Amerikas Schwimmbecken in Bagdad vor Fanatikern schützen

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Amerikas Schwimmbecken in Bagdad vor Fanatikern schützen
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Amerikas Schwimmbecken in Bagdad vor Fanatikern schützen


von William Pfaff


Die Marines – 250 Mann, zusammen mit Luftunterstützung vom Flugzeugträger und Ospreys des Marinecorps - wurden geschickt, um die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, „die größte der Welt,“ „so groß wie der Vatikan,“ mit ihren Schwimmbecken und Eislaufplätzen, gegen die drohende Gefahr der Offensive zu sichern, die von den Streitkräften des Islamischen Staates von Irak und Syrien gegen Bagdad gerichtet ist – dem neuen Islamischen Kalifat, das von dem streng religiösen sunnitischen Gegen-Kreuzzug angestrebt wird.

ISIS
hat bereits Mosul eingenommen und einen großen Teil des nordöstlichen Irak und hat jetzt die Stadt Samarra mit dem Heiligen Schrein und Bagdad selbst zum Ziel. Einige von uns, die die Ankündigung und ehrgeizigen Bestrebungen dieser Botschaft mitverfolgt haben, als sie errichtet wurde, machten sich damals schon Gedanken, dass sie letztendlich enden würde als das Kapitol dieses muslimischen Kalifates, das die ISIS-Fanatiker jetzt ausgerufen und das sich in Washington nur die Paranoiker vorgestellt hatten.

Die Botschaft in Bagdad sollte das Statthalter-Hauptquartier eines amerikanisch-israelisch erdachten neuen westlichen Imperiums werden, das im Juni 2006 gemeinsam von der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice und dem israelischen Premierminister Ehud Olmert in Israel angekündigt wurde.

Ihre Ankündigung fiel zeitlich zusammen mit einem israelischen Angriff auf den Libanon, der als westlicher Mittelmeer-Zugang des „Neuen Mittleren Ostens“ vorgesehen war, der, wie die beiden Regierungsvertreter ankündigten, von Syrien und Libanon am Mittelmeer über einen föderalistischen aus sunnitischen, schiitischen und kurdischen Kleinstaaten bestehenden Irak durch einen eroberten Iran in Zentralasien bis zu einem „Freien Belutschistan,“ einem NATOisierten Afghanistan und einem verbündeten Pakisten reichen sollte, bis zum Zugang zum Himalaya und darüber hinaus, bis zum aufgehenden Gegen-Reich der Chinesen.

Ach, was für eine Glückseligkeit bedeutete es, in dieser Aufbruchsstimmung zu leben und jung und neokonservativ zu sein in Bush Juniors Washington und im Arabien erobernden Tel Aviv (der Juniangriff auf den Libanon erwies sich als der eine, der unerwartet von Hezbollah zurückgeschlagen wurde). Ich erinnere mich noch an eine Einladung in diesem Winter zu einem festlichen Treffen der NATO-Staaten in Brüssel, zu einer Pressekonferenz, um mehr zu erfahren und diese neuen geopolitischen Aussichten zu feiern, die den kollektiven Denkanstrengungen der visionären Intellektuellen entsprungen waren, die Präsident George W. Bush den Eroberer umgaben.

Heute streiten im desillusionierten Washington Republikaner und Demokraten darüber, wie der Irak verteidigt werden soll, wenn nicht durch mehr „Stiefel auf dem Boden,“ wie sie gerne sagen, als das Marinecorps zur Verfügung stellt? Aber können Operationen aus der Luft ohne Beobachter auf der Erde wirklich effektiv sein? Und ein zerstreuter Haufen sich schnell bewegender einzelner irregulärer Kämpfer bietet keine leichten Ziele.

Was die Amerikaner betrifft, die unter den ersten Zielen dieser ISIS-Irregulären sind, so scheint es, dass, als die Vereinigten Staaten von Amerika ihre „Kampfkräfte“ aus dem Irak auf Verlangen des Irak abzogen, nicht alle unter diese Definition fielen. Es wird berichtet, dass rund 5.000 Leute in der monumentalen Botschaft arbeiten, und es gibt Berichte, dass eine Gruppe von 500 Kontraktoren von Lockheed-Martin in der Luftwaffenbasis Balal gearbeitet hat, und man nimmt auch an, dass amerikanische Missionen der einen oder anderen Natur anderswo im Irak noch immer aktiv sind. Es wird berichtet, dass einige Amerikaner bereits auf dem Weg nach Jordanien und Kuwait sind.

Der zweite bevorstehende politische Konflikt ist einer, der zur Zeit Amerikas europäische Alliierte (plus die israelische Regierung) fasziniert. Es geht darum, wie die Vereinigten Staaten von Amerika mit der Tatsache umgehen werden, dass ihr Interesse im Irak sich jetzt mit dem Interesse des Iran deckt – beide wollen die schiitische Regierung des unbesonnenen Premierministers Nuri al-Maliki retten, wobei der Iran zudem die Zerstörung des verehrten schiitischen Heiligtums des Schreins von Samarra verhindern will.

Ich sage, dass das die europäischen Alliierten interessiert, weil diese nie die fanatische Feindseligkeit der amerikanischen Regierung und eines großen Teils der amerikanischen politischen Klasse gegenüber dem Iran und seinem Volk akzeptiert oder gar ensthaft gutgeheißen haben. Sie verstehen natürlich, dass es sehr demütigend ist, wenn die Bediensteten einer Botschaft in einem anderen Land von Studenten (mit der schweigenden Zustimmung der revolutionären Regierung in diesem Land) gefangen genommen und 444 Tage lang gefangen gehalten werden – ausreichend Zeit, um sich ausführlich mit dem Material über die Voraussetzungen dafür zu beschäftigen und es zu veröffentlichen – und darüber hinaus ein ungeschicktes Rettungsmanöver verbockt wird. (Wir haben doch nichts getan als nur einfach ihren diktatorischen Schah zu unterstützen.)

Und natürlich versteht jeder im diplomatischen Gewerbe den ständig anhaltenden Druck, dem Washington seitens Israels und dessen Freunden ausgesetzt ist, die den Iran fürchten und ihn als das einzige weitere ernsthaft bedeutende Land in der Region zerstören wollen. Jedenfalls – sein Land von jeder ernsthaften Beziehung mit einem der größeren und bedeutenderen nicht-westlichen Länder der Welt, obendrein einem großen Erdölproduzenten abzuschneiden, scheint ein absurder Fall zu sein von sich ins eigene Fleisch schneiden. Das ist sogar noch schlimmer als Washingtons kindische schon ein halbes Jahrhundert dauernde schikanöse Verfolgung Kubas. Werdet erwachsen, sagen die Europäer.

Sollte aber Washington im Rahmen der Irakkrise in irgendeiner ernsthaften Weise mit dem, was objektiv gesehen sein strategischer Partner in der Region ist, nämlich dem Iran zusammenarbeiten, wäre das aus Israels Sicht ein verhängnisvoller „Wechsel von Allianzen,“ und wenn auch die Regierung Israels wenig dazu sagte (ihre Unterstützer in den Vereinigten Staaten von Amerika hatten eine Menge dazu zu sagen!), würde die israelische Rechte und ein großer Teil von Israels politischer Klasse die Vereinigten Staaten von Amerika als zweifelhaften und gefährlichen falschen Freund beurteilen. Israel würde in noch tiefere Paranoia gestürzt als die, in der es sich bereits befindet. In diesem Fall könnte es ein sehr gefährlicher Staat werden – für den Iran, oder sogar für die Vereinigten Staaten von Amerika.

William Pfaff



Quelle: erschienen am 17. Juni 2014 auf > truthdig > Artikel > William Pfaff's Webseite

Informationen über William Pfaff:


William Pfaff is a globally respected political commentator and author on international relations, contemporary history and U.S. policy. He is published in five countries and his column is syndicated by Tribune Media Services.

Pfaff’s sometimes controversial opinions on international law, long-term U.S. policies and American foreign relations are noted for their deep concern with the influence of history on today’s affairs and their attention to the moral complexities of international politics and action.

Pfaff’s column studies European, Middle Eastern, Asian and American concerns through a prism influenced by the experiences of an American living abroad. He is regularly published in newspapers in Europe, the Middle and Far East, Latin America and the United States.

Pfaff is the author of eight books, including “The Wrath of Nations” (Simon and Schuster, 1993) and “Barbarian Sentiments: America in the New Century” (Hill and Wang, 2000). His latest book is “Fear, Anger and Failure: A Chronicle of the Bush Administration’s War Against Terror from the Attacks of September 11, 2001 to Defeat in Baghdad” (Algora Publishing, 2004). It offers a collection of his columns on the war on terror, from September 11th until December 2003, when the U.S. policy emphasis shifted from Iraq’s reconstruction to American withdrawal. The book has been praised by Russell Baker of The New York Times as “page after page in article after article {Pfaff was writing} what should have been said week after week as Bush’s cheery civilian warriors marched us into the Middle East. Really splendid work.”

Pfaff has contributed many political essays to The New Yorker magazine. In Europe, his articles have appeared in Commentaire (Paris), Lettre Internationale (Berlin), Politique Exterior (Madrid), Europaische Rundschau (Vienna), Moderna Tider (Stockholm), Forum (Munich), Die Zeit (Hamburg). In the United States he is published in the New York Review of Books, Foreign Affairs, World Policy Journal, and The National Interest, among other magazines. Pfaff is the former deputy director of Hudson Research Europe, the European affiliate of the well-known American policy research institute.

Pfaff is a graduate of the University of Notre Dame. He is based in Paris.

 

Die Weiterverbreitung dieses Textes ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der Webadresse www.antikrieg.com nicht zu vergessen! Die deutsche Übersetzung wurde dort freundlicherweise von Klaus Madersbacher / A zur Verfügung gestellt.

Bild- und Grafikquellen:

1. Osprey-class coastal mine hunter USS Black Hawk (MHC-58). Foto: Lt. Herlinda K. Rojas. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Bild ist das Werk eines Seemanns oder Angestellten der U.S. Navy, das im Verlauf seiner offiziellen Arbeit erstellt wurde. Als ein Werk der Regierung der Vereinigten Staaten ist diese Datei gemeinfrei.

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