In Europa ist noch immer 1945 – aus der Sicht Washingtons

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Verbunden: 21.09.2010 - 20:20
In Europa ist noch immer 1945 – aus der Sicht Washingtons
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In Europa ist noch immer 1945 – aus der Sicht Washingtons


von Eric S. Margolis


Wie unabhängig ist eigentlich die Europäische Union? Geht man von Ereignissen aus, welche in Zusammenhang mit den Vereinigten Staaten von Amerika und deren europäischen Alliierten stehen, stellt sich wirklich diese Frage.

Zuerst war da die Nationale Sicherheitsbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika, die schamlos das private Handy der deutschen Kanzlerin Angela Merkel abhörte, und sehr wahrscheinlich die Handys vieler weiterer VIPs in Deutschland, einem Schlüssel-Alliierten der Vereinigten Staaten von Amerika und Europas wichtigstem Land.

Washington und die NSA taten diesen erschreckend beschämenden Vorfall ab mit dem üblichen „na und, jeder macht das.“

Stimmt nicht. Stellen Sie sich den Stunk vor, wenn Deutschland Präsident Barack Obamas Blackberry abgehört hätte. Kanzlerin Merkel wurde gedemütigt, aber sie spielte den Skandal herunter, weil sie nicht imstande oder willens war, die Vereinigten Staaten von Amerika in die Schranken zu weisen, indem sie eine wirklich treffende Strafmaßnahme gesetzt hätte – wie zum Beispiel eine der 69 Jahre alten US-Militärbasen in Deutschland zu schließen.

Nächster Punkt. Britanniens Verteidigungsabkommen mit den USA steht zur Verlängerung an. Dieser Pakt aus dem Jahr 1958 bildet die Grundlage für die marktschreierisch angepriesene „Besondere Beziehung“ zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich. Ich habe seit Jahren berichtet, dass Britannien seine Atomraketen nicht abfeuern kann, ohne dass Washington mit besonderen Codes seinen Segen dazu gibt. Jetzt erfahren wir, dass Britanniens Atomwaffen auch Komponenten beinhalten, die nur die Vereinigten Staaten von Amerika liefern können. Frankreich verfügt zumindest über eine unabhängige atomare Streitmacht.

2003 entführten CIA-Agenten einen muslimischen Geistlichen in Mailand auf offener Straße. Italienische Gerichte verurteilten 23 Agenten wegen dieses Verbrechens und verlangten ihre Auslieferung an Italien. Die Vereinigten Staaten von Amerika weigerten sich, dem legitimen Auslieferungsbegehren stattzugeben.

US-Regierungsvertreter beschuldigen die UBS-Bank, Amerikanern bei der Steuerhinterziehung behilflich zu sein – was in der Schweiz, dem Heimatland der Bank, völlig gesetzlich gedeckt ist. Der Vorstand der UBS-Vermögensverwaltung, Raoul Weil, wurde in Italien verhaftet und an die USA ausgeliefert, wo er unter Hausarrest auf seine Verhandlung wartet. Washington schloss eine zweite bedeutende Schweizer Privatbank und trieb weitere in die Flucht. Die Schweizer Banken, beileibe keine Engel, riskierten die Schließung ihrer Geschäfte in den USA, wenn sie nicht gegen das Grundgesetz des Schweizer Bankgeheimnisses verstießen, indem sie viele Namen ihrer Klienten preisgaben.

Jetzt wird Frankreichs führende Bank BNP gezwungen, eine gigantische Strafe von $8,79 Milliarden für die Verletzung der US-Sanktionen und des Staates New York gegen Sudan, Iran und Kuba zu bezahlen. Das war zwar gemäß dem Recht Frankreichs und der Europäischen Union völlig legal, aber die Vereinigten Staaten von Amerika waren entschlossen, ihre Strafbestimmungen auf Europa auszuweiten – unter dem Titel „Lawfare“ [warfare = Kriegsführung, lawfare = „Rechtsführung“ – alles lässt sich nicht übersetzen ...]. Das US-Geschäft der BNP war gefährdet. Die Demütigung der BNP wurde als ein Sieg Israels gegen den Iran bejubelt.

Unerhörterweise gab Frankreichs Regierung nicht mehr als ein paar Piepser des Protests von sich. Ein weiteres Beispiel der erbärmlichen Schwäche Präsident Francois Hollandes, der von französischen Kritikern oft mit einer großen Qualle verglichen wird. Paris hätte den Amerikanern ein „NON!“ entgegenstellen und damit drohen können, US-Vermögen in Frankreich zu beschlagnahmen. Stattdessen gab es klein bei.

Vor kurzem wurden zwei Amerikaner beim Ausspionieren der deutschen Regierung auf frischer Tat ertappt. Der Chef der CIA in Berlin wurde ausgewiesen. Deutschland hatte die Vereinigten Staaten von Amerika wiederholt ersucht, auf die blütenweiße Liste der Alliierten gesetzt zu werden, die nicht bespitzelt werden sollten: Kanada, das Vereinigte Königreich, Israel, Australien, Neuseeland. Die USA weigerten sich.

Niemand wusste, ob Präsident Barack Obama tatsächlich über diese Bespitzelung informiert war. Er wird natürlich bestreiten, etwas damit zu tun zu haben. Jedenfalls wurde den Beziehungen der USA und der Europäischen Union weiterer schwerer Schaden zugefügt.

Unklugerweise behandelt Washington Europa und die EU wie unbedeutende Vasallenstaaten: „Fußsoldaten für Amerikas nukleare Ritter,“ wie der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Strauß markig gesagt hatte. Washingtons Arroganz und Geringschätzung Europas wurden am besten illustriert durch die Antwort der Neokonservativen im Außenministerium, Victoria Nuland, auf die Frage, ob die EU in die US-Bemühungen zum Sturz der pro-russischen Regierung der Ukraine mehr einbezogen werden sollte: „Fuck the EU.“

Washington hat nie einen europäischen Staat oder die EU als gleichwertig akzeptiert. Während die offizielle US-Politik ein vereintes Europa unterstützt, hat sie inoffiziell einige Male versucht, die Vereinigung zu hintertreiben oder zu verzögern – besonders eine europäische bewaffnete Streitmacht. Die NATO – zu 76%  von Washington finanziert und betrieben - ist nach wie vor die Polizei der EU und Amerikas großer Knüppel in Europa.

Manchmal sieht es so aus, als hätte sich seit 1945 in Europa nicht so viel geändert. Die Sowjets sind dahin, aber die netteren Amerikaner sind immer noch da. Oft sieht es jedoch beinahe so aus, als würde Washington versuchen, seine natürlichen europäischen Alliierten vor den Kopf zu stoßen, indem es sie mit dem Charme der alten Welt wie Bananenrepubliken behandelt.

Eric S. Margolis


   
Quelle:  erschienen auf > www.ericmargolis.com > Artikel

Die Weiterverbreitung der Texte auf dieser Website ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der Webadresse www.antikrieg.com nicht zu vergessen! Die deutsche Übersetzung wurde dort freundlicherweise von Klaus Madersbacher / A zur Verfügung gestellt.

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2. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.

3. Echte Freunde - Jeder Hund liebt sein Häufchen: Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.