BT-Abstimmung zu Griechenland: Inszeniertes Theater vor aufziehendem Finanz-Tsunami

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Ernst Wolff
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Verbunden: 17.02.2015 - 23:40
BT-Abstimmung zu Griechenland: Inszeniertes Theater vor aufziehendem Finanz-Tsunami
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Bundestagsabstimmung zu Griechenland


Inszeniertes Theater vor aufziehendem Finanz-Tsunami


Text: Ernst Wolff


Fotos: x-andra photography / © Wassilis Aswestopoulos


Die deutschen Mainstream-Medien haben sich tagelang auf die Griechenland-Abstimmung im Bundestag konzentriert. Ob in TV-Talk-Shows, in Nachrichtensendungen oder in den Schlagzeilen der Printmedien – überall stand das Thema an erster Stelle, und das, obwohl das Ergebnis der Abstimmung lange vorher feststand. Warum?

In einer Zeit kontinuierlich abnehmender Glaubwürdigkeit von Politik und Leitmedien sollte offensichtlich mit aller Macht der Eindruck einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie erweckt werden. Zu diesem Zweck wurde einmal mehr das Bild des schwer geplagten Abgeordneten bemüht, der mit seinem Gewissen ringt, um „schwierige politische Entscheidungen“ zu treffen.
 

 

Dieses mit großem Aufwand inszenierte Schauspiel ist momentan besonders wichtig, da sich derzeit die Alarmzeichen am Himmel des Finanzsystems erheblich verdichten. Die globale Realwirtschaft stagniert oder schrumpft, an den Aktien-, Anleihe- und Immobilienmärkten haben sich größere Blasen als vor 2008 gebildet. Die weltweite Verschuldung liegt mit knapp 200 Billionen US-Dollar auf einem Rekordwert und der Derivate-Sektor (der Sektor, der 2008 zum Beinahe-Crash geführt hat.) ist um 20 % gewachsen. Begleitet wird das Ganze vom Wirtschaftsrückgang in China und den übrigen BRICS-Staaten, dem Preissturz bei den Rohstoffen und dem sich dramatisch beschleunigenden Abzug von Krediten aus den Schwellenländern.

Verschärfend hinzu kommt die Tatsache, dass das Gelddrucken der Europäische Zentralbank (die seit März dieses Jahres tagtäglich 2 Mrd. Euro in das System pumpt) zunehmend wirkungslos verpufft und die Zinsen bereits bei 0,05 Prozent liegen, eine weitere Senkung also keinen nennenswerten Effekt haben würde. Die ernüchternde Erkenntnis: Während sich die Lage dramatisch verschlechtert hat und die Risiken größer geworden sind als vor sieben Jahren, sind die zur Beherrschung einer Systemkrise notwendigen Mittel aufgebraucht.
 

 

Die Hilflosigkeit der Verantwortlichen angesichts dieser katastrophalen Situation ließ sich vor der Bundestagsabstimmung an der Diskussion über die weitere Strategie gegenüber Griechenland ablesen: Seitdem der Internationale Währungsfonds (IWF; englisch International Monetary Fund, IMF; auch bekannt als Weltwährungsfonds) eine Gewährung zusätzlicher Kredite von einem Schuldenschnitt abhängig gemacht hat, denken die europäischen Unterhändler, die einen solchen Schuldenschnitt ablehnen, öffentlich über eine Schuldenstreckung auf einen Zeitraum von sechzig bis hundert (!) Jahren nach.

Auch wenn die Mainstream-Medien Tag für Tag etwas anderes behaupten: Nicht nur Griechenland, sondern das gesamte 2008 mit dem Geld der Steuerzahler gerettete globale Finanzsystem befindet sich derzeit in allerhöchster Not. Zudem ist auch die Stabilität des politischen Systems aufs höchste gefährdet, denn einer stetig wachsenden Zahl von Menschen wird immer klarer: Alle Versprechungen der Vergangenheit waren nichts als Lügen. Die Politik hat die Finanzindustrie zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd in ihre Schranken gewiesen oder gar reguliert. Im Gegenteil: Großbanken, Hedgefonds und andere internationale Finanzinstitutionen bestimmen den Lauf der Welt heute unumschränkter als je zuvor und ihre Kriminalität wird, wie die vielen Enthüllungen um Markt-Manipulationen zeigen, mit jedem Tag deutlicher. Genauso wie die immer schwerer zu verhüllende Tatsache, dass Medien und Politiker im Grunde nichts anderes tun, als den Menschen die Interessen der Finanzindustrie als die eigenen zu verkaufen.
 

 

Soweit die Vorzeichen, unter denen am Mittwoch die Griechenland-Abstimmung im Bundestag stattfand und bei der es nicht etwa um ein Abwägen von Inhalten oder den Austausch von Argumenten ging. Ziel der Inszenierung war es, die bereits von nicht gewählten EU-, EZB- und IWF-Technokraten gefassten Beschlüsse zur Stabilisierung des Finanzsystems auf Kosten der weiteren Verelendung der schwächsten Teile der griechischen Bevölkerung mit einem offiziellen Stempel zu versehen. Auf diese Weise sollte der  Eindruck erweckt werden, dass die deutsche Bevölkerung in ihrer Mehrheit hinter ihrer Regierung steht. Außerdem sollte der Bevölkerung durch Live-Übertragungen auf zahlreichen Fernsehsendern noch einmal in geballter Form das Lügengerüst präsentiert werden, auf das sich die angebliche „Griechenland-Rettung“ stützt.

Finanzminister Schäuble erhielt zum xten Mal die Gelegenheit, die Unwahrheit vom „guten Weg, auf dem sich Griechenland im letzten Jahr befand“ zu verbreiten und sich damit erneut in die ideologischen Fußstapfen eines allseits bekannten Politikers zu begeben, der bereits vor achtzig Jahren erkannte, dass eine Lüge nur oft genug wiederholt werden muss, um sich im kollektiven Bewusstsein des deutschen Volkes einzubrennen. Auch der Begriff „Hilfspaket“ für die an härteste Bedingungen geknüpften zinspflichtigen Kredite, von denen die meisten auf direktem Weg auf die Konten internationaler Finanzinstitutionen wandern, dient einzig und allein der Irreführung der Öffentlichkeit und muss auf die arbeitende griechische Bevölkerung, insbesondere auf Arbeitslose, Rentner und ihrer Zukunft beraubte Jugendliche wie reiner Hohn wirken.
 

 

Jedem der Abstimmungsberechtigten am Mittwoch war klar, dass das verabschiedete Paket keinesfalls dazu beitragen wird, Griechenland in irgendeiner Weise wirtschaftlich auf die Beine zu bringen oder auch nur die Voraussetzungen für eine Verbesserung seiner Lage zu schaffen. Sein einziger Zweck dient der Stützung eines längst bankrotten Landes zum Zwecke der Zufriedenstellung seiner Gläubiger und der weiteren Plünderung seiner Ressourcen durch internationale Investoren, die bereits wie die Geier über dem Land kreisen.

Dass einige Abgeordnete während der Debatte auch das Leid der griechischen Bevölkerung erwähnten, die Maßnahmen als unmenschlich kritisierten und das einige Dutzend Parlamentarier am Ende aus unterschiedlichen Gründen gegen das Paket stimmten, war für die Regierenden keinesfalls, wie in den Medien behauptet, „ein Schlag ins Gesicht“. Im Gegenteil: Es war ganz in ihrem Sinne, denn es trägt dazu bei, die eigene anti-demokratische Haltung zu kaschieren, der Durchsetzung diktatorischer Maßnahmen einen Hauch von Glaubhaftigkeit zu verleihen und und der Gesamtinszenierung damit den beabsichtigten pseudo-demokratischen Deckmantel umzuhängen.

Ernst Wolff

 

 


 

: Bitte um Beachtung der 13 angehängten -Text-Dokumente weiter unten!!

 

Bild- und Grafikquellen:


1. GREECE-POLITICS-PROTEST. Paralles protest rallies organized by the Communist affiliated, All workers Militant Front (PAME), SYRIZA and leftists organizations as well as ANTARSYA against the new memorandum. Athens, July 10, 2015.

Foto: x-andra photography / © Wassilis Aswestopoulos. W.A. ist freier Journalist und Autor zweier Bücher, u.a. das in 2. und erweiterter Auflage erschienene Buch "Griechenland - eine europäische Tragödie". Die Rechte am Bild verbleiben beim Fotograf - herzlichen Dank für die Genehmigung es hier im KN veröffentlichen zu dürfen. > www.aswestopoulos.de..

2. GREECE-POLITICS-PROTEST. Protest march by anti authoritarians to the German Embassy which is considered by them as a symbol of imperialism. In Athens on May 23, 2015.

Foto: x-andra photography / © Wassilis Aswestopoulos. W.A. ist freier Journalist und Autor zweier Bücher, u.a. das in 2. und erweiterter Auflage erschienene Buch "Griechenland - eine europäische Tragödie". Die Rechte am Bild verbleiben beim Fotograf - herzlichen Dank für die Genehmigung es hier im KN veröffentlichen zu dürfen. > www.aswestopoulos.de..

3. Widerstand der griechischen Bevölkerung gegen die Austeritätspolitik. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) ist die älteste politische Partei in Griechenland.

Anknüpfend an ihre Rolle in der Geschichte des modernen Griechenlands vertritt die Partei heute noch kommunistische Thesen in der Tradition des internationalen Marxismus und Leninismus. Entsprechend versteht sie sich nicht als reformistisch oder eurokommunistisch, sondern als revolutionär, strebt also den Sturz bzw. die völlige Abschaffung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung an. Die linke Partei lehnt sowohl die Politik der USA, die Europäische Union als auch die NATO ab, war entschiedener Gegner der Kriege gegen Jugoslawien, Irak und Afghanistan und solidarisiert sich stattdessen mit den Linksregierungen von Kuba, Venezuela und Bolivien.

Foto: x-andra photography / © Wassilis Aswestopoulos. W.A. ist freier Journalist und Autor zweier Bücher, u.a. das in 2. und erweiterter Auflage erschienene Buch "Griechenland - eine europäische Tragödie". Die Rechte am Bild verbleiben beim Fotograf - herzlichen Dank für die Genehmigung es hier im KN veröffentlichen zu dürfen. > www.aswestopoulos.de.

4. Obdachlose in Athen in Zeiten des IWF. Foto: x-andra photography / © Wassilis Aswestopoulos. W.A. ist freier Journalist und Autor zweier Bücher, u.a. das in 2. und erweiterter Auflage erschienene Buch "Griechenland - eine europäische Tragödie". Die Rechte am Bild verbleiben beim Fotograf - herzlichen Dank für die Genehmigung es hier im KN veröffentlichen zu dürfen. > www.aswestopoulos.de.

5. Obdachlose Eltern mit ihrem Kind in Athens Strassen. Es könnte auch mal Euch treffen - denkt mal darüber nach! Foto: x-andra photography / © Wassilis Aswestopoulos. W.A. ist freier Journalist und Autor zweier Bücher, u.a. das in 2. und erweiterter Auflage erschienene Buch "Griechenland - eine europäische Tragödie". Die Rechte am Bild verbleiben beim Fotograf - herzlichen Dank für die Genehmigung es hier im KN veröffentlichen zu dürfen. > www.aswestopoulos.de.

6. Cover: "WELTMACHT IWF - Chronik eines Raubzugs" von Ernst Wolff. Zur Buchvorstellung - weiter.

7. Buchcover: "Griechenland - eine €UROpäische Tragödie. Die wahren Gründe für die Griechenland- und Euro-Krise." von Wassilis Aswestopoulos. Zweite, aktualisierte und ergänzte Auflage Mai 2014, 240 Seiten, gebunden mit Prägung oder als eBook.
 

Anhang Größe
Global Wealth Report 2015 - Winning the Growth Game - Bericht der Boston Consulting Group BCG - 38 Seiten.pdf 739.71 KB
Ernst Wolff - Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs - Tectum Wissenschaftsverlag - Inhaltsverzeichnis, Vorwort und Leseprobe.pdf 790.78 KB
Ernst Wolff - Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs - Interview durch Ken Jebsen_KenFM als Textversion.pdf 1.09 MB
Thomas Piketty - Das Kapital im 21. Jahrhundert - Vollständige Einleitung als Leseprobe - 46 Seiten - Beck, München 2014.pdf 1.23 MB
Thomas Piketty und die Verteilungsfrage - Analysen, Bewertungen und wirtschaftspolitische Implikationen für Deutschland - SE Publishing März 2015 - Verteilungsfrage_org.pdf 2.86 MB
John Perkins - Bekenntnisse eines Economic Hit Man - Unterwegs im Dienst der Wirtschaftsmafia - ISBN 978-3-442-15424-1 - Leseprobe.pdf 438.9 KB
Jochen Weiss - Mammon - Eine Motivgeschichte zur Religiosität des Geldes - Dissertation Feb 2004, Universität Mannheim.pdf 3.17 MB
Silvio Gesell - Die Natürliche Wirtschaftsordnung (1916).pdf 1.23 MB
Tobias Plettenbacher - Neues Geld - Neue Welt - Die drohende Wirtschaftskrise - Ursachen und Auswege _ Exponentielles Wachstum - Zinseszins-Effekt - Geldsystem - Kollaps.pdf 3.99 MB
Oekosozialismus oder Barbarei - Eine zeitgemäße Kapitalismuskritik - 40seitige Broschüre von Saral Sarkar und Bruno Kern.pdf 209.22 KB
IMF April 2015 - Global Financial Stability Report (GFSR) - Navigating Monetary Policy Challenges and Managing Risks - 162 pages.pdf 4.35 MB
IMF April 2015 - World Economic Outlook (WEO) - Uneven Growth - Short- and Long-Term Factors - 230 pages.pdf 11.06 MB
IMF October 2014 - Global Financial Stability Report (GFSR) - Risk Taking, Liquidity, and Shadow Banking - Curbing Excess while Promoting Growth - 191 pages.pdf 4.7 MB