Dr. Peter Gauweiler legt Bundestagsmandat und CSU-Amt nieder

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Marie-Luise Volk
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Verbunden: 28.10.2010 - 13:29
Dr. Peter Gauweiler legt Bundestagsmandat und CSU-Amt nieder
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Dr. Peter Gauweiler legt Bundestagsmandat und CSU-Amt nieder


Der “Stachel im Fleisch” Peter Gauweiler hat seine Schuldigkeit getan. Und so, wie der Ministerpräsident des Freistaates Bayern und seit 2008 CSU-Vorsitzender Horst Seehofer gestrickt ist, beugt er sich eher demütig den Wünschen von Bundesmutti Angela Merkel, als dass er sich hinter die Entscheidung Peter Gauweilers bei der letzten Griechenland-Abstimmung stellt.

Hoffentlich war Gauweiler klar, dass Seehofer ihn seinerzeit nur als Mittel zum Zweck zum stellvertretenden CSU-Vorsitzenden kürte. Mit seiner Person war einigermaßen gesichert, dass die CSU nicht noch mehr Stimmen an die Freien Wähler und die AfD in Bayern abgeben musste. Ihm jetzt mangelnde Parteidisziplin vorzuwerfen, ist infam. 

Auch wenn Peter Gauweiler manchmal nicht Nachvollziehbares in Bezug auf sein Verhältnis zur CSU offenbarte, war er ein streitbarer Abgeordneter, der glaubwürdig gegen den Vertrag von Lissabon und ESM-Vertrag zu Felde zog. Am 6. März hatte Gauweiler im Bundestag gegen die Verlängerung des griechischen Kredit-Pakets gestimmt.

Zur Frage der russischen Politik gegenüber der Krim äußerte Gauweiler Verständnis für die russische Position. In der Krim-Krise kritisierte Gauweiler im März 2014 das Verhalten der deutschen Regierung gegenüber Russland. Wirtschaftliche Sanktionen und eine größere Truppenpräsenz, die gefordert wurden, bezeichnete er als „Säbelrasseln“ und „gefährliche Kraftmeierei“. USA und EU hätten Deutschland „in eine gefährliche Drohungseskalation gebracht“. Der Westen habe nach dem Fall des Eisernen Vorhangs das neue Russland ignoriert und ständig frustriert.

Beim politischen Aschermittwoch im März 2014 sagte Gauweiler: „Wir sind für die Partnerschaft. Wir sind für die Partnerschaft mit Kiew, aber Moskau gehört genauso zu Europa dazu und wir lassen nicht zu, dass das europäische Russland von Kiew, von anderen, ausgegliedert wurde. Wir sind für die Zusammenarbeit mit Russland.“ Gauweiler forderte eine Rückbesinnung der deutschen Politik auf die „richtungsbestimmende Klugheit“ von Franz Josef Strauß und zitierte zustimmend seinen Ausspruch: „Wenn Deutschland und Russland gute Beziehungen hatten, dann war das immer gut für Europa“

Am 12. September 2014 reiste Gauweiler nach Moskau, um als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Auswärtige Kultur das „Jahr der Sprache und Literatur in Russland und in Deutschland“ zu eröffnen. Während seines Besuchs kritisierte er die Sanktionspolitik gegen Russland. Diese sei eine feige Politik, die in die falsche Richtung gehe, sagte er am 12. September 2014 gegenüber der dpa. Die Erfahrungen im Iran und im Irak hätten gezeigt, dass solche Strafmaßnahmen nicht wirkten. Es sei nötig, Brücken zu bauen und miteinander zu reden. Man müsse nicht alles akzeptieren, aber die Gegenseite verstehen. „Russland gehört zu Europa! Sanktionen sind der falsche Weg.“


Dafür und sein langjähriges politisches Wirken hat Peter Gauweiler Respekt verdient !

Nachfolgend der Wortlaut der Erklärung Gauweilers:

 


 

Dr. Peter Gauweiler

Bayerischer Staatsminister a.D.

Postanschrift: Dr. Peter Gauweiler, Promenadeplatz 9, Aufgang II, 80333 München

31. März 2015


„Als ich in das CSU-Präsidium berufen wurde, war meine politische Position in Europafragen völlig klar. Ich habe sie durch mehrere Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht und in vielen öffentlichen Äußerungen zum Ausdruck gebracht. Wer Peter Gauweiler zum stellvertretenden CSU-Vorsitzenden wählte, wusste genau, welche Positionen in Sachen Euro und Rettungspolitik damit gewählt wurden. Von mir ist öffentlich verlangt worden, dass ich – weil CSU-Vize – im Bundestag so abstimme, dass ich mich für das Gegenteil dessen entscheide, was ich seit Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht und vor meinen Wählern vertrete und was ich als geltenden Inhalt der CSU-Programme verstehe. Dies ist mit meinem Verständnis der Aufgaben eines Abgeordneten unvereinbar.
 

 

Um das, was ich soeben etwas abstrakt gesagt habe, an einigen Beispielen zu erläutern:

  • Die CSU sagt in ihren Programmen, es dürfe keine Vergemeinschaftung von Staatsschulden, keine „Eurobonds“, geben. Jetzt führt die EZB mit ihrem neuen Staatsanleihenankaufprogramm de facto Eurobonds ein – eine direkte Vergemeinschaftung von Staatsschulden in Höhe von 20% des Ankaufsvolumens, eine indirekte, verschleierte Vergemeinschaftung in Höhe der restlichen 80%.
  • „Die Finanzierung von Krisenstaaten über die Notenpresse lehnen wir ab“ (Europaplan der CSU vom 10. Mai 2014). Genau das macht die EZB aber jetzt, zum einen mit dem Staatsanleihenankaufprogramm, zum anderen mit den ELA-Krediten an griechische Banken.
  • „Einen stabilen Euro kann es dauerhaft nur geben, wenn alle Länder eine konsequente Haushaltsdisziplin einhalten“ (Bayernplan der CSU vom 19. Juli 2013). Die EZB aber nimmt mit ihrer Politik, die Zinsen für Staatsanleihen auf Null Prozent zu drücken, den Eurostaaten jeden Anreiz zur Haushaltsdisziplin.
  • Und jetzt zu Griechenland, unserem aktuellen Streitpunkt: „Krisenstaaten dürfen auch künftig nur Hilfen bekommen, wenn sie im Gegenzug Reformen durchführen und ihre Verschuldung bekämpfen. Wenn ein Staat den Auflagen nicht nachkommt, müssen die Hilfen entsprechend gekürzt oder ganz gestrichen werden.“ „Für überschuldete Staaten soll eine geordnete Staateninsolvenz möglich sein. Dazu soll auch die Möglichkeit gehören, die Eurozone vorübergehend zu verlassen und wieder eine eigene Währung einzuführen. Dieser Prozess soll durch gezielte Wirtschaftshilfe und die Möglichkeit zum Wiedereintritt in die Eurozone begleitet werden“ (Europaplan der CSU vom 10. Mai 2014). Die Staatsverschuldung Griechenlands ist, wie der griechische Ministerpräsident und der neue Finanzminister ehrlicherweise erklärt haben, nicht tragfähig. Griechenland – so beide ausdrücklich – „ist seit 2010 ein bankrotter Staat.“ Warum angesichts dessen meine Gegenstimme gegen eine Verlängerung des aktuellen (offensichtlich völlig wirkungslosen und möglicherweise kontraproduktiven) Programms meinerseits ein Verstoß gegen die CSUParteidisziplin gewesen sein soll, ist mir unklar.

Die Auseinandersetzung der Parteien, aber auch die innerparteiliche Demokratie lebt von dem Respekt der anderen Meinung und dem Wettstreit der Argumente. Wie jeder in der Parteiführung habe ich eine Verantwortung gegenüber meiner Partei, und ich habe eine Verantwortung gegenüber meinen Wählern. Und nach der Verfassung habe ich – wie jeder Abgeordnete – eine Verantwortung gegenüber dem ganzen Volk. Ich habe glücklicherweise zwischen diesen verschiedenen Schichten von Verantwortung nie einen Widerspruch sehen müssen. Denn das, was wir als Partei beschlossen haben, habe ich meinen Wählern als meine Zielsetzung vorgestellt, und ich war zugleich immer überzeugt, dass dies auch im Interesse des Gemeinwohls das ist, was getan werden muss. Wenn dies – wie geschehen – öffentlich in einen kategorischen Gegensatz zur Parteilinie gestellt wird, muss ich die Konsequenzen ziehen. Entsprechende Erklärungen habe ich – in einem persönlichen Gespräch in Sachen meines Parteiamtes – gegenüber dem CSU-Vorsitzenden und in der gesetzlich vorgeschriebenen Form gegenüber dem Bundestagspräsidenten abgegeben.

 


Das Schreiben an den Bundestagspräsidenten hat folgenden Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident

hiermit verzichte ich gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 4 Bundeswahlgesetz auf mein Bundestagsmandat, da ich den mir vom Wähler erteilten Auftrag nicht mehr so ausführen kann, wie ich es für richtig halte.

Auf meine Zeit im Deutschen Bundestag schaue ich dankbar zurück. Es freut mich, wenn ich – auch durch streitige Auseinandersetzungen mit der Parlamentsmehrheit vor dem Bundesverfassungsgericht – einen Beitrag gegen die Ausdünnung des Demokratieprinzips leisten konnte und damit die Volksvertretung gestärkt habe. Die mir im Bundestag anvertraute Aufgabe der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik empfehle ich weiter der gesonderten Aufmerksamkeit des Hauses.

Dass Sie selbst, sehr geehrter Herr Präsident Lammert, sich immer wieder für die Rechte des einzelnen Abgeordneten eingesetzt haben – auch gegen den Widerspruch der Fraktionsapparate – war mir immer sympathisch. Dafür meinen persönlichen Dank.

Mit herzlichen Grüßen und allen guten Wünschen an meine Kolleginnen und Kollegen bin ich Ihr

Peter Gauweiler.“

 



Quelle der Schreiben von Dr. Gauweiler: www.peter-gauweiler.de/

Bildquellen:

1. Peter Gauweiler (* 22. Juni 1949 in München) ist ein promovierter Jurist, Publizist und deutscher Politiker der CSU. Von 2013 bis 2015 war er stellvertretender Vorsitzender seiner Partei. Von 2006 bis 2015 war er Vorsitzender des Unterausschusses Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und von 1990 bis 1994 war er Bayerischer Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen. Zuvor war Gauweiler ab 1986 Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium des Innern gewesen.

Am 31. März 2015 trat Gauweiler von seinem Amt als stellvertretender CSU-Vorsitzender zurück. Ebenfalls legte er sein Mandat als Bundestagsabgeordneter wegen innerparteilicher Differenzen in der Eurorettungspolitik nieder.

Foto: blu-news.org. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0) Der Bildausschnitt wurde durch Helmut S. / KN-Admin geändert!

2. Dr. Peter Gauweiler, 2013. Foto: blu-news.org. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)

3. Dr. Peter Gauweiler (CSU) spricht über Bürgerbeteiligung in Europa beim Forum Demokratie der Initiative Bürgerrecht Direkte Demokratie am 9. April 2014, im Hotel Maritim ProArte, in Berlin. Foto: "Initiative Bürgerrecht Direkte Demokratie". Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0)

4. Horst Seehofer. Bilbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de