Bernie Sanders, go for it! Wenn die USA sozialdemokratisch würden

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Ulrich Gellermann
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Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
Bernie Sanders, go for it! Wenn die USA sozialdemokratisch würden
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Bernie Sanders, go for it!

Wenn die USA sozialdemokratisch würden

Schon wieder hat Bernie Sanders in den US-Vorwahlen einen Bundesstaat gegen Hillary Clinton gewinnen können. Und wenn er die nächste, die in New York, gewönne, dann wäre vielleicht ein kleines Wunder möglich. Denn immerhin sehen die aktuellen landesweiten Umfragen ihn jetzt gleichauf mit Clinton. Neben den vielen kleinen Spendern bekommt, Sanders der Mann von Unten, inzwischen auch Geld und Unterstützung von Prominenten aus der US-Filmbranche. "Clinton hat die Tür zum Frieden geschlossen. Die NATO betet sie an wie eine Gottheit": So beschreibt der Hollywood-Regisseur Oliver Stone jene Dame, die im Volksmund gern „Killary“ heißt. Und Stone sagt von Sanders, dass er als einziger Kandidat glaubwürdig gegen Korruption vorgehen würde.

Sanders war mal Mitglied der „Socialist Party of America“ (SPA), einer US-Variante der SPD. Er hat 1962 ein Sit-in gegen die Rassentrennung organisiert, er nahm sogar 1963 am Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit teil. Er war Krankenpfleger und Teilzeitjobber, ein Gegner des Irak-Kriegs, er spricht sich gegen Freihandelsabkommen der USA aus, wendet sich gegen die wachsende Schere zwischen Arm und Reich und ist heute Mitglied des US-Senats für den Bundesstaat Vermont.

Sanders nennt sich „demokratischer Sozialist“ – was für die USA ein ganz schön starkes Stück ist. Gemeint ist der Sozialdemokratismus aus der Zeit vor Schröder und Blair, was aber in den USA immer noch ein starkes Stück wäre. Für die Insassen des US-Bootes, in dem auch die deutsche Bevölkerung rudern muss, sind vor allem seine außenpolitischen Positionen interessant.

In Sanders eigenen Worten: „Ich war gegen den ersten Golfkrieg, weil ich geglaubt habe, da wäre ein Weg unsere Ziele zu erreichen, ohne Blutvergießen, durch Sanktionen und aufeinander abgestimmte diplomatische Aktionen“. Ja, aber: „Und in der Folge der Anschläge vom 11. September 2001 war ich für die Anwendung von Gewalt in Afghanistan, um die Terroristen zu jagen, die uns angegriffen hatten.So wie der erste Satz Hoffnung machen kann, so warnt der zweite vor Illusionen aller Art.

In der Zustimmung zu Sanders äußert sich in den USA primär die Ablehnung jenes amerikanischen Establishments, das Verantwortung für die Verarmung der Arbeiterklasse und der unteren Mittelschichten trägt. Eine Ablehnung von der auch Donald Trump profitiert. Nach Clinton, Bush und Obama, nach einer Reihe von dubiosen Versprechungen und immer größeren Kriegskosten, reicht es nun vielen US-Amerikanern. Doch anders als zur Zeit der letzten großen Wende in den USA, rund um die Präsidentschaft von Franklin Delano Roosevelt, gibt es keine sozialen Massenbewegungen im Land und keine Sowjetunion, die zu jenen Zeiten ein durchaus populäres Modell für nicht wenige Amerikaner war.

Der amerikanische Politikwissenschaftler Elmer Eric Schattschneider (August 11, 1892 – March 4, 1971), schrieb in seiner Einschätzung des Roosevelt-Phänomens: „Die Wahlen von 1932 waren viel mehr als die Niederlage der bislang regierenden politischen Partei; sie waren durchaus so etwas Ähnliches wie die Niederwerfung einer herrschenden Klasse. Die Demokratische Partei wurde in den dreißiger Jahren das widerstrebende Instrument für eine Revolution, die sie weder geplant noch erzeugt hatte. Man kann sich schwerlich eine Partei vorstellen, die jemals für eine neu gewonnene Verantwortung weniger vorbereitet gewesen wäre als die Demokratische Partei bei Roosevelts erstem Amtsantritt.“ Die heutige Demokratische Partei wird alles tun, eine Präsidentschafts-Kandidatur von Sanders zu verhindern.

Doch selbst wenn – gegen jede Wahrscheinlichkeit – Bernie Sanders der Kandidat der Demokraten werden würde, wenn er gar Präsident der USA geworden wäre, gilt das Wort des US-Soziologen Norman Birnbaum, der zur einstigen Hoffnung Barack Obama formulierte: „US-Präsidenten genießen die Freiheit, als Vollstrecker des imperialen Erbes zu handeln – nicht jedoch, dieses Erbe als die erdrückende Bürde zu behandeln, zu der es geworden ist.” Auch Sanders könnte die imperialistische Erbschaft nicht ausschlagen. Uns aus dem Elend der US-Abhängigkeit zu erlösen, „können wir es nur selber tun“.

Trotzdem Bernie, go for it, hau rein!

Ulrich Gellermann, Berlin



► Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel vom 07.04.2016.



Bild- und Grafikquellen:

1. Bernard „Bernie“ Sanders (* 8. September 1941 in New York) ist ein US-amerikanischer Politiker der Demokratischen Partei, der seit 2007 den Bundesstaat Vermont im US-Senat vertritt und am 29. April 2015 seine Kandidatur für die Vorwahlen seiner Partei für die US-Präsidentschaftswahl 2016 bekanntgab. Sanders, der sich selbst als „democratic socialist“ (demokratischer Sozialist) bezeichnet, ist der parteiinterne Hauptkonkurrent von Hillary Clinton.

Eines der zentralen Themen von Sanders ist die wachsende „Schere“ zwischen Arm und Reich sowie die damit einhergehende Verkleinerung der Mittelschicht, zu deren Bekämpfung er Steuererhöhungen für Reiche sowie eine Steuer auf Börsenspekulation vorschlägt. Banken, die „too big to fail“ sind, sollen entflochten werden, damit eine Bankenpleite nicht die Stabilität des gesamten Finanzmarkts gefährdet. Zudem befürwortet Sanders eine Sanierung der US-amerikanischen Infrastruktur, um so gleichzeitig Arbeitsplätze mit angemessener Bezahlung zu schaffen. Er ist ebenfalls starker Befürworter von Sozialversicherungen und kostenloser Ausbildung.

Urheber: DonkeyHotey. This caricature of Bernie Sanders was adapted from a Creative Commons licensed photo from Nick Solari's Flickr photostream. The background includes some elements also from Nick Solari. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)

2. Donald John Trump (* 14. Juni 1946 in Queens, New York City) ist ein amerikanischer Unternehmer. Als Tycoon in der Immobilien- und Unterhaltungsbranche erlangte der Milliardär durch extrovertiertes Auftreten in den Medien hohe Bekanntheit; sein Name wurde zur wertvollen Marke, etwa für die nach ihm benannten Hochhäuser (siehe Trump Towers).

Mitte August 2015 legte Trump im Rahmen des eigenen Präsidentschaftswahlkampfes sein erstes politisches Positionspapier vor, das sich mit Immigration beschäftigt und harte Maßnahmen vorschlägt: Demnach sollen sämtliche 11 Millionen illegal Eingewanderte ausgewiesen und die Grenze zu Mexiko durch eine durchgehende Mauer gesichert werden, deren Kosten Trump der mexikanischen Regierung auferlegen will. Zudem soll das bisher geltende Geburtsortsprinzip des US-Staatsbürgerschaftsrechts aufgegeben werden (siehe Ankerkind).

In der Fernsehdebatte am 6. Februar 2016 erklärte Trump im Zusammenhang mit dem Islamischen Staat, dass er im Kampf gegen den Terrorismus das Waterboarding und viel Schlimmeres („a hell of a lot worse“) wieder einführen wolle. Nach den Pariser Terroranschlägen vom November 2015 sorgte Trump für Aufsehen, als er den strengen Waffengesetzen in Frankreich eine Mitschuld an der hohen Opferzahl gab. „Hätten die Menschen Waffen getragen, wäre es anders verlaufen“, erklärte er bei einem Wahlkampfauftritt in Texas.

This caricature of Donald Trump was adapted from Creative Commons licensed images from Gage Skidmore's flickr photostream. The body was adapted from a Creative Commons licensed photo from Eric Lanning's Flickr photostream. The background was adapted from a Creative Commons licensed photo from elPadawan's Flickr photostream. Urheber: DonkeyHotey. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0).

3. Bernie Sanders and Hillary Clinton - Caricatures. Urheber: DonkeyHotey. This caricature of Bernie Sanders was adapted from a Creative Commons licensed photo by Nick Solari available via Wikimedia. This caricature of Hillary Clinton was adapted from a photo in the public domain from the East Asia and Pacific Media's Flickr photostream. The body was adapted from a photo in the public domain from the U.S. Department of State's Flickr photostream. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0).