Das Schrumpfen diplomatischer Kompetenz
Die Hohe Schule der Diplomatie und das lokale Banausentum
„Habe mehr als du zeigst / Sprich weniger als du weißt.“
Von Gerhard Mersmann | Forum-M7.com
Der Satz entstammt der Feder William Shakespeares (* 1564; † 1616). Er kann nicht nur als eine kluge Lebensdevise, sondern auch als eine thematische Einführung in die hohe Kunst der Diplomatie gelesen werden. Fragte man zu diesem Thema noch andere, historisch als einzigartig eingestufte Diplomaten, wie den in allen Farben schillernden Kardinal Richelieu (* 1585; † 1642), der alle politischen Wetter überstand, die seine Zeit erlebte, dann könnte man als Lektion II noch hinzufügen: „Diplomaten regen sich nicht auf. Sie machen sich Notizen.“
Diese beiden Sätze allein wirken wie Kontrastmittel für den Zustand, den die internationale Diplomatie seit der Revitalisierung des Kreuzzuggedankens in unseren Tagen erlebt. Da wird nicht mehr im Schutz der Stille einander zugehört, da wird nicht bedachtsam austariert, wo sich selbst unterschiedliche Interessen treffen könnten, um vielleicht einen Modus Vivendi zustande zu bringen.
Da ist von vornherein klar, mit welcher Agenda die Bugfiguren des Äußeren anreisen. Da sind die Kommuniqués bereits formuliert, bevor man sich die Hand geschüttelt hat oder die unterschiedlichen Standpunkte pressereif formuliert für den Fall, dass man nicht doch wider Erwarten zu einem Konsens kommt. Man fragt sich, warum man sich überhaupt noch trifft. Alles ist klar, zu verhandeln gibt es nichts. Und wer sich dennoch zu Wort meldet und Fragen stellt, ist ein umstrittener Querulant, den man am liebsten durch Mehrheitsbeschlüsse zum Schweigen bringen möchte.
Das vor allem im aufmerksamkeitsabhängigen Westen auszumachende Schrumpfen diplomatischer Kompetenz hat erschreckende Ausmaße angenommen und sägt beharrlich an der Reputation aller Staaten, die sich diesem hirnrissigen wie schädlichen Kommers hingegeben haben. Ja, es soll vorkommen, dass die Oberhäupter einst geachteter Staaten, die bei Besuchen mit allen Feinheiten eines Protokolls empfangen wurden, jetzt nur noch vom Küchenpersonal begrüßt und mit gebücktem Haupt unter den Abzugshauben in den Speisesaal geleitet werden. Das liegt, damit kein Missverständnis aufkommt, nicht an der Boshaftigkeit der Gastgeber, sondern and deren Befürchtung, dass unter dem Staatsbanner und im Fokus der eigenen Öffentlichkeit unflätig in die Mikrophone gerülpst wird. Die Banausen bleiben draußen.
Früher hatten wir mal Würde und Stolz.
Heute Karl Lauterbach und Olaf Scholz.
(Helmut Schnug)
Dem Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wurde jüngst bei seinem China-Besuch eine doppelte Lektion zuteil. Zum einen merkte er bei seiner Ankunft, dass das große Protokoll ausblieb und ihm ein kühler Ostwind entgegenschlug. Und dann, bei einem Treffen mit dem als strategischem Rivalen ausgemachten Staatspräsidenten der Volksrepublik Chinas, Xi Jinping, erhielt er doch noch eine Vorstellung von den Möglichkeiten, die ein Denken in diplomatischen Kategorien und in der Verwendung kluger Metaphern beinhalten.
Angesprochen auf die Aussichten eines Friedens in der Ukraine formulierte Xi Jinping es folgendermaßen: „Bei Friedensverhandlungen müssen alle an einem Tisch sitzen und niemand darf auf der Speisekarte stehen.“
Von der Macht des Bildes, von der Klugheit im Sinne diplomatischer Gepflogenheiten gehört es zu der Hohen Schule dessen, was mit Shakespeare und Richelieu bereits angedeutet wurde. Man lasse den Satz auf sich wirken und denke an die Möglichkeiten politischen Handelns, die er birgt!
Und man denke bitte nicht an das lokale Banausentum, das täglich seinen vulgären Unrat an die Außenwände dieses Staates schmiert! Das zu dulden, ist eine schlechte Referenz für die Selbstachtung.
Gerhard Mersmann
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Gerhard Mersmann, Dr. phil., (Jahrgang 1956), gebürtiger Westfale, ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen.
Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Publizistische Aktivitäten durchziehen seine gesamte Biographie. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse sind auf seinem persönlichen Blog M7 regelmäßig nachzulesen. >> https://form-7.com/ .
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1. William Shakespeare „Have more than you show / speak less than you know.“
Have more than thou showest,
Speak less than thou knowest,
Lend less than thou owest,
Ride more than thou goest,
Learn more than thou trowest,
Set less than thou throwest.
Habe mehr als du zeigst,
sprich weniger als du weißt,
leihe weniger als du besitzt,
fahre mehr als du gehst.
Glaube nicht alles, was du hörst.
Setze nicht alles auf einen Würfelwurf.
Dies ist ein Auszug eines Zitates aus König Lear, das der Narr zu Lear sagt, als er von Gonerils Schloss abgewiesen wird, Akt I, Szene 4. Die Zeile "Habe mehr, als du zeigst, sprich weniger, als du weißt, leihe weniger, als du schuldest" aus "König Lear" ist ein mahnender Rat zur Vorsicht und Bescheidenheit im gesellschaftlichen Leben. Er rät dazu, nicht alle Mittel und Kenntnisse preiszugeben und mit finanziellen Angelegenheiten vorsichtig umzugehen. König Lear selbst befolgt diesen Rat nicht, was zu seinem Untergang führt. Die Zeile weist auch Parallelen zu den Ratschlägen in Shakespeares "Hamlet" auf und verstärkt die Themen Mäßigung und Diskretion.
Der Narr spricht in diesem Stück oft die Wahrheit über eine Situation aus. Ich verstehe ihn sicher nicht als allgemeinen Ratschlag für das Leben; die Bürde ist, dass man besser dran ist, wenn man sich vor anderen verbirgt. Die ersten beiden Zeilen mögen ein guter Rat für bescheidenes Auftreten sein, und das ist immer gut. Aber Lear hat sich, um es mit Tennessee Williams zu sagen, von der Freundlichkeit der Verwandten abhängig gemacht, und die lieben ihn nicht. Lear hat weniger, als er zeigt, er spricht mehr, als er weiß, er schuldet nichts, weil er sein Königreich verschenkt hat, er verspielt seine Töchter - er setzt mehr, als er würfelt. Zum Teil ist es eine Vorwegnahme seines katastrophalen Endes.
In der heutigen Zeit kann es schwierig sein, den Rat von William Shakespeare zu befolgen: "Zeige mehr, als du weißt; sprich weniger, als du weißt". Angesichts der weiten Verbreitung sozialer Medien und der ständigen Weitergabe persönlicher Informationen kann es schwierig sein, ein Gefühl von Geheimnis und Diskretion zu bewahren. Der Einzelne kann sich jedoch bemühen, dieses Prinzip zu praktizieren, indem er sorgfältig überlegt, was er von sich preisgibt, und indem er die Weisheit des Zuhörens und Beobachtens schätzt, bevor er spricht. Es ist ein zeitloser Gedanke, der auch in der modernen Gesellschaft noch von Bedeutung ist.
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2. Kanzler Scholz hatte einmal mehr einen erbärmlich Auftritt: Dem Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wurde jüngst bei seinem China-Besuch eine doppelte Lektion zuteil. Zum einen merkte er bei seiner Ankunft, dass das große Protokoll ausblieb und ihm ein kühler Ostwind entgegenschlug. Und dann, bei einem Treffen mit dem als strategischem Rivalen ausgemachten Staatspräsidenten der Volksrepublik Chinas, Xi Jinping, erhielt er doch noch eine Vorstellung von den Möglichkeiten, die ein Denken in diplomatischen Kategorien und in der Verwendung kluger Metaphern beinhalten.
Angesprochen auf die Aussichten eines Friedens in der Ukraine formulierte Xi Jinping es folgendermaßen: „Bei Friedensverhandlungen müssen alle an einem Tisch sitzen und niemand darf auf der Speisekarte stehen.“
Bildbeschreibung: Bundeskanzler Olaf Scholz am 11.05.2023 zu Gast bei den JugendPolitikTagen. Foto: Copyright ©️ Jugendpresse Deutschland / Joscha F. Westerkamp. Quelle: Flickr. Die Datei ist mit der CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0) lizenziert. Der Bildausschnitt wurde von Helmut Schnug verändert. Die Lizenz bleibt selbstverständlich erhalten.
3. Grün ist das neue Braun: Freie Fahrt — ins Chaos. Die einstige Öko-Partei ist zur Speerspitze der globalistischen Angriffe auf Meinungsfreiheit, Selbstbestimmung und Frieden geworden. Grün ist die neue Tarnfarbe für freiheitsfeindliche transhumanistische Agenda, Bellizismus, Staatsautoritarismus, Totalitarismus und Verbote. Deshalb: #grüneversenken, Degrünisierung, Entgrünisierung. Foto ohne Inlet: Pic_Panther / Jake Parkinson, Canada. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto. Der Text wurde von Helmut Schnug eingearbeitet.