AfD: Partei vor der Spaltung?
von Hannes Hohn
Nachdem die Alternative für Deutschland (AfD) in mehrere Landesparlamente eingezogen war, befürchteten Viele, dass sich damit eine neue starke Rechte formiert hätte. Nun folgt dem Aufschwung jedoch jähe Ernüchterung.
Ursprünglich war die AfD von ihren Initiatoren Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel als eine Partei konzipiert, die bürgerlich-konservative Kräfte, v.a. auch aus der CDU, sammeln sollte. Ihr zentraler Programmpunkt war eine „Alternative“ zu Merkels Europa-Politik. Die AfD artikuliert v.a. die Interessen der Klein- und Mittelbourgeoisie, die nicht so wie das große Exportkapital von Merkels Euro-Crash-Kurs profitiert und eher fürchtet, in den Strudel der Euro-Schulden-Krise zu geraten.
Doch die konservativ-nationalistische Ausrichtung rief auch andere Kräfte auf den Plan. Die verbreitete Unzufriedenheit mit der „etablierten Politik“ und die Angst vor einem erneuten Kriseneinbruch brachten viele „Wutbürger“ dazu, AfD zu wählen. Vor allem in Ostdeutschland, wo die soziale Lage immer noch schlechter ist als im Westen, traf die AfD einen Nerv. Dazu kam die PEGIDA-Bewegung mit ihrer Mischung aus sozialem Frust, Empörung über die „Lügenmedien“, Enttäuschung über die „Demokratie“, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und nicht zuletzt auch faschistischen Kräften. Sie wurde zur Herausforderung für die AfD.
Einerseits wurde PEGIDA als “natürlicher Bündnispartner“ gesehen, v.a. in den östlichen Landesverbänden und deren Führungsfiguren Alexander Gauland und Frauke Petry. Andererseits sahen die AfD-Initiatioren Lucke und Henkel, die für einen wirtschaftsliberalen Kurs stehen, PEGIDA zwar als nützliche Wahlvolk-Idioten, jedoch lehnen sie deren zu rechtslastige Orientierung ab. Das hat jedoch weniger damit zu tun, dass Lucke und Co. zu „links-liberal“ wären, als damit, dass zu viel Nationalismus und zu offene Fremdenfeindlichkeit nicht den „seriösen“ Intentionen und wirtschaftlichen Bedürfnissen der Bourgeoisie entsprechen. Diese sagt nämlich grundsätzlich durchaus Ja zu Europa und Euro. Und sie will auch Einwanderung - doch bitte nur „geregelt“. Billige Fachkräfte, die gebraucht werden, ja - alle anderen sollen „draußen“ bleiben.
► Zauberlehrling
Dem Lucke-Flügel geht es nun so wie dem Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr los wird.
Der schon länger schwelende Konflikt zwischen den zwei AfD-Flügeln ist endgültig eskaliert. Lucke und Henkel haben mit ihrer Initiative „Weckruf 2015“ nun den Fehdehandschuh geworfen. Sie wollen so ihre Klientel sammeln und mobilisieren, um entweder in der AfD klar die Richtung zu bestimmen oder aber eine neue Partei zu gründen. Die Lage für die AfD wird zusätzlich noch dadurch kritisch, dass die FDP als traditionelle „liberale“ Kraft sich wieder berappelt und der AfD Konkurrenz machen wird. Das Überspringen der 5%-Hürde bei der nächsten Bundestagswahl wird dadurch noch schwerer.
Wie der Flügelkampf in der AfD ausgeht, ist noch offen. Die Probleme der AfD verweisen aber darauf, wie schwer es ist, in Deutschland eine konservative Kraft rechts von der Union aufzubauen. Es könnte sein, dass die AfD letztlich genauso im politischen Abseits endet wie einst die REPs, die Schill-Partei u.a. Projekte. Das wäre zwar durchaus erfreulich, sollte aber nicht den Blick dafür verstellen, dass es ein relativ großes rechts-konservatives bis rassistisch-faschistisches Potential gibt, das sich wieder neu formieren könnte.
Momentan ist die wirtschaftliche, soziale und politische Lage in Deutschland nicht so, dass „radikalere“ Kräfte im Aufwind wären. Die Union behauptet ihre starke Position, v.a. auch wegen der Politik der SPD, die jede Art von Alternative oder gar Mobilisierung vermissen lässt.
Durch Deutschland trottet eine politische Karawane: vorneweg das große Exportkapital, dahinter die CDU, gefolgt von der SPD, dahinter die LINKE als Anhängsel der SPD und hinter Gysi das Gros der radikalen Linken. [Anm. Admin: sic! Gerade Gysi fährt doch einen reformistischen Mainstream-Kuschelkurs mit der SPD!]
Das Problem dieser Konstellation ist, dass dann, wenn die allgemeine Krise auch auf Deutschland wieder stärker zurückschlägt und die politische Landschaft in Bewegung gerät, eine linke, klassenkämpferische Alternative fehlt. Dann könnten sich aus der AfD oder deren Resten auch Gruppierungen und Bewegungen entwickeln, die nicht nur parlamentarische Hürden überspringen sondern auch zu einer bundesweiten, organisierten Gefahr für die Arbeiterbewegung, für Linke und MigrantInnen werden könnten.
Hannes Hohn, Infomail 822, 31. Mai 2015
► Quelle: Gruppe Arbeitermacht - deutsche Sektion der Liga für die 5. Internationale > zum Artikel
► Bild- und Grafikquellen:
1. MAD - das neue populistische Magazin der AfD. Titelstory: Lucke und der Mut zur Lücke. Coverentwurf: Jan Müller / Borgdrone.de. Dieses Werk von borgdrone ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.
2. ALTERATIVE OH WEH - DIE AfD! Grafikbearbeitung: Wolfgang. van de Rydt, Betreiber der Seite http://opposition24.de/ .
3. Wolfgang Schäuble (CDU) und die AfD. Karikatur gezeichnet vom Stuttgarter Karikaturisten Kostas Koufogiorgos. Kostas Koufogiorgos wurde 1972 in Arta, Griechenland geboren, studierte nach dem Abitur 1989 Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Athen und begann zeitgleich als Karikaturist für verschiedenen Zeitungen und Magazine zu arbeiten. Seine ersten Arbeiten wurden im Magazin ODIGITIS veröffentlicht. Bis heute hat Kostas Koufogiorgos für zahlreiche politische- und Wirtschaftszeitungen sowie für über 20 Μagazine in Griechenland gearbeitet. Daneben hat er Bücher, Werbeanzeigen und Poster illustriert. - zu seiner Webseite.