Die Berliner Flüchtlingspolitik: Ein Lehrstück medialer Irreführung

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Ernst Wolff
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Verbunden: 17.02.2015 - 23:40
Die Berliner Flüchtlingspolitik: Ein Lehrstück medialer Irreführung
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Die Berliner Flüchtlingspolitik

Ein Lehrstück medialer Irreführung

Angeblich tobt in der Regierungskoalition in Berlin seit Wochen ein „heftiger Konflikt“ um die Flüchtlingspolitik. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Mainstream-Medien nicht über Zerwürfnisse zwischen Ministern und Ministerpräsidenten berichten, ihre bevorstehende Entlassung ankündigen oder gar über vorgezogene Neuwahlen spekulieren. Derzeit steht vor allem der angeblich von Kanzlerin Merkel vollzogene erneute „Kurswechsel“ im Fokus der Berichterstattung.

Der künstlich aufgebauschte Konflikt ist nichts anderes als ein grandioses, für die Massen inszeniertes Spektakel. Sein Ziel ist es, die Mehrheit der Bevölkerung von den wahren Problemen, die sich hinter den Flüchtlingsströmen verbergen, abzulenken. Bei diesen handelt es sich um die deutsche Waffenexportpolitik, die aktive Förderung von Krisenherden in aller Welt durch die Bundesregierung und ihre gezielte Vorbereitung auf die bevorstehenden Einbrüche der deutschen Exportwirtschaft im Zuge der weltweiten Rezession.

 
Deutschland hat selbst zur Entstehung der Konfliktherde beigetragen

Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stammten die meisten Asylsuchenden auf deutschem Boden im September 2015 aus Syrien, gefolgt von Albanien, Kosovo, Afghanistan, Irak, Serbien und Jemen. Ein flüchtiger Blick auf die Geschichte dieser Länder zeigt: Kosovo, Albanien und Serbien haben sich bis heute nicht von den Folgen des Jugoslawienkrieges erholt, Afghanistan, Irak, Syrien und Jemen leiden seit Jahren unter den Folgen der vor allem von den USA betriebenen und von ihren Verbündeten unterstützten Politik der Destabilisierung.

In den meisten dieser Krisenregionen hat auch Deutschland eine wichtige Rolle gespielt – entweder als direkt am Krieg beteiligtes Land, durch die Stationierung von Truppen oder als Waffenlieferant. Im Jugoslawienkrieg hat die damalige rot-grüne Regierung durch den ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr mit dazu beigetragen, die schlimmsten Verwüstungen auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg anzurichten. In Afghanistan stellt Deutschland seit Jahren nach den USA und Großbritannien das drittgrößte Truppenkontingent. Im Jemen, in dem die Zivilbevölkerung seit Monaten unter dem Bombenterror Saudi-Arabiens leidet, kommen auch deutsche Waffen zum Einsatz.

Das heißt: Die deutsche Regierung hat mit Unterstützung des Bundestages selbst aktiv zur Entstehung genau der Konflikte beigetragen, die jetzt dazu führen, dass hunderttausende verzweifelter Menschen ins Land strömen. Um jede Diskussion über diese tatsächlichen Ursachen bereits im Keim zu ersticken, überschlagen sich Politiker und Mainstream-Medien gegenwärtig darin, die öffentliche Debatte auf das Ziehen von Mauern, die Errichtung von Transitzonen oder die Probleme der EU-Außenländer bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme zu richten.


Berlin verschärft sogar die Gangart

Gleichzeitig setzt die Regierung ihre Politik aber nicht nur unbeeindruckt fort, sondern verschärft sogar die Gangart: So hat Berlin im ersten Halbjahr 2015 fast ebenso viele Einzelausfuhrgenehmigungen für Waffen erteilt wie im gesamten Jahr 2014. Das Kriegsmaterial ging unter anderem nach Syrien (!), Irak, Kuwait und Saudi-Arabien. Es werden also auch aktuelle Krisenherde weiter mit Waffen versorgt und so ganz bewusst neue Flüchtlingsströme geschaffen.
 

Hintergrund dieser Politik ist die sich verschärfende weltweite Finanz- und Schuldenkrise und der immer härter geführte Verdrängungskampf um die globalen Märkte. Deutschland, das seit der Wiedervereinigung vor einem Vierteljahrhundert mit allen Mitteln versucht, sich wieder als Großmacht zu etablieren, setzt derzeit alles daran, seinen Einfluss in der Welt nicht nur ökonomisch, sondern auch militärisch zu vergrößern. Hierzu dienen die Entsendung von „Ausbildern“, die Stationierung von Soldaten im Ausland und die Teilnahme an „Friedensmissionen“ ebenso wie die Lieferung von Waffen.

Wie aber passt der vermeintliche „Zickzack-Kurs“ der Bundeskanzlerin in dieses Bild? Ein genauer Blick auf ihr Handeln liefert die Erklärung:


Angela Merkels angeblicher Zickzack-Kurs

Als der Flüchtlingsstrom zum Jahreswechsel 2014 / 2015 immer größere Ausmaße annahm, reagierte Angela Merkel mit eisiger Kälte: Sie ließ - zusammen mit den übrigen Regierungschefs der EU - eine Verlängerung des Seenotrettungsprogramms „Mare Nostrum“ der italienischen Regierung verhindern, durch das bereits Tausende von Flüchtlingen vor dem Ertrinken im Mittelmeer gerettet worden war. Merkel und ihre europäischen Kollegen machten sich damit der unterlassenen Hilfeleistung und der Inkaufnahme des Todes unzähliger Flüchtlinge schuldig.

Ziel war es, weitere Asylsuchende davor abzuschrecken, das Risiko einer Überquerung des Mittelmeers in Kauf zu nehmen. Doch die Verzweiflung und die menschliche Not der Flüchtenden war so groß, dass nicht einmal die Angst vorm Tod sie davor abschrecken konnte, den Weg in die vermeintliche Sicherheit zu suchen.

Dann trat ein, womit die Kanzlerin nicht gerechnet hatte: Die deutsche Bevölkerung reagierte empört und streckte den Flüchtlingen zum überwiegenden Teil auf Grund der eigenen historischen Erfahrung die ausgestreckte Hand entgegen. Die Kanzlerin reagierte kühl kalkulierend, indem sie eine 180-Grad-Wende vollzog und sich der Öffentlichkeit als Helferin und Retterin präsentierte – ein Manöver, das ihr beinahe den Friedensnobelpreis eingebracht hätte.


Ein eiskaltes Kalkül

Wer allerdings humanitäre Motive hinter ihrem Handeln vermutet, liegt mit Sicherheit falsch. Hinter der Kurskorrektur verbarg sich folgendes Kalkül: Die Folgen der sich derzeit abzeichnenden weltweiten Rezession werden Deutschlands exportanhängige Wirtschaft mit besonderer Härte treffen. Um das Land für die kommenden harten Zeiten „wettbewerbsfähig“ zu machen, müssen die Löhne gesenkt, die Arbeitsbedingungen verschärft und zumindest Teile der Wirtschaft vom Export unabhängig gemacht werden.

Genau hier kommen die Flüchtlinge ins Spiel: Da es sich bei mehr als 75 Prozent von ihnen um kräftige junge Männer handelt, können diese dem deutschen Arbeitsmarkt schnell als „Reservearmee“ zugeführt werden. Es war kein Zufall, dass die deutsche Industrie kurz nach Merkels Politikwechsel die Abschaffung oder zumindest eine Senkung des Mindestlohnes forderte.

Dass nun der Nachzug von Angehörigen offiziell verhindert werden soll, passt ebenfalls ins Bild: Ganze Familien würden den deutschen Staat Geld kosten, während die jungen Männer u.a. dazu beitragen könnten, die deutsche Exportwirtschaft zu entlasten. Da dringend Wohnungen gebraucht werden, könnte eine große Zahl der jungen und kräftigen Syrer in der Bauwirtschaft eingesetzt und hier zur Lohndrückung gegen deutsche Kollegen ausgenutzt werden. Das wiederum hätte die Folge, dass sich die Stimmung zwischen den betroffenen Arbeitskräften und den Asylanten weiter aufheizen und sich mit Hilfe einschlägiger Medien so weit steigern ließe, dass ein Verbot des Nachzugs von Familien und möglicherweise auch ein vollständiger Asylstopp politisch durchzusetzen wäre.

Egal, von welcher Seite aus man es betrachtet: Die von den Mainstream-Medien unterstützte Politik der deutschen Regierung ist nicht nur ein Verbrechen an denen, die in höchster Not allein gelassen werden, sondern auch ein weiterer Angriff auf den Lebensstandard der niedrigen Einkommensschichten im Land. Verlierer werden einmal mehr die am unteren Rand der Gesellschaft, Gewinner einige wenige Profiteure am oberen Ende der Einkommensskala sein.

Die gesamte Entwicklung zeigt aber auch, in welch gefährlicher Lage wir uns gegenwärtig befinden: Um die seit 2007 / 2008 stagnierende Wirtschaft in Gang zu bringen, greift die Bundesregierung zu immer drastischeren Mitteln, die gleichzeitig den sozialen Sprengstoff erhöhen und zu einem gefährlichen Rechtsruck im Land führen. Die Frage, die sich stellt, ist nicht mehr, ob es zur Explosion kommen wird, sondern nur noch, wann dieser Zeitpunkt erreicht sein wird.  

Ernst Wolff, Berlin



Diego Fusaro: Der Zusammenhang zwischen Globalisierung, Imperialismus & neuzeitl. Völkerwanderung.


Bild- und Grafikquellen:

1. "THERE ARE NO HUMANITARIAN WEAPONS." Grafik: Tjebbe van Tijen. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0).

2. Gasmaske und Patronengürtel. Foto: Christopher Bowley. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

3. EU-Grenzen töten. Foto: Jacob Huber / Campact. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

4. Kapitalistische Demokratie. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.