Die Profiteure von Paris. Geheimdienste haben nichts verhindert.

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Wolfgang Blaschka
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Verbunden: 09.11.2010 - 02:16
Die Profiteure von Paris. Geheimdienste haben nichts verhindert.
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Die Profiteure von Paris


Geheimdienste haben nichts verhindert


Seit den Bombenanschlägen von Freitag, dem 13. November, gilt einmal mehr der Ausnahmezustand. Nicht nur in Frankreich über drei Monate, sondern auch in Belgiens Hauptstadt, örtlich auch in Deutschland. In Hannover wird ein Länderspiel abgesagt, am Hauptbahnhof ein Gepäckstück in die Luft gesprengt. Blinder Alarm: Ein Ingenieur hatte seinen Werkzeugkoffer vergessen. Der Innenminister „beruhigt“ die Bevölkerung mit dem Spruch, Details könne er nicht nennen, da „Teile der Information die Öffentlichkeit beunruhigen“ könnten. In München erstürmt ein Sonderkommando ein Hotel. Blinder Alarm: Ein iranisches Ehepaar hatte noch eine Camping-Gaskartusche von der Flucht im Gepäck. So ging es an vielen Orten mit blindem Alarmismus.

Bayerns Innenminister muss eingestehen, einem Irrtum aufgrund von Namensgleichheit aufgesessen zu sein. In St. Denis feuerte die Polizei 5000 Schuss aus Maschinenpistolen auf ein Türschloss, bevor sich drei Personen dahinter in die Luft sprengten; angeblich sei darunter einer der Drahtzieher von Paris. Brüssels Innenstadt wurde komplett abgeriegelt, die Metro tagelang stillgelegt, 16 verdächtige Personen verhaftet; die angeblich gesuchte nicht darunter.

Den Schülern wird die falsche Lehre vermittelt, Terrordrohungen seien gut für Schulfrei, Hysterie rette vor Hausaufgaben. Die wurden nie gemacht. Die Vorstadt-Dschihadisten kamen nicht von Irgendwo, sondern aus dem kalten Herzen Europas, aus den tristen Banlieues rund um Paris und Brüssel – ausgegrenzt, vernachlässigt, missachtet. Hätte Hollande tatsächlich im Rachefuror die Herkunftsorte der Kids treffen wollen, wären statt Syrien die Peripherie von Paris und die Gemeinde Molenbeek-Saint-Jean in der Hauptstadt Europas zu bombardieren gewesen.

Die Polizei kommt immer erst hinterher, und eigentlich gar nicht nach, wenn es an mehreren Stellen gleichzeitig kracht. So wie die Feuerwehr erst eintrifft, nachdem es lichterloh brennt. Am verlorensten wirkt das Militär, wo es martialisch etwas abriegelt, was wie ein Schlachtfeld auf einem Markt in Bagdad aussieht, nur mitten in Paris. Sollen die Soldaten jetzt herumballern, ausschwärmen, sich in Deckung schmeißen? Ihre Präsenz ist so hilflos wie überflüssig. Sie stehen nur den Sanitätern im Weg. Nur ein Berufsstand steht trotz des kollektiven Schocks ganz hoch im Kurs, obwohl er gar nichts getan hat, nicht einmal auf dem Posten gestanden: Die Leute vom Geheimdienst. Sie sollen jetzt alles aufdecken, was sie entweder nicht wussten oder aber nicht preisgeben wollten.

Denn irgendetwas muss man doch tun, sagen die Sicherheits-Experten und Kriegsstrategen in der Hoffnung, dass ihr Ruf verfängt. Wir müssen ihn doch gewinnen, diesen Krieg, für uns gewinnen, ihn kontrollieren, bezähmen und einhegen, schließlich einschläfern. Ist doch schließlich unser Antiterrorkrieg, oder? Also beenden wir ihn auch. Notfalls sogar im Bunde mit Putin. Aber erst nachdem er gewonnen ist! Will heißen: Assad soll abtreten, was das erklärte Ziel des IS ist; und der IS soll verschwinden, was erklärtes Ziel Assads ist. Eine vertrackte Situation. Bis dahin schießt die Türkei noch russische Flugzeuge über Syrien ab. Vielleicht können die Schlapphüte noch etwas aufklären bis dahin.

Es ist freilich kein Geheimnis: Ohne Russland wird das Knäuel nicht entwirrbar sein, auch nicht ohne den Iran. Dazu bräuchte es keine Geheimdienst-Erkenntnisse. Doch fällt die Einsicht halt gar so schwer. Dafür sitzen bei der Syrienkonferenz nun auch jene mit am Tisch, die den IS ursprünglich protegiert haben und ungestört gewähren ließen: Erdoğan Türkei und Saudi-Arabien mit Katar, deren reiche wahabitische Clans den IS-Terror bis heute finanzieren, und nebenbei auch noch hundert sunnitische Moscheen für Europa. Da verhandelt nun Luzifer mit Beelzebub, und der teuflische Westen sprenkelt satanisch Weihwasser über aller bluttriefende Hände.
 

 

Den Krieg schert das zunächst wenig in seinem Fortlauf. Er tobt blindlings weiter. Auf jede mörderische Attacke folgt das nächste Massaker. Wie ebendieses in Paris, das prompt auf die Exekution von „Dschihadi-John“ folgte, jenes skrupellosen „Messerhelden“, der in seinen Droh-Videos reinsten Londoner Dialekt zu sprechen verstand. Überhaupt geriet das Rätsel um den syrischen Pass, der neben den Leichenteilen eines der Selbstmörder vor dem Stadion gefunden wurde, zum Bumerang für jene, die auf immer schärfere Polizeiarbeit setzen: Beweist er doch, ob echt oder gefälscht, dass er seinen Besitzer, wer immer es war, von Griechenland bis an die serbische Grenze schleusen konnte, wo der Benutzer sich registrieren ließ und dann spurlos verschwand. Trotz mehrmaliger Kontrollen stand da nicht drauf: „Schläfer“ oder „Terrorist“. Ohne abgründige Vermutungen über die Herkunft des Ausweisdokuments lässt sich behaupten: Grenzkontrollen bringen gar nichts gegen Verbrechen oder Verbrechensvorsätze. Nölende Söderei wirkt da nur öde: Rechtspopulistische Instrumentalisierungs-Versuche zielen sicherheitspolitisch ins Leere, sind blanke Versager-Phantasien.

Einzig die Geheimdienste könnten mehr wissen, ahnen oder vermuten als kontrollierende Grenzpolizisten. Wie sie Ihre Informationen besorgen, ist hinlänglich bekannt: Um potenzielle Verbrecher aufzuspüren, müssen sie deren Verbrecher-Kumpane anwerben und diese eine Weile bei der Planung und Vorbereitung des Verbrechens mittun lassen. Was die dann für viel Geld erzählen, kann auch dampfender Bullshit sein, möglicherweise sogar eine ausgeklügelte Finte, um den heimlichen Auftraggeber berechnend in eine Falle tappen zu lassen. So wie den unsäglichen Oberst Georg Klein (mittlererweile Brigadegeneral der Bundeswehr), der ungeprüft den Agentenberichten aufsaß, dass bewaffnete Taliban sich an gekaperten Bundeswehr-Tanklastwagen zu schaffen machten, während tatsächlich nur zivile Dorfbewohner Benzin abzapften. [Erg. ADMIN H.S.: siehe Video weiter unten und die 2 PdFs im Anhang!]

Die Dienste nehmen gern, was sie hören wollen, so auch die CIA, die dem BND die frei erfundenen, jedoch keiner Überprüfung standhaltenden Phantasie-Erzählungen eines irakischen Asylbewerbers über Giftgasfabriken aus der Hand rissen, weil Bush jr. sie so dringend für seinen längst geplanten Feldzug gegen Saddam Hussein brauchte. Als dieser „Curveball“ in einem Interview mit dem Ergebnis seiner Lügerei, den 500.000 Toten des Irakkrieges konfrontiert wurde, grinste er nur blöde. Geheimdienste agieren meist „operativ“, oft jenseits von Wahrheit und Glaubwürdigkeit, sofern es in ihren Kram passt. Ihre Erkenntnisse stammen von Kriminellen wie sie selbst welche sind, nur eben staatlich bezahlt, und besser als ihre angeheuerten „Agenten“ und „V-Leute“.

Wiewohl die nun auch nicht gerade darben: Ein BND-Agent, der nebenher auch die CIA mit Betriebsgeheimnissen seines Hauses versorgte, erhielt 95.000 Euro in wenigen Monaten. Er verteidigte sich im Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht, ihm sei langweilig gewesen mit nur einem Job, der ihn meist nur zwei Stunden am Tag forderte. Für ihn war nicht viel zu tun außer Kaffeetrinken und Abwarten. Aufgeflogen ist er übrigens, als er sich auch noch bei den russischen Schlapphüten andienen wollte. Die hatten ihn wohl enttarnt.

Weniger langweilig dürfte es den NSU-Betreuern gewesen sein, und ganz interessant war es sicher für die Lauscher, die für den Bundesnachrichtendienst gesetzwidrig deutsche Diplomaten, befreundete Regierungen (obwohl das ja „gar nicht geht“) und nach tausenden von „Selektoren“ so ziemlich alles aus den elektronischen Netze abfischten, was ihnen nützlich erschien. Den Vorstadt-Dschihadisten von Paris konnten oder wollten sie nicht auf die Spur kommen. Der in Bayern aufgegriffene Waffenhändler mit dem Zielort „Paris“ im Navi geriet ihnen eher zufällig ins Netz im Rahmen einer allgemeinen Schleierfahndung. So weit mussten die Täter an der Seine gar nicht anreisen.

Die brauchten nicht einmal Masken, nur ein Handy, einen Sprengstoff-Gürtel und eine Pistole für ihren Heimatkriegsschauplatz, sowie eine Menge Menschenverachtung und Hass im Herzen. Dafür sorgte Frankreich mit seiner postkolonialen „Nachsorge“ in Syrien. Der hausgemachte Terror ist das Gegenstück zum exportierten Krieg, der dank Terror-Hysterie weiter eskaliert. Und die Flüchtlinge ziehen just dorthin, von wo der Schrecken seinen Ausgang nahm.

Zwar brüsten sich die Geheimdienste immer wieder mit der Vereitelung von Attentaten, doch um die im Vorfeld aufzuspüren, müssen sie ja sehr dicht dran gewesen sein, die Konkretisierung möglicher Anschlagspläne teilweise sogar mit befördert haben, um sie dann aufdecken und deren Durchführung verhindern zu können - oder eben auch nicht. Nine-Eleven wurde nicht verhindert, obwohl Atta und einige seiner Komplizen unter staatlicher Beobachtung standen. Das war kein behördliches Versagen; es sollte wohl so geschehen.

In jedem Fall profitiert der BND von Terror-Anschlägen, egal was da in Paris geschah. Bereits einen Tag zuvor, am Donnerstag also, kam die frohe Kunde vom „Vertrauensgremium“, einem geheimen Ausschuss des Bundestages: 225 neue Stellen für satte 22,3 Millionen Euro pro Jahr! Ein Glückstag am Vorabend des Unglücks: 125 neue Terrorismus-Aufklärer, die dann natürlich auch ganz frische „Quellen“ anzapfen dürfen. Auch der Verfassungsschutz geht nicht leer aus, er kriegt einen zweiten Vize-Präsidenten nebst 250 zusätzlichen Stellen, davon 150 beim „Rechtsextremismus“ und wiederum davon 42 für die Observation. Zur Bekämpfung des Islamismus werden 200 Stellen entsperrt. Bald steht hinter jedem Salafisten ein Geheimer. Krieg und Krise beleben das Geschäft.

Wolfgang Blaschka, München

 


 

Geheimakte Kunduz - Protokoll eines tödlichen Fehlers (1)



Geheimakte Kunduz - Protokoll eines tödlichen Fehlers (2)

 


 

Lesetipps:


1. Wie man einen Terroranschlag vorläufig klassifizieren kann - weiter.

2. Nordatlantikvertrag: Acht Gründe für den Austritt Deutschlands aus der NATO - weiter.


Bild- und Grafikquellen:


1. "WHAT is ISIS? A WESTERN-created entity, radicalised, trained, funded and armed by the West and its Middle-Eastern allies". Grafik: Flickr-user See Li, London / UK. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

2. Don't Bomb Syria - London protest 28 Nov 2015. A couple hold a banner saying - "Bombing for peace is like fucking for virginity". In a rally organized by the Stop the War Coalition, thousands demonstrated in Whitehall against the Conservative Prime Minister David Cameron's bombing Syria. Foto: RonF / THE WEEKLY BULL, London / UK. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

3. JE SUIS ALEPPO, RAQQAH, HOMS, SYRIA. Grafik: Wilfried (WiKa) Kahrs / QPress.de

4. "Moutons du Monde - Sheeple of the World - Schafe dieser Welt: P[R]AY FOR PARIS." Yours sincerely . . . CIA, FBI, NSA, MOSSAD, MI5, BRGE, BND . . and more. Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.de

5. NATO IMPERIALISM - THE HIGHEST STAGE OF CAPITALISM. Grafik: by Domain-of-the-Public. NATO, the North Atlantic Terrorist Organization, leads the world in capitalist oppression and imperialism. "Imperialism is the highest stage of Capitalism" is from Lenin. Fuck NATO! Verbreitung: EVERYTHING ALWAYS PUBLIC DOMAIN! You are free to do anything you can imagine to/with this. Quelle: DEVIANT ART > NATO IMPERIALISM. DEVIANT ART the largest online social network for artists and art enthusiasts, and a platform for emerging and established artists to exhibit, promote, and share their works with an enthusiastic, art-centric community.