Der Versprecher des Donald Tusk: Gehen Sie nicht nach Polen!

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Ulrich Gellermann
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Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
Der Versprecher des Donald Tusk: Gehen Sie nicht nach Polen!
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Gehen Sie nicht nach Polen!

Der Versprecher des Donald Tusk

„Kommen Sie nicht nach Europa“, rief Donald Tusk jüngst den Flüchtlingen zu, die sich vor Krieg und wirtschaftlichem Elend nach Europa retten wollen. Das war ein Versprecher. Von Europa hat Tusk nicht viel Ahnung. Das ist schon daran zu bemerken, dass der EU-Ratspräsident mal wieder die Europäische Union mit Europa verwechselt hat. In Wahrheit wollte er sicher sagen: „Gehen Sie nicht nach Polen“, denn in Polen kennt sich der Kaschube aus Gdańsk aus.

An die 18 Millionen Polen (von nur 38 Millionen Einwohnern des Landes) leben außerhalb ihrer Heimat. Sie sind die klassischen Wirtschaftsflüchtlinge, jene Gattung also, die auf der Negativ-Liste von Seehofer, Blair und eben auch von vielen polnischen Politikern steht. Nicht nur deshalb ist Polen ein sogenannter Netto-Empfänger, ein Staat der 13,7 Milliarden mehr aus der EU-Kasse bezieht als er einzahlt. Im polnischen Fall deutlich mehr als Griechenland. Es ist die offizielle Arbeitslosigkeitsquote von mehr als zehn Prozent (Jugendarbeitslosigkeit über 22 Prozent), die Menschen aus dem Land treibt. Denn Polen ist ein wirtschaftsliberaler Staat: Der Wirtschaft geht es gut, den Bürgern geht es schlecht.

Ein zentrales Konzept zum sozialen Ausgleich ist in Polen das Gesundbeten: Mehr als 87 % der polnischen Gesamtbevölkerung ist römisch-katholisch. Die katholische Kirche hat erheblichen politischen Einfluss, sie ist nach dem Staat der zweitgrößte Eigentümer von Immobilien und besitzt etwa 300 Presseorgane und 50 Radio- und Fernsehsender.

Die polnische Kirche ist jene dumpfe Formation, wie sie sonst nur noch im tiefen Süden Italiens und in wenigen Winkeln Bayerns anzutreffen ist. Selbstverständlich ist sie homophob nach außen (Berichte über das schwule Innenleben der Kirche liegen nicht vor) und hat dafür gesorgt, dass ein bereits 1995 von der damaligen sozialdemokratischen Regierung erarbeiteter Vorschlag, ein Diskriminierungsverbot auf Grund sexueller Orientierung in die Verfassung aufzunehmen, bis heute keinen Gesetzesrang hat.

Die polnische Geschichte ist reich an aktivem Antisemitismus. Juden durften zum Beispiel nicht Mitglied der Jahr für Jahr als Befreier Polens gerühmte Armia Krajowa (Heimatarmee) werden. Ein besonders bitterer Witz, wenn man bedenkt, dass ausgerechnet diese konservative Widerstandsformation gegen die antisemitischen Nazis selbst antisemitisch war.

Antisemitische Traditionen reichen bis heute in das polnische Leben: Jan Tomasz Gross, polnisch-jüdischer Geschichts-Professor an der renommierten amerikanischen Princeton-University, hatte gewagt, den Antisemitismus in der polnischen Geschichte zu dokumentieren - mit der Folge, dass der Warschauer Bezirks-Staatsanwalt gegen ihn eine Untersuchung wegen Verdachts des Verstoßes gegen § 133 des polnischen Strafgesetz-Kodexes einleitete hat. Der besagt, dass jemand mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu rechnen hat, der „… öffentlich das polnische Volk oder die polnische Republik herabwürdigt.“ Die Kanzlei des Präsidenten Andrzej Duda richtete sogar ein Ersuchen an das Außenministerium, man möge doch prüfen, ob Gross nicht der Verdienstordens der Republik Polen aberkannt werden könne.

Besonders anschmiegsam waren und sind polnische Regierungen wenn es um Wünsche der USA geht: Am Irak-Krieg waren zeitweilig 2.500 polnische Soldaten beteiligt, in Afghanistan kämpften bis zu 2.600 Angehörige der polnischen Armee. So war Polen an der Herstellung von Flüchtlingen aus diesen Ländern tapfer beteiligt. Und als die USA ihre Einkreisungspolitik gegenüber Russland intensivierten, unterzeichnete Polen am 14. August 2008 einen vorläufigen Vertrag über die militärische Unterstützung durch die USA. Der Hauptpunkt des Vertrages war die Genehmigung zur Stationierung von zehn US-Abfangraketen bei Słupsk im Rahmen des "National Missile Defense" (NMD; deutsch nationale Raketenabwehr). Donald Tust erregte damals echte Heiterkeit, als er behauptete, durch die Stationierung dieser Raketen würde die Słupsk “die sicherste Stadt Polens" werden. Später wurde in Morag, nahe der Grenze zu Kaliningrad, mobile Patriot-Raketen stationiert, aus dem deutschen Ramstein ausgeliehen. Inzwischen hat man sich für den Kauf eigener Patriots entschieden.
 

Von Beginn an stützte die polnische Regierung den Regime-Change in der Ukraine, der Rechte Sektor und die ukrainische Heldenverehrung von Stepan Bandera, einem notorischen Polenhasser und Nazi-Kollaborateur, störte die polnische Außenpolitik offenkundig nicht.

Heute kommt der Regierung die Lage in der Ukraine auch zur Abwehr von Flüchtlingen gerade Recht: Polen lehnt gegenüber der EU jede Aufnahme von Flüchtlingen ab, weil das Land angeblich Hunderttausende Ukrainer aufgenommen habe. Die Wahrheit: Polen hat fast alle Asylanträge von Ukrainern abgelehnt. Die meisten der 52000 ständig in Polen lebenden Ukrainer sind Studenten oder Ukrainer mit polnischen Wurzeln; dazu kommen Zehntausende ukrainische Gastarbeiter. Von Flüchtlingen kann also nicht die Rede sein.

Der Appell von Donald Tusk, wenn er sich denn auf Polen bezöge, hätte viele verständliche Gründe. Unverständlich bleibt, warum dieses xenophobe, antisemitische Anhängsel der USA von der Europäischen Union alimentiert wird.

Ulrich Gellermann, Berlin



► Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel vom 07.03.2016.



Bild- und Grafikquellen:

1. Donald Franciszek Tusk im Gespräch mit Dr. Angela Merkel, Februar 2015.. Foto: European Council President. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

2. Donald Franciszek Tusk (* 22. April 1957 in Danzig) ist ein polnischer Politiker und seit 1. Dezember 2014 Präsident des Europäischen Rates. Foto: European People's Party. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

3. Donald Franciszek Tusk im Gespräch mit Barack Obama, 9. März 2015 im Oval Office. Foto: European Council President / Yuri Gripas. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).