Berlins Griechenland-Politik verschärft Spannungen in Europa

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Berlins Griechenland-Politik verschärft Spannungen in Europa
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Berlins Griechenland-Politik verschärft Spannungen in Europa

von Alex Lantier

Beim Treffen der europäischen Regierungschefs am Sonntag, auf dem es über neue verheerende Sparmaßnahmen für Griechenland und den möglichen Austritt des Landes aus dem Euro ging, traten die Konflikte zwischen den europäischen Großmächten offen zutage.

Deutschland trat am aggressivsten auf, um Griechenland die härtesten Bedingungen zu diktieren. Einige der Vorschläge laufen darauf hinaus, Griechenland praktisch auf den Status einer Halbkolonie zu degradieren. Berlin versuchte nicht nur, Griechenland unter Androhung des Ausschlusses aus der Eurozone in die Knie zu zwingen, sondern auch, die anderen großen Eurostaaten wie Frankreich und Italien auf seine Linie zu bringen.
 

Der italienische Premierminister Matteo Renzi erklärte zu Beginn der Verhandlungen, Italien lehne weitere Forderungen an Griechenland unter Androhung des Ausschlusses aus der Eurozone (Grexit) ab. Er betonte, die Eurozone akzeptiere die Sparvorschläge des griechischen Premierministers Alexis Tsipras in Höhe von dreizehn Milliarden Euro, die von französischen und griechischen Staatsvertretern ausgearbeitet worden waren. Damit setzte sich Tsipras über den Willen der griechischen Bevölkerung hinweg, die am 5. Juli bei einem Referendum über den Sparkurs der EU mit deutlicher Mehrheit mit „Nein“ gestimmt hatte.

„Italien will keinen Austritt Griechenlands aus dem Euro, und in Richtung Deutschland sage ich: Genug ist genug“, sagte Renzi laute der Zeitung Il Messaggero. „Jetzt, wo Tsipras Vorschläge gemacht hat, die den europäischen Forderungen entsprechen, müssen wir uns ganz einfach einigen. Einen europäischen Partner noch weiter zu erniedrigen, nachdem Griechenland in allen Punkten nachgegeben hat, ist undenkbar.“

Zuvor hatte der französische Premierminister Manuel Valls in einer Rede vor der französischen Nationalversammlung erklärt, Frankreich werde einen Grexit nicht akzeptieren. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn warnte in der Süddeutschen Zeitung, ein Grexit „wäre fatal für den Ruf Deutschlands in der EU und der Welt“. Er erklärte: „Wenn Deutschland es auf einen Grexit anlegt, provoziert es einen tiefgreifenden Konflikt mit Frankreich. Das wäre eine Katastrophe für Europa... Die Verantwortung Deutschlands ist riesig. Es geht jetzt darum, nicht die Gespenster der Vergangenheit heraufzubeschwören.“


Asselborns kaum verhohlene Anspielung auf die Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts zeigt die außergewöhnliche Schärfe der wirtschaftlichen und militärischen Spannungen in Europa, deren Wurzeln tief in der Geschichte des europäischen Kapitalismus liegen. Im Zweiten Weltkrieg hatte Deutschland, mit Unterstützung durch lokale faschistische Regimes, Griechenland, Frankreich und große Teile von Italien besetzt.

Berlins unnachgiebige Haltung zeigt, welche Konsequenzen Deutschlands Vormachtstellung in Europa seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 mit sich bringt. Führende deutsche Akademiker und Politiker fordern, dass Deutschland seine Macht nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch durchsetzt. Anfang 2014 verkündete Deutschland offen das Ende der militärischen Zurückhaltung und begann in diesem Jahr mit einem Wiederaufrüstungsprogramm im Wert von mehreren Milliarden Euro.

Ein Memorandum von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der treibenden Kraft hinter der Drohung mit dem Grexit, gab den Ton für die Diskussion am Sonntag vor. Es forderte Rentenkürzungen und Mehrwertsteuererhöhungen, Privatisierungen und Liberalisierungsmaßnahmen, die weit über Tsipras' Sparpaket im Wert von dreizehn Milliarden Euro hinausgehen. Er drohte außerdem mit einem „befristeten“ Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone und forderte Griechenland auf, der Institution für Wachstum in Luxemburg Staatsvermögen im Wert von 50 Milliarden Euro zur Verwaltung und zum Verkauf auszuhändigen.

Laut einem Bericht der griechischen Zeitung Press Project ist die Institution für Wachstum eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der in Frankfurt ansässigen Entwicklungsbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau), die unter der Rechtsaufsicht des Bundesfinanzministeriums (BMF) steht. Als Vorsitzender des Verwaltungsrats der KfW soll Schäuble die Institution zusammen mit dem damaligen griechischen Premierminister Antonis Samaras bereits 2013 gegründet haben.

Schäubles Vorschläge wurden in den Entwurf eines vierseitigen Verhandlungspapiers einbezogen, das von den Staaten der Eurozone ausgearbeitet wurde. Tsipras akzeptierte diese Forderungen als Grundlage für Verhandlungen, die bis Montagvormittag andauerten.

Während sich Schäuble und die deutsche Regierung weitgehend durchgesetzt haben, sind die Einwände von Italien und Frankreich offenbar nicht ganz folgenlos geblieben. Bei den Verhandlungen zwischen Merkel, Tsipras, Hollande und dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk wurde ein Grexit zumindest kurzfristig ausgeschlossen.

Mit den Verhandlungen in Brüssel hat sich Griechenland zum Epizentrum einer schweren Krise des europäischen und internationalen Kapitalismus entwickelt. Bereits der Beginn der griechischen Schuldenkrise im Jahr 2010 hatte scharfe Gegensätze in Europa offen gelegt. Damals stimmte Bundeskanzlerin Angela Merkel einer Rettung Griechenlands durch die EU erst nach langen Diskussionen zu, in denen der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy mit dem Austritt Frankreichs aus dem Euro gedroht und davor gewarnt hatte, dass dies die französisch-deutschen Beziehungen schwer belasten würde.

Der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, hatte erklärt, Europa stehe vor der „schwierigsten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg, vielleicht vor der schwierigsten seit dem Ersten Weltkrieg.“

Merkel hatte sich ihrerseits gegen Sarkozys Pläne zur Gründung einer Mittelmeer-Union mit Frankreich und den südeuropäischen Ländern ausgesprochen. Sie warnte davor, dass eine Polarisierung zwischen Südeuropa und einem nordosteuropäischen Block, dem Deutschland angehören würde, zur Auflösung Europas führen könnte.

Fünf Jahre später hat sich die soziale Krise in Europa noch weiter verschärft, und die Möglichkeit eines Auseinanderbrechens von Europa hat sich mit der Drohung eines Grexit noch deutlicher gezeigt. Die wichtigsten Gegner des Grexit sind Frankreich, Italien und Spanien, während Deutschland, Finnland, die Niederlande und rechte osteuropäische Regimes wie in der Slowakei und Litauen die treibenden Kräfte für einen Ausschluss Griechenlands aus dem Euro sind.
 

Während sich die Spannungen innerhalb Europas verschärfen, nimmt auch der Konflikt zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Imperialismus zu. Letztlich geht es um die Frage, wer in der Europäischen Union das Sagen hat.

Die Obama-Regierung hat Deutschland hinter den Kulissen dazu angehalten, sich mit Griechenland zu einigen. Letzte Woche stellte sich Washington zudem auf die Seite von Frankreich. US-Finanzminister Jack Lew forderte die EU und Griechenland auf, sich über den Sparkurs und einen Schuldenschnitt für Griechenland zu einigen. Er kritisierte die Kräfte, die „weiterhin derartige Galgenfristen setzen“ – eine Anspielung auf Berlin und seine Verbündeten.

Die Bundesregierung wies Washingtons Einwürfe zurück. Schäuble erklärte kurz und knapp, ein Schuldenschnitt verstoße gegen „europäische Verträge“.

Alex Lantier



Quelle:  WSWS.org > WSWS.org/de > Artikel

Dank an Redakteur Ludwig Niethammer für die Freigabe zur Veröffentlichung

Bild- und Grafikquellen:

1. Dr. Angela Merkel - Bankenrettung, (Wirtschafts-)Wachstumswahn, Solizuschlag, Freihandelsabkommen TTIP, NATO-Osterweiterung, Spardiktatur gegenüber immer mehr verelenden Menschen in den EU-Mitgliedsländern (aktuell bes. die Griechen) etc. - alles alternativlos. Aus der Betroffenheit über den Verlust der Opfer von Charlie Hebdo wird Geschäft gemacht. Ängste und Islamophobie werden geschürt, Überwachungsmechanismen werden ausgebaut, kapitalisitische und imperialistische Interessen werden konsequent weiterverfolgt. Der Tod tausender und die Verarmung von Millionen Menschen werden auch weiter hingenommen.

Frau Merkel sollte ‚Je suis Charlie‘ sein wegen all der Toten in der Ost-Ukraine, die mit ihrer Billigung durch ihre Helfershelfer mit den blutigen Händen, Jazenjuk und Poroschenko, abgeschlachtet werden. Der Landraub und das Morden in Gaza gehen weiter, die (Angriffs-)Kriegseinsätze im Irak, in Afghanistan, Libyen, Syrien etc. bringen den Menschen dort weder Demokratie noch eine Verbesserung der Lebensumstände.   

Urheber: Javier CruX. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).

2. EUROPÄISCHE UNION (EU): Garantiert freie Auswahl bei normierter EU-Qualität. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de.

3. Wolfgang Schäuble (* 18. September 1942 in Freiburg im Breisgau) ist ein deutscher Politiker der CDU, seit 1972 Mitglied des Bundestages und derzeit Bundesminister der Finanzen im Kabinett Merkel III. Er war von 1984 bis 1989 Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, sowie von 1989 bis 1991 und von 2005 bis 2009 Bundesminister des Innern. Von 1991 bis 2000 war Schäuble Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und von 1998 bis 2000 Bundesvorsitzender der CDU. 1990 wurde er Opfer eines Attentates und ist seither auf den Rollstuhl angewiesen. Mit über 43 Jahren Parlamentszugehörigkeit ist Wolfgang Schäuble der dienstälteste Abgeordnete in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Am 16. Februar 2000 erklärte Schäuble, als Partei- und Fraktionsvorsitzender nicht mehr zu kandidieren. Friedrich Merz wurde daraufhin zum neuen Fraktionsvorsitzenden, Angela Merkel zur neuen Parteivorsitzenden gewählt. Schäuble blieb jedoch Mitglied des CDU-Präsidiums.

Zuvor hatte Schäuble am 10. Januar 2000 eingeräumt, vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber im Jahre 1994 eine Bar-Spende über 100.000 DM für die CDU entgegengenommen zu haben. Am 31. Januar 2000 gab Schäuble ein weiteres Treffen mit Schreiber im Jahr 1995 zu. Die Schatzmeisterei der CDU habe den Betrag als „sonstige Einnahme“ verbucht.

Schäuble behauptete, dass er das Geld in einem Briefumschlag von Schreiber in seinem Bonner Büro persönlich empfangen habe. Diesen Umschlag habe er „ungeöffnet und unverändert“ an Brigitte Baumeister weitergeleitet; später habe er erfahren, dass die Spende nicht „ordnungsgemäß behandelt worden“ sei. Nachdem ihm die Ermittlungen gegen Schreiber bekannt geworden seien, habe er die Schatzmeisterin Baumeister um eine Quittung für die Spende gebeten, damit nicht irgendwer später „auf dumme Gedanken“ kommen könne.

Die damalige CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister widersprach während der Untersuchungen zur CDU-Spendenaffäre der Version Schäubles bezüglich des Verbleibs der getätigten 100.000 DM-Spende des Waffenlobbyisten. Baumeister sagte, sie habe einen Umschlag bei Schreiber abgeholt und diesen bei Schäuble abgeliefert; später habe sie das fragliche Geld (die 100.000 DM) von Schäuble erhalten.

Dieses Geld tauchte in keinem Rechenschaftsbericht der CDU auf. Auch erhielt Schreiber für die Geldzahlung keine Spendenquittung. Am 13. April 2000 erklärte Schäuble vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss zur CDU-Parteispendenaffäre, die CDU-Führung und die Bundesregierung unter Helmut Kohl seien nicht bestechlich gewesen. Im Juni 2000 erstattete Schreiber im Zusammenhang mit der Spende Strafanzeige gegen Schäuble wegen Meineids. Das Ermittlungsverfahren gegen Schäuble wegen uneidlicher Falschaussage wurde eingestellt, ebenso wie die Ermittlungen gegen Brigitte Baumeister. Die Berliner Staatsanwaltschaft konnte keinen hinreichenden Tatverdacht für eine Anklage feststellen.

Nach den damaligen Angaben der Staatsanwaltschaft sei davon auszugehen, dass die 100.000 DM nur einmal gespendet wurden. Spekuliert worden war über die Frage, ob es womöglich zwei Mal 100.000 DM von Schreiber gegeben hatte: einmal als „unverfängliche“ Wahlkampf-Spende für die CDU, ein anderes Mal möglicherweise „unter der Hand“ als Bestechungsgeld für ein Rüstungsprojekt.

Unklar ist ferner, wo die 100.000 DM verblieben sind. Nach Aussagen des damaligen CDU-Wirtschaftsprüfers Horst Weyrauch habe dieser die 100.000 DM von Baumeisters Büroleiter Jürgen Schornack erhalten. Dieses Geld habe er – Weyrauch – dann dem ehemaligen Schatzmeister Walther Leisler Kiep übergeben, der das Geld in seine Jackentasche gesteckt haben soll. Das Geld sei schließlich über ein Konto von Kiep auf Konten der Bundesgeschäftsstelle der CDU geflossen, was Kiep bestritt. (Text: Wikipedia > CDU-Spendenaffäre)

Foto: © Ralf Roletschek - Fahrradtechnik und Fotografie. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“ lizenziert. Bildausschnitt verändert v. Admin H.S.

4. "FAILED STATES OF EUROPE" - die sozialen Verwerfungen und Krisen einzelner EU-Länder haben sich noch weiter verschärft. Die Möglichkeit eines Auseinanderbrechens der Eurozone hat sich mit der Drohung eines Grexit noch deutlicher gezeigt, auch wenn Grexit derzeit vom Tisch ist. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de.

5. "EU: Schlechtester Film aller Zeiten". Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de.

6. NEIN zur EU-DIKTATUR. Dieses Motiv kann als Auto-Aufkleber in kleinen oder größeren Mengen bestellt werden bei > www.eu-diktatur.com/ .

7. Cover: "WELTMACHT IWF - Chronik eines Raubzugs" von Ernst Wolff - zur Buchvorstellung .