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Aktualisiert: vor 1 Stunde 41 Minuten

Neue Gentechnik: Koalition verhandelt weiter

23. Mai 2025 - 13:31

Auf Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen debattierte der neugewählte Deutsche Bundestag bereits in seiner zweiten Plenarwoche darüber, ob NGT-Lebensmittel gekennzeichnet werden sollen. Denn die Zeit drängt: Bis Ende Juni will die polnische Ratspräsidentschaft zu einer Einigung zwischen den EU-Mitgliedstaaten, der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament über neue Regeln für NGT-Pflanzen kommen. Laut Grundgesetz kann der Bundestag die Bundesregierung auffordern, bei diesen Verhandlungen seine Position zu berücksichtigen.

Für die SPD-Fraktion gibt es offenbar keinen Zweifel: „Als SPD-Bundestagsfraktion sagen wir deshalb ganz klar: Die Kennzeichnungspflicht muss bleiben, auch bei neuen Gentechniken“, zitiert das Sitzungsprotokoll die Abgeordnete Isabel Mackensen-Geis. Verbraucher:innen hätten das Recht darauf zu wissen, was sie essen. „Transparenz und Wahlfreiheit sind die Basis für selbstbestimmten Konsum; denn damit werden wir in die Lage versetzt, den Markt mitzugestalten. Das ist moderne Verbraucherpolitik“, sagte die Agrarpolitikerin, die für die SPD den Koalitionsvertrag mit verhandelt hatte.

Ihr Kollege Christoph Frauenpreiß von der CDU hingegen sprach von Chancen der NGT-Pflanzen und ging auf die Kennzeichnung nur in zwei Nebensätzen ein. Gentechnikhinweise auf den Verpackungen seien „unnötige Warnhinweise“, die zu mehr Bürokratie führten. In die gleiche Kerbe schlug Alexander Engelhard von der CSU: „Eine Kennzeichnungspflicht entlang der gesamten Wertschöpfungskette würde ein Bürokratiemonster schaffen“, kritisierte der Inhaber einer Biomühle. Gleichzeitig forderte er jedoch, es müsse „eine klare Regelung auf den Weg gebracht werden, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Wahl lässt, was sie konsumieren wollen“. Wie diese sich entscheiden sollen, wenn sie die Produkte gar nicht auseinanderhalten können, sagte er nicht. Die Redner:innen von Grünen und Linken stellten sich hinter eine Kennzeichnungspflicht, die AFD lehnte sie ab. Der Antrag der Grünen wurde an den Agrarausschuss überwiesen.

Das Regierungspersonal selbst, also die zuständigen Minister für Agrar (CDU) und Umwelt (SPD), hat sich bisher zur Kennzeichnung von NGT-Pflanzen noch nicht positioniert. Agrarminister Alois Rainer hatte in seiner Antrittsrede im Bundestag lediglich versichert: „Wir stehen für mündige Bürgerinnen und Bürger, die selbst entscheiden, was in den Einkaufskorb oder auf den Teller kommt. Sie sollen sich gut informiert für einen gesunden und ausgewogenen Lebensstil entscheiden können.“ Wiederholt haben Umwelt- und Verbraucherschützer bereits darauf hingewiesen, dass diese Wahlfreiheit zwingend eine Kennzeichnung der NGT-Produkte voraussetzt. Vom neuen Umweltminister Carsten Schneider (SPD) war bis Freitagabend keine Stellungnahme zu dem Thema zu erhalten.

Was also würde passieren, sollte sich auch die neue Regierungskoalition in Sachen NGT-Pflanzen nicht einig werden? Ihre Vorgänger hatten sich bei Abstimmungen in Brüssel in solchen Fällen enthalten, was bei den anderen Mitgliedstaaten zu Unmut über die berüchtigte „german vote“ führte. Um das zu vermeiden, könnte der Bundeskanzler das deutsche Abstimmungsverhalten in Brüssel via Richtlinienkompetenz vorgeben. Daher fragte der grüne Abgeordnete Harald Ebner die SPD-Frau Mackensen-Geis im Bundestag, wie sie ihre Position in der Koalition durchsetzen wolle, „damit nicht das Bundeskanzleramt eine Weisung für die Entscheidung in Brüssel erteilt und am Ende keine Enthaltung, sondern ein Ja Deutschlands steht“? Es gebe „natürlich Diskussionen in der Koalition“, da das im Koalitionsvertrag nicht festgelegt sei, räumte Mackensen-Geis ein. Man werde sich darüber austauschen, wie das in früheren Regierungen auch üblich gewesen sei.

Unterdessen arbeiten sich in Brüssel Vertreter:innen von EU-Kommission, Parlament und Rat im sogenannten Trilog gemeinsam Paragraf für Paragraf durch ihre Regelungsentwürfe für NGT-Pflanzen und versuchen, sich über die strittigen Punkte zu einigen. Ob das bis zur nächsten offiziellen Trilogsitzung am 30. Juni abschließend gelingen wird, erscheint fraglich. Und selbst wenn, müsste der EU-Ministerrat das Ergebnis danach noch mit qualifizierter Mehrheit bestätigen. Diese Mehrheit war knapp, als der Rat im März – bei deutscher Enthaltung - das Mandat für den Trilog erteilte. Und Belgien hatte bereits damals angekündigt, einer Reglung am Ende nur zustimmen zu wollen, wenn sie eine ganze Reihe zusätzlicher Bedingungen erfüllen würde. Sollte die bevölkerungsreiche Bundesrepublik im Rat allerdings auf Weisung von Kanzler Merz für das Trilogergebnis votieren, würde die NGT-Verordnung selbst dann mit deutlicher Mehrheit verabschiedet werden, wenn mehrere andere EU-Länder wieder auf die Seite der Gegner wechseln würden. [lf/vef]

 

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USA erlauben die Vermarktung virusresistenter Schweine

18. Mai 2025 - 18:43

Das PRRS-Virus (Porcine Reproductive and Respiratory Syndrome) löst eine Atemwegserkrankung aus, die als die weltweit bedeutendste Schweinekrankheit gilt. Wissenschaftler:innen des schottischen Roslin-Institutes hatten mit dem Verfahren Crispr/Cas die Produktion eines bestimmten Proteins an der Oberfläche von Immunzellen verändert. Dadurch konnte das Virus diese Zellen nicht mehr attackieren und die Tiere erkrankten nicht. Das Unternehmen PIC, eine Tochter des britische Tierzuchtkonzerns Genus, setzte die Arbeit in den USA fort und beantragte dort sowie in anderen Ländern wie Kanada, China und Mexiko die Zulassung für seine PRRS-resistenten Schweine-Linien. Nachdem Brasilien, Kolumbien und die Dominikanische Republik die Vermarktung schon erlaubt hatten, gab jetzt auch die FDA grünes Licht, wie PIC mitteilte.

Dabei ist unsicher, ob die Genmanipulation das Problem tatsächlich löst. Denn das Virus gilt als extrem wandlungsfähig. „Bisherige Versuche, die PRRSV-Infektionen per Impfung zu stoppen, führten zur Entstehung neuer Virusvarianten, die sogar Teile der Impfstoffe in ihr Erbgut übernommen hatten und noch virulenter wurden“, berichtete das Münchner Institut Testbiotech. Auch bleibe abzuwarten, wie die Gentechnik-Schweine auf andere Krankheitserreger reagieren und ob ungewollte Nebenwirkungen auftreten, die durch die gentechnischen Verfahren bedingt sind. PIC hingegen verweist auf eine Studie, wonach sich das Fleisch der resistenten Schweine nicht von dem herkömmlicher Tiere unterscheide.

Allerdings schränkte PIC in seiner Mitteilung ein, dass die FDA-Zulassung nicht automatisch zur Vermarktung in den USA führe. Der Grund dafür: Die USA sind ein Nettoexporteur von Schweinefleisch. Um die resistenten Schweine erfolgreich an US-Farmer vermarkten zu können, müssen sie erst noch in wichtigen Exportmärkten wie Kanada oder Japan zugelassen werden. Das werde frühestens 2026 passieren, heißt es auf der Webseite des Unternehmens. Auch hänge der Erfolg davon ab, ob die Verbraucher:innen das NGT-Schwein akzeptieren. Bis dahin will PIC eine möglichst große Population resistenter Schweine aufbauen, um dann den Markt schnell bedienen zu können.

In der EU hat PIC nach eigenen Angaben bisher keinen Zulassungsantrag gestellt. Auch nicht in Großbritannien, wo der nationale Verband der Schweinehalter die US-Zulassung begrüßte. Allerdings hat sich PIC vom Europäischen Patentamt vergangenes Jahr ein Patent auf seine NGT-Tiere erteilen lassen. Testbiotech warnt, dass der Tierzuchtkonzern Genus mit den neuen patentierten, virusresistenten Schweinen seine Dominanz ausbauen könnte. „Damit droht eine Situation, ähnlich wie im Markt für transgene Pflanzen, welcher vom US-Konzern Monsanto über lange Zeit dominiert wurde.“ 

Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hatte im Januar 2025 ein Gutachten über Risiken vorgelegt, die auftauchen können, wenn NGT bei Tieren angewandt werden. Darin argumentierten die Gentechnikexpert:innen der EFSA ähnlich wie schon bei der Risikobewertung von NGT-Pflanzen: Solange kein fremdes gentechnisches Material eingeführt, sondern nur einzelne Gene im Erbgut geändert würden, gebe es auch keine neuen Risiken. Eine Haltung, der das Institut Testbiotech in einem Bericht widersprach: „Im Hinblick auf Tierschutz, Tierwohl und Tiergesundheit sollte der Gesetzgeber die Hürden für entsprechende Anwendungen und deren Vermarktung sehr hoch ansetzen“, lautete das Fazit des Berichts. Auch sollten Patente auf die gentechnische Veränderung von Tieren zum Zwecke der Nahrungsmittelerzeugung verboten werden. Im Juni 2025 will die EFSA ihr endgültiges Gutachten zu NGT-Tieren vorlegen. [lf]

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Die neue Bundesregierung und die Gentechnik

9. Mai 2025 - 19:52

Im Koalitionsvertrag der neuen „Arbeitskoalition“ vom April steht unter der Rubrik „Industriestandort Deutschland stärken“ der Satz: „Die Biotechnologie wird als Schlüsselindustrie gefördert und ihre Anwendungen werden regulatorisch erleichtert, auch mit Blick auf die neuen genomischen Techniken.“ Gemeint sind damit gen-editierte Mikroorganismen, die zunehmend in Fermentern eingesetzt werden, um Chemikalien oder Rohstoffe wie Fettsäuren oder Proteine herzustellen. Im Kapitel Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt finden sich dagegen keine Aussagen zur Gentechnik. Unter der Überschrift „Moderne Landwirtschaft“ heißt es nur: „Wir erschließen die Chancen aus Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Bioökonomie“. Die CDU wollte explizit die „Neuen Züchtungsmethoden (NGT)“ in dieser Aufzählung erwähnt haben, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Ebenso fielen die von der SPD gewünschten Einschränkungen zu NGT dem Einigungszwang zum Opfer. Geblieben ist lediglich eine allgemein formulierte Zielsetzung: „Wir schützen den selbstbestimmten Verbraucher umfassend und vorsorgend“ sowie die Sätze: „Verbraucherinnen und Verbraucher sollen selbstbestimmt entscheiden können. Wir unterstützen sie durch starke Rechte, Transparenz und Information.“ Das lässt sich auf den Autokauf ebenso beziehen wie auf Lebensmittel aus neuen gentechnischen Verfahren.

Da der Koalitionsvertrag zu NGT-Pflanzen nichts vorgibt, kommt den Grundhaltungen der zuständigen Minister (und ihrer Parteien) zu dem Thema besondere Bedeutung zu. Federführend fällt die Agrogentechnik in Alois Rainers Ressort. Der Niederbayer ist Metzgermeister mit eigenem Betrieb, gehört dem Bundestag seit 2013 an und leitete zuletzt den Haushaltsausschuss. Über sein einziges Zitat zur Agrogentechnik, das Google auswirft, berichtete der Infodienst Gentechnik bereits 2014: Honig mit gentechnisch veränderten Pollen müsse seiner Meinung nach nicht gekennzeichnet werden, sagte Rainer im Bundestag. Zugleich hob er hervor, dass man ja einfach deutschen Honig kaufen könne, da dieser mangels Anbau nicht mit Gentechnik verunreinigt sein könne.

Alexander Hissting, Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG), ist optimistisch im Blick auf den neuen Agrarminister: „Als Praktiker aus der bodenständigen bayerischen Lebensmittelherstellung sollte der Metzgermeister Alois Rainer beim Thema Gentechnik die Interessen der Lebensmittelwirtschaft gut im Blick haben. Damit ist er prädestiniert dafür, sich für vernünftige Regeln auch für Neue Gentechnik (NGT) einzusetzen“, kommentierte Hissting Rainers Ernennung. Er verwies darauf, dass für Bayern und die bayerische Lebensmittelwirtschaft eine gesicherte Gentechnikfreiheit seit jeher besonders wichtig gewesen sei. So habe etwa Ilse Aigner als CSU-Bundesagrarministerin 2009 das staatliche „Ohne Gentechnik“-Siegel ins Leben gerufen.

Zuletzt hatte Rainers bayerische Amtskollegin Michaela Kaniber von der CSU ausdrücklich die Position des Europaparlaments im Hinblick auf den „Ausschluss der Patentierbarkeit“ und die „Kennzeichnungspflicht von Pflanzen und Erzeugnissen aller NGT-Kategorien“ begrüßt. Um diese Positionen ringen die EU-Parlamentarier mit der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten im Trilog zur NGT-Verordnung der EU-Kommission, der am 6. Mai begann. Der Vertreter Polens zeigte sich dabei nach Informationen aus Brüssel erneut entschlossen, bis zum 30. Juni, dem Ende der polnischen Ratspräsidentschaft, eine Einigung über eine Neuregelung herbeizuführen.  

Der neue Bundesumweltminister Carsten Schneider ist für die Auswirkungen alter und neuer Gentechnik auf die Umwelt zuständig. Dem Bundestag gehört er seit 1998 an; in der letzten Legislaturperiode war er Ostbeauftragter der Bundesregierung. Umwelt war bisher nicht sein Thema, der gelernte Bankkaufmann beschäftigte sich vor allem mit Finanzen. Er gehört dem Seeheimer Kreis an, dem konservativen Flügel der SPD. Fachlich hat sich im Umweltministerium vor allem das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit den Umweltauswirkungen von NGT beschäftigt. Dessen Arbeit bildete die Grundlage für ein kritisches Positionspapier des (damals grün geleiteten) Umweltministeriums von 2023.

Angesichts des ungeregelten Themas und der Fachferne der Minister kommt den beamteten Staatssekretären eine wichtige Rolle zu. Im Umweltministerium wird diese Aufgabe Jochen Flasbarth übernehmen, der sie bereits 2013 bis 2021 innehatte und zuvor das Umweltbundesamt leitete. Also ein ausgewiesener Umweltpolitiker mit einer klaren Haltung zur neuen Gentechnik. Schon 2016 mahnte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters: „Es ist wichtig, auch hier die GVO-Zulassungskriterien anzuwenden, weil die Veränderung der Pflanze gravierende Auswirkungen haben kann und die Rückholbarkeit sonst nicht gewährleistet wäre“. Der Agrarminister muss seinen beamteten Staatssekretär noch bestimmen. Bis dahin bleibt die Grüne Silvia Bender im Amt. Sollte Rainer einen Befürworter von NGT-Pflanzen in dieses Amt holen, käme es wahrscheinlich wie in der letzten großen Koalition zu einem Patt, weil sich Landwirtschafts- und Umweltministerium nicht einig würden. Auf europäischer Ebene könnte dies wie in den Jahren 2013 bis 2021 zu deutschen Enthaltungen beim Thema Agro-Gentechnik führen.

Ökoverbände fordern die Bundesregierung dagegen auf, in Brüssel Druck gegen die geplante Lockerung der Gentechnikregeln zu votieren. Der neue Agrarminister solle sich „auf EU-Ebene dafür stark machen, dass gentechnikfreies Wirtschaften weiterhin möglich bleibt“, sagte Bioland-Präsident Jan Plagge. Und Tina Andres vom Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft ergänzte: „Zum vorsorgenden Verbraucherschutz gehört, dass Pflanzen und Produkte mit NGT der bewährten Risikobewertung unterworfen und gekennzeichnet werden, bevor sie aufs Feld und ins Regal kommen.“  [lf/vef]

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Bayer-Vorstand: Noch ein Jahr auf Bewährung

28. April 2025 - 9:40

Das Finanzjournal ftd.de überschrieb seinen Vorbericht zur diesjährigen Hauptversammlung des Bayer-Konzerns mit: „Andersons Endgegner heißt Glyphosat“. Das trifft in zweierlei Hinsicht zu. Zum einen zieht die vor allem aus der Tochter Monsanto bestehende Agrarsparte Crop Science den Konzern weiter nach unten. Sie büßte im operativen Geschäft eine Milliarde Euro Umsatz ein, vor allem in Lateinamerika. Zusätzlich musste die Sparte erneut 4,4 Milliarden Euro an Wertberichtigungen vornehmen und drückte dadurch, wie schon im Vorjahr, das Konzernergebnis ins Minus. Statt Umsatz und Profit zu steigern, produziere Bayer Crop Science überwiegend Stagnation und Gewinnwarnungen, schrieb das Manager Magazin im März zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses für 2024. „Eine gewisse Trägheit in den Entwicklungslaboren ist ganz offensichtlich ein gravierender Teil des Problems“ schrieb das Magazin. „Die Menge an marktfähigen Saatgutsorten und Pflanzenschutzchemikalien, die aus dem gegenwärtig 2,6 Milliarden Euro schweren Forschungs- und Entwicklungsetats hervorgehen, bleibt deutlich hinter den Erwartungen der Konzernspitze in Leverkusen zurück“. Als Konsequenz trenne sich der Konzern von Crop Science Entwicklungsleiter Bob Reiter – dem letzten Vertreter der alten Monsanto-Garde.

Noch schlimmer für Anderson ist aus Sicht der Aktionäre, dass er die mit Monsanto eingekauften Glyphosatklagen in den USA nicht in den Griff bekommt. Im Gegenteil, es werden immer mehr. Ende 2023 waren es 167.000 Klagen, von denen 113.000 abgehakt waren. Zum Stichtag 31. Januar 2025 lagen 181.000 Klagen vor, von denen 114.000 erledigt waren. Noch immer stehen 5,7 Milliarden Euro Rückstellung für die offenen Verfahren in der Bilanz. Nach wie vor hofft Anderson auf Schützenhilfe des Supreme Court, des obersten US-Gerichts. Dort habe der Konzern vor drei Wochen einen Prüfungsantrag eingereicht, teilte derBayer-Chef auf der Hauptversammlung mit. Der Hintergrund: Die meisten Glyphosat-Kläger:innen argumentieren, dass der Konzern das Krebsrisiko gekannt, aber nicht davor gewarnt habe. In bisher zwei Berufungsverfahren bekamen die Klagenden Recht, mit Verweis auf die jeweiligen Regelungen des US-Staates, in dem geklagt wurde. Ein Berufungsgericht wies die Argumentation zurück und entschied, dass eine solche Warnung nach Bundesrecht nicht zulässig sei. Nun soll nach den Vorstellungen Andersons der Supreme Court die Streifrage klären – möglichst im Sinne Bayers. Gleichzeitig lobbiert der Konzern dafür, dass im nationalen Agrargesetz die (positive) Bewertung von Glyphosat durch die US-Umweltbehörde EPA so festgeschrieben wird, dass sie weitere Klagen unmöglich macht. Über 100 zivilgesellschaftliche Organisationen von beiden Seiten des Atlantiks, koordiniert von Corporate Europe Observatory, forderten den Vorstand auf, „die Bemühungen um ein Immunitätsgesetz für Glyphosat in den USA“ einzustellen.

Ob sich mit einem solchen Gesetz allerdings die laufenden Verfahren erledigen lassen, ist unklar. „Am Ende könnte Bayer gezwungen sein, die jetzt anhängigen Klagen mit einem neuen, milliardenschweren außergerichtlichen Vergleich aus dem Weg zu schaffen, heißt es in Rechtskreisen in den USA“, schrieb das Handelsblatt. Der Konzern selbst ließ sich auf der Hauptversammlung die Option genehmigen, bis zu sieben Milliarden Euro an neuen Aktien auszugeben, um einen möglichen Vergleich zu finanzieren. Gleichzeitig thematisierte Anderson auf einen Ausstieg aus der Glyphosatproduktion: „Wir kommen langsam an einen Punkt, an dem uns die Klageindustrie zwingen könnte, die Vermarktung dieses systemkritischen Produktes einzustellen. Das wollen wir nicht, aber wir müssen uns auf alle möglichen Entwicklungen vorbereiten“, sagte er auf der Hauptversammlung. Doch auch das würde keine Klagen verhindern, die sich auf bestehende Krebsfälle durch Glyphosatnutzung beziehen.

Die Lage bei Bayer führte zu massiver Kritik der Investoren an Anderson. „Die Bilanz Ihrer Amtszeit sieht verheerend aus“, sagte etwa Ingo Speich für Deka Investment, die Fonds-Tochter der Sparkassen. Dennocht stimmten die Vertreter:innen der großen Fondsgesellschaften der Kapitalerhöhung zu und entlasteten den Vorstand – womöglich zum letzten Mal: „Wenn Sie weiterhin auf der Stelle treten, werden wir bei der nächsten Hauptversammlung grundsätzlichere Fragen stellen müssen“, drohte Speich laut Manager Magazin. So kam Anderson trotz der miesen Zahlen auf 95 Prozent Entlastung.

Gegen eine Entlastung stimmten zahlreiche Vertreter:innen kritischer Aktionäre und zivilgesellschaftlicher Gruppen. Sie thematisierten in ihren Beiträgen auf der Hauptversammlung den Abbau von 7.000 Arbeitsplätzen ebenso wie die Pestizid-Nebenwirkung Parkinson und das besondere Gefährdungspotenzial von Ackergiften, deren Abbauprodukte zu den fluorhaltigen Ewigkeitschemikalien (PFAS) gehören. Denn auch die produziert Bayer, etwa das Fungizid Fluopyram. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft forderte für mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) veränderte Pflanzen, an denen auch Bayer arbeitet, „einen Haftungsfonds, aus dem dann für Schäden bei Gesundheit, Umwelt oder wirtschaftlichen Schäden gezahlt wird, entsprechend des Verursacherprinzips“. [lf]

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Leiser Abschied vom Gentech-Weizen HB4

23. April 2025 - 15:06

Mitte Februar hatte Bioceres die Finanzergebnisse für die ersten beiden Quartale (bis 31.12.2024) seines Geschäftsjahres 2024/2025 vorgelegt. Es teilte dabei einen Umsatzrückgang von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit. Der Nettogewinn schrumpfte auf ein Viertel zusammen. Als Ursachen nannte das Unternehmen die Schwierigkeiten auf dem argentinischen Agrarmarkt und zurückgehende Verkäufe von HB4-Saatgut. Gleichzeitig teilte das Unternehmen mit, es wolle sich im Saatgutbereich darauf konzentrieren, patentierte Saatguteigenschaften bis zur Marktzulassung zu entwickeln. „Wir haben die strategische Entscheidung getroffen, uns aus der Züchtung, der Saatgutproduktion und dem Saatgutvertrieb zurückzuziehen und stattdessen Partnerschaften mit Branchenführern einzugehen, die für diese Aktivitäten besser strukturiert sind“, heißt es in der Mitteilung.

Konkret bedeutet das: Um die weitere Entwicklung der HB4-Saatguteigenschaft (ein Sonnenblumengen, das die Pflanzen widerstandsfähiger gegen Dürre machen soll) soll sich bei Weizen künftig Trigall Genetics kümmern. Die Firma ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Bioceres und dem französischen Saatgutkonzern Florimond Desprez. Bisher hatte sich Trigall in Argentinien und Australien auch in der konventionellen Weizenzucht engagiert. Diese Aktivitäten werden aufgegeben. Die HB4-Rechte für Weizen will Bioceres künftig über Lizenzen direkt an interessierte Partner weitergegeben. Das Unternehmen hatte HB4 auch in Sojabohnen eingekreuzt und dafür bereits 2013 das Gemeinschaftsunternehmen Verdeca zusammen mit dem US-Unternehmen Arcadia Bioscience gegründet. Nun soll der langjährigen Partner GDM Seeds, einer der größten Sojasaatguthändler Lateinamerikas, mit Verdecas Plattform von patentierten Soja-Eigenschaften weiterarbeiten – allerdings an anderen Eigenschaften als HB4. Denn die HB4-Sojabohne sei nie auf den Markt gebracht worden, da China, als größter Sojaabnehmer erst 2022 eine Zulassung dafür erteilte, schrieb das Landwirtschaftsmagazin Bichos de Campo. Dem Aktienkurs half die neue Strategie nicht weiter, er sank nach deren Ankündigung weiter. Binnen eines Jahres hat Bioceres, dessen Aktien an der US-Börse Nasdaq gelistet sind, drei Viertel seines Wertes eingebüßt.

Mit der Konzentration auf patentierte Saatguteigenschaften geht Bioceres einen Weg, den bereits die US-Unternehmen Calyxt (inzwischen Teil von Cibus) und Pairwise beschritten haben. Beide hatten, wie Bioceres, die Erfahrung gemacht, dass es relativ einfach ist, Pflanzeneigenschaften gentechnisch zu verändern. Viel schwieriger jedoch ist es, diese Pflanzeneigenschaften auch zu vermarkten. Denn dazu müssen sie in Hochleistungssorten eingekreuzt werden und die neuen gentechnisch veränderten Pflanzen in Feldversuchen beweisen, dass sie nicht nur im Labor entsprechende Erträge bringen. Zudem braucht es in wichtigen Exportländern Marktzulassungen, Vermarktungsstrukturen und die Akzeptanz der Verbraucher:innen.

Diese Akzeptanz fehlt auch in Lateinamerika. Mehrere Organisationen forderten das Unternehmen auf, seinen Gentech-Weizen ganz vom Markt zu nehmen. Die bereits erteilten Anbaugenehmigungen in Argentinien, Brasilien und Paraguay sollten widerrufen werden, verlangten sie. Denn diese Genehmigungen seien ohne öffentliche Konsultationsprozesse erfolgt und hätten Umweltrechte mißachtet. Denn HB4-Weizen ist gegen das Herbizid Glufosinat resistent, das in der EU wegen seiner Giftigkeit nicht mehr zugelassen ist. Die Organisationen prangerten auch an, dass es bis heute keine validierte öffentliche Messmethode gebe, mit der sich HB4-Verunreinigungen in der Lebensmittelkette nachweisen ließen, berichtete das Nachrichtenportal Tierra Viva. Zwar hätten große argentinische Unternehmen mitgeteilt, sie würden keinen HB4-Weizen einsetzen. Dennoch lande HB4-Weizen ohne Kennzeichnung in Bäckereien, Nudelfabriken und Pizzerien. 

Wieviel Weizen es ist, weiß übrigens niemand genau. Es gab in letzter Zeit weder von Bioceres noch von argentinischen Behörden Mitteilungen über Anbauflächen und Ernten. Für die Saison 2021/22 teilte das Landwirtschaftsministerium mit, HB4-Weizen sei auf 53.000 Hektar Fläche angebaut worden und der Ertrag habe ein Drittel unter dem argentinischen Durchschnittgelegen. Die Zeitung Buenos Aires Times zitierte im September 2024 aus einer Meldung der Finanzagentur Bloomberg Bioceres-Chef Federico Trucco mit den Worten, HB4 sei in der Saison 2023/24 auf mehreren Hunderttausend Hektar in Argentinien angebaut und von rund 20 Mühlen verarbeitet worden. Noch immer sind in Argentinien und Brasilien Klagen gegen HB4-Weizen anhängig, wie Tierra Viva berichtete. Am weitesten gediehen ist das Verfahren in Argentinien, wo der Oberste Gerichtshof der Weizenanbau-Provinz Buenos Aires entscheiden muss, ob die Zulassung des Weizens den Gesetzen entsprach. [lf]

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Südafrika: Motte resistent gegen Monsanto-Mais

16. April 2025 - 18:53

Die südafrikanischen Wissenschaftler:innen wurden tätig, nachdem es 2017 und 2023 in zwei Regionen Berichte über massiven Maiszünsler-Befall von MON 89034-Feldern gegeben hatte. Über mehrere Anbauperioden sammelten sie an neun Orten lebende Raupen des Maiszünslers: auf drei besonders geschädigten Feldern mit MON 89034 und auf sechs Feldern mit konventionellem Mais. Aus all diesen Raupen züchteten sie eine neue Generation der zu den Motten gehörenden Schmetterlingsart. So konnten sie sicher sein, dass es sich um eine Resistenz handelt, die vererbt wird. Die neue Raupengeneration fütterten sie mit den beiden Insektengiften, die MON 89034 produziert: die Bt-Toxine Cry1A.105 und Cry2Ab2. Dabei stellten sie fest, dass Cry1A.105 bei keiner der Raupenpopulationen noch eine große Wirkung entfaltete. Cry2Ab2 dagegen tötete die meisten Raupen ab, deren Eltern auf konventionellen Maisfeldern gesammelt wurden. Nur die Populationen, die von Raupen von Feldern mit dem gentechnisch veränderten Mais stammten, zeigten kaum Reaktionen: Zwischen 75 und 91 Prozent der Tiere überlebten.

Die Forschenden schlossen daraus, dass von den beiden Giften in MON 89034 nur eines noch wirkt – was das Risiko deutlich erhöht, dass bei weiteren Raupen Resistenzen entstehen. Deshalb sei es wichtig, die Bildung von Resistenzen zu überwachen und wirksame Maßnahmen für das Resistenzmanagement umzusetzen, heißt es in der Studie der Nord-West-Universität im südafrikanischen Potchefstroom. Dort steht auch, dass der Bayer-Konzern, der MON 89034 vertreibt, den betroffenen Landwirten empfahl, „geeignete Insektizide einzusetzen, um die Population zu kontrollieren und weitere Schäden zu verhindern“. Anders als versprochen werden also auch bei angeblich insektenresistentem Gentechnik-Mais wieder Insektizide benötigt.

Resistenzen gegen Bt-Mais sind in Südafrika nichts Neues. Das Land ließ bereits 1999 den gentechnisch veränderten Mais MON 810 zu, der das Bt-Toxin Cry1Ab produziert. Sieben Jahre später waren die ersten Schädlinge resistent dagegen. MON 89034 war die Antwort von Monsanto auf dieses Versagen. Statt nur eines Toxins produzierte die Pflanze zwei verschiedene. Die Hoffnung: Die Zielschädlinge werden nicht so schnell resistent. 2011 wurde MON 89034 in Südafrika zugelassen. Bereits sechs Jahre später, 2017, wurde die erste Resistenz gemeldet. Weitere folgten 2022. Auch in anderen Ländern, von den USA über Brasilien bis Indien, führte der Anbau von Bt-Pflanzen zu resistenten Schädlingen. Bisher reagierten Hersteller wie Bayer/Monsanto darauf, indem sie weitere Gene in die Pflanzen einbauten, die zusätzliche Bt-Toxine bilden sollten. Inzwischen gibt es solche als „Stacked Events“ bezeichnete Pflanzen, die bis zu sechs Bt-Toxine gleichzeitig produzieren. Doch längst existieren auch Schädlinge, die mehrere Bt-Toxine ohne große Probleme wegstecken.

Zum Glück gibt es auch Maispflanzen, die den afrikanischen Maiszünsler überleben. Forschende des internationalen Mais- und Weizenforschungszentrums Cymmit in Kenia stellten bereits 2016 konventionell gezüchtete, ertragreiche Maissorten vor, die gegen den Maiszünsler und Nachernte-Schädlinge wie den Maiskäfer resistent waren. Inzwischen forschen afrikanische Wissenschaftler:innen nach den genetischen Besonderheiten, die hinter solchen Resistenzen stehen. Solche Ergebnisse ermöglichen eine schnelle und gezielte Auslese in der Züchtung (Smart Breeding). Ein Team aus Nigeria sucht nach Sorten, die sowohl gegen den Maiszünsler als auch den Herbst-Heerwurm, einen weiteren wichtigen Maisschädling in Afrika, resistent sind.

Eine weitere Möglichkeit, den Maiszünsler zu bekämpfen, sind bestimmte als Push and Pull bezeichnete Anbaustrategien. Dabei werden direkt neben dem Mais Futterpflanzen wie Napier- oder Sudangras angebaut, die die Schmetterlinge des Maiszünslers anlocken, so dass diese ihre Eier dort ablegen und nicht im Mais. Gleichzeitig haben die Graspflanzen eigene Abwehrmechanismen, um mit den Larven fertig zu werden. Dadurch nimmt die Population auf Dauer ab. Zusätzlich pflanzen die Landwirt:innen zwischen den Maisreihen Desmodium, eine Leguminosenart, die den Maiszünsler abschreckt. Vergleichende Versuche kenianischer und britischer Forschenden zeigten schon vor zehn Jahren, dass mit dieser Methode der Schädlingsbefall deutlich geringer ausfiel und sich die Erträge mehr als verdoppelten – ganz ohne Gentechnik. Ugandische Wissenschaftler:innen bestätigten drei Jahre später, dass diese Art des Anbaus auch gegen den Herbst-Heerwurm hilft. [lf]

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60.000 Menschen verlangen Wahlfreiheit bei Gentechnik

7. April 2025 - 17:27

Die Postkartenaktion richtete sich gegen den Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung von Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT), der demnächst im Trilog verhandelt wird. Die 60.000 Unterzeichnenden verlangten für NGT-Pflanzen eine konsequente Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit, ein Zulassungsverfahren mit Risikoprüfung, sowie klare Haftungsregelungen und Maßnahmen, um die gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft zu schützen. Patente auf Saatgut, Pflanzen oder Tiere lehnten sie ab. „Eine unkontrollierte Freisetzung neuer Gentechnik hier in Europa bringt die Bio-Branche in große Bedrängnis. Im aktuellen Gesetzesvorschlag ist weder die Kennzeichnung noch die Rückverfolgbarkeit oder die Frage der Haftung geklärt, sagte Seraphine Wilhelm. Sie ist Geschäftsführerin des Allgäuer Bio-Herstellers Rapunzel, der die Aktion initiiert hatte.

Im Trilogverfahren, das voraussichtlich nach Ostern starten wird, müssen die EU-Mitgliedsstaaten, das Europaparlament und die EU-Kommission die endgültigen Formulierung im NGT-Verordnungsvorschlag festlegen. Dabei sind sich die EU-Kommission und die Mehrheit der Mitgliedsstaaten weitgehend einig. Das Europaparlament hingegen hatte in seiner im Februar 2024 verabschiedeten Stellungnahme in zwei Punkten mit knapper Mehrheit eine andere Position eingenommen. Die Abgeordneten wollen eine durchgehende Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von NGT entlang der gesamten Lebensmittelkette. Und sie wollen die Verordnung so ergänzen, dass Patente auf NGT-Pflanzen weitgehend ausgeschlossen sind.

Manfred Weber ist Vorsitzender der konservativen Parteienfamilie EVP im Europaparlament. Seine Fraktion stellt mit Jessica Polfjärd die federführende Unterhändlerin des Parlaments im NGT-Trilog. Die Forderung nach einer umfassenden Kennzeichnung kam gegen den Willen Polfjärds und der EVP in die Parlamentsposition. Aufgrund dieser Ablehnung befürchten die NGT-kritischen Fraktionen im Europaparlament, dass die EVP im Trilog die umfassende Kenzzeichnung zur Disposition stellt anstatt sie durchzusetzen. „Die konservative Verhandlungsführerin im Parlament muss den Willen der EU-Bürger respektieren und darf hier in den Verhandlungen mit Rat und Kommission keine Abstriche machen“, mahnte deshalb der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling. Am morgigen Dienstag wird der beim NGT-Thema federführende Umweltausschuss des Europaparlaments noch einmal die Position des Parlaments bestätigen und damit den Startschuss für den Trilog geben – üblicherweise eine Formalie, aber auch eine Gelegenheit, die Bedeutung der NGT-Kennzeichnung zu unterstreichen.

Die Gelegenheit, sich dazu zu äußern, hätte Manfred Weber letzten Donnerstag gehabt. Doch bei der Übergabe der gesammelten Postkarten in seinem niederbayerischen Wahlkreisbüro in Straubing am vergangenen Donnerstag fehlte der Politiker. „Trotz frühzeitiger Anmeldung des Termins und mehrfacher Kontaktaufnahme gab es keinerlei Stellungnahme oder Gesprächsbereitschaft“, teilte die Aktion Kein Freiflug für Gentechnik mit und wertete dies als „bedauerliches Signal“.

Das Schweigen des stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Manfred Weber ist erklärbar. Seine Partei ist in der Frage der NGT-Kennzeichnung offensichtlich gespalten. Im Februar 2024 stimmten die CSU-Abgeordneten im Europaparlament gegen eine Kennzeichnung, Weber selbst war bei der Abstimmung nicht anwesend. Vorletzte Woche auf der Agrarministerkonferenz hingegen fehlte Bayern bei den Bundesländern, die eine NGT-Kennzeichnung explizit ablehnten. Auf Nachfrage des Infodienstes erklärte die Pressestelle der bayerischen Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), die Ministerin begrüße ausdrücklich die Position des Europaparlaments im Hinblick auf den „Ausschluss der Patentierbarkeit“ und die „Kennzeichnungspflicht von Pflanzen und Erzeugnissen aller NGT-Kategorien“. Auch in anderen Punkten sei die Haltung der Ministerin klar: „Mit Blick auf die Agrarstrukturen vor Ort muss auch weiterhin den Mitgliedstaaten und Regionen ermöglicht werden, über den Anbau gentechnisch erzeugter Pflanzen selbst zu entscheiden“. Als weitere klare Haltung führte die Pressestelle auf: „In Bezug auf Verunreinigung mit NGT-Material, auch hinsichtlich des Patentrechts, ist eine Klärung der Haftungsfrage erforderlich“. Und weiter: „Es darf keinesfalls zu einer Ausweitung der Patentierung kommen, die Züchter und auch Landwirte einschränkt“.

Zusätzliche Bedeutung bekommen diese Festlegungen, weil Kaniber inzwischen als mögliche Bundeslandwirtschaftsministerin gehandelt wird. Die CSU hatte schon vor der Wahl dieses Ministerium für sich reklamiert, doch der vorgesehene Kandidat, Bayerns Bauernverbandspräsident Günther Felßner, hat zurückgezogen. Verteilt werden die Ministerposten allerdings erst, wenn der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD ausgehandelt ist. Dann wird sich zeigen, ob sich die Position der bayerischen Landwirtschaftsministerin zum Thema NGT in diesem Vertrag wiederfindet oder sich die CDU durchgesetzt hat, die eine NGT-Kennzeichnung ablehnt. Für Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bio-Spitzenverbands BÖLW, ist angesichts der unterschiedlichen Positionen klar: „Die Union und ihre Abgeordneten im Europaparlament müssen jetzt dringend klären, ob sie den Bürgerinnen und Bürgern gegen deren erklärten Willen Gentechnik-Produkte unterjubeln wollen.“ [lf]

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