Gesetzesmissachtungen der USA: Bevor Sie jubeln …

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Helmut S. - ADMIN
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Verbunden: 21.09.2010 - 20:20
Gesetzesmissachtungen der USA: Bevor Sie jubeln …
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Bevor Sie jubeln …


von Andrew P. Napolitano


Bevor Sie darüber jubeln, dass die Regierung einen angeblichen Terroristen in Libyen gefangen hat, der beschuldigt war, die berüchtigten Bombenattentate 1998 auf Botschaften der Vereinigten Staaten von Amerika in Afrika geplant zu haben, bevor Sie mit dem Repräsentantenhaus in eine Standing Ovation ausbrechen für die Capitol Hill-Polizei, die eine Frau umgebracht hat, deren Auto den Zaun des Weissen Hauses gestreift hat und die dann mit hoher Geschwindigkeit davonfuhr, und bevor Sie das New York Police Department loben, weil es so schnell einen angeblichen Angriff einer Motorradbande aufgeklärt hat, die eine junge Familie auf einer Strasse der Stadt gequält hat, denken Sie bitte einmal ein bisschen an den Rechtsstaat.

Letztes Wochenende entführte ein Team von Navy SEALs einen Libyer, Abu Anas al-Libi, auf einer öffentlichen Strasse in Tripoli. Die Marinesoldaten hatten keinen Haftbefehl, hatten keine Erlaubnis der lokalen Behörden oder der libyschen Regierung, um diese Entführung durchzuführen, und hielten sich gesetzwidrig in Libyen auf und trugen Waffen in der Öffentlichkeit. Viele von al-Libis angeblichen Komplizen waren bereits in den Vereinigten Staaten von Amerika verhaftet, angeklagt und verurteilt worden. Die Vereinigten Staaten von Amerika hätten sich um seine Auslieferung bemühen können, wie sie es bei einigen von ihnen getan hatten, hätte nicht Präsident Obama die amerikafreundliche Regierung von Oberst Muammar Gaddafi ins Nichts gebombt, ohne eine Kriegserklärung durch den Kongress.

Obama-Apologeten haben diese Vorgangsweise gepriesen als unblutigen Weg zur Durchsetzung des Rechts, ohne den Einsatz von Drohnen zum Töten. (Wie tief sind wir gesunken, wenn Obama gelobt werden kann, weil er jemanden nicht mit einer Drohne hinrichten lässt.) Aussenminister John Kerry, der zugibt, dass für al-Libi die Unschuldsvermutung gilt, hat behauptet, dass der rechtsstaatliche Weg hier eingehalten wird, weil er vor ein Zivilgericht der Vereinigten Staaten von Amerika zwecks Durchführung eines Verfahrens gebracht werden wird. Der ehemalige Justizminister der George W. Bush-Administration Michael Mukasey behauptete, dass die Entführung al-Libis eine gesetzlich gedeckte Kriegshandlung sei, weil die Bombenattentate auf die Botschaften ein Akt des Kriegs gewesen sei, und er sollte vor ein Militärtribunal gestellt werden.

Es grenzt ans Lächerliche, wenn Kerry sein Vertrauen in den Rechtsstaat bekennt, wo doch dieses kriminelle Treiben alles andere war. Fakt: Wir stehen nicht im Krieg mit Libyen. Fakt: Wir können nicht rechtmässig – nach Internationalem Recht, amerikanischem Recht oder libyschem Recht – Handlungen der Strafverfolgung oder offensive Operationen in Libyen setzen ohne ausdrückliche Zustimmung der lokalen und staatlichen Behörden. Fakt: Als Angeklagter beim Bundesgericht im Zweiten Gerichtsbezirk muss al-Libi innerhalb von 48 Stunden nach seiner Verhaftung zu einem Bundesrichter in New York gebracht werden.

Geben Sie sich keine Mühe, in Manhattan auf ihn zu warten, da die Bundesbeamten al-Liby an Bord des Schiffs „eingehend befragen” werden, ehe sie ihn den Bundesanklägern zwecks Gerichtsverfahren übergeben. Man kann sich nur vorstellen, welche Art von eingehender Befragung das sein wird. Ohne Zweifel wird es Folter sein. Deswegen wird das Verhör auf hoher See durchgeführt, wo die Regierung freie Hand hat und keinerlei Bundesgesetze zu beachten braucht, wie sie behaupten wird. Aus diesem Grund verbietet die Genfer Konvention die Unterbringung von Kriegsgefangenen auf einem Schiff.  

Welche Art von Regierung sucht Orte, an denen sie das Gesetz brechen kann? Eine, die vergessen hat, dass jedesmal, wenn Bush seine Behauptung der Exterritorialität vor dem Obersten Gerichtshof vorbrachte, diese zurückgewiesen wurde. Wohin die amerikanische Regierung geht und was immer sie tut, sie bleibt immer den Einschränkungen der Verfassung unterworfen.

Kein Problem, behaupten Regierungsquellen, das FBI wird nichts erfahren von den Geschichten, die al-Libi ausspuckt, während die CIA sein Ertrinken simuliert. Wieder falsch. Während kein Bundesgericht unter Folter erlangte Beweise zulassen wird, verlangt der Partiot Act – diese Monstrosität, die Bundesagenten erlaubt, selbst ihre Durchsuchungsbefehle auszustellen und Richtern am FISA-Gericht, die Verfassung zu umgehen – von Vernehmungsbeamten der Geheimdienste und Strafverfolgung, die Information weiterzugeben, auch die Ergebnisse von Folter. So viel zur Unschuldsvermutung, zum Recht auf einen Verteidiger, zum Recht, nichts zu sagen, zum Recht, vor einen Richter gebracht zu werden und zum Rechtsstaat.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind ein Signatarstaat von Abkommen, die Entführung verbieten, ungeachtet des Bedarfs der Regierung an dem Opfer. Fragen Sie nur Robert Seldon Lady, den ehemaligen CIA-Chef in Mailand, der in Abwesenheit vor ein paar Jahren in Italien wegen der Entführung eines muslimischen Imams verurteilt und diesen Sommer aufgrund eines internationalen Haftbefehls in Panama verhaftet wurde. Und Präsident George W. Bush selbst und andere wurden in Abwesenheit für Kriegsverbrechen letztes Jahr in Malaysia verurteilt. Können Sie sich den Sturm der Entrüstung vorstellen, wenn Bush oder Lady durch ausländische Agenten von amerikanischen Strassen weg entführt würden? Wie kann es für die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika rechtmäßig sein, unschuldige Ausländer zu entführen, nicht aber für ausländische Agenten, schuldige Amerikaner zu entführen?

Während viel von dem oben Gesagten im Geheimen vor sich ging, spielte es in der vergangenen Woche zwei öffentliche Spektakel im amerikanischen TV. Beim einen ging es um eine Bande von Motorradfahrern in New York City, die eine Familie in einem Range Rover bei hoher Geschwindigkeit jagten und zuletzt den Fahrer aus seinem Auto zerrten und ihn schlugen und traten. Letztendlich fing die Polizei die Bande, aber nicht alle Mitglieder werden verfolgt werden, da mindestens drei von ihnen Polizisten sind – und diese taten nichts, um den Übergriff zu beenden.

Ebenfalls in der letzten Woche rammte eine verwirrte alleinerziehende Mutter mit ihrem Auto einen Zaun, der das Weisse Haus umgibt. Danach raste sie in Richtung Capitol Hill, ein paar Blöcke weiter. Anstatt zu einer der vielen nicht tödlichen Methoden zu greifen, um sie anzuhalten, machten Dutzende Polizisten Jagd auf sie und schossen wild mit militärtauglichen Waffen auf sie und trafen einen von ihren eigenen Leuten. Nachdem sie das Auto umstellt hatten, schlachteten die Polizisten sie mit einem Kugelregen ab. Dann entdeckten die Polizisten, dass sie unbewaffnet war und ihr ein Jahr altes Kind dabei hatte.

Was geht hier vor?

Was hier vorgeht, ist der Fluss der Gesetzesmissachtung herunter von den Bundesbehörden zu den Polizisten auf den Strassen. Wie Kinder, die ihre Eltern beobachten und deren unsanktioniertes, unangebrachtes und sogar noch wiederholtes Verhalten imitieren, so rüsten sich Polizisten mit militärtauglicher Ausstattung auf und machen dasselbe, wenn sie sehen, dass das Militär Regierungsverbrechen durchzieht, das Gesetz missachtet und die Verfassung umgeht.

Um mit Voltaire zu sprechen, werden im Amerika von heute Verbrecher für ihre Verbrechen bestraft, ausser wenn sie diese unter dem Getöse des offiziellen Jubels begehen.


Andrew P. Napolitano

 



► Quelle:  Andrew P. Napolitano Artikel erschien auf seiner Website > Artikel

Informationen über Napolitano bei Wikipediaweiter

Foto:  Gage Skidmore, Attribution: Gage Skidmore, Quelle: Wikipedia unter CC-Lizenz


Die Weiterverbreitung des Textes ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der Webadresse www.antikrieg.com nicht zu vergessen! Die deutsche Übersetzung wurde dort freundlicherweise von Klaus Madersbacher / A zur Verfügung gestellt.

siehe dazu auch:


Robert C. Koehler: Ein Stillstand des Verstandesweiter

Jason Ditz / antiwar news: Obama drückt sich vor Antwort auf die Frage nach der Rechtmässigkeit des Überfalls in Libyenweiter

Jason Ditz / antiwar news: Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika verhören gefangenen Libyer auf Schiff der Kriegsmarineweiter

Jason Ditz / antiwar news: Kerry gibt an mit Kommandoaktionen: Sie können davonlaufen, aber sie können sich nicht versteckenweiter