Gegen CETA auf die Straßen
Nur wer den Widerstand übt, wird den Aufstand wagen
Ein heiteres Konzerne-Raten wird zur Zeit auf offener Bühne gespielt: Wer ist noch dreister, noch brutaler, noch mächtiger? Traditionell wird der Macht-Preis Jahr für Jahr an die Finanzoligarchie vergeben, die, unmittelbar gefolgt von der Waffenindustrie, wie eine Krake in allen Branchen ihre Tentakel hat.
Doch in den Disziplinen "Dreist" und "Brutal" gibt es in diesen Tagen einen echten Konkurrenzkampf. Die Automobilindustrie, an deren Spitze mit der Volkswagen AG ein deutscher Konzern steht, ist in ihrem frechen Abgasbetrug in der Disziplin Dreistigkeit kaum zu überbieten. Sitzt bisher einer der Abgas-Betrüger im Gefängnis? Die Automobil-Chefs machen nicht mal den Hoeneß, das Symbol-Sitzen, obwohl es um Beträge geht, die der Fußball-Uli höchstens träumt.
Im Windschatten von VW schiebt sich in diesen Tagen ein anderer Konzern an die Spitze: Die Bayer AG kauft bald für etwa 64 Milliarden Euro die Monsanto AG und mendelt sich so zur größten Chemie-Keule der Erde. Als gäbe es keine gesellschaftliche Debatte über die Brutalität der Umweltgifte, der Genmanipulation und die Verletzung der Menschenrechte. Ethik? So nennen die Konzernspitzen das Papier in den Vorstands-Toiletten.
Das alles ist nicht genug. Denn obwohl den Konzernen der Staat in Kriegsfällen schon komplett gehört – und spätestes seit Ausrufung der Anti-Terror-Kriege ist immer und überall Krieg – gibt es in Friedensfällen tatsächlich schon mal ein ziviles Aufmucken: Manchmal sagt dieser oder jener Staat, ihm seien die schwarzen Raucherlungen zu teuer, jetzt sei Schluss mit Werbung dafür. Auch gibt es Länder, in denen die friedliche Verpestung der Umwelt durch dreckige Fördermethoden von Rohstoffen per Gesetz verboten werden kann. Da spielen manche Regierungen doch glatt Demokratie und die jeweiligen nationalen Gerichte brüsten sich tatsächlich mit ihrer relativen Unabhängigkeit. Das kann lästig und teuer werden.
Und weil die Götter des Profits nicht mit der begrenzten Souveränität von Nationalstaaten behelligt werden möchten, haben sie sich CETA ausgedacht, das Zwillings-Abkommen des TTIP. Ein Freihandelsabkommen, in dem das Wort „frei“ die Freiheit der Konzerne symbolisiert, den Rest der Welt gefangen zu nehmen. Monsanto (demnächst Bayer AG) zum Beispiel, wollte auch in Deutschland seinen Gen-Mais anbauen. So ein kleines Verwaltungsgericht in Braunschweig hat das doch glatt verboten. Was wäre wenn ein deutsches Gericht den VW-Betrug zu einem Offizial-Delikt erklären würde? Kaum auszudenken.
Denn wenn CETA kommt, werden die Konzerne für diese Fälle eigene Schiedsgerichte haben. Wie jenes in Den Haag, daß so tut als wäre es eine internationale, völkerrechtlich legitimierte Institution und das jüngst dem Steuerbetrüger Chodorkowski 50 Milliarden Dollar gegen den russischen Staat zusprach. Und weil es die Russen waren, haben die westlichen Medien schnell und heftig Beifall geklatscht.
Dieser Beifall wird nicht leiser werden, wenn die Energie-Konzerne vor dem selben Gericht demnächst Schadenersatzforderungen wegen des Atom-Ausstieges einklagen: Hat doch Geld gekostet, der Ausstieg - siehste. Und so wie der blöde Bürger den Aufbau der Atomindustrie in den 50er Jahren durch seine Steuern subventioniert hat, so soll er gefälligst, nachdem die Gewinne eingesackt und verbucht sind, nun auch den Abbau bezahlen.
Weltweit, schreibt die Organisation „campact!“, sind schon 700 solcher Konzernklagen aufgrund ähnlicher Abkommen bekannt. Und damit auch wirklich alles glatt geht, plant die EU-Kommission – nach Art. 218 Abs. 5 des Vertrags von Lissabon (siehe aktuelle Fassung) – das CETA-Abkommen auch ohne Zustimmung der nationalen Parlamente „vorläufig“ anzuwenden. Da meldet sich die Sachwalterin der Konzerninteressen, die Placebo-Angela: „Egal, wie das Ganze endet, wir werden den Bundestag um eine Meinungsbildung bitten, damit wir sozusagen auch die Partizipation des Bundestages haben.“ Die Sozusagen-Demokratie erklimmt strahlende Höhen, weil auch die Pseudo-Sozialdemokraten Gabriel und Schulz für CETA sind: „Die kanadische Regierung hat in der umstrittenen Frage der Schiedsgerichte große Zugeständnisse gemacht, und sie hat die Normen der Internationalen Arbeitsorganisation anerkannt." Ja, ja, und das nächste Schiedsgericht um die Ecke kann das alles wieder rückgängig machen.
Es gibt sie noch, die Menschen, die sich wehren: Mehr als 100.000 Bürger haben mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht den Rechtsweg gegen CETA beschritten. Der protestierende Linksweg wird am 17. September gegen CETA und TTIP gegangen: In Berlin, Frankfurt/Main, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart gehen die Demonstrationen zeitgleich los. Gewerkschaften haben dazu aufgerufen. GRÜNE und LINKE auch. Von „attac“ bis zum Schriftstellerverband sind alle dabei.
Wer sich nicht im Widerstand übt, wird nie den Aufstand wagen.
Nicht mehr bitten, fordern!
Am 17. September 2016: Bundesweiter Aktionstag gegen TTIP und CETA > weiter.
Ulrich Gellermann, Berlin.
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► Lesetipps:
⇒ TTIP - CETA - TiSA: Drei geplante Abkommen mit höchstem Gefahrenpotential - weiter.
⇒ CETA und die nationalen Parlamente – freut Euch nicht zu früh! - weiter.
⇒ Das Grundgesetz verbietet die vorläufige CETA-Anwendung - weiter.
⇒ Der Kampf um TTIP & CETA in der Entscheidung - weiter.
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► CETA – Der gefährliche Bruder von TTIP - Attac-Palaver 29.02.2016 (Dauer 1:23:41 Std.)
Sabine und Michael Köhler legen die Bedrohung unserer Demokratie durch das Freihandelsabkommen EU-Kanada dar. In der öffentlichen Wahrnehmung geht es häufig nur um TTIP, es wird dabei leicht übersehen, dass CETA zur Zeit die größere Gefahr ist, da dieses Abkommen schon fertig verhandelt wurde. Bei dem Vortrag und der anschließenden Diskussion wird es um den aktuellen Verfahrensstand von CETA, den Investorenschutz und Sonderklagerechte für Konzerne, die Regulatorische Kooperation, den Negativlistenansatz und die Ratchet-Klausel gehen. Zudem wird die Gefahr der vorläufigen Anwendung von CETA an den Parlamenten vorbei aufgezeigt und auf verfassungsrechtliche Bedenken hingewiesen.
Referenten: Sabine Köhler, Gymnasiallehrerin i.R. und Michael Köhler, Sozialwissenschaftler, Attac München
► Quelle: RATIONALGALERIE > Artikel vom 25.08.2016.
► Bild- und Grafikquellen:
1. NEIN ZU CETA. Grafik: Wilfried Kahrs (WiKa).
2. F*CK CETA - F*CK EU KOMMISSION! Grafik: Wilfried Kahrs (WiKa).
3. Das Berlaymont-Gebäude in Brüssel, Sitz der EU-Kommission. Regierungssitz eines antidemokratischen, bürgerfeindlichen und korrupten Regimes. Europa ist weit mehr als die EU! NEIN zur EU - JA zu EUROPA!
The Berlaymont building in Brussels, seat of the EU-Commission. The EU-Parliament is an undemocratic, resident-unfriendly and corrupt regime. Europa is not merely EU, but rather! NO to EU - YES to EUROPE!
Urheber des Originalfotos: Sébastien Bertrand, Paris/F.. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0). Textinlet: KN-ADMIN Helmut Schnug. Bildbearbeitung: Wilfried Kahrs (WiKa). Die Lizenz bleibt auch für das digital veränderte Bild.
4. Alexis de Tocqueville: "Es ist wirklich schwer einzusehen, wie Menschen, die der Gewohnheit, sich selbst zu regieren, vollständig entsagt haben, im stande sein könnten, diejenigen gut auszuwählen, die sie regieren sollen." und "So genügt es dem Staat nicht, alle Geschäfte an sich zu ziehen, er gelangt auch mehr und mehr dazu, sie alle unkontrolliert und ohne Rechtsmittel selbst zu entscheiden."
Charles Alexis Henri Maurice Clérel de Tocqueville (* 29. Juli 1805 in Verneuil-sur-Seine; † 16. April 1859 in Cannes) war ein französischer Publizist, Politiker und Historiker. Er gilt als Begründer der vergleichenden Politikwissenschaft.
Textauszug b. Wikipedia: "Über die Demokratie in Amerika / De la démocratie en Amérique" ist eines der meistrezipierten Werke der Sozialwissenschaften und wird in vielen Grundlagenseminaren der Politikwissenschaft und Soziologie gelehrt. Eine Reihe sozialwissenschaftlicher Kernkonzepte lässt sich auf das Werk zurückführen. So ist Tocqueville einer der ersten Demokratiekritiker, die die Gefahr einer „Tyrannei der Mehrheit“ sehen.
Besonders in Band 2 der "Démocratie en Amérique" betont Tocqueville zudem, dass das Streben nach Gleichheit zu einer Uniformisierung unter einer starken Zentralgewalt führe. Diese entmündige die Bürger und mache sie vom Handeln der jeweiligen Regierung abhängig. Die Bürger würden so des selbständigen Handelns entwöhnt. Es ist unübersehbar, dass diese Überlegungen Tocquevilles besonders seinen französischen Erfahrungen entspringen. Er vertieft gerade diese Überlegungen in seinem zweiten Hauptwerk "L'Ancien Régime et la Révolution". Die Gefahren der Tyrannei und der Entmündigung seien in Amerika jedoch durch eine Reihe von Mechanismen begrenzt. So existiere beispielsweise keine starke Zentralregierung, die eine Diktatur der Mehrheit effektiv ausführen könnte.
Heute wird Tocqueville in Zusammenhang mit dem Aufbau der Europäischen Demokratie gebracht. Auch das Lissabon-Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts weise auf die Notwendigkeit einer partizipativen Demokratie hin".
► Lesetipp zum Thema Alexis de la Tocqueville:
"Er sah die Herrschaft der Wirtschaft über die Politik" - Artikel von Wolf Lepenies bei DIE WELT - weiter. (link is external)
"Der geistige Despotismus der Demokratie: Zwei Typen der Tyrannei der Mehrheit und ihr Zusammenhang bei Tocqueville" von Christoph Heuermann bei FREITUM - weiter (link is external).
und natürlich die Tocqueville-Seite bei Wikipedia - weiter (link is external).
Bildvorlage ist ein Ölgemälde von 1850 des Malers Théodore Chassériau (link is external) (1819–1856). Photo © RMN-Grand Palais - D. Arnaudet. Quelle: Wikimedia Commons (link is external). Dies ist eine originalgetreue fotografische Reproduktion eines zweidimensionalen Kunstwerks. Das Kunstwerk an sich ist gemeinfrei (link is external), weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Parallel zu dieser Lizenz muss auch ein Lizenzbaustein für die United States public domain (link is external) gesetzt werden, um anzuzeigen, dass dieses Werk auch in den Vereinigten Staaten gemeinfrei ist. Textinlet: WiKa.