Gemeinsamer Aufruf gegen geplantes Freihandelsabkommen CETA

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Gemeinsamer Aufruf gegen geplantes Freihandelsabkommen CETA
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Gemeinsamer Aufruf gegen geplantes Freihandelsabkommen CETA

von Juristinnen und Juristen, Menschenrechtler und Menschenrechtlerinnen

Das "Comprehensive Economic and Trade Agreement", kurz CETA (dt. Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen, auch als Canada – EU Trade Agreement gelesen) ist ein geplantes europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen. Die unterzeichnenden Juristenverbände und Menschenrechtsorganisationen aus Deutschland halten das zwischen EU und Kanada ausgehandelte Abkommen für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz. Am 10. Oktober 2015 haben rund 250 000 Menschen in Berlin gegen TTIP [hier und hier], CETA und TiSA [hier] demonstriert und sich gegen geheime Schiedsgerichte zur Wehr gesetzt.
 

Die in CETA vorgesehenen Schiedsgerichte (Tribunale) sollen ohne Bindung an Europäisches Recht, an das Grundgesetz (GG) und weitere deutsche Gesetze entscheiden können. Sie können sich bei ihren Entscheidungen über europäisches und deutsches Recht hinwegsetzen.

Durch das Verfahren kann es auch zu Entscheidungen von Schiedsgerichten kommen, die zu europäischem oder deutschem Recht in Widerspruch stehen.

Die im Grundgesetz verankerten Grundprinzipien des Sozialstaates (Art. 20 Abs. 1 GG) und des Umweltschutzes (Art. 20 a GG) müssen von Schiedsgerichten bei Abwägungen nicht berücksichtigt werden, da der CETA-Vertrag keine dem Grundgesetz vergleichbaren Rechte, Garantien und Verpflichtungen enthält.

Investoren können bei Schadensersatzklagen zwischen dem zuständigen nationalen Gericht und dem Schiedsgericht nach CETA das für sie günstigste Recht auswählen. Die Unterzeichner halten dies für unvereinbar mit dem Grundgesetz, insbesondere dem Rechtsstaatsprinzip und dem Grundsatz des gesetzlichen Richters, und sehen in der Übertragung von derartigen Entscheidungsbefugnissen einen Verzicht von Hoheitsrechten, der im Grundgesetz nicht vorgesehen ist.

Es besteht die Gefahr, dass demokratische Entscheidungsverfahren unterlaufen und entleert werden, wenn Schiedsgerichte die Staaten zu hohen Schadensersatzleistungen verpflichten können, weil Erwartungen von Investoren z.B. durch Umwelt-, Verbraucherschutz- oder Sozialgesetze eingeschränkt werden.

Ein Schiedsverfahren nur für ausländische Investoren mit einer Niederlassung in Kanada (auch US-amerikanische oder chinesische Investoren) benachteiligt gleichheitswidrig inländische Investoren.
 

Umweltrechte und soziale Rechte können nach CETA nicht eingeklagt und durchgesetzt werden. Das Schiedsgerichtsverfahren würde bereits bei einer „vorläufigen Anwendung“ aufgrund der Entscheidung des Europäischen Rates nach Art. 218 Abs. 5 AEUV und Abschnitt 34 Art. X.6 und X.7 CETA (Final provisions) Geltungskraft erlangen, ohne dass das Europäische Parlament oder die nationalen Gesetzgebungsorgane im Rahmen des Ratifizierungsverfahrens der Vereinbarung  von CETA zugestimmt haben. Die Genehmigung der “vorläufigen Anwendung“ durch den Europäischen Rat macht CETA einschließlich der vorgesehenen Schiedsgerichte bereits völkerrechtlich verbindlich.

Der Vorschlag eines Investment Court Systems von EU-Kommissarin Cecila Malmström, bei dem Investitionsschutzklagen nach bestimmten Kriterien in öffentlichen Anhörungen vor öffentlich bestellten Richtern in verschiedenen Instanzen eines internationalen Handelsgerichtshofs verhandelt werden, ist zwar ein Fortschritt gegenüber den bisherigen geheimen Schiedsgerichten. Für ein rechtsstaatliches Verfahren muss aber eine richterliche Unabhängigkeit durch eine Ernennung der Richter auf Lebenszeit und ihre Unversetzbarkeit gewährleistet werden. Das staatliche Rechtsprechungsmonopol und die Bindung an europäisches und deutsches Recht dürfen nicht unterlaufen werden, sonst erweist sich ein internationaler Handelsgerichtshof als bloße Mogelpackung, die bestehenden Schiedsgerichte unter anderem Namen weiter zu führen.

Die unterzeichnenden Menschenrechtsorganisationen und Juristenverbände fordern . .

  • die Bundesregierung auf, dem ausgehandelten CETA-Text im Europäischen Rat wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz die Zustimmung zu verweigern,
  • den Bundestag auf, der Ratifizierung von CETA nicht zuzustimmen,
  • die Landesregierungen der Bundesländer auf, im Bundesrat der Ratifizierung von CETA nicht zuzustimmen.


Bundesfachausschuss Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Ver.di

Humanistische Union

Internationale Liga für Menschenrechte e.V.

Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.

Neue Richtervereinigung e.V.

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.

Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.

Ansprechpartner:

  • Senatsrat a. D. Michael Eule, Email: Michael.Eule@t-online.de
  • Rechtsanwältin Ursula Mende, Bundesgeschäftsführerin der VDJ. Tel. 02151-773846, Email: mail@vdj.de


Internationale Liga für Menschenrechte e.V.

im Haus der Demokratie und Menschenrechte,

Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin

Tel. +49 30 396 21 22 | Fax +49 30 396 21 47 | vorstand@ilmr.de | www.ilmr.de


 

Bild- u. Grafikquellen:

1. TTIP & CETA STOPPEN! Unter dem Motto „TTIP & CETA stoppen! Für einen gerechten Welthandel“ haben am 10. Oktober 2015 etwa 250.000 Menschen bei einer Großdemonstration im Herzen von Berlin gegen die Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) sowie Kanada (CETA) protestiert. Auch in anderen EU-Staaten gab es Proteste - insgesamt gingen mehrere Millionen Europäer/innen auf die Straße gegen TTIP und CETA. Nie zuvor sind in Europa mehr Menschen zu diesem Thema auf die Straße gegangen. Zur Demonstration aufgerufen hatte ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis: www.mehr-demokratie.de/stopttip-grossdemo.html.

Foto: Edda Dietrich / Mehr Demokratie. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

2. Großkundgebung TTIP & CETA STOPPEN! in Berlin, wo sich am 10. Oktober 2015 ca. 250.000 Teilnehmer aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland einfanden. Foto: Jakob Huber / Campact. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

3. Anna Cecilia Malmström (* 15. Mai 1968 in Stockholm) ist eine europäische Politikwissenschaftlerin und Politikerin der schwedischen liberalen Volkspartei. Sie war von 1999 bis 2006 Abgeordnete im Europaparlament und von 2006 bis 2010 schwedische Europaministerin in der Regierung Reinfeldt. Seit dem 10. Februar 2010 ist sie Mitglied der EU-Kommission. Von Februar 2010 bis Oktober 2014 als EU-Kommissarin für Innenpolitik, von November 2014 an als EU-Kommissarin für Handel.

Foto: ALDE Communication, Feb. 2015. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0). Bildausschnitt geändert (H.S.)

4. Buchcover: "Thilo Bode: Die Freihandelslüge. Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet." Verlag: DVA. ISBN: 978-3-421-04679-6. Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 272 Seiten, € 14,99 [D] | € 15,50 [A] | CHF 20,50 * (* empf. VK-Preis)

Der Staatsstreich der Konzerne

In Deutschland und Europa wächst der Widerstand gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP. Thilo Bode schildert anschaulich und mit analytischer Schärfe, wie TTIP Verbraucherrechte und Umweltstandards gefährdet. Die Konzerne drohen über unsere Zukunft zu bestimmen – stärkere Arbeitnehmer- und Verbraucherrechte hängen ebenso wie ein wirkungsvoller Umweltschutz von ihrer Gnade ab. Dies gilt es mit aller Macht zu verhindern. Thilo Bode zeigt, was sich bei den Geheimverhandlungen zwischen der Europäischen Union und den USA ereignet und was für uns alle auf dem Spiel steht.

Thilo Bode, geboren 1947, studierte Soziologie und Volkswirtschaft. 1989 wurde er Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, 1995 von Greenpeace International. 2002 gründete er die Verbraucherorganisation Foodwatch.