Eigene Verantwortung und lohnender Einsatz

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Eigene Verantwortung und lohnender Einsatz
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Eigene Verantwortung und lohnender Einsatz 
 
 
Es gibt ein Dauerthema, wenn ich Kollegen, User aus dem Forum oder andere Menschen höre: Es ist die Frage danach, ob unsere politik- und gesellschaftskritische Arbeit und das Engagement in den Themenbereichen oder der persönliche Zorn über die Geschehnisse sich irgendwie lohnen, die Gesellschaft positiv mitzugestalten, zu verändern und ob der geleistete Aufwand „überhaupt etwas bringt“. Oder anders ausgedrückt: Kann man als Individuum überhaupt etwas verändern und falls ja, wie und was?
 
Andere tragen ihren Zweifel daran vor, daß die veröffentlichten Informationen, die kritische Reflexion und die damit verbundene Aufklärung „nur graue Theorie“ sei und auf die Praxis kaum anzuwenden wären. Als Hauptargument wird dann meistens vorgebracht, daß angelesenes oder geschriebenes Wissen bzw. theoretische Informationsverbreitung nichts für das Leben tauge und brotlose Kunst sei. Nur die handfeste soziale Arbeit zähle und sei nachhaltig. Jeder sollte das tun, was er zum Nutzen der Gesellschaft am besten kann. Wissen und Theorie sind - neben den praktischen Lebenserfahrungen - die Basis für späteres "sinnvolles" Handeln. Wer unwissend ist, kann die Zusammenhänge nicht begreifen und ist kaum in der Lage, sich ein kritisch-hinterfragtes und damit realistisches Bild der Wirklichkeit zu machen. Schließlich wird doch wohl niemand ernstlich behaupten, daß all die Jahrtausende andauernde Arbeit von Philosophen und Wissenschaftlern, die in zigtausenden von schlauen Büchern und Schriften veröffentlicht wurde, sozusagen für die Katz gewesen sei. 
 
Jede Erkenntnis der Menschheit baut auf den Erfahrungen und Theorien der Altvorderen auf. Alles was wir denken oder schreiben ist wahrscheinlich schon einmal gedacht oder geschrieben worden - jedenfalls in ähnlicher Form. Wir können das Rad nicht mehr neu erfinden. Wenn man es genau nimmt, dann ist jeder gesprochene Satz und jedes geschriebene Wort auf irgendeine Weise „geklaut“ oder entliehen und müßte als Zitat gebracht werden. Wenn wir über Wissensanreicherung reden, dann sollten wir zwischen zweierlei Arten von Wissen unterscheiden:
  • dem „gefressenen“ Wissen, das wir uns selbst eintrichtern oder von Schule/Uni/Ausbildung/Gesellschaft/Norm als Pflichtwissen auferlegt wird und das eigentlich nur dem Zwecke der Reputation dient – also nach dem Motto: „non vitae, sed scholae discimus“ (nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir), mit dem bereits der römische Philosoph Seneca die zweckentfremdende Wissensanhäufung kritisierte, und
  • dem lebenspraktischen Wissen, das in den Alltag integriert werden kann, das das Seneca-Zitat in sein Gegenteil verkehrt, uns in die Lage versetzt, uns in das Gegenteil eines Fachidioten zu entwickeln, das Leben zu durchdringen und es auf solidarische Weise zu meistern. Dieses nützliche und umgesetzte Wissen reichert sich sodann in Erfahrung an.
Kommen wir nun zum eigentliche: Thema: „Eigene Verantwortung“. Für Verantwortungsübernahme ist eine Motivationsgrundlage erforderlich. Sie ergibt sich aus den eigenen Wert- und Moralvorstellungen, die wiederum die Basis für den individuellen Lebenssinn bilden. Daher ist es unerläßlich, die uns innewohnenden kreativen und positiven Kräfte zu erkennen und zu mobilisieren, um daraus eine persönliche Aufgabe/Auftrag/Mission oder Berufung zu formulieren. Für sie lohnt es sich dann, Verantwortung zu tragen. Dabei kommt es m. E. vor allen Dingen darauf an, daß man Absichten umsetzen will, unabhängig davon, ob diese Intentionen nun effektiv sind oder nicht. Alleine schon die innere Einstellung, mutig und mit einem gewissen Risiko gegen den Strom anzuschwimmen und sich nicht einschüchtern zu lassen, besitzt einen Wert an sich. Die Frage ist nur, ob man stark und selbstbewußt genug ist, ständige Frustrationen oder Mißerfolgserlebnisse auszuhalten, ohne dabei aufzugeben und den Kopf in den Sand zu stecken.
 
Um zu erkennen, auf welche Weise man am besten etwas bewirken kann, sollte man unterscheiden zwischen einer Innen- und Außenwirkung bzw. einer individuellen und einer gesellschaftlichen Dimension als Plattform für unsere Aktionen.
 
 
► Außenwirkung:
 
Es liegt in der Natur des Menschen begründet, daß er nach außen glänzen will und andern gegenüber mit seinen Erfolgen aufwarten möchte. Nicht umsonst ist der Held, der aus eigener Kraft das Unmögliche möglich gemacht und neue Maßstäbe gesetzt hat, das Vorbild in allen Kulturen und Mythologien. Jeder möchte gerne die Rolle eines kleineren oder größeren Helden/Ritters spielen, der den Drachen besiegt, die bösen Mächte besiegt und dem Guten zum Sieg verholfen hat.
 
Apropos Drachen- und Übelbekämpfung: Als mutige und standhafte Vorreiter, die sich diese Aufgabe auserkoren haben, tauchen in allen Kulturen, Mythologien und Religionen Schwertkämpfer auf. Sie sind die unsterblichen Helden, die für die Menschen aller Zeiten als Idole und Vorbilder galten, wenn es sich darum dreht, Freiheit und Gerechtigkeit zu verteidigen. Der paganistische Schwertkämpfer oder der hl. Georg als Erzengel, die keine Angst vor dem Feind zeigen, selbst wenn dieser in der Übermacht ist, stellt ein Symbol der Gegenwehr dar. Drachen oder Schlangen wiederum stehen stellvertretend für das Böse oder den Teufel, dem man sich als Mutiger entgegenstellen sollte. Insofern kann es nicht schaden, wenn man sich als Protagonist des heutigen Alltags ein wenig an diesen Phantasiefiguren orientiert, wenn sie uns ermutigen können, uns nicht unterbuttern zu lassen. 
 
Die Unbeweglichkeit und Selbsterhaltungsmechanismen von Herrschaftsstrukturen sowie die langsam verlaufenden evolutionären gesellschaftlichen Entwicklungen machen dem Einzelkämpfer, der den Widrigkeiten der Normen sowie den Zumutungen der Obrigkeit ausgesetzt ist, das Leben schwer. Deshalb ist es im festgefahrenen wirklichen Leben fast unmöglich, kurzfristig tiefgreifendere Reformen der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu erzielen. Wir müssen daher immer wieder erleben, daß wir mit unseren guten Vorsätzen und Ideen vor die Wand laufen. Für vorbildlichen Einsatz und die Aufrechterhaltung von ethischen Gesichtspunkten müssen wir uns zuweilen sogar beschimpfen und belächeln lassen.
 
Der sogenannten „breiten Masse“ ist es schwer vermittelbar, daß gerade die aus Ängstlichkeit oder Interessenlosigkeit gewählte Untätigkeit gefährlich ist. Denn sie bedeutet entgegen landläufiger Meinung nicht, unnütze Einmischung und Fehler zu vermeiden. Ganz im Gegenteil: man schadet sich mit dieser Strategie selbst. Nichts zu tun, in dem man z. B. keinen eigenen Standpunkt entwickelt und diesen mutig vertritt oder sich aus Problemen und Auseinandersetzungen heraushält, bedeutet, daß man diejenigen Kräfte unterstützt, die man eigentlich ablehnt und die den eigenen Interessen Schaden zufügen. Verantwortung trägt man nicht nur für die vollbrachten Handlungen, sondern auch für das Nichtstun. Das gilt ebenso für die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Man muß nicht gleich das erwähnte Schwert auspacken, um Veränderungen mit Gewalt zu erzielen – deutliche Zeichen zu setzen und sich verbal ins Zeug zu legen, ist schon ein guter Anfang.
 
Die Außenwirkung beruht auf der Bündelung sämtlicher individuellen Potenziale. Man muß bei sich selbst anfangen, um überhaupt etwas zu verändern. Erst aus der Vorbildfunktion heraus und der allmählichen Kumulation sowie Vernetzung gleichgesinnter und gleichhandelnder Individuen entwickelt sich eine dynamische Schubkraft. Oder pragmatisch gesagt: Beim Wahl- und Konsumverhalten, beim persönlichen Engagement auf allen Ebenen des Alltags und Berufslebens in Form eines vorbildlichen Vorlebens wird die wirkliche Schlacht geschlagen.
 
 
► Innenwirkung:
 
Bei der Innenwirkung ist besonders zu beachten, daß die Eigenmotivation nur dadurch erreicht werden kann, daß man daran glaubt, daß kein Denken und kein Handeln gänzlich ohne Sinn und Folgen ist. Nur wenn wir unbeirrt und konsequent unseren Weg gehen, auf Hoffnung und die Zukunft bauen, haben wir überhaupt eine Chance zur Verwirklichung unserer Ideen. 
 
Man denke an den gerne zitierten Sack Reis, der in China umfällt oder an das physikalische Grundgesetz, daß die Bewegung eines einzigen Atoms Wirkungen auf der anderen Seite der Weltkugel hervorruft. Wichtig ist auch, gesunden Egoismus, der für das (Über-)Leben nötig ist, nicht mit Narzißmus zu verwechseln. Nur Selbstbewußtsein, Konzentration auf die eigenen Stärken und auch eine Portion Selbstliebe sind die Voraussetzung dafür, daß man andere Menschen lieben und ihre Eigenarten akzeptieren kann. Diese geschaffene Basis wiederum ist erforderlich, um die Kraft für Widerstand und Gegenwehr zu gewinnen.
 
Zumindest für unser Innenleben ist es auf der Grundlage unserer Mentalität eine Voraussetzung, Emotionsstaus zu verhindern und Aggressionen/Wut am besten unmittelbar und kontrolliert zuzulassen. Selbst wenn unsere emotionalen Ausbrüche nichts an den äußeren Gegebenheiten ändern, so sind sie doch sehr wohl in der Lage, unsere Gefühlswelt auszugleichen. Es ist eine allgemein gültige psychologische Aussage, daß Menschen, die verdrängen und Ärger innerlich aufstauen lassen, dieses dann an anderer Stelle abreagieren müssen, depressiv oder anderweitig krank werden oder zu unkontrollierten Gefühlsausbrüchen neigen. Also tun wir für uns selbst ein gutes Werk, wenn wir unsere Emotionen nicht allzu sehr einengen und aus unseren Herzen keine Mördergruben machen.
 
Unseren Anforderungen, die wir uns selbst stellen, müssen wir gerecht werden. Und wenn diese Anforderung z. B. darin besteht, unsere Werteinstellungen durch Beteiligung an Demos, politischen Aktionen, Mitzeichnen von Petitionen, durch konstruktiv-kritisches Schreiben in Foren/Blogs oder durch Leserbriefe kund zu tun, dann sollten wir dieses nicht unterlassen. Und es ist selbst dann nicht sinnlos, wenn es keine sichtbaren Ergebnisse hervorbringt. Wenn wir das umgesetzt haben, was unser Gewissen fordert, was uns eine Befriedigung gibt und wir uns im Spiegel in die Augen sehen können, dann war die Aktion nicht umsonst. Es steht dann 1:0 für uns -  und dieses Tor und das Erfolgserlebnis kann uns niemand mehr nehmen.

Wenn wir leider zur Kenntnis nehmen müssen, daß wir andere durch unser Vorgehen nicht dazu veranlassen konnten, die (Denk-)Richtung zu ändern oder sie zum energischen Handeln anzuregen, dann liegt das nicht in unserer Verantwortung. Wir haben trotzdem unser Bestes gegeben und brauchen uns keine Vorwürfe zu machen. Für das Verhalten anderer sind wir nicht zuständig. Zwingen können wir auch niemanden. Was uns in Richtung positiver Beeinflussung anderer Menschen bleibt, ist zum einen die bereits erwähnte Vorbildfunktion und zum anderen das Abgeben von Informationen, hilfreichen Tipps und Empfehlungen. Das war’s auch schon!
 
 
► Fazit:
 
Der Lauf der Dinge in der politischen und gesellschaftlichen Realität sowie das Bewußtsein über die Dummheit, Apathie und Gefühllosigkeit sowie fehlende Solidarität der meisten Menschen können zu Frustation und Aufgabe führen – müssen es aber nicht. Darüber entscheidet einzig und alleine unsere psychische Verfassung und unser selbst gewähltes Denken.
 
Das Wissen um unsere Ohnmacht gegenüber der herrschenden Klasse, die ihre Interessen skrupellos auf dem Rücken der Mehrheit ausübt, kann nicht nur, sondern sollte auch zu Wut und Verurteilung dieser Unmoral führen. Wenn ich daran denke, daß sich die von mir beklagten gesellschaftlichen Umstände wahrscheinlich bis an mein Lebensende nicht entscheidend ändern werden, dann müßte ich - rational gesehen - die Entscheidung treffen, mich in die Verhältnisse zu fügen und brav im Strom mitzuschwimmen, weil sich der Einsatz ohnehin nicht lohnt und keine einschneidenden Erfolge sichtbar sind. Die wirklich krasse Konsequenz wäre in diesem Falle, mich vom Leben zu verabschieden.
 
Der Mensch ist aber kein rein rationell veranlagtes Wesen, weshalb er fähig ist, mit Paradoxien fertig zu werden und sich intellektuell und emotional auf die Integration von Gegensätzen einzustellen. Selbst wenn die Motivation zum Weitermachen und zur Gegenwehr nur auf Rationalisierungen beruht, dann hat sie ihre Berechtigung. Was eine Illusion ist, kann ich selbst entscheiden. Grundsätzlich ergeben folgende Alternativen:
 
1. Man rennt mit dem Kopf vor die Wand und zerbricht daran.
 
2. Man holt sich einen Vorschlaghammer und wählt die harte Tour.
 
3. Man ignoriert die Wand und geht durch die Tür. 
 
4. Man vergräbt sich unter einer Decke und verläßt den Raum nicht mehr.
 
Es ist wohl am sinnvollsten zu versuchen, Einsicht in die Dinge zu gewinnen, auf die man persönlichen Einfluß hat. Diese sollte man dann tatkräftig nutzen, um die Dinge, die stören, nerven oder gar schädlich sind, zu beseitigen. Diejenigen Hindernisse, die aber fremdbestimmt und unabänderlich sind, sollte man fürs erste dulden – aber nicht widerspruchslos! Wie bereits betont, sollte man dem Aufregen und den Emotionen den nötigen Freiraum lassen. Eine gewisse Distanz gegenüber den Widrigkeiten und Ungerechtigkeiten der Welt ist allerdings angebracht weil hilfreich. Man darf das Elend der ganzen Welt, das uns täglich von den Medien auf dem Tablett serviert wird, nicht zu nah an sich heran lassen, denn dann zerbricht man daran. Dies ist jedoch ein Gang auf des Messers Schneide.
 
Last but not least - und das sind schöne Schlußgedanken - empfehle ich gelegentlich und immer öfters mal einfach abzuschalten. So hat man Zeit und Muße, um die schönen Dinge im Leben zu erkennen und sich ihnen mit Hingabe zu widmen. Wer keine Muße kennt, lebt nicht. "Einen Tag ungestört in Muße zu verleben heißt, einen Tag lang ein Unsterblicher zu sein." (chin. Sprichwort). Man lernt wieder den Augenblick zu genießen und sich (s)einen gesunden Optimismus zu bewahren. Leichter gesagt als getan, wird der Rastlose und Kümmerer sagen. Auf den Versuch kommt’s an!
 
MfG Peter A. Weber

► Bild- und Grafikquellen:

1. Mut zur Veränderung durch engagiertes Auftreten und Übernahme von Verantwortung. Foto: Karl-Heinz Laube. Quelle: Pixelio.de

2. Schwertkämpfer. Foto: nicht benannt Quelle: Wikimedia Commons. This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.

3. Veränderung: "Der einzige belebende Umgang mit VERÄNDERUNG ist, .."Foto: Ilse Dunkel - ille - Quelle: Pixelio.de

4. Entspannung und sich mal `ne Auszeit gönnen. "Wer keine Muße kennt, lebt nicht." Foto: special4kd. Quelle: Pixelio.de