGMR als unmenschliche Strafe verurteilt. Konsequenzen bisher: keine.

Haftbedingungen auf der Gefängnisinsel İmralı

Die Haftbedingungen Öcalans sind für europäische Verhältnisse beispiellos. Er ist mit einem Regime der totalen Isolation und Willkür konfrontiert. İmralı befindet sich im Marmarameer, zwischen Bosporus und Dardanellen, an der Grenze zwischen Europa und Asien. Die Insel ist militärisches Sperrgebiet. Die Überfahrt per Schiff ist langwierig und sehr anstrengend. Abdullah Öcalan verbrachte die ersten zehn Jahre als einziger Gefangener auf der Insel, bewacht von mehr als 1.000 Soldaten. 2009 wurde ein neues Gefängnis für ihn und fünf weitere Gefangene erbaut. Sämtliche Zellen sind auf Isolationshaft ausgelegt. Jeder der Häftlinge hat einen eigenen winzigen Außenbereich für den Hofgang. Durch die extreme Höhe der Mauern wirken diese Höfe wie Brunnenschächte.

Die politische Dimension

Die anhaltende Isolation Abdullah Öcalans ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Menschenrechte. Aber der Umgang mit dem Politiker ist nicht nur eine menschenrechtliche Frage, sondern hat darüber hinaus eine weitgehende politische Dimension. Öcalan wird von der Gesellschaft und Fachleuten als nationale Führungsfigur und politischer Repräsentant der Kurdinnen und Kurden betrachtet. In Kurdistan und der Türkei ist allgemein bekannt, dass eine politische Lösung nur im Dialog mit Abdullah Öcalan möglich ist. Jede türkische Regierung seit 1999 war sich dessen bewusst und führte entsprechend Gespräche mit Abdullah Öcalan auf İmralı – obwohl das bis 2010 keine der Regierungen zugab.

Die Strategie der Regierung, die auf Gewalt und Spannung basiert, führt zwangsläufig in eine Sackgasse. Sie wird absehbar zu weiteren Kämpfen und unnötigem Blutvergießen führen. Die einzige Alternative zu Gewalt ist der Dialog. Abdullah Öcalan hat bewiesen, dass er zu einem solchen Dialog bereit und in der Lage ist, ihn erfolgreich zu einer dauerhaften Friedenslösung zu führen.

Gleichzeitig inspiriert Öcalan als Autor und Politiker Millionen von Menschen in Kurdistan und weltweit. Er ist einer der prominentesten politischen Gefangenen der Gegenwart. Nach mittlerweile 25 Jahren rückt seine Freiheit auf der Tagesordnung immer weiter nach oben. Sie muss und wird kommen – je früher, desto besser.

Internationale Kampagne für die Freiheit von Öcalan

Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, haben Aktivist:innen auf der ganzen Welt am 10. Oktober 2023 den Startschuss für eine globale Kampagne mit dem Titel „Freiheit für Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage” gegeben. An insgesamt 74 Orten in Europa, Bangladesch, Pakistan, Tokio, Indien, Kenia, Südafrika, Lateinamerika und anderswo wurden an diesem Tag gleichzeitig Presseerklärungen zu diesem Thema veröffentlicht. An der weltweiten Kampagne beteiligt sind Akademiker:innen, Journalist:innen, NGOs, politische Parteien, Parlamentarier:innen, Aktivist:innen, Philosoph:innen, Nobelpreisträger:innen, Frauenorganisationen und Vertreter:innen indigener Völker.

Am 10. Dezember, dem 75. Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen, fand mit dem weltweiten Öcalan-Buchtag die nächste Etappe der Kampagne statt. Das Motto des Buchtages lautete: „Gedanken, die Gefängnisgitter durchbrechen – Ideen kann man nicht einsperren!“ An weit über 150 Orten weltweit trafen sich Menschen und organisierten Lesungen, Kundgebungen und Diskussionen, um das Paradigma des kurdischen Vordenkers bekannter zu machen.

Am kommenden Samstag, den 17. Februar, findet mit der Demonstration „Schluss mit 25 Jahren Isolation, Folter und Rechtlosigkeit“ ein weiterer Höhepunkt der Kampagne statt. Im Aufruf des kurdischen Dachverbandes KON-MED zur Demonstration heißt es: „Seit nunmehr 25 Jahren ist der kurdische Repräsentant und Vordenker Abdullah Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel İmralı inhaftiert, seit fast drei Jahren befindet er sich erneut in totaler Isolation. Das Ziel von Haft und Folter ist klar: Der Philosoph und Politiker Öcalan soll daran gehindert werden, die politischen Entwicklungen in Kurdistan und im Nahen und Mittleren Osten mitzugestalten. Denn eine Beteiligung Öcalans an der Diskussion zur Lösung der kurdischen Frage wäre ein wichtiger Beitrag zur Stärkung von Frieden und Demokratie gegen diktatorische und islamistische Kräfte in der Region. In den letzten Jahren waren es vor allem die Initiativen Öcalans, die immer wieder politische Verhandlungen mit dem türkischen Staat ermöglichten und wichtige Beiträge zum Aufbau einer ökologischen, demokratischen und auf der Befreiung der Frau basierenden Gesellschaft leisteten.“

Hungerstreik politischer Gefangener

Der Widerstand gegen die unmenschliche Isolationshaft von Abdullah Öcalan hat nun auch die türkischen Gefängnisse erreicht. Seit dem 27. November befinden sich in der Türkei inhaftierte Mitglieder der PKK und der PAJK in einem Hungerstreik, um die internationale Kampagne zu unterstützen. Die Gefangenen beteiligen sich abwechselnd und in Gruppen an dem Hungerstreik. In einer Erklärung der Gefangenen heißt es: „Wo auch immer wir atmen, wir werden niemals unser Beharren auf ein freies Leben und unseren Glauben an die freie und gleichberechtigte Einheit der Völker aufgeben.“ Der Hungerstreik, der zunächst bis zum 15. Februar angekündigt war, soll nun bis zum 4. April fortgesetzt werden. Danach, so der Sprecher der Gefangenen, Deniz Kaya, wolle man den Hungerstreik „auf eine neue Ebene“ heben. Was damit konkret gemeint ist, ließ Kaya offen.

Nach 25 Jahren Isolationshaft – Öcalans Freiheit ist wichtiger denn je!

Ohne die Aufhebung der Isolation auf der Gefängnisinsel İmralı, ohne die Freiheit von Abdullah Öcalan kann es keine politische Lösung der kurdischen Frage geben. Denn wir sind davon überzeugt, dass Öcalan mit seinen Ideen der Garant für eine solche Lösung ist. Die unmenschliche Isolationsfolter gegen ihn muss aufhören, er muss endlich als Partner für eine politische Lösung anerkannt werden.

Öcalans Konzepte und Ideen, wie das basisdemokratische Gesellschaftskonzept des Demokratischen Konföderalismus oder seine Ideologie der Frauenfreiheit, haben Lösungspotenzial nicht nur für die Kurdistan-Frage, sondern für viele Konflikte und Kriege unserer Zeit. Sie zeigen, wie ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Völkern und Religionsgemeinschaften aussehen kann. Die Umsetzung ihrer Konzepte in Nord- und Ostsyrien und anderen Teilen Kurdistans belegen dies eindrucksvoll. Deshalb gilt es unsere Kräfte zu bündeln und dafür sorgen, dass die Tore von İmralı endlich geöffnet werden!

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Tod eines Kameramanns

14. Februar 2024 - 15:59

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Der Kameramann Mansour Karimian wurde 1984 in der ost-kurdischen Stadt Sine (Sanandadsch) im Iran geboren. Seit 2021 lebte er aufgrund der Repression des iranischen Regimes in Rojava. Dort und auch in allen anderen Teilen Kurdistans wirkte er an Filmprojekten mit, darunter an den Spielfilmen „Dema Dirîreşkan“ (Blackberry Season) und „Kobanê“, der Dokumentation „Briefe aus Şengal“ sowie an der Serie „Evîna Kurd“. Im Dezember 2023 wurde er bei einem Luftangriff des NATO-Staates Türkei auf eine Erdölförderanlage bei Tirbespiyê getötet. Filmemacher Robert Krieg erinnert an seinen Freund und Kameramann. (GWR-Red.)

Einen Tag vor Weihnachten 2023 wurde der Kameramann Mansour Karimian bei einem türkischen Luftangriff auf Rojava, das Gebiet der demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien, getötet. Ich hatte Piro – so lautete der Spitzname von Mansour Karim – bei mehreren Videokonferenzen zur Vorbereitung unseres Films kennengelernt. Ich kannte ihn also kaum, als wir uns Anfang Oktober in einer Hotellobby in Qamişlo zum ersten Mal die Hände schüttelten. In der vierwöchigen Zusammenarbeit ist mir dann der Kollege zu einem guten Freund geworden.

Von Anfang an waren die Dreharbeiten von schweren Bombardements und Drohnenangriffen überschattet. Die türkischen Luftangriffe gelten gezielt der Zerstörung der zivilen Infrastruktur Rojavas, um den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft zu sabotieren und die Menschen zur Flucht zu zwingen (1). In allen Kriegen sind unabhängige Berichterstatter:innen unerwünscht und können selbst sehr schnell zum Angriffsziel werden. Seit Beginn des jüngsten Gaza-Kriegs sind dort nach Angaben des International Press Institute (IPI) mit Sitz in Wien mindestens 65 Vertreterinnen und Vertreter der Medien ums Leben gekommen. (2) Der Krieg, den die Türkei gegen die Zivilbevölkerung und ihre autonome Selbstverwaltung führt, läuft weitgehend unter dem Radar der Weltöffentlichkeit, die von den Kriegen in der Ukraine und dem Gaza-Streifen eingenommen ist. Das kommt der Politik der Nato-Staaten entgegen, die ihren Partner Türkei nicht an den Pranger stellen wollen.

Piro war ein Seelenöffner. Er verschaffte uns durch seine grundsätzliche Empathie den Zugang zu unseren Protagonistinnen, deren Leben mehr als einen Grund bereit hielt, um ihren Mitmenschen gegenüber misstrauisch zu bleiben.

Die Luftangriffe wirbelten unseren Drehplan durcheinander. In den ersten Tagen wurden uns praktisch alle Aufnahmen abgesagt, und unsere monatelangen Vorbereitungen schienen in kürzester Zeit zunichte gemacht. Ein wichtiger Drehort sollte eine landwirtschaftliche Frauenkooperative bei Tirbespiyê werden, die in unmittelbarer Nähe einer Erdölförderungsanlage liegt. Die Erdölförderung sichert der autonomen Selbstverwaltung ca. 70 Prozent ihrer Einnahmen. Auf dem Gelände der Förderanlage lebte auch Piro, wie ich überrascht feststellte. Er war mit einem ihrer Ingenieure befreundet.

Zwei Tage nach meiner Ankunft wurde die Förderanlage bombardiert. Es kam beim ersten Mal zu keinen menschlichen Verlusten, aber die Frauen der benachbarten Kooperative kehrten vorerst nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurück. Alle fortschrittlichen Projekte, die sich die Emanzipation der Frauen auf die Fahnen geschrieben haben, sind den autokratischen und diktatorischen Regimes des Nahen Ostens ein Dorn im Auge. Engagierte Frauen befürchten zu Recht, dass ihre Projekte ebenfalls Anschlagsziele sind, wie die gezielten Ermordungen von Repräsentantinnen der Frauenbewegung durch türkische Drohnen und islamistische Terroristen im Auftrag der Türkei gezeigt haben. Die zweite Bombardierung – dieses Mal nicht durch eine Drohne, sondern durch einen massiven Flugzeugangriff – setzte dem Leben meines Kameramannes und Freundes Piro ein Ende und vernichtete die Förderanlage vollständig. Piro war ein „Vogelfreier“ im besten wie ihm gefährlichsten Sinn.

Aus unseren Gesprächen entnahm ich, dass seine Gedanken frei von Macht- und Gewinnstreben waren. Er misstraute aller Politik, die sich mehr oder weniger verdeckt danach richtete. Er war ein unbarmherziger Kritiker der kurdischen Politik in den von Kurd:innen besiedelten Ländern, die sich eher gegenseitig das Leben schwer machen, als zu einem gemeinsamen politischen Ansatz zu finden. Er hatte die Schriften des US-amerikanischen öko-anarchistischen Vordenkers Murray Bookchin gelesen, die den ehemals orthodoxen Kommunisten Öcalan im Gefängnis zu einem Anarchisten geläutert zu haben scheinen (3). Piro teilte die Vision von der konföderalen Gemeinschaft der Kurd:innen und der in ihrem Siedlungsgebiet lebenden ethnischen und kulturellen Minderheiten über bestehende nationalstaatliche Grenzen hinweg.

Diese Überzeugung hat er praktisch vorgelebt: Als gebürtiger iranischer Kurde lebte er seit zwei Jahren ohne syrische Aufenthaltsgenehmigung auf offiziell syrischem Staatsgebiet und arbeitete für das Projekt Rojava. Er war vor der Repression des iranischen Regimes nach Rojava geflüchtet. Zu Recht fürchtete er sich vor Repressalien in seiner Heimat, sollte er seine Familie im Iran besuchen. Zudem hätte er große Probleme bei der Ausreise bekommen, da seine Genehmigung für den Grenzübertritt zwischen Rojava und dem Irak abgelaufen war. Er hatte nur eine Arbeitsgenehmigung seitens der Autonomie-Verwaltung, die international nicht anerkannt ist und daher keine international anerkannte Papiere oder Zeugnisse ausstellen kann, egal in welchem Bereich. Bei einer der häufigen Personenkontrollen auf den Überlandstraßen, die in erster Linie untergetauchten militanten Islamisten gelten, wurden wir für längere Zeit festgehalten. Ein iranischer Kurde mit abgelaufenen bzw. nicht vorhandenen Dokumenten und ein älterer deutscher Filmemacher im gleichen Fahrzeug, – das war zumindest ungewöhnlich. Ein schnell per Smartphone herbeigerufener kurdischer Filmemacher und Freund von Piro konnte das Missverständnis beseitigen und uns auslösen. Überhaupt war trotz schwierigster Umstände die gegenseitige Hilfsbereitschaft enorm.

Ohne das umsichtige Verhalten meines Teams hätten wir unseren Film über die Selbstermächtigung von Frauen in einem demokratischen Gesellschaftsentwurf, der die Frauen den Männern gleichstellt, nicht drehen können. In den ersten Tagen unserer Zusammenarbeit war ich etwas irritiert über die scheinbare Gleichgültigkeit meiner Mitfahrer:innen, wenn am Horizont dicke schwarze Wolken aufstiegen und sich allmählich über der ebenen Landschaft verteilten. Sie schauten kaum von den Displays ihrer Smartphones auf, wenn ich darauf hinwies und nach den Zielobjekten der Bombardierung fragte. Nach ein paar Wochen hatte ich diese scheinbare Gleichgültigkeit bereits teilweise selbst übernommen. Sie ist ein Überlebensinstinkt angesichts drohender Gefahren, der die gleichzeitig erhöhte Wachsamkeit nicht in Frage stellt oder gar aussetzt. Ich fühlte mich sehr sicher in dieser Gemeinschaft. Unser Fahrer Hussain beobachtete und kontrollierte aus den Augenwinkeln ständig die Umgebung, während auf seinem großen Display im Armaturenbrett kurdische Hochzeitstänze in Schleife liefen. Meine Übersetzerin Rojda hielt per WhatsApp permanent Kontakt zur Außenwelt. Piro hatte zum Musikhören einen Kopfhörer aufgesetzt und strahlte souveräne Zuversicht aus. Bei unserem mehrtägigen Aufenthalt in Jinwar konnte ich ihn nicht daran hindern, mir das Frühstück zu bereiten und mich vom anschließenden Abwasch fernzuhalten. Mein Widerspruch war umsonst. Ich begriff, dass es ein Akt der Wertschätzung war. So wie freie Menschen freiwillig Arbeiten übernehmen, um ihren Mitmenschen das Leben zu erleichtern.

Piro war ein Seelenöffner. Er verschaffte uns durch seine grundsätzliche Empathie den Zugang zu unseren Protagonistinnen, deren Leben mehr als einen Grund bereit hielt, um ihren Mitmenschen gegenüber misstrauisch zu bleiben. Die Frauen hatten teilweise schwere Misshandlungen durch nahe Verwandte erlebt und eine Zuflucht in dem Frauendorf Jinwar gefunden. Wie sollten sie da gegenüber fremden und außenstehenden Männern nicht reserviert sein. Piro gelang es durch vorsichtiges Herantasten auf Augenhöhe, in wenigen Tagen Vertrauen herzustellen. Die Frauen waren bereit, auch persönliche Fragen zu beantworten.

Piro war Realist. Ich weiß nicht, ob er das Zitat von Antonio Gramsci kannte. Aber es hätte auch von ihm stammen können: „Was wir brauchen ist Nüchternheit: einen Pessimismus des Verstandes, einen Optimismus des Willens“ (Antonio Gramsci, Gefängnishefte 1935). Er verschloss nicht die Augen vor den Gefahren, die das Demokratie-Projekt Rojava nicht nur von außen, sondern auch von innen bedrohen. Durch Korruption in einer Gesellschaft, deren Instanzen noch schwach ausgebildet sind. Das Hotel, in dem ich gewohnt habe, ist einige Stockwerke höher gebaut worden, als es die Bauvorschriften in Qamişlo genehmigen. Für unsere Filmarbeiten von Vorteil, denn die oberste Terrasse erlaubt einen perfekten Blick über die Stadt. Eines Tages wurde der allgemeine Straßenlärm von einem dumpfen Hämmern übertönt. Die vielbefahrene Straße vor dem Gebäude war abgesperrt worden, und mitten im Stadtzentrum ließ der Hotelbesitzer nach Wasser bohren. Er gilt als einer der reichsten Männer in Rojava und kann sich einiges erlauben. Seine Karriere begann er als Kofferträger an der syrisch-irakischen Grenze.

In Rakka lernte ich einen engen Freund von Piro kennen. Er ist der oberste Korruptionsermittler in Rojava. Die Selbstverwaltung hat ihm freie Hand gegeben, auch gegen ihre eigenen, höchsten Repräsentant:innen vorzugehen. Piro war aus erster Hand über die Widersprüche informiert, die der Aufbau einer Demokratie aushalten muss in einer Region wie dem Nahen Osten, in der die Korruption endemisch auftritt. Ich fragte ihn danach, wie er die Zukunft Rojavas sieht. Seine Antwort fiel skeptisch aus. Er befürchtete, dass die Überlebenschancen angesichts der geballten Feindschaft der benachbarten Autokraten und Diktatoren und ihrer Helfershelfer im Gestrüpp geopolitischer Interessen immer geringer würden. Piro ist gleich mehrfach ihr Opfer geworden. Der türkische Staat hat ihn getötet. Seine Freund:innen organisierten die Überführung seines Leichnams für die Beerdigung in seiner Heimatstadt Sine (Sanandadsch). Die iranische Staatsmacht verweigerte den Grenzübertritt mit der Begründung, dass Mensour Karimian in Rojava auf syrischem Staatsgebiet getötet wurde, „weil er in einen terroristischen Akt verwickelt war“. Nun wurde er 240 Kilometer westlich von Sine in Silêmanî in der autonomen kurdischen Region im Irak beerdigt.

(1) Siehe dazu: Der vergessene Krieg. Der Bombenterror des Erdoğan-Regimes gegen die Menschen in Rojava, Artikel von Michael Wilk, in: GWR 484, Dezember 2023, S. 1 u. 11
(2) Quelle: Der Spiegel, 31.12.2023
(3) Zu Öcalan, Bookchin und Rojava siehe auch: Utopia 2.0 – Wir werden weiter träumen. Sevgi Kosan-Drücke und Bernd Drücke im Gespräch mit Konstantin Wecker – Teil 2, in: GWR 485, Januar 2024, S. 20

Robert Krieg ist Filmemacher und promovierter Soziologe. Im Dezember 2023 erschien in der GWR 484 sein Artikel „Wenn der Terror die Oberhand gewinnt. Ein Blick aus Rojava auf den neuen Gaza-Krieg“.

Der Beitrag ist zuerst in der Zeitschrift Graswurzelrevolution erschienen.

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Türkischer Drohnenangriff auf Zentrum für Kriegsversehrte in Nordsyrien

12. Februar 2024 - 7:21

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Eine türkische Drohne hat am Sonntag, den 11. Februar gegen 13.30 Uhr Ortszeit  ein Gebäude in Qamişlo bombardiert. Ersten Angaben zufolge sind Menschen verletzt worden. Das Gebäude liegt im Stadtteil Erbewiyê (Arbawiyah) und beherbergt ein Rehabilitationszentrum für Kriegsversehrte. Die 2020 gegründete Einrichtung gewährleistet die gesundheitliche Versorgung von Kriegsversehrten vom Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) und setzt sich für ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt ein. Ein Schwerpunkt des Zentrums ist die Integration der Kriegsversehrten in die Arbeit der Verwaltungsstrukturen der Demokratischen Selbstverwaltung in der Region Nord- und Ostsyrien (DAANES). Im Kampf gegen den IS und im Widerstand gegen die Besatzungsangriffe der Türkei haben in Nord- und Ostsyrien 22.000 Menschen bleibende Schäden erlitten.

Türkischer Drohnenterror in Zahlen

Türkische Drohnenangriffe in Nord- und Ostsyrien finden bereits seit Jahren statt. Laut Recherchen des Rojava Information Center (RIC) hat das von Erdogan geführte Land während einer Luftangriffswelle vom 12. bis 15. Januar 54 Orte in der Autonomieregion attackriert, darüber hinaus erfolgten seit Jahresbeginn mindestens ein Dutzend weitere Drohnenangriffe. Der letzte tödliche Luftschlag erfolgte Anfang Februar ebenfalls in Qamişlo, bei den vier Opfern handelte es sich um Mitglieder der Asayîş.

198 Drohnenangriffe in 2023

In der RIC-Bilanz für das vergangene Jahr sind 198 Drohnenangriffe aufgeführt. Bei diesen Angriffen wurden 105 Menschen getötet und 123 verletzt. In letzter Zeit richtet sich der türkische Drohnenterror auch immer häufiger gegen Regimetruppen, die Posten in der Autonomieregion, aber auch in der türkischen Besatzungszone betreiben. Die Regierung in Damaskus äußert sich in der Regel nicht zu diesen Angriffen.

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DAANES: Die türkischen Angriffe dienen dem IS

3. Februar 2024 - 21:32

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Die Demokratische Selbstverwaltung in der Region Nord- und Ostsyrien (DAANES) hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, die Angriffe der Türkei zu stoppen. Am Freitag sind vier Angehörige der Sicherheitskräfte (Asayîş) bei einem Drohnenangriff in Qamişlo getötet worden, mindestens eine weitere Person wurde verletzt. Die DAANES weist darauf hin, dass die Bombardierung eines Standorts der Asayîş parallel zu der vor einer Woche eingeleiteten Sicherheitsoperation gegen Strukturen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im Auffang- und Internierungslager Hol erfolgte.

„Dieser und die früheren Angriffe dienen der Terrororganisation IS. Das Ziel ist es, die Sicherheitsmaßnahmen in Camp Hol zu verhindern“, hält die DAANES fest. Der türkische Staat sei eine Besatzungsmacht und unterstütze den IS in völliger Offenheit. Die Angriffe seien darauf ausgerichtet, die Sicherheit zu zerstören und IS-Angehörigen zur Flucht zu verhelfen. Zudem leiste das türkische Regime finanzielle Unterstützung für die islamistischen Strukturen in der Region.

Die DAANES sprach den Angehörigen der Todesopfer ihr Beileid aus und wünschte den Verletzten rasche Genesung. „Wir fordern die internationale Öffentlichkeit auf, die feindlichen Aktivitäten des türkischen Staates in unserer Region zu stoppen. Diese Aktivitäten ermöglichen eine Wiederkehr des Terrors“, erklärte die Selbstverwaltung am Freitagabend. Der IS und ähnliche Gruppierungen versuchten die Lebensbedingungen in der Region zu zerstören und Chaos und Konflikte zu schüren.

„Für diesen Angriff machen wir Russland und die Internationale Koalition verantwortlich. Unsere Sicherheitskräfte werden ihre Arbeit fortsetzen“, so die DAANES.

Hintergrund: Kontinuierliche Angriffe auf die Sicherheitskräfte

Die Asayîş ist die Behörde der Selbstverwaltung für innere Sicherheit und agiert als Einrichtung auf dem Gebiet des Bevölkerungsschutzes. Bei der Bekämpfung islamistischer Strukturen in der Region wird sie von der internationalen Anti-IS-Koalition, der auch Deutschland und die Türkei angehören, unterstützt. Die von den USA angeführte Koalition leistet auch Unterstützung bei der laufenden Operation in Camp Hol. Die Türkei bombardiert kontinuierlich Checkpoints der Sicherheitskräfte in Nordsyrien. Vergangenen Oktober hat die türkische Luftwaffe eine Ausbildungsakademie der Anti-Drogen-Einheit der Asayîş in Dêrik bombardiert. 29 Angehörige der Behörde wurden getötet und weitere 28 teils schwer verletzt.

Türkischer Drohnenterror in Zahlen

Türkische Drohnenangriffe in Nord- und Ostsyrien finden bereits seit Jahren statt. Laut Recherchen des Rojava Information Center (RIC) hat die Türkei während der letzten großen Luftangriffswelle vom 12. bis 15. Januar 54 Orte in der Autonomieregion mit Killermaschinen attackiert, darüber hinaus erfolgten seit Jahresbeginn mindestens elf weitere Drohnenangriffe. Der letzte tödliche Luftschlag erfolgte vergangene Woche in der Nähe von Qamişlo, bei dem Opfer handelte es sich ebenfalls um ein Mitglied der Asayîş. Drei weitere Angehörige der Behörde wurden verletzt.

198 Drohnenangriffe in 2023

In der RIC-Bilanz für das vergangene Jahr sind 198 Drohnenangriffe aufgeführt. Bei diesen Angriffen wurden 105 Menschen getötet und 123 verletzt, darunter 31 bzw. 63 Zivilpersonen. In letzter Zeit richtet sich der türkische Drohnenterror auch immer häufiger gegen Regimetruppen, die Posten in der Autonomieregion, aber auch in der türkischen Besatzungszone betreiben. Die Regierung in Damaskus äußert sich in der Regel nicht zu diesen Angriffen. Auch Russland und die USA als vermeintliche Garantiemächte für die Einhaltung des 2019 mit dem Erdogan-Regime ausgehandelten Waffenstillstands verhalten sich nicht dazu.

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Qamişlo: Vier Tote bei Drohnenangriff auf Asayîş-Zentrale

2. Februar 2024 - 14:45

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Bei einem Drohnenangriff des türkischen Staates sind am Freitag vier Menschen in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien getötet worden. Die Attacke richtete sich gegen einen Standort der Kräfte der inneren Sicherheit (Asayîş) in Qamişlo, wie die Behörde mitteilte. Ein weiterer Mensch wurde bei dem Angriff verletzt.

Wie die Generalkommandantur der Asayîş erklärte, hatten die Opfer des Drohnenangriffs ein Revier im Osten von Qamişlo aufgesucht, um Bedarfsartikel für die an der Sicherheitsoperation gegen Strukturen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im Auffang- und Internierungslager Hol beteiligten Einheiten abzutransportieren. Dabei seien sie von einer unbemannten Kampfdrohne des türkischen Staates erfasst worden.

„Indem der türkische Besatzungsstaat unsere Kräfte der Inneren Sicherheit, die sich im Rahmen der humanitären Sicherheitsoperation in Camp Hol bemühen, den IS-Terror einzudämmen, gezielt angreift, demonstriert er seine offene Unterstützung für das Wiederaufleben der Terrorbanden des IS“, erklärte die Asayîş. „Wir betonen, dass solche Angriffe uns nicht von unserer primären Aufgabe abbringen werden, im Gegenteil. Wir werden unsere Regionen mit noch stärkerem Willen und Entschlossenheit schützen.“

Die Asayîş ist die Behörde der Demokratischen Selbstverwaltung in der Region Nord- und Ostsyrien (DAANES) für innere Sicherheit und agiert als Einrichtung auf dem Gebiet des Bevölkerungsschutzes. Sie wird von der internationalen Anti-IS-Koalition, der auch Deutschland angehört, unterstützt, um die Stabilität und Sicherheit in der Region zu gewährleisten. Der Türkei ist die Behörde ein Dorn im Auge. Die Drohnen und Kampfflugzeuge des NATO-Staates treffen aber nicht nur ihre Kontrollposten. Vergangenen Oktober hatte die türkische Luftwaffe eine Ausbildungsakademie der Anti-Drogen-Einheit der Asayîş in Dêrik bombardiert. 29 Angehörige der Behörde wurden getötet und weitere 28 teils schwer verletzt.

Türkischer Drohnenterror in Zahlen

Türkische Drohnenangriffe in Nord- und Ostsyrien finden bereits seit Jahren statt. Laut Recherchen des Rojava Information Center (RIC) hat das von Erdogan geführte Land während einer Luftangriffswelle vom 12. bis 15. Januar 54 Orte in der Autonomieregion mit Killermaschinen attackiert, darüber hinaus erfolgten seit Jahresbeginn mindestens elf weitere Drohnenangriffe. Der letzte tödliche Luftschlag erfolgte vergangene Woche in der Nähe von Qamişlo, bei dem Opfer handelte es sich ebenfalls um ein Mitglied der Asayîş. Drei weitere Angehörige der Behörde wurden verletzt.

198 Drohnenangriffe in 2023

In der RIC-Bilanz für das vergangene Jahr sind 198 Drohnenangriffe aufgeführt. Bei diesen Angriffen wurden 105 Menschen getötet und 123 verletzt, darunter 31 bzw. 63 Zivilpersonen. In letzter Zeit richtet sich der türkische Drohnenterror auch immer häufiger gegen Regimetruppen, die Posten in der Autonomieregion, aber auch in der türkischen Besatzungszone betreiben. Die Regierung in Damaskus äußert sich in der Regel nicht zu diesen Angriffen.

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