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Wir bringen Licht ins Dunkel der Behörden! Mit Recherchen, Klagen, Kampagnen und Unterstützung bei der Nutzung unserer Informationsrechte.
Aktualisiert: vor 1 Stunde 18 Minuten

Job: Büromanager*in für FragDenStaat

18. April 2024 - 9:32

Wir suchen eine Büromanager*in und Events für FragDenStaat (50-80%, 20-32 Wochenstunden, ab Juli 2024). Bewerbungsfrist: 19. Mai 2024.

 

Die Büromanager*in und Events von FragDenStaat organisiert unseren gesamten Office-Betrieb.

Wir streben eine gleichmäßige Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen im Team an und möchten den Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte, Schwarzen Personen, PoCs und Menschen mit Behinderungen im Team erhöhen.

Wer wir sind

FragDenStaat ist die Organisation für Informationsfreiheit in Deutschland. Seit 2011 ermöglicht sie allen Menschen, möglichst einfach und transparent Informationen von Behörden zu befreien – mit technischen Tools, Kampagnen, strategischen Klagen und investigativen Recherchen. Inzwischen haben rund 125.000 Personen insgesamt 250.000 Anfragen über FragDenStaat gestellt. In den vergangenen drei Jahren haben wir mehr als 150 Klagen gegen deutsche und EU-Behörden eingereicht.

Trägerverein von FragDenStaat ist der gemeinnützige Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. (OKF) mit Sitz in Berlin, der sich für offenes Wissen, Transparenz und Beteiligung einsetzt. Unsere Arbeit ist spendenfinanziert, unabhängig, überparteilich und interdisziplinär.

Informationsfreiheit ist uns ein Herzensanliegen. FragDenStaat ist ursprünglich als ehrenamtliches Projekt gestartet und wird inzwischen von einem 20-köpfigen hauptamtlichen Team getragen. Wir wachsen weiter und haben viel vor, um Informationsfreiheit in Deutschland und auf EU-Ebene strategisch voranzubringen. Dafür suchen wir Verstärkung!

Wen wir suchen

Wir sind auf der Suche nach einer teamstarken, politischen und gerne auch technisch interessierten Persönlichkeit, die Lust hat, gemeinsam mit uns die Wirkung von FragDenStaat zu erhöhen und das Team durch organisatorische und kaufmännisch-verwaltende Tätigkeiten zu verstärken. Daneben achtest Du auf das Erscheingungsbild und die Ausstattung unseres Büros im Allgemeinen. Du musst nicht alles selbst machen, aber erkennen, wann was gebraucht wird.

Im Team wirst Du vor allem eng mit Judith zusammenarbeiten. Mit ihr in Abstimmung übernimmst Du die Verantwortung für reibungslose administrative Abläufe unserer Arbeit. Zusätzlich wird es in Deinem Tätigkeitsbereich viele Schnittstellen zu Kolleginnen aus der Geschäftsführung des Vereins geben, da sich alle Mitarbeitenden der OKF das Büro teilen.

Diese Bereiche wirst Du verantworten:

  • Organisation der Büroabläufe; insbesondere Bearbeitung und Ablage der (Behörden-)Post
  • Rechnungen bearbeiten und Schnittstelle zur Buchhaltung der OKF; anteilig ggf. auch Tätigkeiten in der Personalverwaltung
  • Administrative Planung und Durchführung von FragDenStaat-Veranstaltungen, wie beispielswiese Retreats und Feiern
  • Erste*r Ansprechpartner*in für telefonische und schriftliche Anfragen und Anliegen an FragDenStaat
  • Administrative Unterstützung des gesamten Teams, vor allem des Legal- und des Investigativ-Teams
  • Verwaltung der FragDenStaat-Materialien (Merch) und Versand dieser Produkte, ggf. zukünftig Online Shop-Betreuung

Die anfallenden Tätigkeiten und auch die wöchentliche Arbeitszeit möchten wir so arrangieren, dass sie zu Dir passen. Wir können uns gut vorstellen, dass Du, wenn Du möchtest, mit der Zeit weitere Verantwortungsbereiche übernimmst. Für die fortlaufende, zeitnahe Bearbeitung insbesondere der Behördenantworten ist es notwendig, dass Du an den Arbeitstagen ins Büro kommst.

Profil

Bei uns gibt es viel Raum für Deine eigenen Ideen. Das Projekt lebt vom starken Engagement und Einsatz aller Teammitglieder.

Uns ist wichtig, dass Du außerdem Folgendes mitbringst:

●    Ehrenamtliche oder berufliche Erfahrung in der Verwaltung einer Organisation. Alternativ eine Ausbildung als Bürofachkraft oder eine vergleichbare kaufmännische Ausbildung.
●    Zu Deinen Stärken gehören selbstständiges Arbeiten, gutes Zeitmanagement und gute Kommunikationsskills
●    Außerdem solltest Du Freude und Offenheit dafür haben, Dich in neu aufkommende Aufgaben sowie Themen einzuarbeiten. Eine kreative und praktische Herangehensweise sind dabei von Vorteil.
●    Gute Deutsch- (mindestens Level C1) und Englischkenntnisse (mindestens Level B2)

Du glaubst, dass ein paar Aspekte aus der Ausschreibung nicht zu Dir passen, aber viele andere schon? Dann bewirb Dich bitte trotzdem.

Was wir bieten

●    eine sinnstiftende Tätigkeit zur Stärkung von Demokratie und Informationsfreiheit
●    enge Zusammenarbeit im Team von FragDenStaat
●    dazuzulernen in den Bereichen, die Dir wichtig sind, auch durch Fortbildungen, die FragDenStaat für Dich bezahlt
●    flexible, familienfreundliche Arbeitszeiten
●    Unterstützung bei technischen Hilfsmitteln
●    eine gute Büroatmosphäre in Berlin mit einem motivierten Team, klaren Strukturen und umfassendem Onboarding. Es gibt im Büro kostenlose Getränke und Menstruationsprodukte. Das Büro ist mit Fahrstuhl stufenfrei erreichbar. Wenn Du auf weitere Barrieren stößt, möchten wir sie abbauen.
●    eine Menstrual Leave Policy und eine Sabbatical Policy
●    eine Vergütung ausgerichtet am Tarif TV-L E12 Stufe 1 in einem transparenten Gehaltssystem mit geringer Gehaltsspreizung im Team
●    30 Urlaubstage im Jahr bei Vollzeit-Beschäftigung
●    Monatlich 20 Euro Zuschuss für dein Ticket für den Öffentlichen Nahverkehr

Die Stelle ist idealerweise zum 1. Juli 2024 zu besetzen. Sie ist zunächst auf zwei Jahre befristet. Wir streben eine Entfristung an.

Bitte schicke uns Deine Bewerbung mit Anschreiben, Lebenslauf, Arbeitsproben, möglichem Beginn und bevorzugtem Stundenumfang bis zum 19. Mai 2024 per E-Mail an Judith via jobs@okfn.de. Wir möchten vor allem wissen, woran Du Interesse hast, was Du gut kannst, was Dich bewegt und motiviert.
Bitte sende uns weder Bewerbungsfotos noch Angaben zu Alter und Familienstand zu. Ob Du einen Hochschulabschluss hast, ist für uns nicht entscheidend. Arbeits- und Abschluss-Zeugnisse brauchen wir nicht.

Wie es weitergeht

Wir werden alle Bewerbungen sichten, ggf. nachanonymisieren und dann den Personalverantwortlichen zur Auswahl vorlegen. Im Anschluss werden wir möglicherweise mit ausgewählten Kandidat*innen Telefongespräche führen, um offene Fragen zu klären. Nach Sichtung der Ergebnisse wird die Anonymisierung aufgehoben und wir laden einige Bewerber*innen zum persönlichen Kennenlernen ein. Diese Gespräche finden vom 27.05.-30.05.2024 in Berlin statt. Die innerdeutschen Reisekosten für die Bewerbungsgespräche übernehmen wir, sofern sie nicht von der Arbeitsagentur getragen werden.

 

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Steuermilliarden für die Ölindustrie: Wie das Finanzministerium beim Tankrabatt alle Warnungen ignorierte

15. April 2024 - 12:24

Mit dem Tankrabatt versprach Christian Lindner sinkende Preise an der Zapfsäule. Sein Ministerium sollte sicherstellen, dass die milliardenschwere Steuerentlastung bei der Bevölkerung ankommt. Am Ende profitierten die Ölkonzerne. Interne Dokumente zeigen: Dieser Ausgang war dem Finanzministerium von Anfang an bewusst – doch Warnungen wurden ignoriert und die Verantwortung weggeschoben.

Foto-Credit: eigene Bearbeitung

„Die dümmste Idee der Ampel” – so bezeichnete die Süddeutsche Zeitung den Tankrabatt. Selbst der ADAC kritisierte die Aktion, die Autofahrende entlasten sollte, weil sie die Kassen der Ölkonzerne gefüllt habe. Interne Dokumente aus dem Finanzministerium zeigen nun: Für das Prestigeprojekt von Finanzminister Christian Lindner ignorierte sein Haus zahlreiche Warnungen – und setzte Milliarden an Steuergeldern aufs Spiel.

„Der Tankrabatt wird kommen!”, preschte Lindner Mitte März 2022 vor und versprach ohne Absprache mit seinen Koalitionspartnern etwas, das er anschließend auch durchsetzte – trotz großer Bedenken von Wissenschaftler*innen und lautstarken Warnungen aus anderen Ministerien. Wenige Tage später beschloss die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket, um die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs zu lindern. Eine der Maßnahmen: Um steigenden Spritpreisen entgegenzuwirken, wird für drei Monate die Mineralölsteuer gesenkt. Ölkonzerne zahlen weniger Steuern und sollen die Preise an der Zapfsäule dementsprechend senken. So geht zumindest die Theorie. „Wir stellen sicher, dass die Absenkung an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird”, heißt es dazu im Koalitionsbeschluss. Mit dem Projekt feierten sich Lindner und die FDP später öffentlichkeitswirksam. 

Wir haben in den vergangenen Monaten einen gesamten Umzugskarton voll Akten zum Tankrabatt ausgewertet. Das Finanzministerium hat die Dokumente auf eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) herausgeben müssen. Sie zeigen: Von Anfang an war den Verantwortlichen klar, dass man den Koalitionsbeschluss gar nicht umsetzen kann. Ob der Rabatt auch bei den Kund*innen ankommt, konnte nicht nur niemand garantieren – es gab auch explizite Warnungen, dass der Steuernachlass in den Kassen der Mineralölkonzerne versacken könnte. Der Tankrabatt könnte zum Bumerang werden, zur Milliardenspritze für Konzerne, die ohnehin schon Übergewinne machten. Ein Risiko, das Lindner offenbar lieber bei jemand anderem sehen wollte. Auf kritische Nachfragen schob er die Verantwortung dafür, dass die Preissenkung auch bei den Kund*innen ankommt, Robert Habecks Wirtschaftsministerium (BMWK) zu.

Mahnende Stimmen

 

Schon Ende März kursiert im FDP-geführten Finanzministerium ein Eckpunktepapier zum Tankrabatt. Es enthält eine überdeutliche Warnung: „Eine gesetzliche Verpflichtung der Wirtschaft auf Weitergabe des steuerlichen Vorteils an die Endverbraucher ist nicht möglich.“ Die letzten beiden Wörter sind unterstrichen.

Auch im SPD-geführten Arbeits- und Sozialministerium (BMAS) von Hubertus Heil bemerkt man früh das drohende Risiko und fordert eine Regelung, die die Weitergabe der Steuersenkung an die Verbraucher*innen garantiert. Irritiert schreibt ein Referatsleiter an das Finanzministerium: „Seitens BMAS wird die Umsetzung des Teils des Beschlusses des Koalitionsausschusses vermisst, wonach eine Weitergabe der Absenkung der Energiesteuer an die Verbraucherinnen und Verbraucher sichergestellt wird.“ Heils Haus knüpft seine Zustimmung zu dem Gesetzentwurf daran, dass dieser „zentralen Forderung” nachgekommen werde: „Dies war dem Vernehmen nach eine Bedingung für die Umsetzung der Maßnahme insgesamt“.

Doch Lindners Finanzministerium spielt den Ball zurück: Sicher zu stellen, dass der Nachlass bei Verbraucher*innen ankommt, sei „nicht Gegenstand dieses Gesetzgebungsverfahrens“. Die Verantwortung schieben sie stattdessen den Kartellbehörden zu – und damit dem Wirtschaftsministerium von Habeck.

Lindner spielt den Ball zurück

 

Die Lösung, die das Finanzministerium präsentiert, um sicherzustellen, das der Tankrabatt bei Verbraucher*innen ankommt: Die sogenannte „Markttransparenzstelle für Kraftstoffe“. Diese sammelt seit 2013 in Echtzeit die Spritpreise an Tankstellen ein und stellt sie als offene Daten allen zur Verfügung, zum Beispiel bestimmten Apps – und sie untersteht dem Bundeskartellamt und damit Habecks Wirtschaftsministerium. Eine Lösung, die auch deswegen bemerkenswert ist, weil auch das grün-geführte Wirtschaftsministerium eine jener Stellen ist, die von Beginn an Kritik an der Idee Tankrabatt äußern.

So kommentiert eine Beamtin aus dem Wirtschaftsministerium Anfang April 2022 in einer Entwurfsfassung des Gesetzes, daraus gehe gar nicht hervor, „wie sichergestellt wird, dass die temporäre Absenkung der Energiesteuern die Verbraucher erreicht“. Stattdessen werde darauf hingewiesen, dass eine rechtlich bindende Verpflichtung nicht möglich sei. Auch sie richtet eine bereits bekannte Forderung an das Finanzministerium: „Wir bitten daher um Erläuterung, wie die gemeinsame Vereinbarung aus dem Entlastungspaket ,Wir stellen sicher, dass die Absenkung an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird’ umgesetzt werden soll.”

Die Antwort von einem von Lindners Beamten: „Mittels Verbrauchssteuerrecht ist dies nicht möglich. BMWK will dazu die Markttransparenzstelle Kraftstoff stärken”. Mit anderen Worten: Dafür seid ihr zuständig, nicht wir.

Dann muss alles ganz schnell gehen

 

Tatsächlich hat das Kabinett wenige Tage zuvor nicht nur den Gesetzesentwurf zum Tankrabatt beschlossen, sondern auch, dass die Markttransparenzstelle Kraftstoff gestärkt werden soll. Sie soll zukünftig auch Raffinerien und den Großhandel stärker beobachten, also jenen Teil der Wertschöpfungskette, der vor der Tankstelle liegt. 

Doch wie unklar es ist, ob das überhaupt zur Absicherung des Tankrabatts beitragen kann, zeigt eine besonders skurrile Mail vom 12. April 2022: Erst nachdem das Gesetz beschlossen ist und nachdem das Finanzministerium unter anderem gegenüber dem Wirtschaftsministerium auf Kritik hin erklärte, durch die Markttransparenzstelle Kraftstoff sei die geforderte Absicherung gegeben, wendet es sich hilfesuchend an eben dieses Ministerium: Das Finanzministerium bittet darum, sich die Arbeitsweise der Markttransparenzstelle erläutern zu lassen. 

Zugleich muss offenbar alles schnell gehen. So findet sich am Ende dieser Mail die dringende Bitte um schnelle Rückmeldung, da noch am gleichen Tag eine Ressortabstimmung laufen müsse.

„Maßnahmen werden nicht greifen“

 

Dass selbst einen Monat nach Beschluss der ganze Tankrabatt noch immer ein einziges Glücksspiel ist, zeigen die Unterlagen zu einer Expert*inenanhörung im Finanzausschuss des Bundestags. Eine Professorin des ifo-Instituts weist darauf hin, dass bei vergangenen Steuersenkungen bei Kraftstoffen nur etwa zwei Drittel der Ersparnis an die Konsument*innen weitergegeben wurde. Es gibt also offensichtlich ein immenses Risiko, dass Steuereinnahmen in Milliardenhöhe versacken werden. Umso drastischer klingt das, was ein Vertreter des Kartellamts in der Anhörung klarstellt: Noch immer könne niemand garantieren, dass der Rabatt von den Konzernen auch tatsächlich an die Kunden weitergegeben wird – auch mit dem jetzt beschlossenen Modell nicht. Und er nimmt kein Blatt vor den Mund. Der Wettbewerb auf dem Tankstellenmarkt funktioniere „nur eingeschränkt”, vor allem die großen Ketten bildeten ein Oligopol, mahnt er gegenüber den Abgeordneten. Sein klares Fazit: „Das Risiko zur Nichtweitergabe besteht.”

Diese Erkenntnis scheint kurz vor Beginn des dreimonatigen Tankrabatts auch endlich im Finanzministerium angekommen zu sein. Am 24. Mai will die Abteilung „Leitung und Kommunikation“ abstimmen, wie der Tankrabatt nach außen kommuniziert wird. Es geht um Antworten auf häufig gestellte Fragen, die auf der Website des Ministeriums veröffentlicht werden sollen. Zur Frage „Wann werden Kraftstoffe an der Zapfsäule billiger?“ möchte man die in den Wochen zuvor erprobte Argumentation einfügen, wonach die Verantwortung dafür, dass der Rabatt auch ankommt, beim Bundeskartellamt und damit beim grün-geführten BMWK liege.

Doch eine andere Abteilung im Haus interveniert und streicht die Passage wieder. Die Begründung: „Nach Auffassung des Referats III B 3 werden die Maßnahmen des Bundeskartellamts nicht während der temporären Senkung greifen.“ Hinter dem Kürzel III B 3 steckt das Referat, das den Tankrabatt entwickelt und durch den Gesetzgebungsprozess begleitet hat – und das gegenüber Einwänden aus Arbeits- und Wirtschaftsministerium stets auf das Bundeskartellamt als Lösung verwiesen hatte. 

Finanzministerium schweigt zu Kritik

 

Statt einer Lösung für die Frage, wie sichergestellt werden sollte, dass der Rabatt auch bei den Kund*innen ankommt, regierte offenbar das Prinzip Hoffnung – Hoffnung, der Markt werde schon dafür sorgen, dass die Rabatte an die Kund*innen weitergegeben werden, weil die Menschen dort tanken, wo es am billigsten ist. Und Hoffnung, dass keine der kritischen Stellen merkt, dass die Antwort, die man auf Kritik präsentiert hat, gar nicht stimmt – dass die versprochene Absicherung nicht funktionieren wird und man das sogar selbst weiß. Ist das verantwortungsvoll? Sollte eine Regierung mehrere Milliarden Euro nach dem Prinzip Hoffnung ausgeben? Fragen die das Finanzministerium nicht beantworten will.

Wir haben Lindners Ministerium einen ausführlichen Fragenkatalog geschickt, doch klare Antworten gab es darauf nicht. Man bitte um Verständnis, dass das Finanzministerium sich nicht zu „internen Abstimmungen der Bundesregierung“ äußere, teilte ein Sprecher in aller Kürze mit. Dass unsere Fragen sich auf konkrete Vorgänge innerhalb des Finanzministeriums beziehen und auf Unterlagen basieren, die nach dem IFG herausgegeben werden mussten, wurde trotz entsprechender Nachfragen ignoriert. Stattdessen beendete der Ministeriumssprecher seine kurze Antwort mit der Bemerkung: „Ergänzend weisen wir auf den Deutschen Bundestag als Gesetzgeber hin.“

Es scheint, als wolle im Finanzministerium noch immer niemand die Verantwortung für die kritischen Aspekte des Prestigeprojekts Tankrabatt übernehmen. Dass dort überhaupt je versucht wurde, die im Koalitionsbeschluss festgehaltene Weitergabe der Steuererleichterung abzusichern, daran kann man heute Zweifel haben. Denn während das Finanzministerium im ersten Eckpunktepapier zu dem Gesetz noch schrieb, mangels gesetzlicher Grundlagen für eine Verpflichtung zur Weitergabe des Rabatts seien „flankierende Gespräche der Politik mit den Mineralölwirtschaftsunternehmen geboten”, um diese Weitergabe sicherzustellen, musste es Ende Juni 2022 – einen Monat nach Einführung des Tankrabatts – im Bundestag einräumen: Solche Gespräche gab es nie

Besonders schnell freute sich damals jedenfalls einer: Der Bundesverband Tankstellen. Der schreibt am 8. April, nur zwei Tage nach der Verabschiedung des Gesetzes an Lindner: „Freudig haben wir vernommen, dass Sie beschlossen haben, die Energiesteuer zu senken, damit sowohl Verbraucher*innen als auch den Tankstellenbetreiber*innen eine Entlastung zugute kommt“. Inwiefern das wirklich für beide zutrifft, ist die große Frage. 

Insgesamt verbuchte die Mineralölindustrie im Krisenjahr 2022 allein in Deutschland 70 Milliarden Euro zusätzliche Gewinne – auch durch den Tankrabatt. Zwar sanken die Preise an den Zapfsäulen damals tatsächlich, zugleich passierte laut Bundeskartellamt genau das, was von Anfang an befürchtet wurde: Die Ölkonzerne gaben den milliardenschweren Steuernachlass nicht in vollem Umfang an die Verbraucher weiter. Rund 3,4 Milliarden Euro kostete der Tankrabatt die Staatskasse. Zumindest ein Teil davon wanderte offensichtlich als Übergewinn in die Kassen der Mineralölkonzerne. Eine Untersuchung des Bundeskartellamts kam bereits im November 2022 zu einem zwiespältigen Ergebnis: Ohne den Tankrabatt wären die Spritpreise im Juni 2022 „mit großer Wahrscheinlichkeit erheblich höher gewesen”, zugleich gebe es Hinweise, dass vor allem bei Diesel mindestens in der Anfangsphase „nicht der gesamte Betrag der Steuersenkung weitergegeben wurde”. Auch wissenschaftliche Studien kamen zu dem Ergebnis, der Tankrabatt sei von den Ölkonzernen „im Wesentlichen“ weitergegeben worden, demnach jedoch nicht vollständig.

Die Worte, mit denen das Bundeskartellamt sein Fazit zum Tankrabatt einleitet, lesen sich wie eine Anspielung an ignorierte Warnungen: Man müsse berücksichtigen, „dass selbst bei einem vollkommen funktionsfähigen Wettbewerb eine produktbezogene Steuersenkung nur in extremen, für den Kraftstoffmarkt tendenziell nicht gegebenen Ausnahmefällen vollständig an die Abnehmer weitergegeben wird”.

Nicht berücksichtigt wurde genau dies offensichtlich vom Finanzministerium, das Lindners Versprechen trotz aller Einwände durchgedrückt hatte.

 

Der Tankrabatt galt vom 1. Juni bis zum 31. August 2022. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine waren die Energiepreise rapide gestiegen. Die Ampel-Koalition beschloss als Reaktion, für einen Zeitraum von drei Monaten die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das in der Europäischen Union vorgeschriebene Mindestmaß zu senken. Kosten für das Programm laut Bundesfinanzministerium: 3,4 Milliarden Euro.

Zur Anfrage und den Dokumenten

 

von , Marcus Engert

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Neue Transparenzklage: Wie entstand das Selbstbestimmungsgesetz?

12. April 2024 - 9:00

Heute beschließt der Bundestag nach langer Verzögerung das Selbstbestimmungsgesetz. Wir verklagen derweil das Familienministerium, um herauszufinden, wie es zu der Verzögerung und umstrittenen Änderungen kam. Außerdem geht es um grundsätzliche Fragen.

Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP versprochen, das in wesentlichen Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz endlich durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Damit soll es erleichtert werden, den eigenen Vornamen und Geschlechtseintrag zu ändern. Statt wie bisher ein langwieriges und teures Gerichtsverfahren sowie mehrere Gutachten zu verlangen, soll eine Erklärung der Person selbst ausreichen – ein wichtiger Fortschritt für trans, inter und nichtbinäre Menschen.

Nachdem die Ampel-Koalition zunächst noch ein Inkrafttreten der neuen Regelungen bis 2022 versprochen hatte, verschob sich der Zeitplan immer wieder. Im Mai 2023 veröffentliche das federführende Familienministerium dann endlich den Referentenentwurf, im August 2023 beschloss die Bundesregierung ihren Gesetzesvorschlag.

Dieser enthielt gegenüber dem ersten Entwurf einige Verschlechterungen: Das Verfahren wurde verkompliziert, das Offenbarungsverbot, also das Verbot den alten Namen oder Geschlechtseintrag auszuforschen oder weiterzugeben, geschwächt und bei jeder Änderung soll eine Vielzahl von Sicherheitsbehörden informiert werden.

Der Kabinettsbeschluss wurde stark kritisiert: für den Bundesverband trans* bestand "noch deutlich Luft nach oben", wichtige Kritikpunkte seien nicht eingearbeitet worden und die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes sprach von "Ausführungen, die dazu geeignet sind, Diskriminierungen zu begünstigen und Vorurteile zu bestärken.". Sie sah in manchen Aspekten sogar eine Verschlechterung zum bisherigen, teilweise verfassungswidrigen Transsexuellengesetz.  Zumindest die automatische Weitergabe der Änderungen an Sicherheitsbehörden wurde inzwischen auch vom Bundestag kassiert.

Wie entsteht eigentlich ein Gesetz?

Um zu verstehen, wie es dazu kam, haben wir noch am Tag des Kabinettsbeschlusses sämtliche Informationen dazu angefragt. Alle angefragten Ministerien haben unsere Anfrage abgelehnt, mit reichlich kurzer Begründung:

Der interne Abstimmungsprozess innerhalb der zuständigen Ressorts und innerhalb der Bundesregierung sei noch nicht abgeschlossen, daher könnten keinerlei Informationen herausgegeben werden. Diese Beratungen und die Vorbereitung von Entscheidungen sind nach dem IFG geschützt, wenn ein Risiko besteht, dass die Herausgabe der Informationen sie behindern oder vereiteln könnte. Das sei der Fall.

Wir sind anderer Meinung und verklagen daher das Familienministerium, um trotzdem an die Informationen zu kommen. Denn das Ministerium begründet nicht ausreichend, warum die Herausgabe der Informationen tatsächlich schädlich sein könnte. Es behauptet einfach, dass das so sei.

Außerdem schützt das IFG Vorbereitungen zu einer Entscheidung in der Regel nur solange, bis die Entscheidung gefallen ist. Der Kabinettsbeschluss ist unserer Meinung nach eine zunächst abschließende Entscheidung der Regierung, während die Ministerien davon ausgehen, dass auch während der Beratungen im Parlament Dokumente geheim bleiben dürfen.  

Auch nach dem Beschluss geht es weiter

Die Klage ist daher nicht nur wichtig, um herauszufinden, wie es zu diesem konkreten Gesetz kam. Mit ihr können wir idealerweise auch herausfinden, ab wann die Öffentlichkeit ein Recht auf Informationen zu einem Gesetzgebungsprozess hat.

Daher wollen wir die Klage auch weiterverfolgen, nachdem der Bundestag das Gesetz beschließt und uns das Ministerium hoffentlich die Informationen zum Selbstbestimmungsgesetz herausgibt.

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████████████████████████ ▌▎ Korbinian Geiger Verwaltungsgericht Berlin Rechtsanwalt Kirchstraße 7 ██████ ▎ 10557 Berlin ███████ ▎ ▎ Ihr Zeichen: VG 2 K 557/23 Unser Zeichen:53/23 Greifswald, 3. April 2024 VG 2 K 557/23 In der Verwaltungsstreitsache Engelhardt gegen Bundesrepublik Deutschland wird beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 25. September 2023 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 27. November 2023 zu verpflichten, der Klägerin gemäß ihrem Antrag vom 23. August 2023 sämtliche ihr vorliegenden amtlichen Informationen zum Selbstbestimmungsgesetz zuzusenden, soweit es sich nicht um Verlaufsprotokolle des Bundeskabinetts handelt .

Begründung Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da sie Anspruch auf Zugang zu den im Antrag bezeichneten Informationen hat. Klarstellend wurde der Antrag so gefaßt, daß die in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung fallenden Unterlagen bzw. Informationen, hier konkret Verlaufsprotokolle des Bundeskabinetts, nicht begehrt werden. vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 7 C 19.17 – Den übrigen Informationszugang betreffend verweigert die Beklagte unter Verweis auf zwei Versagungsgründe vollständig. Zum einen stützt sie ihre Verweigerung auf § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG (Beeinträchtigung der Beratungen von Behörden) und zum anderen auf § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG (Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses). 1. § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG a) Schutzobjekt Beratungen Die Beklagte erkennt schon das von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG erfaßte Schutzobjekt Beratungen nicht zutreffend, denn hierunter fällt lediglich der Beratungsvorgang. Informationen werden daher nur insoweit erfaßt, als sie den eigentlichen Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, d.h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung abbilden und gesicherte Rückschlüsse auf die Meinungsbildung zulassen. vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2017 – 7 C 19.15 –, Rn. 10, juris Nicht unter den Beratungsbegriff fallen demnach Sachinformationen und gutachterliche Stellungnahmen als Tatsachengrundlagen und Grundlagen der Willensbildung. vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluß vom 3. September 2016 – OVG 12 N 58.15 –, Rn. 8, juris b) wenn und solange Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht aber auch kein Automatismus dahingehend, daß bei Andauern ressortinterner Abstimmungen stets das Tatbestandsmerkmal des „Wenn und Solange“ der Beeinträchtigung der Beratungen von Behörden erfüllt sei. Die Beklagte macht es sich damit zu leicht und will wohl vermeiden, den hier zu beurteilenden Einzelfall subsumieren zu müssen. Die Beklagte kommt so schon ihrer Darlegungslast, die sie bei den Ausschlußgründen nach § 3 IFG trägt, nicht nach. - Seite 2 von 4 -

vgl. Schirmer in BeckOK InfoMedienR, 43. Ed. 1. Februar 2024, IFG § 3 Rn. 136.3, m.w.N.z.Rspr. Aber auch die zeitliche Dimension des von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG erfaßten Schutzgutes erkennt die Beklagte nicht, denn der zeitliche Umfang des Schutzes ist nicht auf den Zeitraum begrenzt, in dem die Verhandlungen oder Beratungen stattfinden. Vorliegend ist der exekutive Entscheidungsprozeß bereits abgeschlossen, so daß es erst recht einer Auseinandersetzung bedurft hätte, warum weiterhin der Versagungsgrund gegeben sein solle. Für die Bejahung der Gefährdung des geschützten Belangs ist die ernsthafte Möglichkeit der Schutzgutbeeinträchtigung von der Behörde, also eine konkrete Gefahr, darzulegen. Auch dieser Anforderung genügt die Beklagt in ihrer Begründung nicht ansatzweise. 2. § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG Auch das Vorliegen dieses Versagungsgrundes legt die Beklagte nicht dar. Zunächst faßt der Beklagte fälschlicherweise wieder alle vom Antragsbegehren umfaßten Informationen unter das Schutzobjekt Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung; nichteinmal die Rückausnahme in § 4 Abs. 1 Satz 2 IFG berücksichtigt sie dabei. Jedenfalls scheitert die Anwendbarkeit des Versagungsgrundes hier bereits daran, weil mit dem Kabinettsbeschluß die Entscheidung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG bereits getroffen worden ist und kein Vereitelungsrisiko mehr besteht. vgl. hierzu auch die Gesetzesbegründung, die die Entscheidungsfindung mit dem Kabinettsbeschluß für abgeschlossen hält („Wegen § 3 Nr. 3 und § 4 Abs. 1 ist ein Anspruch auf Informationszugang vor dem Kabinettbeschluss dennoch regelmäßig ausgeschlossen.“), BT-Drs. 15/4493, Seite 7 Der Kabinettsbeschluß stellt damit die äußerste zeitliche Grenze für die Anwendbarkeit des Versagungsgrundes dar. vgl. Schoch, 2. Aufl. 2016, IFG § 4 Rn. 36, m.w.N. Soweit die Beklagte das Gegenteil für sich beansprucht, kann sie mit der Pauschalität ihrer Begründung, der interne Abstimmungsprozeß innerhalb der Bundesregierung sei auch nach dem Kabinettsbeschluß noch nicht abgeschlossen, nicht durchdringen, denn dies gilt in gewisser Weise für jedes von der Bundesregierung initiierte Gesetzgebungsverfahren. Sie legt auch nicht dar, daß irgendwelche Entscheidungen konkret bevorstünden; eine Berufung darauf, daß eine Information irgendwann einmal einer Entscheidung dienen könne, ist unzureichend, da die Unmittelbarkeit i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG fehlt. vgl. Debus in BeckOK InfoMedienR, 43. Ed. 1. Februar 2024, IFG § 4 Rn. 18, m.w.N. - Seite 3 von 4 -

Auch eine hinsichtlich des Vereitelungsrisikos zu treffende Prognoseentscheidung hat die Beklagte nicht vorgenommen. vgl. Debus in BeckOK InfoMedienR, 43. Ed. 1. Februar 2024, IFG § 4 Rn. 20, m.w.N. Hierbei hätte sie plausibel begründen müssen, daß zwischen der Preisgabe der Information und der Vereitelung des Erfolgs eine Kausalität besteht. vgl. Brink/Wirtz in PdK Bu A-16, IFG § 4, beck-online Korbinian Geiger Rechtsanwalt - Seite 4 von 4 -

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Strafverfahren gegen FragDenStaat-Chefredakteur: Berliner Landgericht verhandelt im Oktober zu verbotenen Veröffentlichungen

10. April 2024 - 12:02

Die Veröffentlichung von Dokumenten aus dem laufenden Strafverfahren gegen die „Letzte Generation“ geht vor Gericht. Das Landgericht wird im Oktober im Strafverfahren gegen FragDenStaat-Chefredakteur verhandeln. Wir veröffentlichen unsere Stellungnahme ans Gericht.

Am 16. und 18. Oktober 2024 ist es soweit: FragDenStaat-Projektleiter und -Chefredakteur Arne Semsrott wird sich vor dem Berliner Landgericht in Moabit wegen der Veröffentlichung der Gerichtsbeschlüsse zur Letzten Generation verantworten müssen. Die Veröffentlichung von oder das Zitieren aus Dokumenten aus laufenden Strafverfahren ist nach § 353 d Nr. 3 StGB strafbar, solange das Verfahren nicht abgeschlossen ist oder öffentlich verhandelt wurde. Dies gilt unabhängig davon, ob durch die Veröffentlichung eine konkrete Beeinträchtigung der Verfahren droht und auch in den Fällen, wenn – wie im Fall der Letzten Generation – ein besonderes öffentliches Interesse an der Kenntnis des Wortlauts von Dokumenten besteht.

Aus unserer Sicht ist die Strafnorm verfassungswidrig und verstößt gegen die Pressefreiheit. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) muss es auch in laufenden Strafverfahren wie zur Letzten Generation erlaubt sein, bei öffentlichem Interesse aus amtlichen Dokumenten zu zitieren. Die gesamte rechtliche Argumentation können Sie in unserer gemeinsam mit dem Strafverteidiger Dr. Lukas Theune und der Gesellschaft für Freiheitsrechte erstellten Stellungnahme an das Berliner Landgericht nachlesen, die wir hiermit veröffentlichen.

Den Beschluss des Landgerichts, mit dem es entschieden hat, das Hauptverfahren zu eröffnen, können wir wiederum leider nicht im Wortlaut veröffentlichen: § 353d Nr. 3 StGB steht dem entgegen. Das Landgericht teilt unsere Auffassung nicht, dass die Norm verfassungswidrig ist. Ob die Rechtsprechung des EGMR einer Verurteilung im Fall von Arne Semsrott entgegensteht, ist damit jedoch nicht gesagt. Darüber wird am 16. und 18. Oktober 2024 verhandelt. In einem Punkt stimmt uns das Landgericht jedenfalls zu: Die Sache hat besondere Bedeutung. Nur deswegen wird direkt am Landgericht verhandelt, ansonsten wäre das Amtsgericht zuständig. Im Falle einer Verurteilung haben wir so die Möglichkeit, direkt weiter vor den Bundesgerichtshof zu ziehen.

In der Zwischenzeit könnte auch der Gesetzgeber ran. Der Gesetzesentwurf für die angekündigte Strafrechtsnovelle wird in den nächsten Monaten erwartet. Laut Koalitionsvertrag soll die Reform unter anderem dazu dienen, historisch überholte Straftatbestände zu streichen und die Modernisierung des Strafrechts voranzutreiben. § 353d Nr. 3 StGB hätte einen Platz in dem Gesetzesentwurf mehr als verdient.

zur Stellungnahme

 

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FragDenStaat-Fellowship: Wohin fließen die Steuermilliarden für den Umbau des Rheinischen Kohlereviers?

2. April 2024 - 14:59

Der Staat fördert den Umbau des Rheinischen Kohlereviers mit Milliarden. Wer das Geld bekommt,  entscheidet ein Unternehmen, das mehrheitlich dem Staat gehört – doch keine Auskünfte gibt. Wir klagen jetzt dagegen!

Foto-Credit: eigene Bearbeitung

Vor etwa vier Jahren beschloss Deutschland mit dem „Kohleausstieg“ bis 2038 die Förderung und Verbrennung von Kohle zu beenden. Zur Umgestaltung der ehemaligen Kohleregion Rheinisches Revier sollen nun 14,8 Milliarden Euro in das Rheinland fließen. Wer von diesem Geld profitiert, darüber entscheidet die Zukunftsagentur Rheinisches Revier GmbH. Eigentlich wäre das eine staatliche Aufgabe. Die Zukunftsagentur ist jedoch eine Firma, wenn auch in staatlichem Besitz. Was für eine Zukunft wird hier geplant – und für wen?

 

Das wollen wir im Rahmen eines FragDenStaat-Fellowships herausfinden. In den nächsten Jahren werden sich im Rheinland die Wirtschaft und Gesellschaft stark verändern. Wenn keine Kohle mehr abgebaggert und verbrannt wird, dann steht die Region vor großen Veränderungen: Tagebaue müssen renaturiert werden, Menschen benötigen neue Arbeit und sechs gerettete Dörfer dürfen wiederbelebt werden. Diese stehen größtenteils leer, da schon mit der Umsiedlung begonnen wurde. Nur: Wer sind die Gewinner und wer die Verlierer dieses Prozesses? Wie wird entschieden, wohin die 14,8 Milliarden gehen?

 

Um diese Frage zu beantworten, haben wir die internen Protokolle der Zukunftsagentur Rheinisches Revier angefragt, in denen entschieden wird, welche Projekte für eine staatliche Förderung in Frage kommen sollen. Die Zukunftsagentur gibt diese Protokolle nicht heraus. Deshalb klagen wir jetzt, um klarzustellen, dass auch die Zukunftsagentur als entscheidender Akteur im Rheinischen Kohlerevier zu Transparenz verpflichtet ist.

Der Anschein von Transparenz

Die Zukunftsagentur ist zwar ein privatrechtliches Unternehmen, aber sie bewertet Projektanträge für die staatlichen Strukturwandel-Fördermittel. Diese Gelder bewilligt dann etwa die Bezirksregierung Köln. 62 Prozent der Zukunftsagentur-Unternehmensanteile gehören Landkreisen im Rheinischen Revier und der Stadt Mönchengladbach – also der öffentlichen Hand. Die zentralen Entscheidungen der Zukunftsagentur werden in ihren verschiedenen Gremien getroffen. Dort kommen Vertreter:innen der Landespolitik, der Gemeinden und Landkreise im Rheinischen Revier zusammen mit Interessenverbänden, Gewerkschaften und dem Energiekonzern RWE.

Bei der Zukunftsagentur ist man zumindest um den Anschein von Transparenz bemüht, indem man auf einer Website der Landesregierung NRW mit einer Liste auf bewilligten Projekte verweist. Diese legen die Botschaft nahe, dass wir die Klimakrise schon stoppen werden – mit nur ausreichend Technologie und zum Teil schwer nachvollziehbaren Begründungen, warum dieses oder jenes Lieblingsprojekt gut fürs Klima und den Strukturwandel sei. So wurden unter anderem für den Bau einer neuen Reit- und Volleyballhalle und den Abriss eines alten Polizeipräsidiums in Aachen 40 Millionen Euro an Strukturfördermitteln zugesagt. Vertreter:innen der Zivilgesellschaft sind skeptisch und kritisieren eine Scheinbeteiligung der Bevölkerung. Eine Studie aus dem Jahr 2023 kommt zu dem Schluss, dass Gelder auf intransparente Weise in nicht nachhaltige Projekte fließen. Unsere Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz beantwortet die Zukunftsagentur nicht.

Zuerst ging die Zukunftsagentur selbst davon aus, zur Transparenz verpflichtet zu sein. Nachdem wir die Protokolle ihrer Aufsichtsratssitzung und ihrer Gesellschafterversammlung angefragt haben, änderte sie ihre Meinung und verweigerte die Herausgabe. Sie sieht sich als privates Unternehmen und fürchtet um die Preisgabe ihrer internen Beratungen. Doch die Zukunftsagentur gehört mehrheitlich dem Staat und damit uns allen – und auch die Entscheidungen in Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung werden überwiegend von staatlichen Stellen getroffen.

Die Stadt Jüchen lädt Sitzungsprotokolle „grundsätzlich nicht herunter“

Wir haben die Protokolle auch bei den Landkreisen angefragt, die Unternehmensanteile an der Zukunftsagentur halten. Diese verwiesen allerdings auf die Zukunftsagentur und halten sich für nicht zuständig. Dadurch entsteht die paradoxe Situation, dass einige der behördlichen Anteilseigner eine andere Rechtsauffassung vertreten als die Zukunftsagentur, die ihnen ja gehört. Denn die Landkreise gehen in ihren Antworten davon aus, dass die Agentur uns gegenüber informationspflichtig ist.

Wenn sich Behörden und ein staatliches Unternehmen gegenseitig die Verantwortung zuschieben, leiden Transparenz und Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit. Doch auch innerhalb der Zukunftsagentur scheinen sich nicht alle gleichermaßen für Transparenz einzusetzen.

Der Kreis Heinsberg teilte „nach ausgiebiger Recherche“ mit, dass die Protokolle in der Kreisverwaltung nicht vorhanden seien. Ebenso gab der Kreis Düren nach mehrwöchiger Suche an, dass er die Protokolle nicht finden könne. Auch die Stadt Jüchen antwortete, dass die Sitzungsprotokolle der Anrainerkonferenz der Zukunftsagentur nicht vorhanden seien: „Die Stadt Jüchen lädt diese grundsätzlich nicht herunter“.

Ob die Zukunftsagentur unsere Anfrage beantworten muss, entscheidet nun das Verwaltungsgericht Aachen. Die Klageschrift könnt ihr hier einsehen.
Anfrage an die Stadt Jüchen
Anfrage an den Kreis Heinsberg
Anfrage nach den Protokollen der Aufsichtsratssitzungen der Zukunftsagentur Rheinisches Revier

von Jannis Krüßmann , Anna Kräling , Recherchegruppe ZRR

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Neue Petition: Alte Prüfungsaufgaben digital & frei zugänglich machen!

28. März 2024 - 10:00

Seit fünf Jahren kämpfen wir mit Wikimedia Deutschland für die Veröffentlichung von alten Prüfungsaufgaben. Doch die Länder halten sie weiterhin geheim oder verkaufen sie an private Verlage. Jetzt sammeln wir Unterschriften und fordern von den Kultusminister*innen: Geben Sie die Aufgaben frei – einfach, öffentlich und online!

Auch in diesen Wochen lernen wieder zehntausende Schüler*innen für ihre Abschlussprüfungen – und stellen damit die Weichen für ihre berufliche Zukunft. Für die Vorbereitung eignen sich die Aufgaben aus den Vorjahren besonders gut: Sie zeigen den Schüler*innen den Umfang und den Erwartungshorizont. Allerdings weigern sich die meisten Bundesländer, die alten Aufgaben zur Verfügung stellen. Unsere Petition soll dafür sorgen, dass Schüler*innen aller Bundesländer und Schulformen die gleichen Möglichkeiten haben, sich vorzubereiten.

Millionenumsätze mit Prüfungsaufgaben

Mindestens acht Länder verkaufen die Prüfungen für oft wenig Geld an private Verlage, wie unsere Recherche aus dem vergangenen Jahr zeigt. Unternehmen wie der „Stark Verlag“ vertreiben Vorbereitungsbücher mit „Original-Prüfungsaufgaben“ an zahlungsfähige Schüler*innen – und verdienen damit Millionen.
Die Aufgaben wurden mit öffentlichen Geldern erstellt. Wir meinen: Sie müssen daher auch öffentlich und frei verfügbar sein. Seit Jahren kritisieren Expert*innen, dass der Erfolg im Schulsystem stark von der ökonomischen Herkunft abhängt.

Die Ausreden der Länder

Die meisten Bundesländer argumentieren, dass eine Veröffentlichung zu aufwendig sei. Außerdem gäbe es urheberrechtliche Probleme bei Inhalten von Dritten, wie z. B. Zeitungsartikel in der Deutschklausur oder Abbildungen im Fach Biologie.

Dass es trotzdem geht, zeigt Niedersachsen. Dort können sich Schüler*innen seit 2019 auf das Abitur, den Haupt- und den Realschulabschluss mit den vergangenen Aufgaben und Lösungserwartungen zu allen Prüfungsfächern vorbereiten. Das Kultusministerium stellt sie im Bildungsportal online und macht sie so frei zugänglich. Auch in Schleswig-Holstein finden Schüler*innen Aufgaben und Leistungserwartungen aus den Vorjahren im Netz.

Wir akzeptieren diesen Flickenteppich nicht

Wir finden: Dieses Chaos kann man Schüler*innen nicht zumuten! Damit alle künftig gleichermaßen auf Prüfungsaufgaben zugreifen können, fordern wir: Geben Sie die Prüfungen digital und öffentlich frei – und hören Sie auf, mit öffentlichen Mitteln finanzierte Inhalte an Verlage abzugeben!

Bitte hilf uns noch mal neue Aufmerksamkeit auf das Thema zu bekommen: Mach mit, unterzeichne und teile die Petition anschließend per Mail, Messenger oder Social Media. Wir werden die Petition dann im Juni 2024 im Rahmen der nächsten Kultusministerkonferenz überreichen.

Jetzt unterschreiben!

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EU Green Deal: Wie Rüstungsunternehmen eine nachhaltige Zukunft unterwandern

27. März 2024 - 10:15

Die EU-Kommission steht der Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie mit Finanzierungszusagen und industriefreundlicher Politik zur Seite. Statt Emissionsreduzierung und Wandel im Sinne der Öffentlichkeit und des Klimas geht es vor allem darum, die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu schützen. Wir veröffentlichen mehr als 200 Dokumente.

2019 verkündete die EU-Kommission den Europäischen Green Deal, die europaweite Klimastrategie. Ein Jahr später beschloss das EU-Parlament das Programm für ein nachhaltiges Wirtschaften in Europa. Zu den Initiativen des Green Deal gehört das Maßnahmenpaket "Fit for 55", das Rechtsvorschriften und Initiativen in den Bereichen Klima, Energie und Verkehr umfasst. Sozusagen, die "europäische Industriestrategie", um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und es der Industrie zu ermöglichen, den digitalen und grünen Wandel anzuführen und dabei "saubere, erschwingliche und sichere Energie" für Europa zu gewährleisten.

Die Dokumente die FragDenStaat durch Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten hat, enthüllen die Inhalte von Treffen der EU-Kommission und Vertreter*innen der Luft- und Raumfahrt und Verteidigungsindustrie von 2017 bis 2022. Sie geben einen Einblick in die Prioritäten der Kommission. In den Dokumenten geht es um Treffen mit Airbus, Leonardo, SAFRAN, Thales und Indra – einige der einflussreichsten europäischen Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrt und Verteidigungsindustrie.

Die Unterlagen offenbaren, dass die EU-Kommission auf das Narrativ des "zweifachen grünen und digitalen Wandel" angewiesen ist, um weiterhin umweltverschmutzende und tödliche Industrien zu finanzieren und jegliche ernsthaften Pläne zur weltweiten Konsum- und Emissionsreduzierung zu vermeiden. Soll die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden, müssen auch Flugverkehr und Militärausgaben reduziert werden. Wiederholt zeigt sich, dass die Kommission es verweigert, die notwendigen Schritte dafür zu gehen. Stattdessen verbleibt ihr Fokus darauf Forschung- und Innovation (F&I) der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie zu finanzieren und auf Konzepten wie dem der "disruptive Technologien".

Die Betonung wirtschaftlicher Sicherheit und ein übermäßiges Vertrauen auf Technologie als Lösung für Klima- und Umweltprobleme sowie die unkontrollierte Materialnachfrage treiben Europa in einen rücksichtslosen Rohstoffabbau auf der ganzen Welt. Der Fokus des Green Deal auf Extraktivismus und die Verflechtung von digitalem und grünem Wandel ist nicht neu. Bereits bei den Vorgängern von Horizon Europe, den Covid-19 Konjunkturprogrammen und anderen von der Kommission für Forschung und Innovation bereitgestellten Finanzierungen zeigte sich diese Tendenz.

Mittlerweile wächst auch der Fokus auf Rüstung, das schlägt sich auch in Institutionen und Haushalt nieder. Die Verteidigungs- und Sicherheitsagenda nahm lange nur eine Nebenrolle in der EU-Strategie ein und zielte vor allem auf die Umsetzung von Marktmechanismen zwischen den Mitgliedstaaten ab. Heute steigt die Zahl politischer Initiativen und öffentliche Gelder werden zunehmend für die Entwicklung und Beschaffung von Waffensystemen bereitgestellt. 2019 wurde die Generaldirektion Verteidigungsindustrie und Weltraum (GD DEFIS) ins Leben gerufen, 2021 kam der 8 Milliarden Euro schwere Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) hinzu und im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität werden, im EU-Haushalt von 2021 bis 2027, 5 Milliarden Euro für EU-Militäreinsätze und Waffenlieferungen an die Ukraine bereitgestellt.

Ein Überblick über die Dokumente zeigt:

  • die Aufrechterhaltung eines "Wettbewerbsvorteils" für europäische Unternehmen übertrumpft immer wieder die Dringlichkeit, Emissionen zu reduzieren;
  • die "Ökologisierung des Verkehr" konzentriert sich ausschließlich auf Forschung und Innovation und nicht auf konkrete Pläne zur Verringerung des Flugverkehrs oder der Luftfahrtproduktion und -infrastruktur.
  • die anhaltende Konzentration auf eine "grüne Cloud" und die Unterstützung des angeblichen digitalen Wandels vermengt auf schädliche Weise die digitale und die grüne Zukunft.

Finanzierungszusagen zugunsten der Industrie anstatt im öffentlichen Interesse oder des Klimas ziehen sich wie ein roter Faden durch die Dokumente. Die vorliegenden Unterlagen erfassenden Zeitraum bis 2022, aber auch danach hat die EU weiterhin substanzielle Verpflichtungen vermieden, die Produktion – und damit Emissionen – der Luft- und Raumfahrt und Verteidigungsindustrie zu reduzieren.  

Dies ist keine Überraschung, denn die Lobby der Luft-, Raumfahrt und Verteidigungsindustrie trifft sich regelmäßig mit Mitgliedern des Rates, der Kommission und des Europäischen Parlaments. Nur die Interessenvertreter*innen im Auftrag von Google trafen sich öfters mit EU-Beamt*innen als die Lobbyist*innen von Airbus. 2022 gab das Luft- und Raumfahrtunternehmen 1,25 Millionen Euro für Lobbyarbeit auf EU-Ebene aus und beauftragte umstrittene Beratungsunternehmen wie etwa Avisa Partners. Indra, ein weiteres Luft- und Raumfahrtunternehmen aus den freigegebenen Dokumenten, gab 2021 ebenfalls über 1 Million Euro für EU-Lobbyarbeit aus.

Addiert kamen die zehn größten europäischen Rüstungsunternehmen 2022 auf ein Budget von 4,7 Millionen Euro für ihre gemeinsame Lobby-Aktivitäten. Darin sind die Lobbyausgaben der Handelsverbände, Denkfabriken und Foren der Rüstungsindustrie nicht berücksichtigt.

Das Gesetz über kritische Rohstoffe

Laut Aktivist*innen hat sich der Green Deal und das Streben die Klimaziele zu erreichen, unter anderem in einen Selbstbedienungsladen für Unternehmen aus Rüstungs- und Luftfahrtindustrie verwandelt. Das  Gesetz über kritische Rohstoffe (Critical Raw Minerals Act - CRMA) ist eines der Beispiele. Trotz ihrer negativen Auswirkungen auf Umweltschutzvorgaben und der offensichtlichen Förderung unnachhaltigen Rohstoffabbaus, erfuhr die Richtlinie kaum politisch Widerstand. In der EU Umweltrichtlinie wird der Abbau von kritischen Mineralien zum "überragenden öffentlichen Interesse" erklärt, wodurch Bergbauunternehmen "die Wasserrahmen-, Habitat- und Vogelschutzrichtlinien umgehen dürfen", ohne dabei garantieren zu müssen, dass die abgebauten Rohstoffe für den grüne Wandel eingesetzt werden.

Eine Vorbereitungsnotiz der Generaldirektion Mobilität und Verkehr (GD Move) für ein Treffen mit Safran von 2022 verdeutlicht die Nutzung des Green Deal, um unnachhaltigen Rohstoffabbau zu fördern. In dem Papier werden die Forderungen des Europäischen Verband der Luftfahrt-, Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie (ASD) an den CRMA aufgeführt. Dazu gehören:

  • Die Sicherstellung, dass Titan, nickel-basierter Superlegierungen (Bauteile für Hochtemperaturanwendungen) und Aluminium als strategische Mineralien eingestuft werden;
  • Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für kritische Rohstoffe als Beitrag zur strategischen Autonomie;   
  • Entwicklung eines europäischen System zur Erfassung kritischer Rohstoffe von der vorgelagerten Industrie (Bergbau) bis zur nachgelagerten Industrie (Hersteller) in der Luft- und Raumfahrt, der Verteidigung und anderen Sektoren, die diese Materialien verbrauchen.   

Die GD MOVE führt weiter aus, dass kritische Rohstoffe "wesentliche Voraussetzungen für die Entwicklung strategischer Sektoren wie Luft- und Raumfahrt und Verteidigung" sind. Seltene Erden seine beispielsweise unverzichtbar für ferngesteuerte Flugzeugsysteme und gelenkte Präzisionsmunition – Beryllium wird in Kampfjets und in den Lenksystemen von Raketen verwendet. Das CRMA – so erklärt die GD MOVE – würde diese kritischen Rohmineralien angesichts der strategischen Dimension ihrer Nutzung abdecken.

Anstatt die kritischen Rohstoffe zu priorisieren, die dafür verwendet werden können die Ziele des Green Deal in Bezug auf Erneuerbare Energien zu erreichen, wird der CRMA dazu missbraucht kritische Rohstoffe verfügbar zu machen, die Europas Luftfahrt- und Rüstungsindustrie für strategisch wichtig hält. Die europäische Praxis der Rohstoff- und Mineralienförderung in Ländern des Globalen Südens beruht häufig auf Neokolonialismus und extraktive Produktionsmodellen, den CRMA zusätzlich im Dienste des Verteidigungs- und Luftfahrtsektor zu stellen verstetigt global steigende Emissionen. Abgesehen von den verheerenden menschlichen Kosten von Krieg sind militärische Operationen und Kampfhandlungen enorm emissionsintensiv und schädlich für das Klima.

Der Mythos des zweifachen grünen und digitalen Wandels

In einer Reihe von Dokumenten konzentriert sich die Kommission immer wieder darauf, die Idee des "zweifachen grünen und digitalen Wandels" zu propagieren. Eine gängige, aber hoch problematische Formulierung, die Europas Spitzenpolitiker*innen seit Jahren verwenden. Dabei werden die beiden Wandlungsprozesse als gleichwertig betrachtet und der Eindruck erweckt die digitale Industrie würde in ihrer derzeitigen Form keine massiven Umweltverschmutzungen mit sich bringen. In dem Bericht "Blood on the Green Deal" stellt Corporate Observatory Europe fest, dass dieses Narrativ es auch anderen, noch problematischeren Wirtschaftszweigen – wie der Luft- und Raumfahrt und Verteidigungsindustrie – ermöglicht sich mit „einer Aura der Respektabilität“ zu umhüllen.

Eindeutige Priorität der Kommission ist europäischen Wettbewerbsfähigkeit im Sektor der Luft- und Raumfahrt und Verteidigungsindustrie aufrechtzuerhalten. Dies äußert sich im Fortsetzen oder Aufstocken von Finanzhilfen (insbesondere nach der Covid-19-Pandemie), dem Bereitstellen von F&I-Kapazitäten und industriefreundlicher Gesetzgebung. In einer Vorbereitungsnotiz für Generaldirektor Olivier Guersent, die von der Generaldirektion Wettbewerb (GD COMP) im Januar 2022 veröffentlicht wurde, erklärt die Kommission ausdrücklich, dass "die EU die größte Handels- und Investitionsmacht ist und eine offene Weltwirtschaft benötigt, um erfolgreich zu sein".

Zu keinem Zeitpunkt wird in den Dokumenten anerkannt, dass die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit im Widerspruch steht zu der notwendigen Emissionsreduzierung durch eine Verringerung der Nachfrage und des Angebots von Luftfahrt- und Rüstungsprodukten, um das 1,5°C Ziel zu erreichen.

Der Bericht „Degrowth of Aviation: Reducing air travel in a just way“ von Stay Grounded aus dem Jahr 2019 erfasst den steigenden Beitrag des Luftfahrtsektors zu den Emissionen und zeigt Maßnahmen auf, die Regierungen unternehmen können, um Nachfrage und Emissionen im Luftverkehr zu reduzieren. Bereits vor den Covid-Konjunkturpaketen beliefen sich die jährlichen Haushaltsverluste in der Europäischen Union durch Subventionen für den Luftfahrtsektor auf 30 bis 40 Milliarden Euro.

Die als Lösungen vorgeschlagenen "disruptiven Technologien" sind entweder sehr theoretisch oder sind darauf ausgerichtet das aktuelle Produktionsniveau der Luft- und Raumfahrt und Verteidigungsindustrie beizubehalten. Wichtige Ressourcen, Zeit und Energie werden für Vorschläge wie etwa das Vahana-Flugzeug von Airbus verschwendet: "ein vollständig elektrisch betriebener, autonomer, senkrecht startender und landender Lufttaxi-Prototyp für einen Passagier". Im städtischen Nahverkehr soll das Vahana-Flugzeug Autos und Züge zu gleichen Kosten ersetzten.

 

Mit anderen Worten: Die Kommission finanziert die Erforschung und Entwicklung eines Flugzeugs, das jeweils nur eine*n einzigen Passagier*in befördern und nur für kurze Entfernungen eingesetzt werden könnte. Im Grunde ein völlig autonomer Privatjet für die Stadt.

Die von der Luftfahrt- und der Verteidigungsindustrie gesetzten F&I-Prioritäten sind Nebelkerzen, die von den offensichtlichen Lösungen ablenken, die Europa verfolgen sollte. Ein erfolgreicher grüner Wandel im Einklang mit einer Erderwärmung von maximal 1,5°C ist ohne einen Rückbau in der Luftfahrtindustrie nicht möglich. "Der Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2050 ist in der Luftfahrt nicht offensichtlich", räumt selbst die Kommission diese Tatsache beinah ein und dennoch beharrt sie auf die Förderung „disruptiver Technologien“ anstatt Subventionen zu reduzieren, den Luftverkehr stärker zu regulieren und und gleichzeitig in den öffentlichen Hochgeschwindigkeitsverkehr auf dem Boden zu investieren.

Derzeit ist in allen Mitgliedstaaten kommerziell genutztes Kerosin von der Besteuerung befreit. In einer Notiz zur Vorbereitung eines Treffen der GD MOVE mit Safran im November 2022, stellt die Generaldirektion die Einführung einer Kerosinsteuer über einen Zeitraum von 10 Jahren vor. Dabei erklärt sie, wie durch die graduelle Umsetzung über 10 Jahre – während gleichzeitig der Flugverkehr wie angenommen weiter wächst – zu erwarten ist, dass „insgesamt die Frequenz auf den meisten EU-internen Flugrouten zum Ende der Übergangsphase immer noch größer wäre als zu Beginn der Einführung.“

Die Erklärung der Generaldirektion verdeutlicht es geht nicht darum den Luftverkehr zu reduzieren. Es soll bloß über den Zeitraum eines Jahrzehnts eine unwirksame Steuer eingeführt werden, bei der zudem reine Luftfrachtflüge ausgeschlossen sind. Dies steht im direkten Gegensatz zum Schienenverkehr, bei dem Reisende Mehrwert- und Energiesteuern zahlen müssen.     

Bis 2050 wird der Luftverkehr voraussichtlich 22 Prozent der weltweiten Emissionen erreichen und das Konzept des "ökologischen Fliegens" bleibt eine Illusion. Aufgrund des Gewichts von Batterien sind elektrische Passagier- oder Frachtmaschinen technisch nach wie vor unmöglich und die prognostizierten Effizienzgewinne beim Treibstoffverbrauch werden von den erwarteten Wachstumsraten bei Flugreisen und der Luftfracht übertroffen.

Der Ansatz, alternative Kraftstoffe zu fördern, der in der Kommunikation und den Dokumenten, unter den Prioritäten der EU immer wieder auftaucht, ist fehlgeleitet. Biokraftstoffe werden aus Rohstoffen wie Palmöl hergestellt. Biokraftstoffe als Lösung zu verwenden könnte die Abholzung von Regenwäldern massiv steigen lassen und zur Entwässerung von Torfböden führen. Das wiederum verursacht massive Kohlenstoffemissionen. Ganz zu schweigen von Landraub, anderen Menschenrechtsverletzungen und dem Verlust der Ernährungssouveränität von Gemeinschaften, die mit der Biokraftstoffproduktion einhergehen.

Synthetische Kraftstoffe aus Elektrizität sind zwar rein technisch machbar, aber in der Realität nur durch Überschüsse an erneuerbarer Energie möglich, wovon wir schlichtweg Jahrzehnte entfernt sind. Aktuell reichen erneuerbare Energien nicht für den herkömmlichen Verkehr, die Landwirtschaft und zum Heizen – an überschüssige Energie für die Luftfahrt ist nicht zu denken. Zudem ist der uneingeschränkter Ausbau der erneuerbaren Energien unvereinbar mit dem Erhalt biologischen Artenvielfalt und der Verhinderung neokolonialer Solar- und Windenergieprojekte auf dem Land indigener Gemeinschaften des Globalen Süden.

Auch der Rüstungssektor ist mit der Realität konfrontiert, dass eine zunehmende Militarisierung innerhalb der EU nicht vereinbar ist mit einem grünen Wandel und dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Die weltweiten Militärausgaben steigen seit den 1990er Jahren und erreichten im Jahr 2021 ein Rekordvolumen von 2.000 Mrd. US-Dollar. Denkbare Kraftstoffalternativen für Transport und Ausrüstung – 75 Prozent des militärischen Energieverbrauchs – bringen die selben Probleme mit sich, wie alternative Kraftstoffe für den zivilen Luftfahrtsektor: Sie sind teuer, nicht verfügbar und nicht nachhaltig.

Der Wettbewerbsvorteil wird priorisiert

Laut der Kommission befindet sich die Luftfahrt ,"an einem Scheideweg zwischen internationaler Wettbewerbsfähigkeit und Umweltfragen". Priorisiert die EU weiterhin einen Wettbewerbsvorteil oder eine Führungsposition der Luftfahrtindustrie zu erhalten, wird sie nicht in der Lage sein, wirksame Emissionsreduzierungen umzusetzen.

Viele der von FragDenStaat befreiten Dokumente verdeutlichen, dass die Kommission die Wettbewerbsfähigkeit durch die Finanzierung von Forschung und Innovation aufrechterhalten will. Ihre Unterstützung für Unternehmen wie Airbus führt die Kommission zurück auf angebliche Investitionen und F&I-Engagement des Privatsektors. Doch die Unterlagen zeigen ein Kommission, die sich von sich aus darum sorgt, die Finanzierungslücke durch geringere Ausgaben im Privatsektor zu schließen. So finanziert die Kommission wiederholt selbst Forschung und Innovation im Privatsektor: Entweder um die Ausgaben des Privatsektors zu ergänzen oder um die F&I-Finanzierung auszugleichen, die die Unternehmen – insbesondere durch den Wirtschaftskontext nach der COVID-19-Pandemie – angeblich nicht mehr selbst leisten können.

In einem Vorbereitungsdokument für ein online Termin mit Interessenvertreter*innen der Luftfahrtindustrie im Juni 2020 wird die Notwendigkeit dargelegt, "aktuelle Forschungs- und Innovationsagenda für die Luftfahrt an den aktuellen wirtschaftlichen Kontext nach der COVID-Krise anzupassen und sie gleichzeitig als Hauptinstrument zur Überbrückung der Kluft zwischen der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der EU und der Erreichung von Umwelt-/Klimazielen beizubehalten". In weiteren Dokumenten, in denen die Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-Krise dargelegt werden, verweist die Kommission immer wieder darauf, dass die Luftfahrtakteure zusätzliche Hilfe benötigen, um ihre Forschungsbasis zu erhalten.

Ein Informationsvermerk der Generaldirektion Wettbewerb (GD COMP) aus dem März 2022 schildert wie die Kommission Beihilfen für das Design verbesserter Produkte genehmigt. Obwohl die Richtlinien für staatliche Beihilfen für Klima, Umweltschutz und Energie (CEEAG) es Behörden verbieten, das Design und die Herstellung umweltfreundlicher Produkte zu fördern, nichtsdestotrotz legt die GD COMP fest, dass dies möglich ist, wenn es sich um eine "Forschungs- und Entwicklungstätigkeit" handelt – ein riesiges Schlupfloch in der Richtlinie.

In einer Vorbereitungsnotiz, für ein Treffen der Kommission mit Interessenvertreter*innen der Luftfahrtindustrie im Juni 2020, werden drei strategische Schwerpunkte für die Europäische Partnerschaft Clean Aviation (EPCA) vorgeschlagen – eine von 10 öffentlich-privaten Partnerschaften unter dem Singel Basic Act – zu der die EU beinah 10 Milliarden Euro an Finanzierung beiträgt für:

  • disruptive Technologien für ein Hybrid-Elektro-Regionalflugzeug;
  • disruptive Technologien für ein ultra-effizientes Kurz- und Mittelstreckenflugzeug; und
  • disruptive Technologien für Flugzeuge mit drop-in-Antrieben (einschließlich Wasserstoff).

Dokumente wie dieses veranschaulichen, wie die Kommission weiterhin das Erreichen der Klimaziele mit wettbewerbsfähiger Innovation und digitalen Fortschritt verknüpft. Auf den wirtschaftlichen Abschwung nach der COVID-Pandemie zu reagieren, indem disruptive Technologien priorisiert werden und das Wiederwachstum der Luftfahrtindustrie gefördert wird, ist jedoch eine kurzfristige Lösung. Als disruptive Technologien werden Innovationen bezeichnet, die den Markt erheblich verändern und in der Anfangsphase ihrer Entwicklung selten rentabel sind. Die Entscheidung der Kommission marktbeherrschenden Unternehmen bei der F&I zu unterstützen, läuft darauf hinaus, die Luft- und Raumfahrtindustrie dabei zu unterstützen wie gehabt weiterzumachen, anstatt schwierige Gespräche über die dringend notwendige Dezentralisierung und Reduzierung des Flugverkehrs zu führen.

In einer Notiz der Generaldirektion Forschung und Innovation (RTD) vom Mai 2020 für eine Telefonkonferenz mit Safran bekräftigt die Kommission, dass  sich die Luftfahrtindustrie ohne "massive finanzielle Unterstützung und entschiedenes politisches Engagement" unmöglich erholen kann.

Es heißt darin weiter, dass die derzeitige finanzielle Situation der Luftfahrtindustrie bedeute, "dass es für die Industrie unmöglich ist, die Finanzierung von F&I-Projekten im derzeitigen Tempo fortzusetzen" und "dass es notwendig ist, den Umfang der von Horizont Europa abgedeckten Innovationsprojekte über die saubere Luftfahrt hinaus auf alle Themen auszudehnen, die notwendig sind, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu erhalten und den Innovationsbedarf der gesamten Lieferkette zu decken (Digitalisierung, Automatisierung, Cybersicherheit, Sicherheit, industrielle Werkzeuge usw.)".

In einem aktuelleren Vermerk der GD COMP vom März 2022 stimmt die Kommission zu Gelder für Projekte bereitzustellen die Produkte verbessern. Nach den Leitlinien für staatliche Beihilfen in den Bereichen Klima, Umweltschutz und Energie (CEEAG) dürfen öffentliche Stellen die Entwicklung und Herstellung umweltfreundlicher Produkte nicht fördern. In diesem Fall legt die GD COMP fest, dass dies möglich ist, da es sich um eine "Forschungs- und Entwicklungstätigkeit" handelt - damit öffnet sie ein großes Schlupfloch in den Leitlinien.

Insgesamt skizzieren die an FragDenStaat herausgegebenen Dokumente den Fokus der Kommission auf industriegeführte Finanzierungen für wettbewerbsfähige, digitale Lösungen für Probleme, die in erster Linie auf schlechte Ressourcenverteilung und Profitstreben zurückzuführen sind.

Die Kommission verknüpft auch die Unterstützung von Rüstungsfinanzierung mit grünen Initiativen. In einer Vorbereitungsnotiz für den Technoday von Airbus im Jahr 2019 schreibt die Kommission, dass die Herausforderungen der Ökologisierung des Verkehrs durch die Raumfahrt und den Europäischen Verteidigungsfonds gemeistert werden können, indem "Synergien mit Horizon Europe unter der Führung von [Airbus]“ geschaffen werden.

Dieses Narrativ der Kommission erhöht die Legitimität von Rüstungsausgaben und ignoriert völlig, dass eine Verlagerung hin zu einer Priorisierung von Rückbau in der Luft- und Raumfahrt und Verteidigungsindustrie sowie ein gerechter Übergang für die Arbeitnehmer*innen in diesen Industrien erforderlich ist, um die Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Die GD MOVE fasste den Ansatz der Kommission zur Verringerung des Flugverkehrs in einem Briefing an Safran im Jahr 2022 mit den Worten zusammen: "Es besteht kein Zweifel – der Übergang zur Nachhaltigkeit ist die Lizenz für den Luftfahrtsektor zu wachsen. Es liegt sowohl in ihrem Interesse als auch in dem der Gesellschaft als Ganzes".

Entdecke die Dokumente:

Bei den meisten der an FragDenStaat freigegebenen Dokumente handelt es sich um Korrespondenzen mit Unternehmen der Luftfahrt- und der Verteidigungsindustrie oder Unterlagen zu Treffen mit Industrievertreter*innen, die sich mit spezifische EU-Finanzierungs- und Politikinitiativen beschäftigen. Dazu gehören Programme und Veranstaltungen wie z. B.:

  • Europäische Allianz für industrielle Daten, Edge und Cloud: umfasst Unternehmen, Vertreter der Mitgliedstaaten und einschlägige Experten, die an Edge- und Cloud-Technologien arbeiten. Sie erstellt Empfehlungen, Fahrpläne und Standards für das öffentliche Auftragswesen.
  • Clean Sky 2, Horizon Europe: 2014 ins Leben gerufenes, Nachfolge Projekt von Clean Sky und Teil des Forschungs- und Innovationsprogramms von Horizont 2020. War der wichtigste Beitrag zu den von ACARE gesetzten Zielen der Kommission für den Flightpath 2050. Setzt sich auch für den Erhalt der europäischen "Führungsrolle" in der Luftfahrt ein.
  • Clean Aviation (Clean Sky 3), Horizon Europe: Nachfolger von Clean Sky 1 und 2. Öffnete im März 2022 eine Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für 735 Millionen Euro über einen Zeitraum von 36 Monaten für Wasserstoffflugzeuge, Hybrid-Elektroflugzeuge, Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge, "transversale" Technologien sowie Koordinierung und Unterstützung.
  • Die Pariser Luftschau vom 11. bis 23. Juni 2019: Ausstellungen von Akteuren der Luftfahrt- und Telekommunikationsindustrie.
  • ReFuelEU Aviation: eine Initiative im Rahmen des EU-Pakets "Fit for 55" zur Steigerung des Angebot und der Nchfrage an nachhaltigen Flugkraftstoffen (SAF), mit der die Haupthindernisse von SAF - geringes Angebot und hohe Preise - beseitigt werden sollen.
  • Alliance for Zero-Emission Aviation (AZEA): eine freiwillige Initiative privater und öffentlicher Partner, deren Ziel es ist, wasserstoffbetriebene und elektrische Flugzeuge auf den Markt zu bringen.
  • Copernicus: die Erdbeobachtungskomponente des Weltraumprogramms der Europäischen Union. Es bietet Informationsdienste an, die sich auf satellitengestützte Erdbeobachtungsdaten und In-situ-Daten (außerhalb des Weltraums) stützen.

Die vollständige Liste der Dokumente gibt es hier.

 

von Gabrielle Jeliazkov

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Green Deal grifts: How the arms industry is hijacking a sustainable future

27. März 2024 - 10:15

Documents released by FragDenStaat show a consistent focus on funding commitments that will benefit industry, rather than the public and climate, with keeping a ‘competitive advantage’ for European companies a top priority.

In 2019, the Commission launched the European Green Deal, which was passed by Parliament in 2020. The relevant initiatives under the Green Deal include the ‘Fit for 55’ proposals for legislation on climate, energy and transport; the ‘European industrial strategy’ aimed to strengthen EU competitiveness and enable industry to lead the digital and green transition; and ‘clean, affordable and secure energy’.

FragDenStaat’s access to document requests reveal the content of meetings between aerospace and defense industry representatives and the EU Commission from 2017-2022, providing a window into the Commission’s correspondence and priorities. The companies included in the documents are Airbus, Leonardo, SAFRAN, Thales and Indra, as some of the most influential aerospace and defense companies in Europe.

Among other things, the documents illustrate the Commission’s dependence on the ‘twin green and digital transition’ framing to continue funding polluting and deadly industries, and tactfully avoid any serious plans to reduce consumption and emissions globally. The documents illustrate the Commission’s repeated refusal to make the necessary decisions to reduce air travel and military spending if the world is to stay within 1.5 C warming. Instead, their Research and Innovation (R&I) funding remains focused on things like ‘disruptive technology’.

The emphasis on economic competitiveness and the over reliance on technology as the solution to climate and environmental issues is pushing the EU into reckless extraction across the globe. The focus on extraction and intertwining the digital and green transitions is not new to the Green Deal, finding its roots in previous iterations of the Horizon Europe project, Covid-19 recovery plans, and other funding pots delivered by the Commission for research and innovation.

This is alongside a growing focus on the defence and security agenda, once largely peripheral to EU strategy, which was focused on implementing market mechanisms across Member States. Now, we see a growing number of policy initiatives and public funds for arms development and purchases, with examples including the creation of the Directorate-General Defence Industry and Space (DG DEFIS) in 2019, the launch of the €8 billion European Defence Fund (EDF) in 2021 and the 2021- 2027 European Peace Facility, providing €5 billion to cover EU military missions and arms deliveries to Ukraine.

An overview of the documents finds that:

  • Keeping a ‘competitive advantage’ for European companies continually trumps the urgency to reduce emissions;
  • ‘Greening transport’ focuses entirely on R&I funding rather than concrete plans to reduce air travel demand and aerospace manufacturing and infrastructure; and
  • A persistent focus on ‘greening the cloud’ and supporting the alleged digital transition harmfully intertwines digital and green futures.

The documents show a consistent focus on funding commitments that will benefit industry, rather than the public and climate. Since 2022, and the end of this set of documents, the EU has continued to avoid substantive commitments to reduce production – and as a result, emissions - across the aerospace and defense industries.

This is no surprise, when the defense and aerospace lobby regularly meets with members of the Council, the Commission, and the European Parliament. Airbus has the second highest number of lobbying meetings, second only to Google and spent €1.25 million in 2022 on lobbying EU officials, through controversial lobby consultancies such as Avisa Partners. Indra, another company in the released documents, spent over €1 million on lobbying in 2021.

Overall, in 2022, the combined annual EU lobbying budget for the top ten European arms companies was €4.7 million, not including the lobbying budget of their trade associations, associated think tanks and forums.

The Critical Raw Minerals Act

The drive to meet the objectives in the Green Deal has turned into what some campaigners have called an ‘open-bar’ for industries such as the defense and aerospace sectors. This includes the example of the Critical Raw Minerals Act (CRMA), which has faced little political scrutiny despite its negative effect on environmental protections and its clear drive for unsustainable extraction. This is illustrated by EU environmental law framing that mining critical minerals is in the ‘overriding public interest’, where mining companies should be allowed “to circumvent the water framework, habitats and birds directives” - even when there are no guarantees that the materials mined would be used for the green transition.

Using the Green Deal to further unsustainable extraction is showcased in a briefing note by the Directorate-general Mobility and Transport (DG MOVE) for a meeting with Safran in 2022, where they outline the demands from the Aerospace, Security and Defence Industries Association of Europe (ASD) for the CRMA, which include:

  • Ensuring that titanium, nickel-based superalloys (alloys with higher melting temperatures) and aluminum are part of the strategic minerals;
  • Ensuring a “level playing” field for critical raw minerals contributing to strategic autonomy;
  • Developing a European tool to map critical raw materials end-to-end from the upstream industry (mining) to the downstream industry (Original Equipment Manufacturers) across aerospace and defence and other sectors consuming these materials.

DG MOVE goes on to explain how critical raw minerals are “essential prerequisites for the development of strategic sectors such as aerospace and defence”. Citing how – for example - rare earth minerals are indispensable to remotely piloted aircraft systems and precision guide munitions, and how beryllium is used in jet fighters and missile gyroscopes. The CRMA – explains DG MOVE – would cover these critical raw minerals, given the strategic dimension of their applications.

Instead of acquiring critical raw materials that can be used to meet the Green Deal's renewable energy targets, the CRMA is being misused to secure critical raw materials that Europe's aviation and defence industries consider strategically important. The EU’s practice and methods of acquiring minerals from the Global South for any use frequently relies on neo-colonialism and emphasizes extractive production models, but using the CRMA for the defence and aerospace sectors is also locking the world into increasing emissions. In addition to the devastating human cost of war and occupation, military operations and combat activities are enormously emission-intensive and harmful to the climate.

The myth of the twin green and digital transition

One of the Commission’s main focuses in a number of documents is promoting the idea of the ‘twin green and digital transition’. This is common framing European leaders have used over a number of years and is incredibly problematic, both by regarding the two transitions as equivalent, and acting as if the digital industry in its current form is not massively polluting. As Corporate Observatory Europe covers in their report Blood on the Green Deal, this framing has also opened the door for other, even more problematic areas - such as manufacturing arms and planes – to gain a “new aura of respectability”.

Another clear focus for the Commission is maintaining European competitiveness across the aerospace and defense sectors, which can look like maintaining or increasing funding (particularly after Covid-19), devoting R&I resources to the industries, and developing policy favorable for them. In a briefing note for Director-General Olivier Guersent released by the Directorate-General for Competition (DG COMP) from January 2022, the Commission explicitly states that “the EU is the largest commercial and investment power and needs an open world economy to succeed.”

Throughout the documents, there is never a clear acknowledgment that maintaining competitiveness is antithetical to the need to reduce emissions by reducing the demand and supply of aerospace and defense products if the globe is to stay within 1.5 degrees warming.

Stay Grounded’s 2019 report Degrowth of Aviation: Reducing air travel in a just way outlines the rising contribution to emissions by the aviation sector, and the steps governments can take to reduce aviation demand and emissions. In the European Union alone, the losses in state revenue due to subsidies to the aviation sector amount to 30 to 40 billion euro annually, and this was before Covid recovery protocols.

The proposed ‘disruptive technologies’ that the documents cover are either highly theoretical or are being designed with the intention to allow aerospace and defense industries to continue production at the scale they are now. It is a waste of crucial time and resources to spend energy on proposals like Airbus’ Vahana aircraft: “a single passenger, all electric, fully autonomous, vertical take-off and landing air-taxi demonstrator.” Where the intention is for the Vahana aircraft to be a cost-comparable replacement for short-range urban transport like cars or trains.

In other words, the Commission entertained R&I funding going toward developing air crafts that would carry single passengers at a time and only function at short-range distances. Essentially, a fully autonomous private jet meant for urban environments.

The R&I priorities set out by the aerospace and defense industries are red herrings, distracting from the clear solutions the EU should be pursuing. Realistically, there is no successful green transition in line with 1.5C warming without the de-growth of the aerospace industry. The Commission itself has come close to acknowledging this, stating things like ‘the path to climate neutrality in 2050 is not obvious in aviation.’ And yet, it insists on doubling down on disruptive technologies rather than taking the joint approach of reducing subsidies and increasing regulation for air travel, while investing in publicly owned, high speed surface transport.

To illustrate this resistance by the Commission, it is important to remember that commercial aviation fuel is currently tax exempt under the legislation of all Member States. In a briefing note for a meeting between DG MOVE and Safran in November 2022, DG MOVE outlines the proposed kerosene tax to be introduced gradually over a 10-year period. DG MOVE explains how, through implementing the tax gradually over 10 years - alongside the forecasted continued growth of air travel - it is ‘expected that, overall, the flight frequency on most intra-EU routes would be still higher at the end of the transitional period than at the beginning of it.”

It is clear from this explanation by DG MOVE that the intention is not to reduce air travel, but rather to implement an insufficient tax – which is also exempt for cargo only flights – spread out over the course of a decade. This is in direct contrast to rail travel, where passengers currently pay VAT and energy tax on tickets.

With aviation expected to reach a share of 22% of global emissions by 2050, the concept of ‘green flying’ remains an illusion. Electric flying remains impossible for passenger or freight engines because of the weight of batteries and forecasted efficiency gains in fuel use are out paced by the growth rates of air travel and air freight. 

The idea of pushing for alternative fuels, something that is scattered throughout the EU’s priorities and correspondences in these documents, is misguided. If the focus is biofuels as a solution, they are made from plants like palm oil, and could drive a massive increase in deforestation and peat drainage, causing massive carbon emissions. Not to mention the land grabbing, human rights violations and loss of food sovereignty that comes with biofuel production.

The other option, synthetic fuels made from electricity, are technically feasible - but would have to be produced using a surplus of renewable energy, something we are simply decades away from. We do not have the renewable energy needed for transport on the ground, agricultural production and heating, never mind excess energy for aviation use. Moreover, aiming for unrestricted growth of renewables is simply incompatible with preserving biodiversity and preventing neo-colonial solar and wind development on indigenous territories and/or in the Global South.

In terms of the defense sector, we are again faced with the reality that increasing EU militarism is incompatible with a green transition in line with 1.5C. Global military spending has been rising since the 1990s, reaching a record $2,000bn USD in 2021. The reality is that realistic fuel alternatives for transport and equipment (which makes up 75% of military energy consumption) face the same issues as alternative fuel for the civilian aviation sector: they are expensive, unavailable and unsustainable.

Prioritising a competitive advantage

The Commission is unable to focus on effectively reducing emissions when it remains preoccupied with maintaining a competitive advantage or leadership in the aerospace industry. Aviation is, according to the Commission, ‘at a crossroads of international competitiveness and environmental issues.”

In many of the documents released to FragDenStaat, it is clear that attempting to remain competitive comes in the form of funding for R&I. The Commissions’ support for companies like Airbus is allegedly due to their private sector investment and commitment to R&I, but a number of documents show the Commission concerned about bridging the gap of reduced private sector funding for R&I, either to complement private sector funding or to make up for R&I funding the companies claim they are no longer able to provide – particularly in post-COVID contexts.

For instance, a document preparing for an online meeting with aeronautical stakeholders in June 2020 outlines the need to “align the current aviation research and innovation agenda to the current post COVID crisis economical context while maintaining it as a main tool to bridge the gap between maintaining EU competitiveness and reaching environment/climate objectives.” In further documents outlining COVID recovery responses, the Commission continually refers to aviation stakeholders needing additional help to maintain their research base.

In a briefing note for a Commission meeting with Aeronautical stakeholders in June 2020, they outline the three strategic priorities proposed for the European Partnership on Clean Aviation (EPCA) – one of the 10 public-private partnerships covered by the Single Basic Act - to which the EU contributed nearly €10 billion of funding:

  • Disruptive technologies for a Hybrid Electric Regional Aircraft;

  • Disruptive technologies for an ultra-efficient short and medium range aircraft; and

  • Disruptive technologies to enable non-drop in (including hydrogen) powered aircraft.

Documents such as this one illustrate how the Commission continues to intertwine responding to climate objectives with competitive innovation and digital development. Responding to the economic downturn after COVID by prioritising disruptive technologies and encouraging re-growth in the aerospace industry is an incredibly short term solution. Disruptive technologies refer to innovations that significantly alter the market, and are rarely profitable when they are first being developed. The Commission’s decision to support this R&I by existing market-dominating companies amounts to supporting the aerospace industry to continue at scale, rather than entering difficult conversations about the urgent need to de-centre and reduce air travel.

In a May 2020 briefing note from the Commission’s branch for Research and Innovation (DG RTD) for a teleconference with Safran, the Commission reaffirms that recovery for the aeronautics industry will be impossible without “massive financial support and firm political commitment.”

The briefing goes on to note that the current financial situation of the aeronautics industry means an “impossibility for the industry to continue financing R&I projects at the current rate” and “the need to extend the scope of innovation projects covered by Horizon Europe beyond clean aviation to all the subject necessary to maintain the competitiveness of the European industry and cover the innovation needs of the entire supply chain (digitisation, automation, cybersecurity, safety, industrial tools, etc.).”

In a more recent briefing note from DG COMP in March 2022, the document details the Commission agreeing to aid for projects like the design of improved products. According to the Guidelines on State aid for climate, environmental protection and energy (CEEAG), public authorities are not supposed to cover design and manufacturing of environmentally friendly products. In this case, DG COMP stipulates that it can, as it “qualifies as a research and development activity” - highlighting a major loophole in the guidelines.

Altogether, the documents released to FragDenStaat outline the Commission’s focus on industry-led funding for competitive, digital solutions to the climate crisis. When in practice, the real issues are poor resource allocation and deference to profit.

The Commission also intertwines support for defence funding with green initiatives. In a briefing note for Airbus’ Technoday in 2019, the Commission writes that the challenges of greening transport can be met by space and the European Defence Fund building “synergies with Horizon Europe under [Airbus’] leadership”.

This sort of framing increases legitimacy for defence funding and altogether ignores that a shift to prioritising de-growth in the aerospace and defence industries, alongside a just transition for workers in the industries, is required to stay within 1.5C warming. DG MOVE summarized the Commission’s approach to reducing air travel in a briefing note to Safran in 2022, stating, “there is no doubt – transitioning to sustainability is the aviation sector’s license to grow. It is both in [their] interest and that of society as a whole.”

Explore the documents  

The majority of the documents released to FragDenStaat are meetings and correspondence with aerospace and defense industry companies focused on specific EU funding and policy initiatives. These include programmes and events such as:

  • European Alliance for Industrial Data Edge and Cloud: includes businesses, Member States representatives and relevant experts working on edge and cloud technologies. Creates recommendations, road maps and standards for public procurement.

  • Clean Sky 2, Horizon Europe: launched in 2014, successor of Clean Sky and part of Horizon 2020’s Research and Innovation Programme. Was the main contributor to the Commission’s Flightpath 2050 goals set by Advisory Council for Aviation Research and Innovation (ACARE). Also committed to maintaining European ‘leadership’ in aeronautics.

  • Clean Aviation (Clean Sky 3), Horizon Europe: successor of Clean Sky 1 and 2. Opened calls for proposals in March 2022 for €735 million of funding over 36 months for hydrogen aircraft, hybrid electric aircraft, short- and medium-range aircraft, “transversal” technologies, and co-ordination and support.

  • Paris Airshow 11-23 June 2019: exhibitions by aeronautics and telecommunications industry actors.

  • ReFuelEU Aviation: an initiative within the EU’s Fit for 55 package, to increase the demand and supply of sustainable aviation fuels (SAF) meant to address SAF’s main barriers of low supply and high prices.

  • Alliance for Zero-Emission Aviation (AZEA): a voluntary initiative of private and public partners whose objective is to make hydrogen-powered and electric aircrafts commercially available.

  • Copernicus: the Earth observation component of the European Union’s Space programme. It offers information services that draw from satellite Earth Observation and in-situ (non-space) data.

The full list of documents can be found here.

von Gabrielle Jeliazkov

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Zugang zu Informationen: Bundesverwaltungsgericht legt die Axt ans Informationsfreiheitsgesetz

21. März 2024 - 11:41

Anträge an Behörden sind über FragDenStaat eigentlich anonym möglich. Nach diesem Prinzip funktionierte unsere Plattform 13 Jahre lang. Das Bundesverwaltungsgericht schafft diese liberale Grundlage in einem skandalösen Urteil ab. Jetzt muss der Gesetzgeber ran!

Seit vielen Jahren beschneidet das konservative Bundesverwaltungsgericht Urteil um Urteil die Reichweite des Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Jetzt kommt ein neues Urteil der Intransparenz-Fans aus Leipzig hinzu: Das Gericht entschied heute, dass anonyme Anträge nach dem IFG unzulässig sind. Behörden können jetzt grundsätzlich bei jedem Antrag nicht nur Name und Postadresse von Anstragsteller*innen verlangen, sondern ihnen Antworten auch per Post zusenden.

Damit entfernt das höchste Verwaltungsgericht einen Grundpfeiler des Informationszugangs: Die Plattform FragDenStaat.de basiert auf der Annahme, dass Behörden Anfragen schnell und per E-Mail beantworten müssen. Der für Datenschutz (!) zuständige Senat im Gericht hält es für erforderlich, dass Antragsteller*innen ihre Daten herausgeben müssen, wenn sie Informationen von staatlichen Stellen erhalten wollen. Damit hebt das Gericht ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster auf, das eine generelle Erhebung der Postadresse noch verboten hatte.

Die Analogisierung der Verwaltung

Das Urteil mutet an wie aus der Zeit gefallen. Während allerorts über die Digitalisierung der Verwaltung gesprochen wird, erlaubt das Gericht es Behörden, selbstständig zu entscheiden, wie sie mit Antragsteller*innen kommunizieren wollen. Selbst wenn es Behörden über FragDenStaat einfach möglich ist, per E-Mail zu antworten, müssen es Menschen laut Pressemitteilung des Gerichts „hinnehmen“, dass „die Behörde trotz eines eröffneten elektronischen Zugangs mit ihm auf dem Postweg kommuniziert.“

Die neue Regelung dürfte zahlreiche Menschen davon abschrecken, Anfragen an Behörden zu richten. Gerade marginalisierte Gruppen möchten verständlicherweise nicht für Anfragen nach Informationen ihre privaten Adressen herausgeben. Das Gericht ignoriert dies komplett.

FragDenStaat ausgeschlossen

Im konkret verhandelten Fall geht es um eine Klage des Bundesinnenministeriums gegen den Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Die beiden Behörden stritten sich um den Umgang mit Anfragen über FragDenStaat. Das Ministerium bekämpft seit vielen Jahren unsere Plattform und weigert sich, darüber zu antworten, während der Bundesbeauftragte durchsetzen wollte, dass Behörden weniger Daten von Antragsteller*innen erheben.

Dabei ging es ursprünglich um zwei parallele Verfahren, zu denen wir ebenfalls beigeladen werden sollten. Das Oberverwaltungsgericht schloss FragDenStaat aber auf perfide Weise aus dem Verfahren aus: Erst wurden wir nur zu einem der beiden Verfahren zugelassen, zu dem anderen nicht, da es inhaltsgleich sei. Dann wurde nur das Verfahren zur Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, zu dem wir nicht beigeladen waren. So wurden wir aus dem weiteren Verfahren als Beigeladene ausgeschlossen.

Jetzt endlich Transparenzgesetz

Die wiederholt transparenzfeindlichen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts müssen ein Weckruf für den Gesetzgeber sein, endlich ein Transparenzgesetz zu schaffen, das seinen Namen verdient. Die Ampel-Koalition verspricht seit Jahren einen Gesetzentwurf, der dieses Jahr endlich kommen soll. Er muss sicherstellen, dass Anträge auf Informationen auch pseudonym möglich sind.

Wir werden in den kommenden Wochen nach Veröffentlichung der Urteilsgründe unser weiteres Vorgehen planen. Unser Ziel ist es sicherzustellen, dass der Zugang zu Informationen allen Menschen zugute kommt. Dazu werden wir unsere Plattform erweitern und, wo möglich, klagen.

zur Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts

 

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Wirtschaftspolitische Beiräte in der Kritik: Schlecht beraten?

12. März 2024 - 10:47

Informationsfreiheit gilt auch für Protokolle von wissenschaftlichen Beiräten. Das steht seit unserer Klage fest. Die Otto Brenner Stiftung hat jetzt eine Studie veröffentlicht, die das Problem dieser Gremien offenlegt. 

Foto-Credit: eigene Bearbeitung

Vor anderthalb Jahren konnten wir mit unserer Klage gegenüber dem Bundesfinanzministerium einen Sieg für die Transparenz feiern. Damals hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden: Protokolle von wissenschaftlichen Beiräten der Ministerien müssen bei IFG-Anfragen herausgegeben werden. 

Dies ist nicht nur ein Erfolg für die Informationsfreiheit, sondern auch für die Wissenschaft. Die durch unsere Klage gewonnenen Protokolle dienten der Studie als wichtige Quelle für Hintergrundinformationen, um Debatten im Bundesfinanzministerium besser nachvollziehen zu können.

Gemeinsam haben die Politikwissenschaftler Dieter Plehwe, Jürgen Nordmann und ich uns für die Otto Brenner Stiftung die Beiräte des Sachverständigen Rat sowie die wissenschaftlichen Beiräte des Bundeswirtschafts- (BMWK) und des Bundesfinanzministeriums (BMF) genauer angesehen. Die Protokolle waren dabei richtungsweisend, um zu erörtern, welche wirtschaftspolitischen Sichtweisen in den Diskussionen, zum Beispiel zur Steuerpolitik, Gehör finden und welche nicht. Der Fokus der Studie lag auf der Zusammensetzung und der Arbeit der Beratungsgremien von 1982 bis 2022 sowie deren Einstellung zu haushaltspolitischen Maßnahmen, Stichwort Austerität.

Die Studie zeigt: Die Beratungsgremien der Bundesregierung in Wirtschafts- und Finanzpolitik zeichnen sich durch starke personelle Kontinuität aus, die zu einer nur begrenzten Vielfalt an wirtschaftspolitischen Perspektiven führt. Stimmen gegen Sparmaßnahmen, Sozialstaatsabbau und Deregulierung sind seit Jahrzehnten eine Minderheit. Die jüngsten Diskussionen im Sachverständigenrat über eine mögliche Aussetzung oder Reformierung der Schuldenbremse signalisieren demgegenüber möglicherweise einen Wendepunkt.

Die begrenzte Meinungsvielfalt entsteht zum einen durch lange Mitgliedschaften. In den Beiräten von BMF und BMWK waren Mitglieder durchschnittlich rund 25 Jahre aktiv. Dies trägt zu einer Verstetigung von wirtschaftspolitischen Perspektiven bei. Zum anderen wählen im BMF und BMWK die aktiven Mitglieder selbst die neuen Mitglieder. Auffällig dabei: Knapp jedes vierte Mitglied des BMWK-Beirates war zeitgleich mit dem*der eigenen akademischen Lehrer*in im Gremium aktiv.  Dies führt ebenfalls zu einer Kontinuität in der wirtschaftspolitischen Ausrichtung der Beiräte.

Frauen spielten in den Beiräten über Jahrzehnte kaum eine Rolle. Auch wenn es in den vergangenen Jahren Verbesserungen hinsichtlich der Zusammensetzung der Gremien gab, sind nichtmännliche Wirtschaftswissenschaftlerinnen nach wie vor in dem Beirat des Bundeswirtschafts- und des Finanzministeriums stark unterrepräsentiert.

Insbesondere in den Beiräten des BMWK und des BMF braucht es verbindliche Regeln für Geschlechterparität, befristete Mitgliedschaften und eine stärkere Paradigmenpluralität. Die Mitgliederauswahl des Sozialbeirat des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), kann hier als Vorbild dienen, weil neben sozialwissenschaftlichen Expert*innen auch Repräsentanten der Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen vertreten sind. Auch die übrigen Ministerien Beiräte zeichnen sich durch ein breiteres Spektrum von Disziplinen und Paradigmen aus.

Hier geht es zur Anfrage

Hier geht es zur Studie der Otto Brenner Stiftung  

von Moritz Neujeffski

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