«Mit Brigitte Bardot verschied eine starke und unabhängige Frau, die es nicht nötig hatte, sich dem Zeitgeist unterzuordnen oder sich gar – wie leider viele deutsche Prominente – zur Systemnutte machen zu lassen, und die solches auch in der Not nicht getan hätte. Die einfach zu sich stand und standhaft war. Ein schönes Zitat von ihr als Abschluss: ‹Früher habe ich mit meinem Hintern schockiert, jetzt schockiere ich mit meinen Büchern (Meinungen). Das ist das Gleiche!›» (– Nachruf der Seite https://publikum.net/).
Informationsdienst Gentechnik
Mehrheit für Gentechnik-Entwurf unter Mitgliedstaaten
„Die große Mehrheit der Menschen will selber entscheiden können, ob sie sich mit oder ohne Gentechnik ernähren“, weiß Schneider. „Falls das EU-Parlament diesen Fehler nicht noch korrigiert, wird es darum gehen, den Schaden für Deutschland zu begrenzen. Die Politik darf die landwirtschaftlichen Betriebe, die weiterhin gentechnikfrei produzieren wollen, jetzt nicht alleine lassen.“ Wie berichtet hatte sich auch Justizministerin Hubig gegen die vorgeschlagenen Regeln ausgesprochen. CDU-geführte Ministerien sind nach Medienberichten jedoch dafür gewesen. In diesem Fall muss sich Deutschland bei einer EU-Abstimmung enthalten. Der federführende Agrarminister Alois Rainer (CSU) hatte offenbar bis zuletzt vergeblich nach einem Kompromiss gesucht.
Die dänische Ratspräsidentschaft glaubt, dass NGT-Pflanzen die Landwirtschaft nachhaltiger und widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel machen. „Mit dieser Vereinbarung haben wir einen großen Schritt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Agrar- und Lebensmittelsektors getan“, zitierte die Nachrichtenagentur dpa die Dänen. Sie haben heute ihr Ziel erreicht, den in den Trilogverhandlungen erzielten Kompromiss noch vor Ende ihrer Ratspräsidentschaft am 31. Dezember von den EU-Mitgliedstaaten absegnen zu lassen. Wie berichtet sieht er vor, dass fast alle Pflanzen, die künftig mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellt werden, ohne Risikoprüfung, Zulassung und Kennzeichnung auf den Markt kommen dürfen. Auch dürfen sich die Hersteller ihre NGT-Pflanzen patentieren lassen. Damit können sie, anders als bei herkömmlich gezüchteten Pflanzen, verbieten, dass andere Züchtungsunternehmen mit diesen Pflanzen weiterzüchten. Die Folgen beschrieb Stefanie Sabet, Generalsekretärin des Deutschen Bauernverbandes so: „Die nun zu erwartende Monopolisierung von Pflanzeneigenschaften durch einzelne Unternehmen wird absehbar dazu führen, dass unsere Landwirte und kleine und mittelständische Züchter den Zugang zu wichtigem genetischem Material verlieren.”
Die Mehrheit unter den EU-Mitgliedstaaten war heute denkbar knapp. Neben Deutschland verweigerten nach Informationen der Kampagne Save our Seeds Belgien, Bulgarien, Kroatien, Österreich, Rumänien, Slovenien, die Slowakei und Ungarn die Zustimmung. Für die notwendige qualifizierte Mehrheit benötigten die Dänen 55 Prozent der 27 EU-Mitgliedstaaten, die zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Die elf Staaten, die dem Kompromiss zustimmten, sind 66,7 Prozent der EU-Mitglieder mit 66,2 Prozent der EU-Bevölkerung. Hätte Griechenland (2,3 Prozent der EU-Bürger) die Pläne wie in der Vergangenheit abgelehnt, hätte es nicht zur qualifizierten Mehrheit gereicht. Unklar war bis zum Schluss auch, ob Frankreich zustimmen würde. Brüsseler Kreisen zufolge gelang es der EU-Kommission, die französischen Bedenken hinsichtlich der Patentierung von NGT-Pflanzen zu zerstreuen.
Im Januar wird nun der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments den Verordnungsvorschlag abschließend beraten. Stimmt er dem Text zu, ohne ihn zu verändern, wird die Verordnung in die Amtssprachen der EU übersetzt und muss anschließend noch einmal von den Mitgliedstaaten und dem Plenum des Parlaments bestätigt werden. Das kann in einem beliebigen Rat ohne weiter Aussprache passieren. Die Abstimmung im EU-Parlament ist für den 9. März avisiert. Sind alle formellen Schritte abgeschlossen, wird die Verordnung im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft. Nach einer Übergangszeit von zwei Jahren würden die Vorgaben dann angewandt – falls nicht der Europäische Gerichtshof mit Verweis auf das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit der Verbraucher:innen bis dahin die Verordnung kippt.
Die Biobranche und die gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft reagierten entsetzt: „Jetzt muss das Europaparlament (EP) die Gentechnik-Kennzeichnung retten. Es kann bei seiner Abstimmung Anfang 2026 den Gesetzvorschlag immer noch kippen“, erläuterte der Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik, Alexander Hissting. Er verwies darauf, dass die Parlamentarier in ihrem 2024 beschlossenen Verhandlungsmandat gefordert hatten, die Gentechnik-Kennzeichnungspflicht beizubehalten sowie Patente auf Gentechnik-Pflanzen auszuschließen und dass beides im Widerspruch steht zum vorliegenden Vorschlag. Damals habe der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber, abweichend von seiner Fraktion gegen eine Deregulierung gestimmt. Jetzt wird befürchtet, dass die EVP den Kompromissvorschlag zusammen mit Liberalen und Teilen der Rechten im März zur Mehrheit verhelfen wird.
„Die Mitgliedstaaten haben damit auch gegen die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger nach Transparenz über die Zusammensetzung ihrer Lebensmittel und gegen die Bedürfnisse der europäischen Land- und Lebensmittelwirtschaft entschieden“, kritisierte die Vorsitzende des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft, Tina Andres, den Beschluss und forderte: „Die Abgeordneten des Europaparlaments müssen jetzt gegenhalten!“ Und Franziska Achterberg von Save our Seeds warnte: Mit ihrer Entscheidung ebneten die EU-Regierungen „Bayer-Monsanto, KWS & Co. den Weg, ihr patentiertes Saatgut in den Markt zu drücken – zulasten von Landwirtinnen und Landwirten sowie von unabhängigen Züchtern.“ [vef/lf]
Bundesregierung will EU-Gentechnikentwurf nicht zustimmen
„Für mich ist ganz wichtig, dass wir Klarheit beim Verbraucher haben: Ist ein Produkt, das er kauft und isst, gentechnisch verändert?“, sagte Schneider. „Deswegen ist die Kennzeichnungspflicht ganz entscheidend.“ Solange diese Pflicht nicht gegeben sei, werde die Bundesregierung dem Vorschlag aus Brüssel nicht zustimmen. Zuvor hatte Schneider zudem eine Risikobewertung für Pflanzen aus neuer Gentechnik (NGT) gefordert sowie Schutzmaßnahmen für die gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft. Auch seine Minister- und Parteikollegin Stefanie Hubig (Verbraucherschutz) hält die Brüsseler Pläne für den „falschen Weg“. „Lebensmittel, die gentechnisch verändertes Material enthalten, sollten weiterhin als solche gekennzeichnet werden müssen“, schrieb sie dem Infodienst. „Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen echte Wahlfreiheit. Und echte Wahlfreiheit gibt es nur mit Transparenz.“
Ähnlich positionierten sich SPD-Vertreter:innen im Bundestag, zuletzt der Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch: „Neue Züchtungstechniken können Chancen bieten. Aber eines bleibt für mich unverrückbar: Die Menschen wollen wissen, was sie essen“, sagte er t-online. „Wenn Gentechnik im Spiel ist, muss das auch draufstehen.“ Eine Kennzeichnung schütze die Wahlfreiheit aller: „Verbraucherinnen und Verbraucher, Landwirtinnen und Landwirte und die gesamte Lebensmittelwirtschaft müssen frei entscheiden können, welche Produkte sie erzeugen, verarbeiten oder kaufen“, so Miersch. Der federführende Agrarminister Alois Rainer (CSU) dagegen hält sich seit seinem Amtsantritt bedeckt. Die Abstimmungen in der Bundesregierung liefen noch, sagte ein Ministeriumssprecher heute dem Infodienst - wohl noch bis zum Abend. Zu weiteren Details könne er sich nicht äußern. Spätestens morgen früh wird das Bundeswirtschaftsministerium als Weisungsgeber für den AStV I dem ständigen Vertreter Deutschlands in Brüssel mitteilen müssen, wie er sich beim Meinungsbild im zuständigen Ausschuss positionieren soll.
Als dieser Ausschuss der ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten (AStV) im März das Mandat für die Trilogverhandlungen mit Europaparlament und EU-Kommission erteilte, hatte Deutschland sich enthalten, weil die scheidende Ampelkoalition sich uneins war. Würde die bevölkerungsreiche Bundesrepublik das morgen beim Meinungsbild im AStV erneut tun, könnte es für eine Sperrminorität gegen das Trilogergebnis zur NGT-Verordnung reichen. Für die nötige qualifizierte Mehrheit braucht es 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Im März hatten 19 EU-Staaten, die nach Hochrechnung des Infodiensts Gentechnik knapp 69 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, dem Ratsmandat zugestimmt. Damit lag die Mehrheit nur knapp vier Prozent über der nötigen Quote. Sechs EU-Staaten hatten den Entwurf dem Vernehmen nach damals abgelehnt – darunter Österreich und Ungarn. Deutschland und Bulgarien hatten Enthaltung signalisiert.
Zünglein an der Mehrheitswaage waren im März Belgien (2,6 Prozent der EU-Bürger) und Griechenland ((2,3 Prozent der EU-Bürger). Belgien hatte allerdings schriftlich erklärt, dass es einem Trilogergebnis am Ende nicht ohne Weiteres zustimmen werde, wenn es keine Regeln zu Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von NGT-Pflanzen, zur Patentierung und zur Koexistenz mit der gentechnikfreien Landwirtschaft enthalte. Eine Partei der belgischen Regierungskoalition, die Engagierten (les engagés), teilte Anfang Dezember mit, das Trilogergebnis nicht zu unterstützen. Es spricht also einiges dafür, dass Belgien sich morgen enthalten könnte. Die Position anderer Staaten wie Rumänien und Griechenland, die sich bisher enthielten, scheinen noch nicht klar. Im Lager der Gegner werden Staaten wie Österreich, Ungarn oder Slowenien verortet, die den gesamten NGT-Vorstoß von Anfang an abgelehnt hatten.
Würde sich im AStV eine qualifizierte Mehrheit ergeben, könnte der Kompromiss bei jedem folgenden Ministerratstreffen ohne weitere Diskussion abgesegnet werden – unabhängig vom Fachgebiet der Minister. Allerdings können AStV-Mitglieder eine Debatte oder einen Beschluss des federführenden Agrarministerrates verlangen. Hält die Sperrminorität, würde die Aufgabe, eine Mehrheit zu erzielen, auf die nächsten Ratspräsidentschaften übergehen. Das sind Zypern bis Ende Juni 2026 und Irland in der zweiten Jahreshälfte. Offen ist, ob sie die diplomatischen Kapazitäten und das Interesse haben, sich so intensiv um das Thema NGT zu kümmern wie jetzt die Dänen.
Nicht nur die Mitgliedstaaten müssen den vorläufigen Trilogkompromiss noch endgültig beschließen, sondern auch das Europäische Parlament. Dort wird sich im Januar erst der Umweltausschuss (ENVI) mit dem Trilogergebnis befassen und voraussichtlich im Februar oder März das Plenum des Parlaments. Dabei werden ziemlich sicher Änderungsanträge gestellt werden, um von der Europäischen Volkspartei und der Rechten aufgegebene ursprüngliche Positionen des Parlaments wie die Kennzeichnung noch einmal abstimmen zu lassen. Würde in dieser zweiten Lesung einer der Änderungsanträge durchgehen, müsste der Kompromiss neu ausgehandelt werden. Selbst wenn sich morgen die nötige Mehrheit finden sollte, ist es also weiter nicht sicher, dass die im Trilog gefundene vorläufige Einigung am Ende tatsächlich Gesetz werden wird. [lf/vef]
Pestizide: automatisch verlängerte Zulassungen rechtswidrig
Worum geht es bei dem Streit: Die Pestizidverordnung 1107/2009 der EU schreibt vor, dass ein Pestizidwirkstoff von der EU-Kommission beim ersten Antrag für zehn Jahre genehmigt wird. Drei Jahre vor Ablauf der Genehmigung muss der Hersteller eine Wiederzulassung beantragen. Die Behörden prüfen die neuesten Erkenntnisse zu dem Wirkstoff und wenn sie weiterhin als sicher ansehen, kann die EU ihn für bis zu 15 Jahre erneut zulassen. Doch bei zahlreichen bedenklichen Wirkstoffen kommen die Behörden mit diesen erneuten Risikoprüfungen nicht hinterher. Die EU-Kommission beruft sich deshalb regelmäßig auf eine Ausnahmeregelung und verlängert einfach die alte Zulassung, oft mehrfach hintereinander und über mehrere Jahre.
Im Falle des umstrittenen Herbizidwirkstoffs Glyphosat wäre die Genehmigung am 15. Dezember 2022 ausgelaufen. Zu diesem Zeitpunkt war die erneute Risikoabschätzung durch die EU-Lebensmittelbehörde EFSA und die EU-Chemikalienagentur ECHA noch nicht abgeschlossen. Dies geschah erst im Sommer 2023. Die EU-Kommission berief sich deshalb im Dezember 2022 auf Artikel 17 der Pestizidverordnung und verlängerte die auslaufende Genehmigung um ein Jahr bis Ende 2023. Kurz vor Ablauf dieser Frist erneuerte die Kommission dann die Genehmigung für zehn Jahre bis Ende 2033. Die Aurelia-Stiftung hatte gegen die erste, einjährige Fristverlängerung eine Beschwerde eingelegt, die von der EU-Kommission abgelehnt wurde. Gegen diese Ablehnung zog Aurelia vor das Europäische Gericht (EuG, T-565/23) und bekam Recht. Parallel entschied das EuG zwei weitere Verfahren im Sinne der Klagenden. Das Pestizidaktionsnetzwerk PAN Europe hatte geklagt, weil die EU-Kommission die Zulassung für das Fungizid Dimoxystrobin siebenmal über insgesamt zehn Jahre verlängert hatte, bevor sie den Wirkstoff 2024 aus dem Verkehr zog (T-412/22). Die französische Umweltorganisation Pollinis zog gegen das Fungizid Boscalid vor das EuG. Dessen Genehmigung hatte die EU-Kommission seit 2018 sechsmal verlängert, zuletzt bis 15. Mai 2026 (T-94/23). In allen drei Fällen argumentierte die EU-Kommission, dass die für eine erneute Genehmigung notwendige Risikobewertung noch nicht abgeschlossen sei und die Verzögerung nicht von den Antragstellern zu verantworten sei.
Das EuG betont in seinen drei Entscheidungen, dass eine Verlängerung nach Artikel 17 der Pestizidverordnung vorläufiger Natur sei und Ausnahmecharakter habe. „Sie muss im Hinblick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden und darf daher nicht automatisch oder systematisch erfolgen“, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Zudem komme eine Verlängerung nicht in Frage, wenn der Hersteller selbst dazu beigetragen habe, dass sich das Verfahren verzögere, etwa „wenn sich die Qualität der vorgelegten Daten als unzureichend erweist“, schreibt das Gericht. Deshalb müsse die EU-Kommission die Rolle der Antragsteller bei den aufgetretenen Verzögerungen objektiv und konkret prüfen. Genau das hat sie nach Ansicht des Gerichts bei der Glyphosatverlängerung nicht getan.
Die EU-Kommission hatte argumentiert: Wenn ein berichterstattender Mitgliedstaat einen Verlängerungsantrag und die ergänzenden Dossiers dazu für zulässig erachte, bedeute dies, dass der Antrag vollständig sei. Ersuchen um zusätzliche Informationen seien ein normaler Teil des Erneuerungsverfahrens. Damit hat es sich die EU-Kommission aus Sicht des EuG zu einfach gemacht. Deren Erläuterungen „deuten darauf hin, dass sie weder die Art der fehlenden Informationen noch die Relevanz der im vorliegenden Fall vorgelegten Informationen geprüft hat“, heißt es in der Entscheidung. Zudem habe die Kommission, die von der Klägerin gerügten Datenlücken in den Antragsunterlagen und deren Auswirkungen auf die Dauer des Verfahrens nicht geprüft. Allein dieser Rechtsfehler genügte den Richter:innen, um der Aurelia Stiftung Recht zu geben. „Das EU-Gericht beendet die verheerende Praxis der EU-Kommission, die hunderte Pestizidwirkstoffe allein durch Ausnahmegenehmigungen am Markt und damit auf dem Acker hält“, kommentierte Thomas Radetzki, Vorstandsvorsitzender der Aurelia Stiftung. Allerdings hat die EU-Kommission noch bis Mitte Januar Zeit, gegen die Entscheidung Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzulegen.
In seinen drei Urteilen weist das EuG explizit darauf hin, dass die Bestimmungen der EU-Pestizidverordnung „ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt“ gewährleisten sollen. „Dieser Schutz hat vorrangige Bedeutung gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen, so dass er sogar beträchtliche negative Folgen wirtschaftlicher Art für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen kann“, heißt es im Glyphosaturteil. In der Abwägung der verschiedenen Ziele der Pestizidverordnung müsse die Kommission deshalb diesem Schutzziel „ganz besondere Bedeutung beimessen“. Wichtig ist diese Klarstellung im Hinblick auf mehrere Verfahren, bei denen Umweltverbände gegen bestehende Wirkstoffgenehmigungen vor das EuG gezogen sind. So klagt die Aurelia-Stiftung zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe dort auch gegen die erneuerte Glyphosatzulassung bis 2033 (T-578/24).
Die EU-Kommission dagegen will die EU-Pestizidverordnung ändern und dabei dieses hohe Schutzniveau schleifen. Bereits im September hatte sie ihre Pläne vorgestellt, das Recht für Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit zu vereinfachen. Omnibus heißen solche Vereinfachungspakete, die mehrere EU-Verordnungen betreffen, im EU-Jargon. Bei der groben Beschreibung des Vorhabens im September war lediglich von dem Bereich „Zulassungs- und Verlängerungsverfahren für Pflanzenschutzmittel“ die Rede. Vorstellen will die EU-Kommission ihr Omnibuspaket am 16. Dezember, doch inzwischen wurden der Entwurf bekannt. Die EU-Kommission plane, „die Zulassungsdauer für in Pestiziden verwendete Wirkstoffe grundsätzlich unbefristet zu gestalten – mit Ausnahme bestimmter besonders gefährlicher Substanzen“, berichtete die Plattform Euractiv und veröffentlichte den ihr zugespielten Verordnungstext. Dieser Vorschlag „wird den Schutz der Gesundheit der Bürger und der Umwelt vor giftigen Pestiziden erheblich schwächen und gleichzeitig den Interessen der Pestizidindustrie dienen“, kommentierte Martin Dermine, Geschäftsführer von Pan Europe. Das Umweltinstitut München hat eine Mailaktion gestartet, um der EU-Kommission eine Botschaft zu senden: „Hände weg von unseren Schutzstandards!“ [lf]
Trilog zur neuen Gentechnik: Dänen machen Druck
Erklärtes Ziel der Dänen, die den Ratsvorsitz zum Jahreswechsel an Zypern weiterreichen werden, ist, sich bei dem im Mai 2025 begonnenen NGT-Trilog auf einen gemeinsamen Verordnungsentwurf zu einigen. Wie eine Sprecherin der Dänen gestern dem Branchendienst AgraEurope sagte, seien sie optimistisch, dieses Ziel zu erreichen. Man habe in den technischen Arbeitsgruppen „gute Fortschritte“ erzielt. Daher sei man hoffnungsvoll, dass diese Fortschritte den Weg für eine für beide Seiten zufriedenstellende Vereinbarung ebnen.
Der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling dagegen wirft den Dänen Wild-West-Methoden vor. Sie wollten keinen Kompromiss erzielen, sondern die Position der EU-Mitgliedstaaten durchdrücken. Laut AgraEurope soll ein dänischer Botschafter in Brüssel darauf hingewiesen haben, Dänemark könnte den Trilog für gescheitert erklären, sollte man sich am 3. Dezember nicht einigen. Dann könnte das Europäische Parlament den Ratsentwurf zur NGT-Verordnung direkt in zweiter Lesung beraten und darüber abstimmen. Zwar wären noch Änderungsanträge möglich. Doch die konservative Europäische Volkspartei (EVP, zu ihr gehören auch CDU und CSU) könnte die Ratsposition mit einer Mehrheit aus Rechten und möglicherweise Liberalen auch unverändert verabschieden und damit zum Gesetz machen. Erst vor zwei Wochen stimmte die EVP erstmals gemeinsam mit Rechtsaußen, um die Lieferkettenrichtlinie der EU zu schleifen. Der grüne Bundestagsabgeordnete Karl Bär rechnet fest damit, dass die Dänen so agieren werden, falls es am 3.12. zu keiner Einigung kommen sollte. „Die Dänen spielen dieses Szenario ganz bewusst, um zusätzlichen Druck in den Verhandlungen aufzubauen", schrieb Bär dem Infodienst. Beobachter sehen es als Versuch, Sozialisten und Grüne im Europaparlament zu Zugeständnissen in den Verhandlungen zu bewegen.
Um die Verordnung zu verabschieden, braucht es 361 der 720 Abgeordneten. In dem im Juni 2024 neu gewählten Parlament kommt die EVP (188 Abgeordnete) mit den Rechten (Europäische Konservative und Reformer, EKR, 77) und den Rechtsextremen (Patrioten für Europa, 84, sowie Europa der souveränen Nationen, ESN, 25) auf 374 Stimmen. Allerdings gibt es im Europaparlament keinen ausgeprägten Fraktionszwang, da die Abgeordneten bei Abstimmungen oft entlang nationaler Befindlichkeiten entscheiden. Doch auch die Liberalen (Renew, 77) stehen dem NGT-Vorschlag in der Ratsfassung positiv gegenüber, ebenso einige Sozialdemokraten. Auf der anderen Seite ist die extreme Rechte NGT-Patenten gegenüber eher kritisch eingestellt. Als das Parlament im vergangenen Jahr seine Position festlegte, stimmten etwa die meisten Abgeordneten des französischen Rassemblement National (Patrioten) für ein striktes Patentverbot. Die deutsche AFD (ESN) hatte im Oktober 2024 in einem Antrag im Bundestag gefordert, keine Patente auf Tiere und Pflanzen durch neue Gentechnik zuzulassen.
Dass EVP und Renew zusammen mit dem Gros der Rechten und Rechtsextremen stimmen könnten, ist auch für ein zweites Szenario von Bedeutung. Demnach könnte die Chefunterhändlerin des Parlaments, Jessica Polfjärd von der EVP, mit den Dänen im Trilog doch noch einen Kompromiss zimmern, der weit hinter die Position des Parlamentsmandats vom April 2024 zurückfällt, und diesen dann mit einer Mehrheit rechts der Mitte im aktuellen Parlament durchsetzen. Bei den NGT-Patenten ist sie bereits von der Position des Parlaments – keine NGT-Patente - abgewichen und will sich mit Sicherheitsklauseln zufriedengeben. Sie sollen eine faire Lizenzierung patentierter NGT-Pflanzen garantieren und Züchtern ermöglichen, mit diesen Pflanzen weiterzuarbeiten. So steht es in einem Sachstandsbericht der dänischen Ratspräsidentschaft vom 7. November. Allerdings müssten die Züchter für ihre Weiterentwicklungen dennoch Lizenzgebühren an den Patentinhaber zahlen. Eingeschränktes Züchterprivileg lautet der Fachbegriff für eine solche Regelung. Beim Sortenschutz von konventionellen Pflanzen dagegen müssen Züchter keine Lizenzgebühren abführen.
Grüne und Sozialdemokraten fürchten, dass Jessica Polfjärd auch beim zweiten großen Streitpunkt, der Kennzeichnung von NGT-Pflanzen, das Parlamentsmandat von 2024 aufgeben könnte. Damals hatte das Parlament für Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von NGT entlang der gesamten Lebensmittelkette gestimmt. Rat und EU-Kommission wollen nur das Saatgut kennzeichnen. Dieses zentrale Thema wurde bei der dritten Trilogsitzung Mitte November noch ausgespart. Angesichts der konträren Positionen gilt es als unwahrscheinlich, dass kurzfristig eine Einigung erzielt werden könnte – außer Polfjärd verzichtet auf eine Kennzeichnung, um eine geeinte Verordnung verabschieden zu können. Um das zu verhindern, haben die Unternehmen Rewe, dm, Alnatura, Dennree und Rapunzel den Fraktionsvorsitzenden der EVP, Manfred Weber (CSU), Jessica Polfjärd und den EVP-Agrarexperten Stefan Köhler (CSU) angeschrieben. Sie bitten die Parlamentarier, mit ihrer ganzen Fraktion nur dann einem möglichen Verhandlungsergebnis im Parlament zuzustimmen, „wenn darin die Wahlfreiheit gesichert bleibt – mit vollständiger Kennzeichnungspflicht, Rückverfolgbarkeit und Koexistenzmaßnahmen für NGT – und signalisieren Sie diese Haltung bei den Trilog-Verhandlungen deutlich“.
Sollte in den Trilogverhandlungen ein wie immer gearteter Kompromiss zustande kommen, muss er anschließend nicht nur im EU-Parlament eine Mehrheit finden, sondern im Rat der Mitgliedstaaten sogar eine qualifizierte Mehrheit. 55 Prozent der Staaten, die zusammen 65 Prozent der Bevölkerung umfassen, müssen zustimmen. Hier könnte es entscheidend auf die Haltung der Bundesregierung ankommen. Sie hatte sich in früheren Abstimmungen immer enthalten, da in der Ampelkoalition SPD und Grüne dem NGT-Vorschlag kritisch gegenüberstanden, während die FDP ihn befürwortete. In Brüssel sind solche Enthaltungen als „German Vote“ (dt.: deutsche Abstimmung) berüchtigt. Mit seiner Enthaltung war Deutschland im Rat der Mitgliedstaaten Teil einer Sperrminorität, die einen NGT-Trilog über ein Jahr lang verhinderte. Durch das Ausscheren Belgiens kam es im Frühjahr 2025 zu einer Mehrheit und damit zum Trilog. Allerdings hatten die Belgier damals deutlich gemacht, dass sie ein Trilogergebnis ohne umfassende NGT-Kennzeichnung am Ende ablehnen würden. Es ist also gut möglich, dass der oben skizzierte Kompromiss ohne Kennzeichnung im Rat keine qualifizierte Mehrheit findet – solange sich Deutschland als größter Mitgliedstaat weiter enthält und nicht plötzlich zustimmt.
Um darüber Klarheit zu gewinnen, sollte die Bundesregierung am Dienstag auf Antrag der grünen Bundestagsfraktion in Sondersitzungen von drei Ausschüssen über ihr Abstimmungsverhalten zum NGT-Entwurf informieren. Eine klare Position habe sich daraus nicht ableiten lassen, zog der grüne Abgeordnete Karl Bär Bilanz. Gegenüber Agra Europe sprach sich die SPD-Abgeordnete Isabel Mackensen-Geis nach den Ausschusssitzungen für Transparenz und Wahlfreiheit entlang der ganzen Wertschöpfungskette aus und machte sich die Sorgen von Bauernverband und Pflanzenzüchtern vor NGT-Patenten zu eigen. Über die NGT-kritische Haltung des Umweltministeriums hat der Infodienst bereits berichtet. Verbraucherschutzministerin Stefanie Hubig (SPD) wollte sich auf Anfrage des Infodienstes nicht dazu äußern, welche Position sie zur Frage der Kennzeichnung von NGT-Pflanzen und daraus hergestellten Lebensmitteln vertritt. Das federführende Agrarministerium bleibt wie gewohnt vage. Die Bundesregierung verfolge die Verhandlungsergebnisse im Trilog „fortlaufend und prüft mögliche Kompromisslösungen mit der Zielsetzung, sich aktiv in die Verhandlungen einzubringen“, antwortete die parlamentarische Staatssekretärin des Ministeriums, Silvia Breher, am 21. November, auf eine Frage des grünen Abgeordneten Karl Bär. Sollte also die SPD bei ihrer Position bleiben, müsste sich Deutschland im Ministerrat weiterhin enthalten.
Zahlreiche NGT-kritische Organisationen riefen die Verantwortlichen diese Woche noch einmal dazu auf, den dänischen Vorschlägen nicht zuzustimmen. Sie überreichten einer Vertreterin des Bundeslandwirtschaftsministeriums eine Petition mit 130.000 Unterschriften und der Kernforderung, die strengen EU-Gentechnik-Regelungen auch auf NGT-Pflanzen anzuwenden. Vor der bayerischen Staatskanzlei protestierte das Bündnis Bayern für eine gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft. Es erinnerte die Staatsregierung und die CSU daran, dass Bayern sich 2009 gesetzlich dazu verpflichtet hat, die Landwirtschaft gentechnikfrei zu halten. Damit das so bleibe, dürfe sie der NGT-Verordnung nicht zustimmen. [lf/vef]
Südafrika: Gerichte stoppen Monsanto-Mais
Die südafrikanische Umweltorganisation African Center for Biodiversity (ACB) sprach von einem historischen Sieg und einem Präzedenzfall für künftige Gentechnikzulassungen. Denn das jetzt abgeschlossene Verfahren war das erste überhaupt, in dem die südafrikanische Justiz sich mit der Art und Weise befasste, mit der die Behörden in Südafrika bisher Zulassungen für den kommerziellen Anbau von Gentechnikpflanzen erteilten. ACB hatte darin argumentiert, dass die Genehmigungsbehörden die Behauptungen von Monsanto ungeprüft akzeptiert und es versäumt hätten, den Antrag unabhängig und kritisch zu prüfen. Das wäre aber notwendig gewesen, um die mit der Freisetzung von MON87460 verbundenen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken angemessen berücksichtigen zu können. Zudem hätten die Behörden aufgrund der von ACB vorgelegten Sachverständigengutachten das Vorsorgeprinzip beachten und deshalb eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangen müssen, sowie ein Gutachten zu möglichen sozioökonomischen Folgen. Das südafrikanische Gentechnikrecht überlässt den Genehmigungsbehörden die Entscheidung, ob sie diese Unterlagen einfordern.
In seinem jetzt bestätigten Urteil war das Oberste Berufungsgericht der Argumentation von ACB gefolgt. Es ging ausführlich auf das Vorsorgeprinzip ein und zitierte dabei mehrere Entscheidungen des südafrikanischen Verfassungsgerichts. Demnach müssten Umweltbehörden das Vorsorgeprinzip anwenden, „wenn aufgrund fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Auswirkungen des vorgeschlagenen Vorhabens besteht”. Dass solche Unsicherheiten bestehen, hätten die von ACB benannten Sachverständigen deutlich gemacht, so das Berufungsgericht. Es stellte zudem fest, die Behörden seien bei Gentechnikzulassungen gesetzlich verpflichtet abzuwägen, ob sie zusätzlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangen müssten. Dies hätten sie aber nicht getan. Allein das genüge, um die Zulassung hinfällig zu machen.
Mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtes ging eine zehnjährige Auseinandersetzung zu Ende. Im Jahr 2015 ließen die zuständigen Behörden in Südafrika den Gentechmais MON87460 von Monsanto für den kommerziellen Anbau zu. Der Mais sollte in Dürreperioden bessere Erträge liefern als andere Sorten. ACB legte Beschwerde ein und klagte nach deren Zurückweisung 2017 gegen die Zulassung. Der High Court von Südafrika wies die Klage von ACB 2023 zurück, ließ aber eine Berufung zu. Das oberste Berufungsgericht gab im Oktober 2024 der Klage von ACB statt und kassierte die Zulassung von MON87460 ein. Dass dieses Urteil jetzt rechtskräftig wurde, sei wegweisend für Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO), schrieb ACB. Damit werde „der automatischen Genehmigung von GVO ein Ende gesetzt und die Einhaltung der südafrikanischen Gesetze zu Umweltverträglichkeitsprüfungen vor der Freisetzung von GVO in die Umwelt sichergestellt“.
Wie der Infodienst Gentechnik bereits 2019 berichtet hatte, hatte die damals neue Landwirtschaftsministerin Thoko Didiza von der Partei ANC (Afrikanischer Nationalkongress) selbst festgestellt, dass das Trockentoleranzgen im MON87460 sich in der Praxis nicht bewährt. 2019 ging es allerdings um eine Maislinie, bei der auch noch andere Gene verändert worden waren. Da ihre Erträge bei Trockenheit teils sogar geringer waren als die konventionell gezüchteter Sorten, hatte das Agrarministerium dem MON87460 x MON89034 x NK603 die Anbauzulassung verweigert. Er sei für die Landwirte nutzlos, hieß es zur Begründung. Warum das Ministerium im Oktober 2024 trotzdem gegen die ablehnende Entscheidung des Obersten Berufungsgerichts Verfassungsbeschwerde einlegen wollte? Womöglich, weil der Agrarminister seit Juli 2024 John Steenhuisen heißt und Vorsitzender der wirtschaftsliberalen Partei Demokratische Allianz (DA) ist. [lf/vef]
Trilog zur neuen Gentechnik: Einigung bis Dezember?
Seit Mai saßen die Unterhändler:innen der drei EU-Gremien in zahlreichen Vorbereitungs- und zwei Trilogtreffen zusammen, um zwischen den unterschiedlichen Positionen zur vorgeschlagenen NGT-Verordnung der EU-Kommission einen Kompromiss zu schmieden. Aus den Gesprächen hinter verschlossenen Türen dringen nur wenige Informationen nach außen. Die Plattform Euractiv meldete, Parlament und Mitgliedstaaten hätten sich auf eine gemeinsame Formulierung für den Anhang I der Verordnung geeinigt. Er legt fest, welche Kriterien eine NGT-Pflanze erfüllen muss, damit sie in die Kategorie 1 der neuen Verordnung fällt und von Risikobewertung, Zulassung und Kennzeichnung ausgenommen wird. Allerdings lagen die Verhandlungsparteien bei diesem Punkt nicht sehr weit auseinander. Ihr Kompromiss bestätigte die prinzipielle Herleitung der Kriterien durch die EU-Kommission.
Diese hatte zwei Schwellenwerte definiert, die eine NGT-Pflanze einhalten muss, um in Kategorie 1 eingestuft zu werden: Die Pflanze darf an bis zu 20 Stellen im Erbgut verändert werden. Und bei jeder dieser Veränderungen dürfen bis zu 20 Nukleotide, das sind die kleinsten Erbgut-Bausteine, ersetzt oder eingefügt werden. Das heißt: Auch mit 400 derart geänderten Erbgutbausteinen in einem Chromosomensatz bräuchte eine NGT-Pflanze keine Zulassung. Neu ist eine Klarstellung, dass die 20 mal 20 Veränderungen sich auf einen Chromosomensatz beziehen. Zahlreiche Pflanzen, etwa Weizen, besitzen jedoch mehrere Chromosomensätze. Mit diesem Kompromiss ignorierten Rat und Parlament zahlreiche Wissenschaftler:innen und mehrere Fachbehörden der Mitgliedstaaten wie die französische Anses oder das deutsche Bundesamt für Naturschutz. Sie hatten belegt, dass sich diese Kriterien für eine angebliche Gleichwertigkeit mit konventionell gezüchteten Pflanzen wissenschaftlich nicht begründen lassen.
Noch offen ist die Frage, ob NGT-Pflanzen der Kategorie 1 zusätzliche Nachhaltigkeitskriterien erfüllen sollen. Das hatte das EU-Parlament verlangt. Wie aus Brüsseler Kreisen zu hören ist, haben die Mitgliedstaaten inzwischen Entgegenkommen signalisiert. Viele können sich aber nur eine kurze Negativliste solcher Kriterien vorstellen, etwa mit Herbizidtoleranz als Ausschlusskriterium. Positivkriterien, womöglich damit verbunden, dass die Hersteller solcher Pflanzen ihre Nachhaltigkeitsversprechen auch belegen müssten, seien bei zahlreichen Staaten auf massive Ablehnung gestoßen, hieß es.
Laut Euractiv-Beitrag ist das EU-Parlament beim strittigen Thema von Patenten auf NGT-Pflanzen von seiner Maximalforderung abgerückt, diese auszuschließen. Hintergrund sei, dass die EU-Kommission und zahlreiche Mitgliedstaaten nicht bereit waren, dafür die EU-Biopatentrichtlinie zu ändern. Nun würden Kommission und Mitgliedstaaten versuchen, mit kleinen Klarstellungen, etwa zum Züchterprivileg oder zu Lizenzierungen, dem Parlament entgegenzukommen, bestätigten Brüsseler Kreise den Euractiv-Bericht. Das Züchterprivileg soll sicherstellen, dass Züchtungsunternehmen auch ohne Erlaubnis des Patentinhabers mit patentierten Sorten weiterzüchten dürfen. Bei den Lizensierungen geht es darum, für die Nutzer von patentiertem Saatgut Transparenz und Rechtssicherheit zu schaffen, da bei vielen NGT-Pflanzen mehrere Unternehmen Patente halten. Ob es in den vorbereitenden Sitzungen für den Trilog am Donnerstag gelang, einen Kompromiss zu finden, ist offen.
Der zweite große Streitpunkt neben den Patenten ist die Kennzeichnung von NGT-Pflanzen. Das EU-Parlament (EP) hatte hier im Frühjahr mit knapper Mehrheit beschlossen, dass sowohl Pflanzen als auch Produkte daraus über die gesamte Lebensmittelkette hinweg gekennzeichnet werden sollen. Mitgliedstaaten und EU-Kommission lehnen das ab. Bisher gibt es keine Anzeichen für eine Verständigung. Allerdings gehen Beobachter in Brüssel davon aus, dass die Unterhändlerin des Parlaments, Jessica Polfjärd von der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU/CSU gehören, bereits an einer Parlamentsmehrheit aus Rechten, Konservativen und Liberalen arbeitet, die einem Trilogkompromiss auch ohne Kennzeichnungspflicht zustimmen würde. Die Europawahl im Juni hatte die konservativen Kräfte im EP gestärkt.
Deutschland hat sich in den Trilog-Verhandlungen bislang offenbar noch nicht positioniert. Die Bundesregierung arbeite nach wie vor daran, ihre Position zu NGT-Pflanzen festzulegen, teilte das federführende, CSU-geführte Landwirtschaftsministerium auf Nachfrage des Infodiensts mit. Denn CDU/CSU und SPD sind weiterhin uneins, wie das Inverkehrbringen von NGT-Pflanzen sinnvoll geregelt werden sollte. Wie der Infodienst Gentechnik bereits im Mai recherchierte, will Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) NGT-Pflanzen und ihre Produkte verpflichtend kennzeichnen lassen, damit Verbraucher:innen frei wählen können, was sie kaufen. An dieser Haltung hat sich dem Vernehmen nach nichts geändert.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) setzt sich nach Angaben gut informierter Kreise dagegen intern vehement dafür ein, die Einführung grüner Gentechnik in Europa zu erleichtern. Rückendeckung soll sie demnach aus dem Bundeskanzleramt erhalten. Kanzler Friedrich Merz hatte schon frühzeitig klar gemacht, dass unter seiner Führung die berüchtigten „german votes“ - also die deutschen Enthaltungen bei Brüsseler Entscheidungen, weil die Regierungskoalition sich nicht einigen kann - der Vergangenheit angehören sollen. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fordert die verantwortlichen Politiker:innen auf, den Verordnungsvorschlag der EU-Kommission komplett abzulehnen und einen neuen zukunftssicheren Vorschlag zu erarbeiten. Eine gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung könne anderenfalls nicht gesichert werden.
Sollte Deutschland als bevölkerungsreiches EU-Mitglied seine bisherige Enthaltung im Rat aufgeben und für eine Kompromissregelung stimmen, wäre es wahrscheinlich, dass der Trilog mit einer Einigung über eine NGT-Verordnung enden würde. Schaut man sich die Terminplanung an, scheinen die beteiligten EU-Gremien optimistisch zu sein: Aktuell jagt ein Vorbereitungsformat das nächste und das vierte Trilogtreffen Anfang Dezember ist mit offenem Ende geplant – womöglich um die Chance zu geben, die letzten Streitpunkte auszuräumen. Danach sieht der Plan nur noch letzte Feinarbeiten am Gesetzestext vor. Welche Folgen es hätte, wenn der NGT-Entwurf ohne Kennzeichnungspflicht und weitere substantielle Änderungen Gesetz würde, hat die Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit zusammengestellt. Ihr Fazit: Eine solche Verordnung würde „die gentechnikfreie Saatgutarbeit vor enorme Herausforderungen stellen und hohe Kosten verursachen“. Dies hätte auch gravierende Konsequenzen für den gesamten nachgelagerten Bereich, schrieb die IG Saatgut. Gemeint ist damit die ganze gentechnikfrei arbeitende Land- und Lebensmittelwirtschaft. [lf/vef]
Gentechnisch veränderte Mikroorganismen im Feldeinsatz
Die neuen gentechnischen Verfahren (NGT) wie Crispr/Cas erlauben gravierende Eingriffe ins Erbgut und damit in den Stoffwechsel von Mikroorganismen. Die meisten der neuen gentechnisch veränderten Mikroorganismen (GMM) sind für den Einsatz in Fermentern gedacht. Immer häufiger entwickeln Unternehmen jedoch GMM, die ihre Wirkung auf den Feldern der Bauern entfalten sollen. Das bekannteste Beispiel ist das Bodenbakterium Klebsiella variicola. Es kann für seinen Stoffwechsel Stickstoff aus der Luft fixieren. Die US-Firma Pivot Bio hat das Bakterium gentechnisch so verändert, dass es einen Teil dieses Stickstoffs als Ammonium an Pflanzen abgibt. Das Unternehmen vermarktet es als Zusatz, der helfen soll, Kunstdünger einzusparen. Angeboten werden jeweils speziell designte Bakterien für Mais, Baumwolle, Weizen und Sorghum. Ausgebracht wurden die GMM laut Unternehmen 2024 auf gut fünf Millionen Hektar Fläche. Die Behörden in den USA und in Brasilien haben diese GMM ohne jede Risikoüberprüfung für den Markt freigegeben. Mehrere andere Unternehmen arbeiten ebenfalls an Stickstoff liefernden GMM, haben aber noch keine Produkte auf dem Markt.
Der Mikrobiologe Benno Vogel hat für die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) Ende 2024 weitere GMM-Anwendungen zusammengestellt, die für den Einsatz auf dem Acker entwickelt werden. Demnach arbeiten zwei Unternehmen an Bakterien, die gebundenen Phosphor aus dem Boden lösen und ihn den Pflanzen als Nährstoff zur Verfügung stellen können. Bereits auf dem Markt sind laut der EKAH-Studie erste GMM, die zusätzliche Enzyme produzieren, damit sie Pflanzenreste auf dem Acker schneller zersetzen können. So vermarkte BASF in den USA und Kanada den von Bayer entwickelten Bacillus thuringiensis EX297512. Er produziert eine Glucanase, also ein Enzym, das Pflanzenreste in Glukose umwandelt, die wiederum weitere Bodenbakterien anlockt, die sich davon ernähren.
Gearbeitet wird in den Laboren laut Vogel-Bericht auch an GMM, die Pflanzen helfen sollen, mit abiotischem Stress wie Trockenheit oder salzigen Böden besser fertig zu werden. Das US-Unternehmen BioConsortia entwickele GMM, die als Pestizide oder Saatgutbeize Pflanzen gegen Pilze und Nematoden (Fadenwürmer) schützen sollen. Nach Angaben des Unternehmens stehen einige Produkte vor der Vermarktung. Mehrere US-Unternehmen hätten GMM in der Pipeline, die dazu beitragen sollen, dass mehr Kohlendioxid im Boden gespeichert werden kann. Etwa indem sie Zellulose produzieren oder zur Verwitterung von Gestein beitragen, schrieb Vogel. Da die Kohlenstoffeinlagerung auf Ackerböden zunehmend als Geschäftszweig (Carbon Farming) gesehen wird, könnten solche GMM für Landwirt:innen wirtschaftlich interessant sein. In den USA, Kanada und Brasilien gelten solche Anwendungen als genehmigungsfrei, solange sie keine Transgene enthalten.
In der EU wären Freisetzungen solcher GMM nach geltendem Recht zulassungspflichtig. Daran würde auch die NGT-Verordnung nichts ändern, die derzeit von den EU-Gremien im Trilog diskutiert wird. Denn sie gilt nur für Pflanzen. Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hat im Sommer 2024 einen Bericht über die Anwendung von gentechnisch veränderten Mikroorganismen in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion veröffentlicht. Sie sieht in GMM kein neues Risiko und hält es für ausreichend, die bestehenden Leitlinien für die Risikobewertung anzupassen.
Diese Einschätzung halten gentechnikkritische Organisationen und einige Behörden von Mitgliedstaaten für falsch. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Abschätzung der Umweltrisiken von GMM eine größere Herausforderung darstellt als bei gv-Pflanzen“, heißt es in einer Studie des österreichischen Umweltbundesamtes und des deutschen Bundesamtes für Naturschutz. Denn die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Ökologie solcher GMM seien sehr begrenzt. Als mögliche Risiken nennen die Expert:innen den horizontalen Gentransfer, also die Weitergabe des veränderten Erbguts an andere Bodenbakterien. Möglich seien auch unerwünschte Nebenwirkungen bei anderen Pflanzen oder Veränderung der Mikrobengemeinschaft im Boden. Die Studie kommt zu dem Schluss, „dass die bestehenden Leitlinien für die Risikobewertung und Überwachung von GMM nicht ausreichen, um die mit Produktionssystemen und der Umwelt verbundenen Risiken zu bewerten und zu mindern“. Dafür müssten zuerst geeignete Methoden entwickelt werden. Denn, so betont ein Bericht von Friends of the Earth USA: Diese für den landwirtschaftlichen Einsatz gedachten GMM seien etwas vollkommen Neues, auf das die bisherigen Erfahrungen mit gentechnischen Veränderungen nicht einfach übertragen werden könnten. [lf]