Amokfahrt in Nizza: Terror auf allen Kanälen

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Ulrich Gellermann
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Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
Amokfahrt in Nizza: Terror auf allen Kanälen
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Amokfahrt in Nizza

Terror auf allen Kanälen

Amokfahrt-Freiheit-Gleichheit-Bruederlichkeit-Liberte-Egalite-Fraternite-Kritisches-Netzwerk-Frankreich-brutalite-policiere-Buergerbekaempfung-violence-policiere-NizzaVon einem "Angriff auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" wußte der französische Botschafter in Deutschland, Philippe Étienne, sofort zu erzählen. Aus der fernen Mongolei meldete sich die Terror-Expertin Angela Merkel mit der hochtönenden Botschaft, dass sie im Kampf gegen den Terrorismus fest an der Seite Frankreichs stünde. Der sonderbare Jean-Claude Juncker, der sich nicht nur gut im Steuerrecht auskennt, sondern auch schon mal Botschaften von Außerirdischen empfängt, sprach in einer Erklärung von einem "Terrorakt", den er scharf verurteile. Und Bundespräsident Joachim Gauck, der Mann, der jede Herausforderung annimmt, wenn er nur nicht selbst in den Kampf ziehen muss, blähte sich auf und wusste ganz genau: "Ein Angriff auf Frankreich ist deshalb ein Angriff auf die gesamte freie Welt“.

Zu dem Zeitpunkt, als alle alles wußten, war nichts, aber auch gar nichts klar, außer: Ein Mann aus Tunesien, der in Nizza lebte, ist mit einem LKW in die feiernde Menschenmenge auf der „Promenade des Anglais" in Nizza gefahren und hat nicht zu ermessendes Leid angerichtet. Die britische Premierministerin Theresa May, kaum im Amt und mit dem üblichen Regierungsverstand begabt, rief, wen auch immer, auf: „Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, diese brutalen Mörder zu besiegen, die unsere Art zu leben zerstören wollen“.

Plural? Welche Mörder ausser dem Attentäter Mohamed Lahouaiej-Bouhlel kennt sie denn im konkreten Fall? Prätentiös musste der französische Präsident erklären, Frankreich habe es mit einem Gegner zu tun, der allen Ländern den Krieg erklärt habe, deren größter Wert die Freiheit ist. Scheinbar kannte er den Täter. Ob er mit ihm schon mal telefoniert hat? Sahra Wagenknecht von der Linkspartei sagte in eine Kamera, der Anschlag in Nizza sei ein Anschlag auf unsere Freiheit.


Selbst wenn der Anschlag politisch motiviert gewesen sein sollte: Welcher Freiheit konnte er gegolten haben?

  • Der Freiheit der westlichen Wertegemeinschaft, überall in der Welt Krieg zu führen, wenn es dem Profit, der Rohstoffgier oder dem geostrategischen Kalkül gerade passt?
  • Der Freiheit, die brutale Unterdrückung durch den Markt in jeden Winkel der Erde zu tragen?
  • Unsere Werte, unsere Art zu leben habe der Mann mit dem LKW zerstören wollen?
  • Die Art der westlichen Industrieländer, auf Kosten der dritten Welt zu leben?
  • Oder jene Werte, die immer mehr Menschen in Armut stösst und einen kleinen, anscheinend wertvolleren Teil der Menschheit unvorstellbar reich und mächtig macht?

Der Attentäter von Nizza war nach Aussage seines Vaters als Jugendlicher wegen psychischer Probleme in ärztlicher Behandlung. Mohamed Lahouaiej-Bouhlel hatte demnach zwischen 2002 und 2004 auch einen Nervenzusammenbruch erlitten. "Er wurde cholerisch, er schrie, schlug alles kaputt, was er fand", sagte der Vater Mohamed Mondher Lahouaiej-Bouhlel an seinem Wohnort im Osten Tunesiens. Ein Arzt habe dem Anfang 1985 geborenen Sohn damals Medikamente verschrieben. Die Familie habe mit dem Sohn kaum noch Kontakt gehabt, nachdem dieser nach Frankreich gegangen war. Das Datum des Wegzugs vermochte der Vater nicht zu nennen. Er versicherte aber, dass sein Sohn nicht religiös gewesen sei. "Er betete nicht, er fastete nicht, er trank Alkohol und nahm sogar Drogen", sagte der Vater. "Auch wir sind schockiert“. (Zitiert von der Webseite des Senders „n-tv“).

Alles was bisher bekannt ist, deutet auf eine Amokfahrt eines geistig verwirrten Menschen. Ich kann und will keinen politischen Hintergrund ausschließen. Was ich ausschließen will, ist der bedingte Reflex, der jeden Araber zum Terroristen erklärt.

Der „Krieg gegen den Terror“ ist längst selbst zum Meinungs-Terror geworden, mit dem die Überwachung der Bevölkerung zum einen und die terroristischen Kriege in Afghanistan, im Irak, in Syrien, in Libyen und anderswo zum anderen gerechtfertigt werden. Die öffentlichen Pawloschen Reflexe nach der Amokfahrt in Nizza sind Ausdruck genau dieses Meinungsterrors.

Ulrich Gellermann, Berlin


 Quelle: RATIONALGALERIE > Artikel vom 16. 07.2016.

Bild- und Grafikquellen:

1. Die Parole Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (französisch Liberté, Égalité, Fraternité) ist der Wahlspruch der heutigen Französischen Republik und der Republik Haiti. Unter Napoleon III. wurde Liberté, Égalité, Fraternité über 50 Jahre nach der Französischen Revolution zu deren Parole erklärt. Nachdem sie mehrmals in Frage gestellt worden war, setzte sie sich nach 1871 unter der Dritten Republik durch. Man verankerte sie in der Verfassung der Fünften Republik von 1958. Heute ist sie Teil des nationalen Erbes Frankreichs und praktisch an jedem Rathaus sowie anderen öffentlichen Gebäuden zu finden.

Urheber: Jef-Infojef. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported lizenziert. Bildidee: Helmut Schnug. Bildbearbeitung: Wika / QPress.de.

2. François Gérard Georges Nicolas Hollande (* 12. August 1954 in Rouen, Seine-Maritime) ist Politiker der Sozialistischen Partei (PS) und seit dem 15. Mai 2012 der 24. Staatspräsident der Französischen Republik. Wer einen Brandherd (IS-Terror-Miliz in Syrien) seit vielen Monaten mit Staatsterrorismus bekämpfen will und dabei den einst souveränen Staat in Schutt und Asche bombt, braucht sich nicht wundern, wenn hunderttausende Flüchtlinge das Land verlassen. Auch wenn die abscheulichen Terror-Anschläge in Paris mit nichts zu rechtfertigen sind, sind sie doch auch ein Hinweis auf den Zustand dr französischen Innen- und der imperialistischen Außenpolitik. Die abscheuliche Tat des Amokfahrer von Nizza dürfte durch einen psychisch-gestörten Einzeltäter begangen worden sein.   

Karikatur von Carlos Latuff, einem "Politischen Karikaturist", geboren November 1968 in Rio de Janeiro, Brazil. Seine Bilder versteht er als „antikapitalistisch, antiimperialistisch“ und als Unterstützung der Menschenrechte. Seine politischen Karikaturen thematisieren häufig den Nahostkonflikt mit antizionistischer Ausrichtung. Carlos Latuff (eigentlich Carlos Henrique Latuff de Souza) gewährt jedem das bedingungslose Recht, seine Werke für jedweden Zweck zu nutzen, inklusive uneingeschränkter Weiterveröffentlichung, kommerziellem Gebrauch und Modifizierung, zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich. Sein Blog > latuffcartoons.wordpress.com > zu dieser Karikatur.

3. "ICH HABE WENIGER ANGST VOR ZUKÜNFTIGEM TERROR ALS VOR ZUKÜNFTIGEN ANTI-TERROR-MASSNAHMEN." Grafik gefunden auf der Facebook-Seite von Digitale Überwachung.