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Der unbesiegte Wille eines Volkes

15. November 2024 - 23:21

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Die Gründungsideologie der Republik Türkei basiert auf der Annahme einer einzigen Identität. Damit wurde auch die grundsätzliche Unlösbarkeit aller wichtigen Probleme in Kauf genommen. Eines der wichtigsten Probleme war natürlich die kurdische Frage. Die kurdische Frage ist nicht nur ein Problem, welches das Gebiet betrifft, in dem wir leben. Wir betonen immer wieder, dass es ein internationales Problem ist. Es gibt die auf vier verschiedene Staaten, den Iran, den Irak, Syrien, die Türkei verteilten Gebiete Kurdistans, und die Entwicklungen in der gesamten Region beeinflussen und verstärken sich gegenseitig. Das ist ein Problem, das schon seit vielen Jahren in dieser Form besteht.

Der Staat Türkei hat sich immer gegen eine Lösung des Problems entschieden. Ja, wir sprechen heute über die Einsetzung der Zwangsverwaltern, aber auch vor den Zwangsverwaltungen gab es immer eine Politik der Lösungsverweigerung in der Region. Insbesondere in Zeiten, in denen der Militarismus extrem dominant war und die Militärbürokratie die gesamte Politik bestimmte, gab es eine politische Verweigerungshaltung hinsichtlich einer Lösung der kurdischen Frage. Vor allem wurde die Region immer mit Gesetzen des Ausnahmezustands regiert. Daran hat sich auch heute nichts geändert, die Staatsräson ist dieselbe geblieben.

Die Grundlage für die Einsetzung der Zwangsverwaltungen, die das Innenministerium plötzlich, ohne Begründung und ohne Rechtsgrundlage getroffen hat, sind die nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 erlassenen Gesetzesdekrete. Die Republik Türkei wird nicht mehr durch ihre eigenen Gesetze regiert, sondern durch Dekrete. So wurde ein Dekret zum Gesetz, nach welchem der Innenminister nun jederzeit Zwangsverwalter für jede Gemeinde ernennen kann.

Begonnen wurde nach den Kommunalwahlen diesmal mit der Gemeinde Colemêrg (tr. Hakkari). Danach wurde der Stadtbezirk Esenyurt unter Zwangsverwaltung gestellt, wenige Tage später wurden auch für die Gemeinden Mêrdîn (Mardin), Êlih (Batman) und Xelfetî (Halfeti) Treuhänder ernannt. All diese Prozesse kennen wir als ganze Gesellschaft aus nächster Nähe. Als Menschenrechtsaktivistin bin ich wie viele andere Menschen unmittelbare Zeugin des unermüdlichen Einsatzes von Ahmet Türk, dem Ko-Bürgermeister der Gemeinde Mêrdîn, für die kurdische Sache. Ein Staat, der sogar Ahmet Türk durch einen Zwangsverwalter ersetzen lässt, zeigt damit, dass er diese Frage nicht lösen will.

Ich möchte aber ein wenig über Êlih sprechen, weil es dort eine Frau als Ko-Bürgermeisterin gab, Gülistan Sönük. Êlih ist eine sehr wichtige Stadt für Frauen. Menschenrechtsaktivist:innen wissen sehr gut, dass Êlih in den 1990er Jahren, als die Morde unbekannter Täter, das Verschwindenlassen von Menschen und das Niederbrennen von Dörfern ihren Höhepunkt erreichten, die Stadt in Kurdistan war, die am meisten gelitten hat. Es gab eine Zeit, in der in Êlih vor allem gegen Frauen besonders grausame Methoden angewandt wurden, und viele Frauen nahmen sich deshalb das Leben.

Deshalb war es so wichtig, dass in einer Stadt, in der Frauen so brutal verfolgt wurden und extremer Gewalt ausgesetzt waren, eine Frau zur Bürgermeisterin gewählt wurde. Wenn wir uns die politische Geschichte anschauen, sehen wir, dass Êlih ein Brennpunkt ist, in dem die drängendsten Probleme der kurdischen Frage erlebt wurden. Wir sollten nie vergessen, dass am 12. November 1979 der Bürgermeister von Êlih, Edip Solmaz, von Contra-Kräften ermordet wurde.

Ein weiterer kurdischer Abgeordneter, Mehmet Sincar, wurde am 4. September 1993 in Êlih ermordet, wohin er mit einer Delegation gereist war, um die politischen Morde in Êlih zu untersuchen. Êlih hat viel Leid erfahren.

Wegen dieser Leiden und der vom Staat begangenen Rechtsverletzungen war der Wille des Volkes von Êlih immer aufrichtig, standhaft und unbeugsam. So auch heute, nach der Einsetzung des Zwangsverwalters. Es ist sehr wichtig, dass die Menschen in Êlih Gülistan Sönük zur Ko-Bürgermeisterin gewählt haben. Natürlich ist Gülistan Sönük eine Frau, die in der kurdischen politischen Bewegung groß geworden ist. Aber sie ist eine Frau… Denn Êlih ist eine Stadt, in der Frauen ermordet werden, in der Frauen aufgrund von erfahrener Gewalt gezwungen waren, ihrem Leben ein Ende zu setzen.

Das Erstarken der kurdischen Frauenbewegung führte zur Wahl von Gülistan Sönük in Êlih. Gülistan Sönük leistete in der Gemeinde Pionierarbeit, vor allem im Bereich Gewalt gegen Frauen und Selbstorganisation von Frauen. Sie hatte sehr wichtige Projekte initiiert und die Einsetzung des Zwangsverwalters in Êlih hat bei den Frauen ein sehr großes Trauma ausgelöst.

Es ist eine klare Sache, dass die Politik der Verweigerung von Lösungen keine Ergebnisse gebracht hat. Diejenigen, die den Staat regieren, wissen das besser als wir. Mit dieser Politik der Nichtlösung wird nichts erreicht. Wenn morgen gewählt wird, wird dasselbe Volk, das Gülistan Sönük zur Bürgermeisterin gewählt hat, die Person wählen, die an ihrer Stelle als Bürgermeisterin kandidiert. Wird sich dieser Teufelskreis also fortsetzen? Wir schreiben das Jahr 2024 und leben immer noch in einem Land, in dem Städte und Gemeinden unter Zwangsverwaltung stehen.

Man muss aber auch sagen, dass es trotz des großen Drucks und der vielen Rechtsverletzungen in der Bevölkerung immer noch einen unbesiegbaren Willen gibt, vor dem ich mich mit großem Respekt verneige. Und dieser Wille des Volkes ist das einzige, dem ich vertraue.

Der Kommentar der Menschenrechtsanwältin und IHD-Vorsitzenden Eren Keskin vom 13. November 2024 ist zuerst in türkischer Sprache bei Yeni Yaşam Gazetesi erschienen.

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Für einen gerechten Frieden: Freiheit für Abdullah Öcalan jetzt!

7. November 2024 - 12:43

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Am 16. November findet in Köln eine zentrale Demonstration für die Freiheit von Abdullah Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage statt. Die deutsche Sektion des Solidaritätsnetzwerks „Freiheit für Öcalan – Eine politische Lösung der kurdischen Frage“ ruft zusammen mit weiteren Gruppen, Parteien und Organisationen in einem Appell zur Teilnahme auf. In dem gemeinsamen Aufruf mit dem Titel „Für eine politische Lösung der kurdischen Frage – Für einen gerechten Frieden: Freiheit für Abdullah Öcalan jetzt!“ heißt es:

„Die Situation auf der Gefängnisinsel Imrali ist ein Spiegelbild der politischen Atmosphäre in der gesamten Türkei. Seit fast 26 Jahren ist der kurdische Repräsentant Abdullah Öcalan, Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und Ideengeber des Demokratischen Konföderalismus, auf Imrali inhaftiert. In den letzten neun Jahren befand er sich fast ununterbrochen in totaler Isolation. Nach 43 Monaten völliger Kontaktsperre konnte ihn zuletzt am 23. Oktober sein Neffe und DEM-Abgeordneter Ömer Öcalan auf Imrali besuchen. Dieser Besuch weckte in der Gesellschaft vorsichtige Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Kriegspolitik in Kurdistan.

Denn zeitgleich mit der Verschärfung der Isolation auf Imrali begann in den letzten neun Jahren ein brutaler Krieg in Kurdistan. Die türkische Regierung unter der AKP beendete 2015 zunächst einseitig einen Dialogprozess mit Abdullah Öcalan, um dann die Waffen sprechen zu lassen. Während innerhalb der türkischen Grenzen der Umgang mit der Opposition, insbesondere mit kurdischen Politikern, zunehmend autoritäre Züge annahm, setzte die Regierung Erdoğan in Südkurdistan (Nordirak) und Rojava (Nordsyrien) auf eine umfassende völkerrechtswidrige Kriegspolitik.

Die jüngsten politischen Entwicklungen in der Türkei machen deutlich, dass sich die türkische Regierung mit diesem Kurs in eine Sackgasse manövriert hat. Nach neun Jahren Krieg, Isolation, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und unermesslichem gesellschaftlichen Leid zeigt sich einmal mehr, dass dieser Konflikt nur durch Dialog und Friedensverhandlungen gelöst werden kann. Für die kurdische Bevölkerung ist und bleibt Abdullah Öcalan dafür der legitime Ansprechpartner. Er hat beim jüngsten Besuch seines Neffen seinen Friedenswillen unterstrichen. Um diese Rolle ausfüllen zu können, muss er jedoch zunächst freigelassen werden. Erst dann sind Verhandlungen über einen gerechten Frieden auf Augenhöhe möglich.

Wir sind davon überzeugt, dass wir gerade jetzt die Chance haben, den gesellschaftlichen Druck für einen gerechten Frieden in Kurdistan zu erhöhen. Ein Ende der Isolation auf Imrali und die Freilassung von Abdullah Öcalan werden den Weg zu einem solchen Frieden ebnen. Deshalb rufen wir dazu auf, diesen Friedensappell zu unterzeichnen und im Rahmen der weltweiten Kampagne „Freiheit für Abdullah Öcalan – Eine politische Lösung der kurdischen Frage“ an der Großdemonstration am 16. November in Köln teilzunehmen.“

Unterzeichnet wurde der Appell von:

Birati e.V Kurdischer Kulturverein Bremen

Cênî – Das Kurdische Frauenbüro für Frieden e.V.

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Dachverband des Êzidischen Frauenrats e.V. (Sîwana Meclîsên Jinên Êzîdî, SMJÊ)

Demokratisch Kurdisches Gesellschaftszentrum Freiburg e.V.

Demokratisch Kurdisches Gesellschaftszentrum in Hanau

Demokratisch-Kurdische Gemeinde Welate Roj Mönchengladbach e.V.

Demokratische Gesellschaft der Kurdinnen in Gießen

Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurd:innen in Darmstadt e.V.

Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurden und Kurdinnen Aurich e.V.

Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurdinnen und Kurden in Hamburg e.V.

Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurdinnen und Kurden in Norddeutschland e.V. (FED-DEM)

Demokratisches Kurdisches Gesellschaftszentrum Duisburg e.V.

Demokratisches Kurdisches Gesellschaftszentrum Stuttgart e.V.

Der kurdische Frauenverband YJK-E

Deutsch-kurdischer Freundschaftsverein Wuppertal e.V.

Deutsch-kurdischer Kulturverein Dortmund e.V.

Deutsch-Kurdisches Kulturhaus in Bonn e.V.

DGK Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurd:innen in Essen e.V.

Die Föderation der Freiheitlichen Gesellschaft Mesopotamiens in NRW e.V. (FED-MED)

Dresdner Verein deutsch-kurdischer Begegnungen e.V.

Föderation der Demokratischen Gesellschaften Kurdistans (FCDK-KAWA)

Freie Kurdische Gemeinde – Berlin e.V. (NAV-Berlin)

Freie Kurdistan Föderation Ostdeutschland (FED-KURD)

Gesellschaftszentrum Kurdistan Kassel e.V.

Internationaler Mesopotamischer Kulturverein Bocholt e.V.

Internationaler Mesopotamischer Kulturverein Emmerich e.V.

Konföderation der Gemeinschaften Kurdistan in Deutschland e.V. (KON-MED)

Kurdische Gemeinde Bergstraße e.V. Bensheim

Kurdisches Gemeindezentrum Schleswig -Holstein e.V.

Kurdisches Gesellschaftszentrum Aschaffenburg e.V.

Kurdisches Gesellschaftszentrum Böblingen e.V.

Kurdisches Gesellschaftszentrum Frankfurt e.V.

Kurdisches Gesellschaftszentrum Heilbronn e.V.

Kurdisches Gesellschaftszentrum Osnabrück e.V.

Kurdisches Gesellschaftszentrum Saarbrücken e.V.

Kurdisches Volkshaus Aachen e.V.

Kurdisches-deutsches demokratisches Gesellschaftszentrum Lahr e.V.

Kurdistan Zentrum – Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurdinnen und Kurden in Bielefeld e.V.

Mala Kurda e.V Köln

Medya Volkhaus e. V. Nürnberg

PYD – Partei der demokratischen Union Deutschlandvertretung

Zentralverband der Êzîdischen Vereine e.V. (Navenda Yekîtiya Komelên Êzîdiya, NAV-YEK)

Zentrum der Kurdischen Gesellschaft in Siegen

Organisationen und Einzelpersonen, die diesen Aufruf unterzeichnen möchten, können an die folgende E-Mail schreiben: info@network4ocalan.de.

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Polizeigewalt und Festnahmen bei Protesten gegen Zwangsverwaltung

6. November 2024 - 9:10

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Die Proteste gegen die türkische Regierung wegen der Absetzung von drei kurdischen Bürgermeister:innen und ihre Ersetzung durch regierungstreue Zwangsverwalter dauern ununterbrochen an. Bei den Protesten kommt es zu schwerer Polizeigewalt und Festnahmen. In der Stadt Êlih (tr. Batman) setzte die türkische Polizei Tränengas, Wasserwerfer und Gummigeschosse gegen Demonstrierende ein. Es gibt zahlreiche Verletzte. Unter den Demonstrierenden befinden sich auch die abgesetzte Bürgermeisterin Gülistan Sönük und der DBP-Ko-Vorsitzende Keskin Bayındır.

Auch in Mêrdîn (tr. Mardin) gehen die Proteste gegen die erneute Zwangsverwaltung weiter. Dort begann vor dem Rathaus eine „Mahnwache für Gerechtigkeit“, die noch andauert. Auch der abgesetzte Bürgermeister von Mêrdîn, Ahmet Türk, war vor Ort. Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel nahm ebenfalls teil.

Weitere Proteste fanden unter anderem in Amed (tr. Diyarbakır), Mersin, Istanbul sowie in Xelfetî (tr. Halfeti) statt. In Xelfetî und Mêrdîn stürmten Polizeieinheiten zudem mehrere Stadtviertel und führten Hausdurchsuchungen durch. Im kurdischen Wan (tr. Van) griff die Polizei eine Sitzblockade an, es kam zu gewaltsamen Festnahmen. Für die nächsten Tage sind weitere Proteste angekündigt. Dazu haben verschiedene politische Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen aufgerufen, darunter der Gewerkschaftsbund KESK und die kurdische Frauenbewegung TJA.

Was war geschehen?

Nachdem in der vergangenen Woche der Istanbuler Stadtteil Esenyurt unter Zwangsverwaltung gestellt und der kurdische Bürgermeister, Ahmet Özer (CHP), als angebliches Mitglied einer Terrororganisation verhaftet worden war, wurden am Montagmorgen in den nordkurdischen Provinzhauptstädten Mêrdîn (tr. Mardin) und Êlih (tr. Batman) sowie in der Kreisstadt Xelfetî (tr. Halfeti) die demokratisch gewählten Ko-Bürgermeister:innen der DEM-Partei abgesetzt und durch regimetreue Zwangsverwalter ersetzt. Begründet wurde der Vorgang, wie bereits bei früheren Amtsenthebungen und Masseninhaftierungen kurdischer Politiker:innen, mit einer angeblichen Mitgliedschaft oder Verbindung zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

In Mêrdîn umstellte die Polizei in den frühen Morgenstunden das Rathaus. Gleichzeitig wurde dem mit 57,4 Prozent der Stimmen gewählten Ko-Bürgermeister der Provinzhauptstadt, Ahmet Türk, mitgeteilt, dass er auf Anordnung des Innenministers seines Amtes enthoben werde.

Auch in Êlih wurde die Stadtverwaltung umstellt, ein Zwangsverwalter eingesetzt und die mit 64,52 Prozent der Stimmen gewählte Ko-Bürgermeisterin Gülistan Sönük abgesetzt.

In der Kreisstadt Xelfetî wurde das Rathaus von der Polizei abgeriegelt. Hier wurde der Ko-Bürgermeister Mehmet Karayılan festgenommen.

Die DEM-Partei bezeichnet die Amtsenthebungen als „Staatsstreich“ und sieht darin einen Angriff auf das Recht des kurdischen Volkes, zu wählen und gewählt zu werden. Die DEM-Partei hatte bei den Kommunalwahlen Ende März in dutzenden kurdischen Gemeinden gewonnen. Die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan erlebte hingegen ein Wahldebakel.

Türkei-Berichterstatter der EU kritisiert Amtsenthebungen

Der Türkei-Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Nacho Sánchez Amor, hat die Einsetzung von Zwangsverwaltern in drei kurdischen Städten scharf kritisiert. Das „Treuhandsystem“ der türkischen Regierung stelle einen „eklatanten Angriff“ auf die Demokratie dar, schrieb der sozialdemokratische EU-Abgeordnete am Montag auf der Plattform X. Dieser Angriff sei darauf ausgerichtet, den Willen des Volkes zu usurpieren, und erfordere eine klare Antwort der EU, so Sánchez Amor.

Bundesregierung hüllt sich in Schweigen

Die Bundesregierung hat sich bislang nicht zu den undemokratischen Praktiken ihres NATO-Partners Türkei geäußert. Sie schweigt weiterhin zu der Tatsache, dass die Türkei die Anerkennung der Wahlergebnisse verweigert, kurdische Bürgermeister:innen durch Zwangsverwalter ersetzt und unter Gewalt festnimmt. Seit Jahrzehnten wird Kurd:innen in der Türkei die Möglichkeit verwehrt, sich frei an politischen Prozessen zu beteiligen. Ein Ausschluss von Kurd:innen aus sämtlichen Lebensbereichen sowie eine Bestrafung ihres politischen Engagements mit hohen Haftstrafen, Verfolgung und Gewalt sind an der Tagesordnung.

Bundeskanzler Scholz und Außenministerin Baerbock äußerten sich zuletzt zufrieden über die enge Zusammenarbeit mit der Türkei. Des Weiteren genehmigte die Bundesregierung kürzlich Waffenlieferungen im Wert von 336 Millionen US-Dollar an die Türkei. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund skandalös, dass die Türkei in Zusammenarbeit mit islamistischen Milizen im Norden und Osten Syriens sowie im Nordirak immer wieder zivile Ziele und kritische Infrastruktur bombardiert,  Kriegsverbrechen begeht und Menschenrechte im eigenen Land mit Füßen tritt.

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AKP-Regierung setzt kurdische Bürgermeister:innen ab

4. November 2024 - 8:16

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Der Angriff auf die kommunale Demokratie durch die AKP-Regierung in Ankara geht weiter. Nachdem vergangene Woche der Istanbuler Stadtteil Esenyurt unter Zwangsverwaltung gestellt wurde, wurden nun in den nordkurdischen Provinzhauptstädte Mêrdîn (tr. Mardin) und Êlih (Batman) und der Kreisstadt Xelfetî (Halfeti) die gewählten Ko-Bürgermeister:innen abgesetzt und an ihrer Stelle Zwangsverwaltungen eingesetzt.

In Mêrdîn umstellte die Polizei in den frühen Stunden das Rathaus. Gleichzeitig wurde dem mit 57,4 Prozent der Stimmen gewählten Ko-Bürgermeister der Provinzhauptstadt, Ahmet Türk (DEM-Partei), mitgeteilt, dass ihm das Amt auf Anordnung des Innenministers entzogen würde.

Auch in Êlih ist die Stadtverwaltung umstellt, es wurde ein Zwangsverwalter ernannt und die mit 64,52 Prozent der Stimmen gewählte Ko-Bürgermeisterin, Gülistan Sönük, abgesetzt.

In der Kreisstadt Xelfetî in der Provinz Riha (Urfa) wurde ebenfalls das Rathaus von der Polizei abgesperrt. Hier wurde der Ko-Bürgermeister Mehmet Karayılan festgenommen.

Ahmet Türk: „Es gibt kein Aufgeben“

Ahmet Türk erklärte via X: „Es gibt kein Aufgeben. Wir werden keinen Schritt im Kampf für Demokratie, Frieden und Freiheit weichen. Wir werden nicht zulassen, dass der Wille des Volkes usurpiert wird. Das sollten alle wissen!“

Die Ko-Bürgermeisterin von Êlih befindet derzeit mit vielen Menschen vor der Stadtverwaltung und wird von Polizisten mit Schilden bedrängt. Sie teilte via X mit: „Die Stadtverwaltung, die wir bei den Wahlen am 31. März mit der höchsten Wahlbeteiligung in der Türkei durch die Arbeit der Frauen, der Jugend und unseres Volkes gewonnen haben, wurde heute Morgen geraubt. Wir wurden darüber nicht einmal in Kenntnis gesetzt. Wir haben diesen Raub und diese Usurpation nicht akzeptiert und werden dies auch nicht tun. Die Gemeinden gehören dem Volk.“

Der Ko-Bürgermeister von Xelfetî, Mehmet Karayılan, erklärte: „Diese Praxis dauert bereits seit Jahren an, aber der Wille des Volkes, sich selbst zu verwalten, kommt immer wieder zum Vorschein. Das Regime, das nicht bereit ist, dies zu verkraften, hat jedes Mal das Nachsehen. Das ist Unterdrückung.“ Weiter erklärte er: „Ihr werdet an Eurer Tyrannei ersticken.“

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Demokratischer Konföderalismus – Eine Alternative für den Nahen Osten?

1. November 2024 - 14:23

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Müslüm Örtülü vom Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit in Berlin hat sich in seiner Dissertation mit der Umsetzung des Demokratischen Konföderalismus in Rojava während des türkischen Angriffskrieges auseinandergesetzt.
In seinem Buch „Demokratischer Konföderalismus – Eine Alternative für den Nahen Osten?“, das im Transcript Verlag erschienen ist, fasst er seine Erkenntnisse zusammen.

„In kaum einem Teil der Welt zeigen sich die Krisen unserer Zeit so ausdrücklich wie im Nahen und Mittleren Osten. Seit hundert Jahren herrschen dort fast ununterbrochen Krieg und Chaos.
Während die in der Region erschaffenen Nationalstaaten die Probleme nur verschärfen, schlägt der Demokratische Konföderalismus einen Ausweg vor:
Über den Weg einer umfassenden gesellschaftlichen Organisierung strebt dieses Modell eine multiethnische Gesellschaftsordnung jenseits des kapitalistischen Nationalstaatensystems an. An die Stelle hierarchischer, patriarchaler und profitorientierter Strukturen sollen eine ökologische Gemeinwohlökonomie, Basisdemokratie und Geschlechterbefreiung treten.“

Ihr hört heute Ausschnitte aus der Buchvorstellung, die am 3. Oktober in Wien stattgefunden hat.
Müslüm Örtülü forscht sowohl zu den theoretischen Grundlagen des Demokratischen Konföderalismus als auch zu seiner Umsetzung im kriegsgeschüttelten Rojava bzw. in Nord- und Ostsyrien.

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Neue Friedensgespräche oder ein politisches Ablenkungsmanöver?

23. Oktober 2024 - 21:04

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Die jüngste Rede des Vorsitzenden der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahçeli, in der Fraktionssitzung seiner Partei hat die politische Debatte in der Türkei schlagartig in eine völlig unerwartete Richtung gelenkt. Nach fast zehn Jahren ununterbrochenem Kriegszustand ist plötzlich von Friedensgesprächen zwischen den Kurd*innen und dem türkischen Staat die Rede. Seitdem beherrscht das Thema die Schlagzeilen der türkischen Medienlandschaft. 

Die Journalistin Amberin Zaman vom Nachrichtenportal Al-Monitor berichtete bereits am 10. Oktober von Vorgesprächen des türkischen Staates mit dem inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan. Und bereits am 1. Oktober kam es bei der Wiedereröffnung des türkischen Parlaments nach der Sommerpause zu ungewöhnlichen Szenen, als der rechtsextreme MHP-Vorsitzende Bahçeli den Abgeordneten der linken und prokurdischen DEM-Partei die Hand schüttelte.

Doch welche Ereignisse haben sich zugetragen?

Der Vorsitzende der ultranationalistischen Partei MHP, Devlet Bahçeli, hat sich gestern im Parlament zur Inhaftierung und Isolationshaft von Abdullah Öcalan geäußert, der seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert ist und von dem es seit mehr als drei Jahren kein Lebenszeichen mehr gibt. Bahçeli forderte ihn nun auf, vor dem türkischen Parlament eine Rede zu halten, in der er seine Kapitulation verkünden und das Ende der Aktivitäten der PKK einleiten solle. „Wenn er diese Entschlossenheit zeigt, dann ist der Weg für eine gesetzliche Regelung des Rechts auf Hoffnung frei und er kann davon profitieren“, so Bahçeli. Das „Recht auf Hoffnung“ bezieht sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2014, das die Türkei verpflichtet, Verurteilten, die eine lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung verbüßen, die Möglichkeit einzuräumen, nach einer bestimmten Anzahl von Jahren aus der Haft entlassen zu werden.

Während Vertreter*innen anderer rechtsradikaler Parteien in der Türkei Bahçeli nach seiner Ansprache Verrat vorwarfen, erhielt er Unterstützung von Staatspräsident Erdogan, der von einem „historischen Fenster“ sprach, sowie vom Vorsitzenden der kemalistischen Oppositionspartei CHP, Özgür Özel. Letzterer erklärte: „Wenn dieses Land geeint ist und zusammenhält und keine Waffen auf unsere Soldaten gerichtet werden, dann ist jedes gesprochene Wort und jeder Akteur, der sich für diese Sache einsetzt, wertvoll“. Der CHP-Vorsitzende befindet sich aktuell auf einer Tour durch die Städte Nordkurdistans und hatte vor seinem Reiseantritt den inhaftierten kurdischen Politiker Selahattin Demirtaş besucht.

Angebliche Besuchserlaubnis bei Öcalan nicht bestätigt

Des Weiteren wurde die Information verbreitet, dass Ömer Öcalan, Mitglied der DEM-Partei und Neffe von Abdullah Öcalan, nach Genehmigung des Antrages die Gefängnisinsel Imrali besuchen dürfe. Die Information über eine Reise nach Imrali konnte bisher jedoch nicht bestätigt werden.

Die DEM-Partei bekräftigt derweil ihre Position, dass der Weg zur Lösung der kurdischen Frage, die anzuwendenden Methoden sowie die Adressaten klar definiert sind. „Der Ansprechpartner für den Frieden im Mittleren Osten und in der Türkei ist Herr Öcalan. Der Ort der Lösung ist das Parlament“, so die DEM-Partei.

Kommt es nun zu Friedensgesprächen? Oder handelt es sich um ein politisches Ablenkungsmanöver der AKP-Regierung und ihres ultranationalistischen Koalitionspartners MHP?

Diese Frage ist derzeit schwer zu beantworten. Fakt ist, dass konkrete Schritte bislang ausgeblieben sind. Es könnte zu einer politischen Entspannung mit der Möglichkeit von Friedensgesprächen kommen. Es könnte aber auch der Versuch der türkischen Regierung sein, durch eine Diskursverschiebung den politischen und gesellschaftlichen Druck etwas zu mildern. Selbst eine weitere Eskalation des Krieges in Kurdistan sowie eine Verschärfung der Menschenrechtsverletzungen in Kurdistan durch die Türkei sind denkbar.

Es lässt sich festhalten, dass die Türkei seit einem Jahrhundert kein aufrichtiges Interesse an einem Friedensprozess und einer demokratischen und friedlichen Lösung der kurdischen Frage gezeigt hat. Auch die gegenwärtige AKP-Regierung hatte mehrfach die Möglichkeit, ihre Bereitschaft zu einem Friedensprozess unter Beweis zu stellen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Sie hat die von der PKK initiierten Waffenstillstände mehrfach einseitig aufgekündigt und den Krieg in ganz Kurdistan eskaliert, wie zuletzt 2015.

Daher muss die türkische Regierung nun ihren Worten zunächst durch praktische Schritte Glaubwürdigkeit verleihen. Auf kurdischer Seite gibt es den Willen zu einer friedlichen Lösung, aber weiterhin auch große Skepsis gegenüber den Worten des Regierungsblocks.

Inwieweit der heutige Anschlag auf das türkische Luft- und Raumfahrtunternehmen TUSAS, zu dem sich bislang niemand bekannt hat, Einfluss auf die weitere politische Entwicklung haben wird, ist derzeit ebenfalls nicht absehbar. Fest steht jedoch, dass sich die türkische Politik derzeit in einer schwierigen Situation befindet, die zu einer politischen Zäsur in der Türkei führen könnte. Über weitere Entwicklungen werden wir berichten.

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Scholz kündigt mehr Rüstungsexporte in die Türkei an

21. Oktober 2024 - 12:59

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Bundeskanzler Olaf Scholz ist am Samstag zu einem eintägigen Besuch in die Türkei gereist. Dabei wurde deutlich, dass Deutschland und die Türkei nach Jahren der Zurückhaltung im Rüstungsbereich wieder enger kooperieren wollen. Nach seinem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Istanbul bezeichnete es der SPD-Politiker als selbstverständlich, dass der NATO-Partner Türkei deutsche Waffen erhalte. „Die Probleme, die wir in der Vergangenheit bei der Beschaffung entsprechender Produkte hatten, haben wir jetzt hinter uns gelassen und wollen in diesem Bereich zusammenarbeiten“, sagte Erdoğan. Scholz zeigte sich auch offen für die Lieferung von Eurofighter-Kampfflugzeugen.

Kurz vor dem zweiten Türkei-Besuch des Bundeskanzlers wurde bekannt, dass die Bundesregierung wieder in größerem Umfang Rüstungsexporte in die Türkei genehmigt. In diesem Jahr wurden bis zum 13. Oktober bereits 69 Genehmigungen im Wert von über 200 Millionen Euro erteilt. Vor allem in linken Kreisen wird die Bundesregierung für ihre Rüstungsexporte in die Türkei kritisiert, da es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Die Türkei bombardiert in Kooperation mit islamistischen Milizen im Norden und Osten Syriens sowie im Nordirak immer wieder zivile Ziele und kritische Infrastruktur in Kurdistan, begeht schwere Kriegsverbrechen und hat zahlreiche Militärbasen in der Region errichtet, wodurch sie die Zivilbevölkerung einem täglichen Terror aussetzt. Darüber wird die Bundesregierung wohl auch in Zukunft hinwegsehen; Menschenrechtsfragen waren auf der gemeinsamen Pressekonferenz kaum ein Thema.

Kampf gegen die PKK

Nach fast neun Jahren Pause wollen Scholz und Erdoğan auch die deutsch-türkischen Regierungskonsultationen wiederbeleben. Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) war ebenfalls ein Thema. Der Bundeskanzler brüstete sich mit der Bekämpfung kurdischer Strukturen durch deutsche Behörden. „Unter den europäischen Ländern ist Deutschland sehr erfolgreich, wenn es etwa darum geht, Straftaten der PKK zu verfolgen. Das werden wir auch weiterhin in unserer Zusammenarbeit machen“, so Scholz. Bundeskanzler Scholz bekräftigt damit seine ablehnende Haltung gegenüber einem Demokratisierungsprozess in der Türkei und einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage. Es wird ersichtlich, dass die Bundesregierung nach wie vor nicht gewillt ist, die täglichen Menschenrechtsverletzungen gegen Kurd*innen in der Türkei zu thematisieren. Stattdessen wird deutlich, dass sie den Kriegskurs der Türkei weiterhin aktiv unterstützen möchte.

Darüber hinaus wäre es notwendig gewesen, dass sich Herr Scholz für ein Ende der fast täglichen völkerrechtswidrigen Angriffskriege der Türkei sowie für einen Rückzug der türkischen Truppen aus den kurdischen Gebieten einsetzt. Zudem muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Türkei ihre Unterstützung für islamistische Milizen einstellt. Der pro-islamistische Kurs der Türkei gefährdet nicht nur die Demokratisierung der Türkei, sondern stellt auch eine erhebliche Gefahr für die Sicherheitslage in Deutschland dar.

Auch vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahl 2025 kommt es darauf an, Demokratie, Sozialstaatlichkeit und Fortschritt glaubwürdig und gewissenhaft zu vertreten. So ist auch die Ampelkoalition gefordert, endlich eine klare Haltung gegen die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei einzunehmen, sich für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage einzusetzen und die Lebensbedingungen der Kurd*innen in Deutschland zu verbessern. Dies erfordert die Beendigung der Kriminalisierung der Kurd*innen und ihrer Institutionen sowie eine demokratie- und völkerrechtskonforme Ausgestaltung der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Türkei, dem Iran, Syrien und dem Irak. Der Kampf gegen den Islamismus kann nur mit ehrlichem Interesse und nicht mit Zugeständnissen an den IS- und Hamas-Unterstützer Recep Tayyip Erdoğan erfolgreich geführt werden.

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Herr Scholz, warum ignorieren Sie die miserable Menschenrechtslage in der Türkei?

18. Oktober 2024 - 12:06

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Bundeskanzler Olaf Scholz trifft sich morgen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Auf der Tagesordnung stehen voraussichtlich der Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Lage im Nahen Osten, Migration sowie bilaterale und wirtschaftspolitische Themen.

Der Bundeskanzler reist mit einer Vielzahl von Präsenten in die Türkei, allen voran das Abschiebeabkommen und weitere Rüstungsexporte. Die Türkeireise von Herrn Scholz erfolgt zudem nach einer Phase der Annäherung zwischen beiden Seiten, insbesondere in Bezug auf die Abschiebungen unzähliger türkischer Staatsbürger*innen, von denen die Mehrheit kurdischer Herkunft ist. Über 84 % der im vergangenen Jahr von türkischen Staatsbürgerinnen in Deutschland gestellten Asylanträge stammen von Kurd*innen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung beschlossen hat, Menschen in einen Staat abzuschieben, in dem grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien nicht eingehalten werden und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Abgeschobenen willkürlichen staatlichen Repressionen und schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Denn die Abschiebungen erfolgen in ein Land, dem die UN in ihrem jüngsten Bericht einen zunehmenden Einsatz von Folter attestiert und in dem es zehntausende politische Häftlinge gibt, darunter tausende kurdische Politiker*innen, Aktivist*innen, Akademiker*innen und Bürgermeister:innen.

Menschenrechtsverletzungen in der Türkei weiterhin systematisch ignoriert

Auf dem Rechtsstaatlichkeitsindex des World Justice Project” belegt die Türkei Platz 117 von 142 Staaten. Minderheiten und Oppositionelle werden in der Türkei brutal verfolgt, auch Femizide sind im internationalen Vergleich auf einem Höchststand. Eine Vielzahl von Berichten und Gutachten zeichnen ein erschreckendes Bild der Menschenrechtssituation in der Türkei, insbesondere in Bezug auf Kurd*innen. Die türkische Justiz agiert dabei weit entfernt von rechtsstaatlichen Prinzipien. Umso erschreckender ist es, dass die Bundesregierung auf die Frage, ob im Rahmen der Türkeireise von Herrn Scholz auch Themen wie Menschenrechte besprochen werden sollen, bisher ausweichend antwortet. Seit Jahren kritisieren wir mit Bezug auf die Lage vor Ort, dass die Türkei kein Rechtsstaat ist und insbesondere abgeschobene Kurd*innen Folter und langjährige Haftstrafen erwarten.

Es erscheint besonders absurd, dass ausgerechnet Kurd*innen, die sich im Kampf gegen den “Islamischen Staat” (IS) sowie weitere islamistische Milizen als Speerspitze erwiesen haben und weiterhin erweisen, indem sie mutig gegen den sogenannten “Islamischen Staat” (IS) kämpfen, seit Jahren den militärischen Aggressionen der Türkei ausgesetzt sind und in Deutschland lebende kurdische Asylsuchende auch noch in ein Land abgeschoben werden sollen, dessen Staatspräsident sich unterstützend an die Seite mordender Islamisten und Terroristen in der gesamten Region stellt.

Deutsche Waffen für die Türkei als Zeichen der Freundschaft um jeden Preis?

Die Bundesregierung hat erst kürzlich die Lieferung von Waffen im Wert von 336 Millionen US-Dollar an die Türkei genehmigt. Diese Tatsache ist insbesondere vor dem Hintergrund empörend, dass die Türkei in Kooperation mit islamistischen Milizen im Norden und Osten Syriens sowie im Nordirak immer wieder zivile Ziele und kritische Infrastruktur bombardiert, schwere Kriegsverbrechen begeht und zahlreiche Militärbasen in der Region errichtet hat, wodurch sie die Zivilbevölkerung einem täglichen Terror aussetzt. Die türkische Militäreskalation richtet sich in erster Linie gegen die kurdische Bevölkerung. In den vergangenen Jahrzehnten waren Millionen Menschen aufgrund der türkischen Aggression gezwungen, aus verschiedenen Regionen Kurdistans zu fliehen. Hunderttausende, die weiterhin von dieser Aggression betroffen sind, erwägen eine Flucht nach Deutschland und Europa.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in der Türkei ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Bundesregierung auf der Grundlage des Völkerrechts und der Menschenrechte handelt. Dies beinhaltet die Verhängung eines generellen Abschiebestopps in die Türkei sowie die Beendigung der bisherigen Ignoranz gegenüber Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Ein solches Vorgehen würde einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung eines Friedensprozesses in der Türkei leisten, der auch eine demokratische und friedliche Lösung der kurdischen Frage beinhaltet.

Herr Scholz sollte sich gegenüber dem türkischen Staatspräsidenten für eine Lösung der kurdischen Frage als Grundlage für Demokratie und Frieden durch einen unverzüglichen Dialog mit der PKK und ihrem Vorsitzenden Abdullah Öcalan einsetzen. In diesem Kontext sollte zudem darauf verwiesen werden, dass der entsprechende Beschluss des Ministerkomitees des Europarates vom September 2024 bindend ist. Darin wird die Türkei aufgefordert, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Öcalan umzusetzen. Der Schlüssel zur Lösung der kurdischen Frage liegt im Dialog, wodurch auch die weitere Demokratisierung der Türkei sowie eine Verbesserung der Menschenrechtslage im Nahen und Mittleren Osten gefördert würde.

Des Weiteren ist es erforderlich, dass Herr Scholz sich für ein Ende der nahezu täglichen völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei sowie für den Rückzug der türkischen Truppen aus den kurdischen Gebieten einsetzt.

Darüber hinaus muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Türkei ihre Unterstützung für islamistische Milizen beendet. Der pro-islamistische Kurs der Türkei gefährdet nicht nur die Demokratisierung der Türkei, sondern stellt auch eine erhebliche Gefahr für die Sicherheitslage in Deutschland dar.

Auch vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahl 2025 ist es von entscheidender Bedeutung, Demokratie, Sozialstaatlichkeit und Fortschritt in einer glaubwürdigen und gewissenhaften Weise zu vertreten. So ist auch die Ampelkoalition gefordert, endlich eine klare Haltung gegen die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei einzunehmen, sich für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage einzusetzen und die Lebensbedingungen der Kurd*innen in Deutschland zu verbessern. Dies erfordert die Beendigung der Kriminalisierung der Kurd*innen und ihrer Institutionen sowie die demokratie- und völkerrechtskonforme Gestaltung der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Türkei, dem Iran, Syrien und dem Irak. Die Stabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens sowie die erfolgreiche Bekämpfung des Islamismus können lediglich dann in Angriff genommen werden, wenn ein ehrliches Interesse daran besteht. Eine Demokratie kann nur unerpressbar bleiben, wenn sie die Grund- und Menschenrechte als ihr höchstes Gut bewahrt.

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Kriminalisierung: Berliner Polizei führt kurdische Aktivisten aus Kulturhaus ab

6. Oktober 2024 - 10:41

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Die Freie Kurdische Gemeinde e.V. – auch bekannt als Nav-Berlin, ist von der Polizei aufgesucht worden. Mehrere Mannschaftswagen der Berliner Polizei fuhren am Samstagnachmittag vor dem kurdischen Kulturhaus im Stadtteil Reinickendorf vor. Wie der Vereinsvorstand mitteilte, betraten bewaffnete Polizisten die Räumlichkeiten, während sich dort Familien mit Kindern aufhielten. Zwei Mitglieder wurden abgeführt und ins Polizeipräsidium gebracht. In welchem konkreten Zusammenhang der Vorgang steht, sei unklar.

Bei einem der Betroffenen handelt es sich laut Nav-Berlin um Hüseyin Yılmaz, der Ko-Vorsitzender des Kulturhauses ist und von 1999 bis 2004 Bürgermeister für die Partei HADEP der kurdischen Stadt Agirî (tr. Ağrı) war. Ob möglicherweise ein Verfahren gegen den Aktivisten läuft und er als Beschuldigter vernommen werden soll, ist nicht bekannt. Der Vereinsvorstand hat nach eigenen Angaben keine Kenntnis über mögliche Ermittlungen gegen Yılmaz und hat eine Anwältin eingeschaltet.

„Wir lassen uns nicht einschüchtern“

Hüseyin Yılmaz, Ko-Vorsitzender von Nav-Berlin (Freie Kurdische Gemeinde e.V.), hat sich gegenüber ANF zu dem Polizeieinsatz am Samstag in den Räumlichkeiten des Vereins im Stadtteil Reinickendorf geäußert. Dass die deutsche Polizei mit einem Großaufgebot auf der Straße eine Drohkulisse aufbaue, bewaffnete Einsatzkräfte in das kurdische Kulturhaus eindringen, Ausweiskontrollen durchführen und ihn zusammen mit einer weiteren Person abführen, sei nicht anders als in der Türkei und in Kurdistan, sagte Yılmaz. Der Vorgang spiegele die Repression des türkischen Staates wider und stehe damit in Zusammenhang. Es handele sich um einen Einschüchterungsversuch.

„Wir verurteilen diese antidemokratische Maßnahme scharf“, erklärte der Vereinsvorsitzende und betonte: „Wir werden unsere politische und soziale Arbeit fortführen und uns noch stärker in unseren Freiheitskampf einbringen.“

Unrechtmäßige Durchsuchungen in kurdischen Vereinen

Die Räumlichkeiten von Nav-Berlin werden nicht zum ersten Mal von der Polizei aufgesucht. Im Juni 2018 wurde der Verein zum Ziel einer angelegten Durchsuchungsaktion, auch ein Büro von Civaka Azad e.V. und Privatwohnungen von kurdischen Aktivistinnen und Aktivisten waren damals zum Ziel von Razzien geworden. Civaka Azad, ein Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit mit Fokus Kurdistan, hatte moniert, dass aufgrund des PKK-Verbots grundlegende Grundrechte kurdischer Vereine und ihrer Mitglieder durch deutsche Sicherheitsbehörden mit Füßen getreten werden, und gegen die Durchsuchung geklagt. Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hatte der Verfassungsbeschwerde im März 2022 stattgegeben und die Angelegenheit zurück an das Landgericht Berlin verwiesen. Demnach war die Durchsuchung der Räumlichkeiten unrechtmäßig.

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Die Politik der verbrannten Erde des iranischen Staates in Kurdistan

2. Oktober 2024 - 17:27

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Der nachfolgende Artikel von Gordyaen Benyamin Jermayi ist zuerst auf Englisch bei The Kurdish Center for Studies veröffentlicht worden.

Grenzüberschreitende Bombardierungen und Angriffe

Der Iran führt häufig Artillerieangriffe über seine Grenze nach Südkurdistan durch und nimmt dabei Stützpunkte kurdischer Oppositionsgruppen wie der Demokratischen Partei Kurdistans im Iran (PDK-I), der Partei Freies Kurdistan (PAK), der Komala und der Partei für ein freies Leben Kurdistans (PJAK) ins Visier.

Diese Bombardierungen haben zur Zerstörung von Dörfern und landwirtschaftlichen Flächen geführt, was zu erheblichen Vertreibungen und wirtschaftlichen Schäden geführt hat. So feuerte das iranische Militär am 28. September 2022 etwa 70 Raketen auf drei Flüchtlingslager in Koya, Südkurdistan, ab. Dieses Lager wurden 1995 für Kurden aus Ostkurdistan (Rojhilat) errichtet, die vor Unterdrückung flohen. Vor dem Angriff lebten rund 600 Familien in den Lagern, die inzwischen geräumt wurden, so dass alle Bewohner vertrieben wurden. Die iranischen Behörden behaupteten, die Bombenanschläge hätten kurdischen Oppositionsgruppen gegolten, die sie beschuldigten, die anhaltenden Proteste in Kurdistan und Iran nach dem Tod von Jina Amini angestachelt zu haben. Die Bombenanschläge hinderten fast 300 Schüler und 30 Studenten daran, ihren Unterricht fortzusetzen.

Verweigerung von Ressourcen

Ähnlich wie die Türkei setzt auch der Iran seit Jahrzehnten Wälder und Weiden in Kurdistan in Brand, um die Ressourcen der kurdischen Kräfte und Parteien zu zerstören. Bei diesen Bränden verbrennen jedes Jahr Hunderte von Hektar Land. Die staatlichen Organisationen lehnen es in der Regel ab, bei der Eindämmung der Brände zu helfen, und es sind allein die lokalen Organisationen oder Dorfbewohner, die die Brände mit primitivster Ausrüstung löschen. Viele von ihnen werden bei der Eindämmung der Brände verletzt oder verlieren sogar ihr Leben. Dies hat verheerende Auswirkungen auf die lokalen Gemeinschaften, die für ihren Lebensunterhalt auf diese Ressourcen angewiesen sind.

Im Jahr 2024 gab es in Irans Naturgebieten 697 Brände, von denen insgesamt 12 904 Hektar Wald und Weideland betroffen waren. Auf die Zagros-Region entfielen 583 dieser Brände, von denen 12 600 Hektar betroffen waren

Eine Analyse des Ausmaßes der Wald- und Weidezerstörung im Iran nach Provinzen zeigt, dass die überwiegend kurdischen Provinzen Kurdistan und West-Aserbaidschan (Urmia) in den letzten Jahren die meisten Brände zu verzeichnen hatten. Über 14 Prozent der Wald- und Weidebrände in der ersten Hälfte des Jahres 2023 ereigneten sich beispielsweise in der Provinz Kurdistan, obwohl sie nur 1,3 Prozent der iranischen Wälder und Weiden umfasst. Unabhängige Umweltverbände berichten von deutlich mehr Bränden als die offiziellen Statistiken. So haben zwei hochrangige iranische Provinzbeamte menschliches Eingreifen als Hauptursache für einige Waldbrände in Marivan, Provinz Kurdistan, genannt.

Mehr als 95 Prozent der Brände in der Region werden durch vorsätzliche menschliche Aktivitäten verursacht, z. B. durch die Abholzung von Wäldern für landwirtschaftliche, Wohn- und gewerbliche Zwecke sowie durch illegalen Holzeinschlag zur Herstellung von Holzkohle und für den Holzschmuggel. Auch iranische Militäraktionen, darunter Manöver und Minenexplosionen, tragen erheblich zu diesen Bränden bei.

Der 2012 vorgeschlagene und später von der Islamischen Beratenden Versammlung gebilligte „Alborz-Atmungsplan“ hat dazu geführt, dass der vom iranischen Staat betriebene Holzschmuggel und die Holzkohleproduktion nach Kurdistan verlagert wurden. Dies hat zu einer umfassenden illegalen Ausbeutung der Wälder im Zagros-Gebirge geführt, wobei die gefällten Bäume zu großen Mühlen im Norden Irans und nach Täbris transportiert werden. Unabhängig von den Fabrikeigentümern operierende Kleingewerbetreibende verkaufen das Holz an Zwischenhändler und fällen ungehindert uralte Bäume, wobei sie die Militärkontrollpunkte ungehindert passieren.

Im August 2023 brannten beispielsweise über 1.065 Hektar Eichenwälder in der Umgebung von Marivan, ein Teil der insgesamt 2.035 Hektar, die in diesem Monat zerstört wurden. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 gingen mehr als 5.000 Hektar der Wälder von Marivan durch Brände verloren. Während die aktuellen Schätzungen der Waldfläche in Marivan bei etwa 100.000 Hektar liegen, schwanken die veralteten Statistiken der Regierung zwischen 170.000 und 185.000 Hektar. In den letzten 15 Jahren sind mehr als 70.000 Hektar der Wälder von Marivan durch Brände verloren gegangen.

Landminen und Grenzsicherung

Der Iran und die Türkei haben auch strategisch Landminen eingesetzt, um die kurdische Bevölkerung zu unterdrücken, insbesondere in Grenzregionen, in denen es zu Konflikten kam. Diese Minen, die aus vergangenen Kriegen stammen und von beiden Regierungen neu gelegt wurden, zielen vor allem auf Gebiete mit einer großen kurdischen Bevölkerung ab. Der Iran beispielsweise hat unter dem Vorwand der Grenzsicherung Landminen eingesetzt, oft um die Aktivitäten kurdischer politischer Parteien einzuschränken, während die Türkei trotz internationaler Verpflichtungen im Rahmen des Ottawa-Übereinkommens weiterhin Minen verlegt. Die weitreichende Verseuchung mit Millionen von Landminen in diesen Regionen führt zu ständigen Opfern unter der Zivilbevölkerung, zu schweren psychologischen Traumata und zu weitreichender Umweltzerstörung.

Das Vorhandensein von Landminen behindert die sozioökonomische Entwicklung und erzwingt Vertreibungen, wodurch die kurdischen Gemeinschaften gestört und ihre Sicherheit und Lebensgrundlage untergraben werden. Trotz der erheblichen humanitären und finanziellen Herausforderungen, die mit der Minenräumung verbunden sind, zeigen der Iran und die Türkei wenig Interesse an der Beseitigung dieser Minen, da sie als Mittel zur Aufrechterhaltung der Kontrolle über die kurdischen Gebiete dienen. Diese Minenfelder behindern nicht nur die Aktivitäten der Kämpfer, sondern machen auch große Landstriche für die lokale Bevölkerung unbrauchbar und tragen zu wirtschaftlicher Not und Vertreibung bei. Der Mangel an angemessener Unterstützung und Minenräumung seitens dieser Regierungen verschlimmert das Leiden der kurdischen Bevölkerung und verstärkt die bedrückenden Auswirkungen dieser explosiven Kriegsüberbleibsel.

Ein Resümee der Verwüstung

Die Politik der verbrannten Erde, die die Türkei und der Iran in Kurdistan betreiben, hat zu weitreichenden Verwüstungen und zum Leid der kurdischen Bevölkerung geführt. Diese Taktik, die darauf abzielt, den kurdischen Widerstand und die Kontrolle zu schwächen, hat zur Zerstörung von Dörfern, zur Zwangsumsiedlung von Gemeinschaften und zu erheblichen Umweltschäden geführt. Das vorsätzliche Abbrennen von Wäldern, landwirtschaftlichen Flächen und Infrastrukturen stört nicht nur das Leben der Zivilbevölkerung, sondern trägt auch zu langfristiger Armut und Vertreibung bei. Diese Aktionen verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht und haben nachhaltige Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschen in der Region. Der umfassende und systematische Charakter dieser Politik unterstreicht die harten Maßnahmen, die sowohl die Türkei als auch der Iran zur Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung ergriffen haben. Die Menschenrechtsverletzungen, die Umweltzerstörung und die wirtschaftliche Not, die durch diese Taktiken verursacht werden, verdeutlichen den andauernden Kampf um die Kontrolle in den umstrittenen Regionen. Die Folgen dieser Maßnahmen sind tiefgreifend und tragen zu einem Kreislauf von Gewalt, Vertreibung und Armut bei, von dem weiterhin Millionen von Menschen in Kurdistan betroffen sind. Die internationale Gemeinschaft muss sich mit diesen Verstößen auseinandersetzen und auf eine Lösung hinarbeiten, die die Rechte und die Lebensgrundlagen des kurdischen Volkes respektiert.

Im ersten Teil des Artikels behandelt der Autor die türkische Politik der verbrannten Erde in Kurdistan.

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Die Politik der verbrannten Erde des türkischen Staates in Kurdistan

29. September 2024 - 17:50

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Der nachfolgende Artikel von Gordyaen Benyamin Jermayi  ist zuerst auf Englisch bei The Kurdish Center for Studies veröffentlicht worden.

Die Politik der verbrannten Erde ist eine militärische Taktik, die die absichtliche Zerstörung von Ressourcen beinhaltet, die den gegnerischen Streitkräften bei einem Vormarsch oder einem Rückzug von Nutzen sein könnten. Diese Strategie umfasst die Zerstörung von landwirtschaftlichen Kulturen, Infrastruktur, Verkehrsnetzen und anderen Ressourcen, die der gegnerischen Seite helfen könnten. Die Politik der verbrannten Erde führt häufig zu erheblichem Leid unter der Zivilbevölkerung, da sie die Zerstörung von Ressourcen beinhaltet, auf die die lokale Bevölkerung zum Überleben angewiesen ist. Sie kann zu weit verbreiteten Hungersnöten, Vertreibungen und wirtschaftlicher Verwüstung führen. In der modernen Kriegsführung gilt die Politik der verbrannten Erde als Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht, insbesondere gegen Artikel 53 der Vierten Genfer Konvention, der die Zivilbevölkerung und ihre Lebensgrundlagen schützt.

Die Politik der verbrannten Erde, die die absichtliche Zerstörung von Ressourcen beinhaltet, um den Gegner zu schwächen, wurde von Iran, der Türkei, Syrien und dem Irak in ihren Konflikten und ihrer Unterdrückung des kurdischen Volkes im vergangenen Jahrhundert angewandt, was zu einer massiven Zerstörung der Umwelt, der Gemeinden, der Infrastruktur, der Kultur usw. führte, die allesamt darauf abzielen, Kurdistan für seine Bewohner unbewohnbar zu machen.

Zerstörung von Dörfern und Zwangsumsiedlung

Auf dem Höhepunkt ihres Konflikts mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den 1990er Jahren führte die Türkei eine Politik der Zerstörung Tausender kurdischer Dörfer in Nordkurdistan durch. Diese Strategie zielte darauf ab, der PKK die lokale Unterstützung und die Ressourcen zu entziehen. Bis Ende der 1990er Jahre wurden über 3.000 kurdische Dörfer zerstört oder geräumt, was zur Vertreibung von bis zu 3 Millionen Menschen führte. Die türkischen Streitkräfte umstellten die Dörfer mit Hubschraubern, gepanzerten Fahrzeugen, Truppen und Dorfschützern und verbrannten Vorräte, landwirtschaftliche Geräte, Ernten, Obstgärten, Wälder und Viehbestände. Sie setzten Häuser in Brand und gaben den Bewohnern oft keine Möglichkeit, ihr Hab und Gut zu retten. Im Verlauf solcher Operationen misshandelten und demütigten die türkischen Streitkräfte häufig kurdische Dorfbewohner, stahlen ihr Eigentum und ihr Bargeld und misshandelten oder folterten sie, bevor sie sie auf die Straßen und weg von ihren ehemaligen Häusern trieben. Die Operationen waren durch zahlreiche „Verschwundene“ und außergerichtliche Hinrichtungen gekennzeichnet.

In jüngster Zeit haben die türkischen Militäraktionen in Südkurdistan (Juni-Juli 2024) erhebliche Schäden in der Region verursacht. Seit Beginn der Operation hat die Türkei 238 Angriffe durchgeführt und dabei über 2.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche in mehreren Dörfern verbrannt. Allein in Guharze und Sargale wurden 55 % des Landes niedergebrannt.

Die Bewohner von 602 kurdischen und assyrischen Dörfern sind von der Vertreibung bedroht, 162 Dörfer wurden bereits evakuiert. Bei diesen Angriffen wurden auch mindestens acht Zivilisten getötet und öffentliche Infrastrukturen beschädigt, darunter im Februar eine Schule im Dorf Mizhe, während der jüngsten Operationen ein Kloster im Dorf Miska sowie zivile Häuser und Fahrzeuge im Dorf Guharze.

Operationen in Rojava und Südkurdistan

Während der Operationen „Olivenzweig“ (2018) in Afrin und „Friedensfrühling“ (2019) in Serê Kaniyê und Girê Spî hat die Türkei kurdische Kräfte in Rojava (Nordsyrien) angegriffen. Bei diesen Operationen wurden schwere Bombardierungen durchgeführt, die die zivile Infrastruktur zerstörten und zu Massenvertreibungen führten. Die türkische Armee und verbündete dschihadistische Milizen brannten Häuser und landwirtschaftliche Flächen nieder, was zu erheblichen Zerstörungen und zur Vertreibung der Bewohner in den angegriffenen Städten führte.

Zwischen März 2018 und August 2020 fällten die von der Türkei unterstützten dschihadistischen Gruppen mindestens 500 000 Olivenbäume in Afrin und verbrannten Hunderttausende Hektar Land. Der türkische Staat hat immer wieder kritische Infrastrukturen wie Kraftwerke, Generatoren, Krankenhäuser, Schulen und Straßen in der Region angegriffen. Diese systematische Zerstörung zielt darauf ab, die Verwaltung zu schwächen und zusätzlichen Druck auf die Zivilbevölkerung auszuüben, was zu extremer Armut führt und die Hälfte der Bevölkerung in die Flucht treibt.

Umweltzerstörung

Bei türkischen Militäroperationen werden häufig vorsätzlich Waldbrände gelegt. So wurden beispielsweise während der 40 Jahre andauernden Kriegshandlungen gegen die PKK große Wald- und Weideflächen in Nordkurdistan niedergebrannt. Solche Aktionen zielen darauf ab, den Kräften der Arbeiterpartei Kurdistans Deckung und Nahrung zu entziehen, aber sie zerstören auch die lokalen Gemeinschaften und Ökosysteme in der Region. In den letzten Jahren sind diese Brände immer häufiger geworden und haben zu weitreichenden Zerstörungen und Vertreibungen geführt.

So kamen beispielsweise im Juni 2024 bei massiven Waldbränden in Nordkurdistan, insbesondere zwischen Amed (Diyarbakır) und Mêrdîn (Mardin), 15 Menschen ums Leben und 78 weitere wurden verletzt. Bei den Bränden wurden auch über 1.000 Schafe und Ziegen getötet, weitere 200 Tiere erlitten schwere Verbrennungen. Die extreme Hitze mit Temperaturen von über 40°C in den Wochen zuvor ließ die Vegetation austrocknen und schuf ideale Bedingungen für das Inferno, das fast 2.000 Hektar Ackerland, Wohngebiete und Wälder verbrannte. Das türkische Militär nutzt solche Waldbrände auch als Vorwand, um ganze Wälder abzuholzen, um die Bäume gewinnbringend zu verkaufen.

Der Ilisu-Damm am Tigris ist ein weiteres zerstörerisches Projekt des türkischen Staates, das zur Überflutung zahlreicher kurdischer Dörfer und Städte geführt hat. Durch dieses Projekt wurden Tausende von Bewohnern vertrieben und kulturelle und landwirtschaftliche Flächen überflutet. Der Damm dient einem doppelten Zweck: der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Ausübung politischer Kontrolle. Durch die Einschränkung der Mobilität und der Ressourcen, die der kurdischen Bevölkerung zur Verfügung stehen, hat der Damm auch Auswirkungen auf die kurdischen politischen Parteien und ihre Aktivitäten.

Das Ilisu-Staudammprojekt überflutete 199 Dörfer und die alte Stadt Heskîf (Hasankeyf), wovon etwa 100.000 Menschen betroffen waren, hauptsächlich Kurden und eine beträchtliche Anzahl von Arabern. Durch Zwangsevakuierungen in den 1990er Jahren waren bereits 23.000 Menschen vertrieben worden, und weitere 3.000 Nomadenfamilien, die vom Tigris abhängig sind, waren von den jüngsten Ereignissen betroffen. Mehr als 40 Prozent der Betroffenen besaßen kein Land und erhielten keine Entschädigung, so dass sie alles verloren. Die übrigen wurden mit unzureichenden Entschädigungen und Umsiedlungsplänen konfrontiert, was zum Verlust ihrer Lebensgrundlagen, ihrer Kultur und einer von Armut geprägten Zukunft führte.

Das Ilisu-Dammprojekt in Obermesopotamien, der „Wiege der Zivilisation“, zerstörte über 400 archäologische Stätten, von denen viele noch unerforscht sind. Nur etwa 20 Stätten waren ausgegraben worden, als sie der Flutung zum Opfer fielen. Die 12.000 Jahre alte Stadt Heskîf, ein Symbol des Widerstands gegen das Ilisu-Projekt, wurde überflutet und ihr reiches kulturelles und biologisches Erbe zerstört. Heskîf, das an der Seidenstraße liegt, war historisch bedeutsam und wies Spuren von 20 Kulturen, zahlreiche Denkmäler und Tausende von Menschenhand geschaffene Höhlen auf. Obwohl es neun von zehn UNESCO-Kriterien für das Welterbe erfüllt, hat die Türkei nie einen Antrag auf Anerkennung durch die UNESCO gestellt und damit jede Chance auf nachhaltige Entwicklung und Tourismus für die Stätte vereitelt. Derzeit ist die weitere Region um Heskîf, in der in den 1970er Jahren 10 000 Menschen lebten, mit nur 3 000 Einwohnern einer der ärmsten Bezirke der Türkei.

Syrien und Irak, die für die Landwirtschaft und die städtische Wasserversorgung stark vom Tigris abhängig sind, stehen aufgrund der manipulativen Wasserpolitik der Türkei vor großen Herausforderungen. Der Tigris, eine seit Jahrtausenden wichtige Ressource, unterliegt dem UN-Übereinkommen von 1997 über das Recht der nicht-schifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe, das gegenseitige Vereinbarungen zwischen der Türkei, dem Irak und Syrien vorsieht. Die Türkei hat dieses Übereinkommen jedoch nicht unterzeichnet. Infolgedessen missachtet die Türkei bei ihren Maßnahmen häufig die Bedürfnisse der Menschen und der Umwelt und gibt Anlass zu Besorgnis über den möglichen Einsatz von Wasser als politische Waffe gegen die Bevölkerung in Süd- und Westkurdistan sowie im Irak und Syrien im alten Mesopotamien.

Der Einsatz von Staudämmen als strategisches Instrument durch die Türkei ist in Westkurdistan (Rojava) und Nordostsyrien besonders offensichtlich. Seit 2016 hat die Türkei den Durchfluss des Euphrat zeitweise reduziert, was erhebliche Auswirkungen auf die Stromerzeugung, die Bewässerung und die Trinkwasserversorgung hat, aber auch erhebliche Umweltschäden in der Region verursacht. In den vergangenen Jahrzehnten haben die Bewässerungs- und Stromerzeugungsprojekte der Türkei den Euphrat erheblich verschmutzt und die Wassermenge, die nach Syrien fließt, um schätzungsweise 40 Prozent reduziert. Gemäß dem 1987 zwischen der Türkei, Syrien und dem Irak unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen (UN) unterzeichneten Abkommen hat Syrien Anspruch auf 500 Kubikmeter Euphratwasser pro Sekunde. Seit dem Bau des Atatürk-Damms lässt die Türkei jedoch nur noch etwa 200 Kubikmeter pro Sekunde nach Syrien fließen. Darüber hinaus ist das hinter dem Euphrat-Damm gespeicherte Wasser von 14 Milliarden Kubikmetern auf nur noch 10 Milliarden zurückgegangen, wodurch der Euphrat-See 75 Prozent seiner effektiven Reserven verloren hat. Dieser erhebliche Rückgang des Wasserstands hat zu ernsten humanitären Krisen geführt.

Angriffe auf die Infrastruktur

Die Türkei rechtfertigt dies häufig mit der Behauptung, dass sie Stützpunkte und Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ins Visier nimmt. Diese Taktik hat erhebliche Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, da sie zu Opfern führt, Gemeinschaften isoliert und das tägliche Leben stört.

In der Region Shingal beispielsweise wurde im August 2021 das Sikeniye-Krankenhaus von türkischen Luftangriffen getroffen, wobei acht Zivilisten starben, über 20 weitere verletzt wurden und das Gebäude vollständig zerstört wurde. Auch die türkische Luftangriffskampagne gegen Rojava dauert seit der Invasion im Jahr 2019 an und hat bis heute Hunderte von zivilen Todesopfern gefordert. Diese regelmäßigen und zerstörerischen Luftangriffe richten sich gegen die zivile Infrastruktur in der Region. Im Oktober 2023 wurden die Strom-, Gas- und Öleinrichtungen von Rojava systematisch angegriffen, was umfangreiche infrastrukturelle und wirtschaftliche Schäden verursachte und die bereits fragile humanitäre Lage weiter verschlechterte.

Im Dezember 2023 richtete sich eine neue Kampagne gegen Fabriken, die Baumaterialien, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel herstellen, sowie gegen Getreidesilos, eine Mühle, Industrieanlagen und medizinische Einrichtungen. Die Türkei greift erneut die bereits zuvor angegriffene Energieinfrastruktur an und trifft auch Fabriken und Lagerhäuser, die zuvor nicht angegriffen wurden. Die Türkei begründete die Luftangriffe als Reaktion auf Operationen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gegen türkische Militärstützpunkte in den Bergen Südkurdistans (KRI), bei denen neun türkische Soldaten getötet wurden.

Anfang Januar 2024 griff die Türkei innerhalb von vier Tagen mehr als 50 Orte in ganz Rojava an und führte Luftangriffe auf wichtige Strom- und Ölinfrastrukturen, Industrieanlagen, Asayish-Kontrollpunkte, Fabriken und Wohnhäuser von Zivilisten durch. Diese Angriffe führten dazu, dass über zwei Millionen Menschen ohne Strom und Wasser waren, nachdem sieben wichtige Elektrizitätswerke außer Betrieb gesetzt worden waren. Sechs Zivilisten, darunter zwei Kinder, wurden verletzt. Die wiederholte und gezielte Zerstörung der Öl- und Strominfrastruktur durch die Türkei verschärft die humanitäre Krise in einer Region, die bereits von Stromausfällen, Treibstoffmangel und Wasserknappheit geplagt ist.

Im zweiten Teil des Artikels behandelt der Autor die iranische Politik der verbrannten Erde in Kurdistan.

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Kurd*innen werden Opfer der „Abschiebeoffensive“der Ampel

28. September 2024 - 8:06

ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.

Die neue Abschiebevereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Türkei stellt einen weiteren Tiefpunkt in Bezug auf die Menschenrechte dar und offenbart die Ignoranz staatlicher Behörden, die Realität der kurdischen Gesellschaft in der Türkei anzuerkennen. Kurd:innen drohen damit zu Tausenden zum Opfer der bereits im Koalitionsvertrag angekündigten „Abschiebeoffensive“ der Ampel zu werden.

Zahlreiche Berichte und Gutachten zeichnen insbesondere in Bezug auf die Rechte der Kurdinnen und Kurden ein erschreckendes Bild der menschenrechtlichen Situation in der Türkei. Dabei agiert die türkische Justiz weit entfernt von rechtsstaatlichen Grundsätzen.

In einem kürzlich von Pro Asyl veröffentlichten Gutachten, das die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Wahrung von Verfahrensrechten der türkischen Strafjustiz umfassend untersucht, wird festgehalten, dass in der Türkei das Strafrecht instrumentalisiert wird, um politisch unerwünschtes Handeln zu unterdrücken. Vorwürfe wie Terrorpropagandawerden dabei willkürlich erhoben, und die entsprechenden Strafverfahren verlaufen nicht rechtsstaatlich. Betroffene haben keine Möglichkeit, sich effektiv rechtlich dagegen zu wehren. Besonders gefährdet, Opfer politischer Strafverfolgung zu werden, sind bestimmte Risikogruppen, etwa Oppositionelle oder Personen, die sich zu politisch sensiblen Themen äußern – wobei es oft schwer abzuschätzen ist, wann ein Thema an Brisanz gewinnt. Kurd*innen sind dabei aufgrund ihrer systematischen Diskriminierung und Unterdrückung einem höheren Risiko ausgesetzt als andere Gruppen.

Über 84 % der im vergangenen Jahr von türkischen Staatsbürgerinnen in Deutschland gestellten Asylanträge stammen von Kurd*innen. Angesichts dessen ist es umso alarmierender, dass die Bundesregierung beschlossen hat, Menschen in einen Staat abzuschieben, in dem grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien nicht gewahrt werden. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass Abgeschobene willkürlichen staatlichen Repressionen und schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.

Deutschland macht sich mitschuldig. Kurd*innen benötigen Schutz vor dem Erdoğan-Regime und vor willkürlicher staatlicher Verfolgung. Das neue Abkommen steht im klaren Widerspruch zu den Entscheidungen deutscher Gerichte. Auch wenn viele Asylanträge abgelehnt werden, erkennen einige Gerichte  unter Berufung auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) Abschiebungsverbote in die Türkei gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG an. Laut dieser Norm darf eine Abschiebung nicht erfolgen, wenn der Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht garantiert ist. Insbesondere nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher bzw. erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden. Einige deutsche Gerichte sehen diese Situation zutreffenderweise eindeutig als problematisch an. Sie betonen in ihren Urteilen, dass Personen, die in der Türkei willkürlich wegen Terrorismusvorwürfen angeklagt werden, mit Verfahren zu rechnen haben, die nicht den rechtsstaatlichen Prinzipien entsprechen und Foltergefahr beinhalten können.Eine grundsätzliche Anerkennung des Flüchtlingsschutzes für Kurd*innen, die in Deutschland Asyl beantragen, gibt es jedoch nicht.

Die systematische Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze ist seit dem Putschversuch von 2016 in der Türkei sichtbarer geworden, Minderheiten und Oppositionelle werden verfolgt und die Femizide befinden sich im internationalen Vergleich auf einem Höchststand.Vor diesem Hintergrund fordern wir als kurdische Institutionen in Deutschland die Bundesregierung nachdrücklich auf, internationales Recht und die Menschenrechte zu respektieren, einen generellen Abschiebestopp in die Türkei zu verhängen und den rein symbolischen Aktionismus zur Befriedigung rechter und menschenfeindlicher Diskurse sofort zu beenden.

Besonders absurd ist die Tatsache, dass gerade die Kurd*innen es waren, die sich entschlossen gegen den politischen Islamismus gewehrt haben, indem sie mutig gegen den sogenannten IS gekämpft haben, und nun in ein Land abgeschoben werden sollen, dessen Staatspräsident sich in der gesamten Region eindeutig auf die Seite der Islamisten stellt.

Indem Deutschland vielfach auf dem internationalen Parkett seine schützende Hand über die Türkei gehalten hat oder diese mittels Geldzahlungen und Waffenlieferungen unterstützt hat, trägt es eine Mitschuld für die kurdischen Fluchtbewegungen aus der Türkei. Deutschland sollte daher seine wirtschaftliche Stärke und die engen Beziehungen zur Türkei nutzen, um auf eine friedliche Lösung der kurdischen Frage hinzuwirken. Nur auf diesem Weg kann langfristig sichergestellt werden, dass die Lebensbedingungen für Kurd*innen in der Türkei menschenwürdig werden und sie nicht länger aufgrund von Unterdrückung, Verfolgung und systematischer Repression zur Flucht gezwungen sind.

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