60 Jahre Bundeswehr: Alter Zopf und neuer Zoff

1 Beitrag / 0 neu
Bild des Benutzers Helmut S. - ADMIN
Helmut S. - ADMIN
Offline
Verbunden: 21.09.2010 - 20:20
60 Jahre Bundeswehr: Alter Zopf und neuer Zoff
DruckversionPDF version

60 Jahre Bundeswehr


Alter Zopf und neuer Zoff


von Hannes Hohn


Der Zapfenstreich wurde als offizielle Zeremonie 1813 von Friedrich Wilhelm III. eingeführt. Schon immer hat sich der deutsche Imperialismus auf preußische Traditionen und „Tugenden“ berufen und sie gepflegt. Das war und ist nicht nur Ausdruck eines der zentralen Elemente bürgerlicher Ideologie und Politik - des Nationalismus -, es ist auch Ausdruck der Ästhetisierung, der Verschleierung und „Verschönerung“ von Politik.

Anlass für den am 11. November in Berlin stattfindenden Großen Zapfenstreich ist der 60. Jahrestag der Gründung der Bundeswehr sowie das 25. Jubiläum der „Armee der Einheit“, der Auflösung der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR und ihrer Übernahme in die BRD-Streitmächte. Neben dem zentralen Event in der Hauptstadt gibt es bundesweit viele weitere Veranstaltungen zur „Würdigung“ der Armee.


Deutscher Imperialismus macht mobil

Die Bundeswehr hat im Vergleich zu ihren Vorgängern, v.a. der Wehrmacht, ein eher „friedliches“ und „demokratisches“ Image. Kein Wunder, war doch der deutsche Imperialismus nach 1945 nicht genötigt oder lange auch nicht fähig, in „heißen“ Kriegen aktiv einzugreifen. Doch schon als NATO-Mitglied war Deutschland ein wichtiger Part der militärischen Präsenz des Imperialismus unter Führung der USA.

Mit der Wiedervereinigung und der bedeutenderen Rolle, die Deutschland nun in der Welt spielte, offenbarte sich sofort, dass die Bundeswehr keinesfalls nur eine Heilsarmee der besonderen Art ist, die nur in der Kaserne hockt. Die verstärkten imperialen Gelüste Deutschlands, die sich verbal in Formulierungen wie „Wir müssen mehr Verantwortung übernehmen“ oder „deutsche Interessen werden auch am Hindukusch verteidigt“ ausdrücken, hatten auch ganz praktische Konsequenzen. Die Bundeswehr übernimmt einen wichtigen Part bei imperialistischen Besatzungsregimen, etwa in Afghanistan oder im Kosovo. Dazu wird sie seit Jahren reformiert, um den Anforderungen von Auslandseinsätzen und den vermehrten Konflikten in und mit halbkolonialen Ländern der „Dritten Welt“ und damit verbundenen Bürgerkriegssituationen und des Freischärlerkriegs gerecht zu werden. Wie schwierig dieser Prozess mitunter ist, wird u.a. daran deutlich, dass man mit „Schleudersitz“ weniger den Sitz im Kampfjet meint als den Stuhl des Verteidigungsministers.

Alle aktuellen Interventionen werden mit Schlagworten wie „humanitärer Einsatz“, „Friedenssicherung“ oder „Aufbauhilfe“ legitimiert. Obwohl die imperialistische Präsenz in Afghanistan, im Kosovo oder am Horn von Afrika weit davon entfernt ist, irgendeinen Aufbau, Sicherheit oder Frieden zu bringen, sondern das Dilemma eher noch vertieft, hat diese Art von humanitärer Bemäntelung immerhin erreicht, dass ein relevanter Teil der antiimperialistischen und Antikriegsbewegung in Deutschland davon verwirrt wurde und deutlich an Schlagkraft (so sie diese jemals hatte) verloren hat.

Hier zeigt sich auch, wie leicht der Pazifismus auf solche Parolen hereinfällt. Diese Mobilmachung im Interesse der globalen Macht- und Profitambitionen Deutschlands drückt sich auch darin aus, dass die deutschen Rüstungsexporte trotz aller politischen Beteuerungen immer größere Ausmaße annehmen.

Es gibt allerdings einen historischen Unterschied in der Strategie, mit der der aktuelle deutsche Imperialismus seine Ziele durchzusetzen versucht. Nach zwei gescheiterten Versuchen 1914 und 1939, Europa unter die deutsche Fuchtel zu bringen, setzt man diesmal auf „Kooperation“. Deutschland will seine Ziele nun mittels eines europäischen imperialistischen Blocks unter seiner Führung, der EU, lösen. Das ist umso mehr nötig, als die Rolle und die Perspektive Deutschlands davon abhängen, inwieweit bzw. ob es sich gegen die imperialistischen Konkurrenten USA, Japan und China behaupten oder seine Position ausbauen kann. Da ist es zwar schön, wenn man Exportweltmeister ist, doch wenn man nicht auch militärisch den Zugriff auf Ressourcen und Märkte sichern und Konkurrenten verdrängen oder ausschalten kann, reicht das auf Dauer nicht aus.


Traditionen

Wenn am 11. November mit Glanz und Gloria militaristische Tradition zelebriert wird, können wir uns, so absurd das anmutet, sogar an eine andere preußische „Tradition“ erinnern. Der Alte Fritz war ein kriegerischer, aber „weltoffener“ Herrscher, der (wenn auch v.a. aus ökonomischen Gründen) immerhin viele tausende Wirtschaftsflüchtlinge und religiös Verfolgte, v.a. Juden und Hugenotten, in Preußen aufnahm - und sogar mit Privilegien ausstattete. Das alles kam der sozialen und kulturellen Entwicklung Deutschlands sehr zugute. Doch die Zeiten (und die Meinungen) haben sich geändert.

Es ist erst drei Jahre her, als die EU den Friedensnobelpreis erhalten hat. Inzwischen ist die Spaltung, ist die soziale Kluft in Europa tiefer als je seit 1945. Nicht zuletzt die Flüchtlingspolitik spaltet die EU, allerdings nicht in dem Sinne, dass manche Regierungen für Einwanderung und Integration und andere dagegen wären. Nein, es geht darum, wie man die lästigen Flüchtlinge fernhalten und die Probleme möglichst anderen aufhalsen kann.

Bleiben sollen allenfalls jene, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch als Arbeitskräfte „gebraucht“ werden können. Seit Jahren ersaufen im Mittelmeer jährlich Tausende. Regelmäßige sichere Fährverbindungen für Flüchtlinge gibt es nicht - stattdessen aber Kriegsschiffe: der humanitäre Imperialismus am Werk, auch der deutsche.


Imperialismus und Barbarei

Ein Blick auf den Zustand der Welt zeigt: fast im Monatstakt stürzt ein Land ins Chaos von Krieg und Bürgerkrieg, der Strom von Flüchtlingen wird immer größer. All das findet nicht nur trotz der „humanitären“ Bemühungen des Imperialismus statt; es ist oft genug gerade Folge seines Eingreifens. Rosa Luxemburgs Mahnung „Sozialismus oder Barbarei“ ist immer noch brandaktuell. Daher muss jeder Kampf für Humanität, Frieden, Fortschritt, Demokratie, Frauenbefreiung usw. auch ein Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus sein.
 

Statt Vertrauen in eine vermeintlich „neue Rolle Deutschlands“ zu hegen, müssen wir verstehen, dass es nur der alte Imperialismus in neuer Verkleidung und mit neuen Methoden ist.

  • Keine Person, keinen Cent für den Militarismus!
  • Für die Zerschlagung der Bundeswehr!
  • Gegen alle imperialistischen Aggressionen und Auslandseinsätze der Bundeswehr!
  • Für das Recht auf und die Unterstützung der Selbstverteidigung aller Unterdrückten und jedes anti-imperialistischen Kampfes!

Hannes Hohn, Neue Internationale 204, November 2015

__________________________________

Lesetipps: (bitte auch die 18 ganz unten angehängten s beachten!)

Nordatlantikvertrag: Acht Gründe für den Austritt Deutschlands aus der NATO - weiter

BUNDESWEHR AG: Die Rüstungsindustrie übernimmt von der Leyen - weiter

Bundeswehr zerrt Gauck vom Hocker: Feldjäger attackieren 70-jährigen Zivilisten - weiter.

 


 

Quelle: Gruppe Arbeitermacht - deutsche Sektion der Liga für die 5. Internationale > zum Artikel.

 

Bild- und Grafikquellen:

 

1. Wolfgang Blaschka (Friedens- und Menschenrechtsaktivist, freischaffender Grafiker, Autor und geschätzter Freund des Kritischen Netzwerks) beim Protest gegen die Okkupation des Marienplatzes durch die Bundeswehr für ein "Feierliches Gelöbnis" als Wehrpropaganda-Aktion in aller Öffentlichkeit ("Gelöbnix!") 2012.

2. Angela Merkel - "Wir kommen in Frieden". Grafikbearbeitung: Jan Müller / Borgdrone.de. Dieses Werk von borgdrone ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.

3. Gauckzitat: "Ich hab das Gefühl, daß unser Land eine Zurückhaltung, die in den vergangenen Jahrzehnten geboten war, vielleicht ablegen sollte." Manchmal kann auch der Einsatz von Soldaten erforderlich sein". Plakat fotografiert während "Friedenswinter 2014/2015, Berlin". Foto: © arbeiterfotografie.com.

4. Prostestlerin mit 2 Schildern "DU SOLLST NICHT TÖTEN" anlässlich eines BW-Beförderungsappells (443 Offiziersanwärter sollten zu Leutnants und Leutnants zur See ernannt werden) vor Schloss Nymphenburg im Westen Münchens im Stadtbezirk Neuhausen-Nymphenburg. im Juni 2015. Foto: © Günther Gerstenberg, IMGA0295. Die Bildrechte bleiben beim Fotograf, danke für die Freigabe zur Veröffentlichung im KN.

5. Deutschland muß endlich wieder mehr Krieg wagen. Bildbearbeitung:  Jan Müller / Borgdrone.de. Dieses Werk von borgdrone ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.
 

AnhangGröße
PDF Icon Neue Macht - Neue Verantwortung - Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch - Ein Papier der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP und des German Marshall Fund of the United States.pdf258.55 KB
PDF Icon Wiederkehr der Hasardeure - Schattenstrategen, Kriegstreiber, stille Profiteure 1914 und heute - von Wolfgang Effenberger, Willy Wimmer - Inhaltsverzeichnis.pdf215.97 KB
PDF Icon Munich Security Report 2015 - Collapsing Order _ Reluctant Guardians - Published on the Occasion of the MSC 2015 - 72 pages.pdf7.52 MB
PDF Icon Afrikapolitische Leitlinien der Bundesregierung - Auswärtiges Amt - Berlin 2014 - 17 Seiten.pdf345.42 KB
PDF Icon Rüstungsexportbericht 2014 - Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter - BMWI - Stand Mai 2015.pdf890.3 KB
PDF Icon GKKE_Rüstungsexportbericht_2014.pdf980.86 KB
PDF Icon Rüstungsexportbericht 2013 - Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter - BMWI - Stand Mai 2014.pdf2.27 MB
PDF Icon Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für 2013 - Kurzauswertung - wichtigste Fakten und Tabellen - Jan van Aken - MdB DIE LINKE. - 11_06_14.pdf332.99 KB
PDF Icon GKKE_Rüstungsexportbericht_2013.pdf926.69 KB
PDF Icon Rüstungsexportbericht 2012 - Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter - BMWI - Stand Oktober 2013.pdf1.97 MB
PDF Icon GKKE_Rüstungsexportbericht_2012.pdf717.72 KB
PDF Icon Rüstungsexportbericht 2011 - Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter - BMWI - Stand September 2012.pdf1 MB
PDF Icon GKKE_Rüstungsexportbericht_2011.pdf773.96 KB
PDF Icon Kriegswaffen - Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen - Erläuterungen zur Kriegswaffenliste.pdf45.99 KB
PDF Icon Kriegswaffenkontrollgesetz - KrWaffKontrG - Das Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes - Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen.pdf100.44 KB
PDF Icon Verteidigungspolitische Richtlinien 2011 - Bundesministerium der Verteidigung - 39 Seiten.pdf1.97 MB
PDF Icon Untersuchungsbericht zum Close Air Support KUNDUZ vom 04.09.2009 – Nur für den Dienstgebrauch – Nur Deutschen zur Kenntnis.pdf3.75 MB
PDF Icon UN-Definition der Aggression – Resolution 3314.pdf32.71 KB