Die Asiatische Investitions- und Infrastrukturbank (AIIB)

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Ernst Wolff
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Die Asiatische Investitions- und Infrastrukturbank (AIIB)
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Die Asiatische Investitions- und Infrastrukturbank (AIIB)  


. . . eine fortschrittliche Alternative zum IWF?


Die Gründung der Asiatischen Investitions- und Infrastrukturbank (AIIB) wird von vielen Beobachtern als ein für die zukünftige Entwicklung der Weltwirtschaft positives Ereignis gesehen. Sie behaupten, die AIIB werde ein Gegengewicht zum US-dominierten Internationalen Währungsfonds (IWF, engl. IMF) bilden, auf diese Weise die globale Macht des US-Dollars begrenzen und so ihren Teil zu einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung beitragen.

Um diese Sichtweise auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen, hier erst einmal ein kurzer Blick auf die Vor- und Entstehungsgeschichte der AIIB:

Die chinesische Regierung hat in den vergangenen Jahren mehrfach auf eine Erhöhung ihres Stimmrechts innerhalb des Internationalen Währungsfonds gedrängt. Diese wurde ihr nicht gewährt. Daraufhin hat die Führung in Beijing im Juli 2014 zusammen mit den übrigen BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und Südafrika) die Gründung der „Neuen Entwicklungsbank“ (NEB) und im Oktober 2014 die Gründung der AIIB angekündigt.

Die AIIB soll in Beijing angesiedelt werden, ihr vorerst wichtigstes Projekt soll der Bau einer eurasischen Hochgeschwindigkeits-Zugverbindung zwischen Moskau und Beijing sein. Sie wird ihre Geschäfte in Yuan abwickeln und damit der globalen Vorherrschaft des US-Dollars und der Macht des IWF nach Abschluss der russisch-chinesischen Energieabkommen von 2014 einen weiteren empfindlichen Schlag versetzen.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der chinesischen Pläne haben die USA ihre Verbündeten gedrängt, sich an beiden Organisationen nicht zu beteiligen. Vergebens, und nicht nur das: Die Gründung der AIIB hat den USA eine der größten politischen Niederlagen in ihrer jüngeren Geschichte beschert. Mitte April konnte die chinesische Regierung der Welt verkünden, dass sich 57 Nationen an der Bank beteiligen werden, darunter auch enge Verbündete der USA wie Großbritannien, Deutschland und Israel.

Damit ist eine neue Phase in der Geschichte der internationalen Beziehungen eingeleitet worden. Die seit 1945 herrschende Nachkriegsordnung, in der kein westliches Land es gewagt hätte, sich dem Willen Washingtons zu widersetzen, ist zu Ende. Die internationale Politik erkennt an, dass sich das globale Zentrum der Macht nach Osten verlagert, das westliche Bündnis zerbricht.

Auch der IWF hat die neue Situation inzwischen erkannt und darauf reagiert: Zum einen ist er selber Gründungsmitglied der AIIB geworden, zum anderen hat er der chinesischen Regierung angeboten, Ihre Forderung, den Yuan neben US-Dollar, Euro, britischem Pfund und Schweizer Franken mit in den Währungskorb der Sonderziehungsrechte aufzunehmen, „ernsthaft und beschleunigt zu prüfen“. Der SZR (englisch Special Drawing Right, SDR) wurde 1969 vom IWF als eigene Währung eingeführt, die international als Zahlungsmittel verwendet werden kann. Sie wird nicht an Devisenmärkten gehandelt, sondern auf IWF-Konten wie ein Buchkredit geführt.

Dieses Aufspringen des IWF auf den abfahrenden Zug AIIB nach der politischen Niederlage der USA hat zahlreiche Beobachter dazu verleitet, das Ende der Dominanz des US-Dollars für greifbar nah zu erklären oder gar von einem sanften Übergang zu einem mehrpolaren Finanzsystem zu träumen. Beide Vorstellungen sind aber weit von der Realität entfernt.

Zwar stecken die USA mit einer Staatsverschuldung von ca. 59,830 US-Dollar pro Einwohner (⇒ Stand 1. Mai 2015, Quelle: Börse.de), einer am Boden liegenden Realwirtschaft und einem außer Kontrolle geratenen Finanzsektor in der tiefsten Krise ihrer Geschichte, doch darf man nicht vergessen, dass der US-Dollar zurzeit noch die weltweit wichtigste Reservewährung ist und dass die USA über das mit Abstand mächtigste Militär der Welt verfügen. (⇒ US-Bevölkerung Stand 1. Mai 2015: 320.787.400, Quelle: United States Census Bureau, USCB)


Statistik: USA: Staatsverschuldung von 2004 bis 2014 (in Milliarden US-Dollar) | Statista
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USA: Die folgenden statistischen Angaben zur Staatsverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beziehen sich auf den Gesamtstaat und beinhalten die Schulden des Zentralstaats, der Länder, der Gemeinden und Kommunen sowie der Sozialversicherungen. Im Jahr 2013 betrug die Staatsverschuldung der USA rund 104,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, aktuell ca. 105,7 Prozent.


Statistik: USA: Staatsverschuldung von 2004 bis 2014 in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) | Statista
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Auch Chinas Wirtschaft hat trotz des rasanten Wachstums der vergangenen Jahre mit gigantischen Problemen zu kämpfen. Die Realwirtschaft ist nur deshalb so profitabel, weil sie zentral organisiert ist, den arbeitenden Menschen so gut wie keine Rechte zugesteht und die sie unter härtesten Bedingungen auf das Schärfste ausbeutet. Die Folge  ist ein soziales Pulverfass, das bisher nur aufgrund staatlicher Repression nicht explodiert ist.

Gelenkt wird die chinesische Wirtschaft von einer milliardenschweren Finanzoligarchie, die sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten herausgebildet hat, und einer ihr hörigen Kaste aus Parteibürokraten – eine Allianz, die sich im Wesen nur wenig von dem Bündnis aus Finanzelite und Politik im Westen unterscheidet.

Die Abhängigkeit von der stagnierenden Weltwirtschaft und die kreditgetriebenen Investitionen vor allem in den Immobiliensektor haben in den vergangenen Jahren in China zu extremen Ungleichgewichten geführt. Einem weitgehend unregulierten Schattenbankensystem und riesigen Blasen am Aktien- und Immobilienmarkt stehen immer größere Absatzprobleme gegenüber – im Inland wegen der mangelnden Kaufkraft, im Ausland wegen der seit 2007 / 2008 kontinuierlich schwindenden Nachfrage.

Dazu kommt, dass China und die USA seit Jahren finanziell miteinander verbunden sind: China war bis vor einiger Zeit mit fast zwei Billionen US-Dollar der größte Inhaber von US-Staatsanleihen (. . und hat damit dazu beigetragen, die amerikanischen Kriege zu finanzieren). Es hat diesen Bestand zwar inzwischen auf 1,2 Billionen Dollar reduziert und versucht ihn auch weiterhin abzubauen, ist aber bis zum Verkauf der letzten Anleihe aus Eigeninteresse daran interessiert, dass der Dollar nicht einbricht.

China: Die folgenden statistischen Angaben zur Staatsverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beziehen sich auf den Gesamtstaat und beinhalten die Schulden des Zentralstaats, der Länder, der Gemeinden und Kommunen sowie der Sozialversicherungen. Im Jahr 2013 betrug die Staatsverschuldung Chinas rund 22,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, aktuell ca. 20,2 Prozent.


Statistik: China: Staatsverschuldung von 2004 bis 2014 in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) | Statista
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Da die Fachleute im chinesischen Wirtschaftsministerium jedoch um die Probleme der Entwicklung des globalen Finanzsystems wissen, bereiten sie sich seit längerem unter anderem durch massive Goldkäufe darauf vor, einem erwarteten Zusammenbruch der Papierwährungen eine eigene goldgedeckte Währung entgegenzusetzen. Die wichtigste Frage, die sich ihnen aber momentan stellt, ist folgende: Wohin sollen die Gelder von Investoren fließen, wenn es zu einem Platzen der Blasen am Aktien- und Immobilienmarkt oder einem Einbruch des globalen Finanzsystems kommt?

An genau dieser Stelle kommen die NEB und die AIIB ins Spiel. Sie schaffen die Möglichkeit für Investitionen in Festwerte wie Infrastrukturprojekte und bieten daher in Zeichen der Krise minimale Sicherheiten für Investoren, die in hellen Scharen aus unsicheren Anlagen wie Aktien, Staatsanleihen oder von Wertverlust bedrohten Immobilien fliehen werden. Das gleiche gilt auch für die 57 Länder, die sich an der AIIB beteiligen wollen: Ihre Finanzeliten versuchen angesichts der heiklen Weltsituation, ihre Anlagen zu streuen, in feste Werte und dabei möglichst in Fremdwährungen außerhalb des Dollars wie den Yuan zu investieren.

Die nachfolgende Statistik zeigt die durchschnittliche Inflationsrate in China von 2004 bis 2014. Die Inflationsrate bildet Veränderungen der Kosten für einen festgelegten Warenkorb ab, der eine repräsentative Auswahl an Waren und Dienstleistungen enthält. Sie wird aus dem Verbraucherpreisindex (VPI) abgeleitet. Im Jahr 2013 betrug die durchschnittliche Inflationsrate in China rund 2,6 % gegenüber dem Vorjahr, Ende 2014 lag die Rate bei 3,0 Prozent.


Statistik: China: Inflationsrate von 2004 bis 2014 (gegenüber dem Vorjahr) | Statista
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Dass viele Kritiker die NEB und die AIIB für eine positive Alternative zum IWF und zur Weltbank halten, dürfte mit dem David-und-Goliath-Effekt zusammenhängen. Die USA sind nicht nur stärkste Wirtschaftsmacht, sondern verfügen auch über die größte Militärmaschinerie der Erde, überziehen die Welt seit Jahren mit Kriegen und treten gerade China gegenüber extrem aggressiv auf. Diese Tatsachen verleiten viele Menschen dazu, alles, was den USA schadet, als zukunftsweisend zu sehen und zu unterstützen.

Sie sollten gerade in der gegenwärtigen Zeit, in der sich die größten Veränderungen in der Geschichte der Menschheit anbahnen, einen kühlen Kopf und vor allem Geduld bewahren: Die Vorherrschaft der USA wird mit Sicherheit zu Ende gehen, allerdings nicht durch die Einrichtung neuer Finanzinstitutionen wie der AIIB.
 

 

Sowohl NEB, als auch AIIB sind keine fortschrittlichen und der Zukunft der Menschheit förderlichen Projekte. Sie sind der Versuch der chinesischen Führung, angesichts des sich anbahnenden globalen Finanz-Tsunamis zwei Notausgänge für Investoren zu schaffen. Sie werden nach denselben Prinzipien funktionieren wie der IWF und die Weltbank und die hinter ihnen stehenden Kräfte - die chinesische Finanzelite und die diktatorische Führung in Beijing – unterscheiden sich weder in ihren Mitteln, noch in ihren Absichten von der Allianz aus Finanzaristokratie und den ihr hörigen Politikern im Westen. Ihr Ziel ist es nicht, eine gerechtere Welt zu schaffen, sondern sich in Zeiten der Krise unter Einsatz aller verfügbaren Mittel ein möglichst großes Stück vom globalen Kuchen einzuverleiben.

Dass der IWF sich an der AIIB beteiligt, ändert im Übrigen auch nichts an der Tatsache, dass die US-Regierung nach wie vor an ihrer die gesamte Menschheit gefährdenden mehrgleisigen Strategie zur Lösung ihrer Probleme festhält: Neben wirtschaftlicher Erpressung, dem Erlassen von Sanktionen und dem Einsatz der Geheimdienste zur Destabilisierung ganzer Nationen laufen die Einkesselung Chinas und der Militäraufbau im Rahmen des „Pivot to Asia“ („Schwenk nach Asien“) ebenso unvermindert fort wie die Kriegsvorbereitungen gegen Russland. Es ist angebracht, sich in diesen Zeiten daran zu erinnern, dass noch keine Großmacht in der Geschichte der Menschheit das Zepter freiwillig und kampflos aus der Hand gegeben hat.

Ernst Wolff

 

: Bitte um Beachtung der nachfolgenden Lesetipps und der 9 angehängten -Text-Dokumente weiter unten!!


 

Lesetipps:


Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank. Wolffs Interview für Geopolitika - weiter

Der IWF bereitet sich auf das Ende der US-Dollar-Ära vor - weiter

EZB und nationale Notenbanken verpulvern 1 Billion Euro für die Finanzindustrie - weiter

Wolfgang Berger: Wie sich der Finanzsektor die Welt unterwirft - weiter

KenFM im Gespräch mit: Ernst Wolff - "Weltmacht IWF" - weiter

Ein Bail-In bei der Hypo Alpe Adria? Alarmstufe rot fürs globale Finanzsystem! - weiter


Bild- und Grafikquellen:


1. CHINA`S NEW REVOLUTION - Titelblatt des Magazines TIME, June 27, 2005 | Vol. 165 No. 26. Foto: Josh Bartok. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0)

2. Chinas Containerschiff: die Exportwirtschaft des Landes brummt und bestimmt unser täglichen Warenkonsum. Foto: Bernd Sterzl, Quelle: Pixelio.de     

3. USA: Staatsverschuldung von 2004 bis 2014 (in Milliarden US-Dollar) - Quelle: http://de.statista.com/. Statista ist eines der führenden deutschen Statistikunternehmen im Internet. Die Statista GmbH aus Hamburg bietet Geschäftskunden mit dem Portal de.statista.com ein innovatives und intuitives Recherchetool zu quantitativen Daten an. Statista ist der schnelle und umfassende Ausgangspunkt für die Recherche nach Zahlen, Daten und Fakten.

4. USA: Staatsverschuldung von 2004 bis 2014 in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Quelle: http://de.statista.com/. Statista ist eines der führenden deutschen Statistikunternehmen im Internet. Die Statista GmbH aus Hamburg bietet Geschäftskunden mit dem Portal de.statista.com ein innovatives und intuitives Recherchetool zu quantitativen Daten an. Statista ist der schnelle und umfassende Ausgangspunkt für die Recherche nach Zahlen, Daten und Fakten.

5. Staatswappen der Volksrepublik China. Bild: Legislative Assembly of the Macau Special Administrative Region. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Werk ist gemeinfrei, da sein Urheberrecht in China abgelaufen ist.

6. China: Staatsverschuldung von 2004 bis 2014 in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Quelle: http://de.statista.com/. Statista ist eines der führenden deutschen Statistikunternehmen im Internet. Die Statista GmbH aus Hamburg bietet Geschäftskunden mit dem Portal de.statista.com ein innovatives und intuitives Recherchetool zu quantitativen Daten an. Statista ist der schnelle und umfassende Ausgangspunkt für die Recherche nach Zahlen, Daten und Fakten.

7. Statistik zeigt die durchschnittliche Inflationsrate in China von 2004 bis 2014. Quelle: http://de.statista.com/. Statista ist eines der führenden deutschen Statistikunternehmen im Internet. Die Statista GmbH aus Hamburg bietet Geschäftskunden mit dem Portal de.statista.com ein innovatives und intuitives Recherchetool zu quantitativen Daten an. Statista ist der schnelle und umfassende Ausgangspunkt für die Recherche nach Zahlen, Daten und Fakten.

8. END U.S. IMPERIALISM. Foto: Josh Bartok. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0)

9. Cover: "WELTMACHT IWF - Chronik eines Raubzugs" von Ernst Wolff.