Griechenland: Ausbruch aus dem Eurogefängnis

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Griechenland: Ausbruch aus dem Eurogefängnis
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Griechenland: Ausbruch aus dem Eurogefängnis


von Eric Walberg


Es ist nicht einfach, den Euro-Minotaurus zu erlegen. Die Griechen haben nunmehr schon seit Jahren gelitten und auf die harte Tour gelernt, dass mit glänzenden Euros in den Händen die Prosperität nicht wunderbarerweise hinter der nächsten Ecke wartete. Was wartete, war eine Horde von deutschen Bankern, die scharf darauf waren, griechische Inseln für Winterurlaube zu kaufen, schmierige Banken, darauf aus, griechische Einkommen in ausländische Konten abzuziehen, und weitere Vorhaben der Herrschaften von der Hochfinanz.

Die Armen sind lediglich Bauern in diesem Spiel, und sogar wenn sie eine radikal gegen den Euro gerichtete Regierung wählen, werden ihre Politiker gezwungen, bei den Bailoutplänen mitzumachen in der Hoffnung, dass die Wut abklingen und der Marsch des Euro geschwind weitergehen wird.

Das geht so weiter mit Syriza, der Partei, die derzeit in Griechenland an der Macht ist. Ihr Erfolg hat Schockwellen durch die EU gejagt, obwohl sie behauptet, Europäertum zu unterstützen – sie stimmten für das Maastricht-Abkommen 1992, aber da gibt es Europäertum und Eurovandalismus. Syrizas nationaler Wiederaufbauplan fordert, die humanitäre Krise anzugehen, die Wirtschaft neu zu starten und Steuergerechtigkeit zu fördern, einen nationalen Plan, Arbeitsplätze zu schaffen und das politische System zu verändern, um die Demokratie zu vertiefen.

Auf der europäischen Ebene fordert das Programm einen „europäischen New Deal” mit großzügigen öffentlichen Investitionen der Europäischen Investitionsbank, ausgedehnter "Quantitativen Lockerung" (Kapitalzufuhr durch Gelddrucken) durch die Europäische Zentralbank (EZB) und eine Konferenz für die Reduzierung der griechischen und südeuropäischen Schulden nach dem Beispiel des Londoner Schuldenabkommens aus dem Jahr 1953.

Im Inland sieht das Programm einen „Plan des nationalen Wiederaufbaus” auf der Basis der Neuerrichtung und Ausweitung des Wohlfahrtsstaates und der Stärkung der demokratischen Institutionen Hand in Hand mit der Einführung von Formen der direkten Demokratie vor. Diese Politik würde finanziert durch Mittel, die durch den Kampf gegen Steuerflucht hereinkommen, sowie durch den Einsatz von europäischen Mitteln von Einrichtungen wie Strukturfonds und Kohäsionsfonds.

Das würde eine Auflösung der derzeitigen EU der Großunternehmen und die Einführung einer EU der Völker bedeuten, in der die Länder respektiert werden – ein reizendes Gartenlabyrinth ohne den Menschenfresser. Jedenfalls wäre das kaum der Traum von geschniegelten Euro-Minotauren und deren feurigen Schimären.

Es ist zu erwarten, dass Demonstrationen gegen die wirtschaftliche Not der Menschen anwachsen und zu weiterer Gewalt in Europa führen werden, mit Griechenland als Vorläufer. Auf einmal wird dass Gespenst des Endes der EU, ganz sicher des Endes der gemeinsamen Währung, hochgespielt. Einst geprägt, um die „freie Welt“ von den Gefahren des Kommunismus zu überzeugen, ist der Dominoeffekt mit aller Macht zurück.
 

 

Die Drahtzieher in den letzten zwei Jahrzehnten schafften es, das Gesicht Europas zu verändern, indem sie die Sowjetunion zerstörten und EU und NATO schnell nach Osten ausweiteten. Aber nicht anders als Napoleon und Hitler vor ihnen bewegten sich die ihrer Sache zu sicheren Eroberer viel zu schnell und stehen nun vor der Aussicht, alles zu verlieren. Das Wunderwerk Eurozone wird jetzt verlacht als der Völker-Kerker, in Erinnerung an die österreichisch-ungarische Monarchie. Italienische Journalisten haben begonnen, von der europäischen „Tequila-Krise“ zu reden, indem sie sich auf den Zusammenbruch von Mexikos Peso im Jahr 1993 beziehen, als die Elite ihr Geld in die Vereinigten Staaten von Amerika brachte. Eine ähnliche Kapitalflucht aus dem Club Med könnte einen unaufhaltsamen Prozess in Gang setzen und sogar den Euro abschießen.

Was ist denn der Euro anderes als ein festgesetzter Wechselkurs unter den Mitgliedern? Skeptiker haben ihn immer abgelehnt als eine gefährliche Zwangsjacke, nachdem Europa alles andere als gleichförmig ist. Er bedeutet, dass die nationalen Regierungen in ihrer Geld- und Steuerpolitik bei ihrem Umgang mit Krisen höchst eingeschränkt sind. Er bedeutet auch, dass kleine Wellen in Europa zu Flutwellen werden, nachdem alle wirtschaftlichen Erfolge oder Misserfolge der Länder gemeinsam geschehen.

 

 

Das ist dann gut, wenn die Regierungen einen gemeinsamen Kurs verfolgen, um Stabilität und Prosperität für die einfachen Europäer zu erreichen, aber der Neoliberalismus lässt einen solchen politischen Willen nicht zu. Der gemeinsame Wirtschaftsraum hat es nur großen Unternehmen und Banken erlaubt, die Kontrolle über den gesamten Markt zu übernehmen, angeblich um gleichrangig im Wettbewerb mit ihren großen Brüdern in den Vereinigten Staaten von Amerika, China und anderswo bestehen zu können.

Aber auf der Welle der Privatisierung und Euro-Expansion reitend warfen sie die Vorsicht über Bord, und keine starken nationalen Regierungen stutzten ihre Flügel. Die „Regierung“ der EU hat sich als schlimmer als nutzlos erwiesen, nämlich als eine Absegnungsstelle für diese thatcheristische Manie, die den Europäern die Vorstellung auf die Nase bindet, dass da jemand ist, der das private Chaos kontrolliert.

Wenn die Bankers mit ihren stählernen Nerven den Kurs halten können, sind die potenziellen Gewinne immens. WENN sie genügend Geld in Griechenland stecken können, um es dabei zu behalten und die Wogen zu glätten. Aber andere Länder warten schon. Als erste Zypern, Italien, Spanien. Im Gegensatz dazu würde eine dynamische Euro-Allianz radikale Reform bedeuten, um die Armen zu schützen. Dass für die einfachen Menschen gesorgt wird und die Privilegien der herrschenden Parteien eingeschränkt würden. Wenn aber die heutzutage unkontrollierten Eliten weiterhin ihr Geld ins Ausland schicken, dann wird das Loch bodenlos. Ausschreitungen werden zu Revolutionen.
 

 

Die sonnigen Euro-Aussichten von gestern sind vorbei. Osteuropa ist in Gefahr, bei lebendigem Leib von den Banken des Westens gefressen zu werden. Westeuropa riskiert bloße Stagnation und endlose politische Unruhen. Alles weist darauf hin, dass es sich um eine Sackgasse handelt, dass der einzige Weg vorwärts darin besteht, die Umklammerung zu brechen, in der das System der Bankers den Osten wie den Westen hält.

Die Vorstellung, die Europäische Union von innen durch radikale Rebellen zu verändern, ist faszinierend, obwohl es viel wahrscheinlicher ist, dass sie einfach zusammenbrechen wird und die nationalen Regierungen daran arbeiten werden, ein demokratischeres (oder faschistisches) Europa wiederaufzubauen. Die Bankers mögen ihren schnöden Mammon behalten, aber vielleicht gibt es auch Möglichkeiten, diesen zurückzuholen, wie Ecuador herausfand, als es sie 2009 vor das IWF-Gericht stellte. Der Präsident bildete einen Untersuchungsausschuss, und schaffte es damit, zwei Drittel der $13 Milliarden Schulden loszuwerden.

Eine Krise zu benutzen, um unpopuläre Maßnahmen durchzupeitschen, funktioniert nicht mehr, wie die griechischen Politiker herausgefunden haben. Die Straßen hallen bereits wieder von dem Ruf: „Wir werden nicht für eure Krise bezahlen!“

Eric Walberg
 



Quelle:  erschienen am 16. März 2015 auf > Eric Walbergs Website > Artikel

Die Weiterverbreitung dieses Textes ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der Webadresse www.antikrieg.com nicht zu vergessen! Die deutsche Übersetzung wurde dort freundlicherweise von Klaus Madersbacher / A zur Verfügung gestellt.

Informationen über Eric Walberg:

Canadian Eric Walberg is known worldwide as a journalist specializing in the Middle East, Central Asia and Russia. A graduate of University of Toronto and Cambridge in economics, he has been writing on East-West relations since the 1980s. He has lived in both the Soviet Union and Russia, and then Uzbekistan, as a UN adviser, writer, translator and lecturer. Presently a writer for the foremost Cairo newspaper, Al Ahram, he is also a regular contributor to Counterpunch, Dissident Voice, Global Research, Al-Jazeerah and Turkish Weekly, and is a commentator on Voice of the Cape radio.

His articles appear in Russian, German, Spanish and Arabic and are accessible at his website ericwalberg.com. Walberg was a moderator and speaker at the Leaders for Change Summit www.leadersofchangesummit.org in Istanbul in 2011.


Bild- und Grafikquellen:


1. Der Einfluss der US-amerikanischen Notenbank (Federal Reserve Bank, FED), die aggressive Sparpolitik der EU und die schier grenzenlose Gier der Reichen und Superreichen treiben immer mehr Menschen in die Armut. Illustration: David Dees is a Louisville, Kentucky-based freelance graphic artist and illustrator. The Art of David Dees is free to use for "non-profit" individual purposes, blogs, and websites. He encourages you to openly distribute to others with the hope it will educate, enlighten, deprogram, and at least, entertain. All material Copyright © David Dees / http://www.deesillustration.com

2. Demo: Spardiktate entsorgen! Solidarität mit dem griechischen Aufbruch! Geht es nach dem Willen der Bundesregierung und seines Finanzministers, dann darf es in Europa keine Alternative zum neoliberalen Umbau der Gesellschaft geben. Die griechischen Regierungsparteien sollen gezwungen werden, ihre Wahlaussagen zu brechen und die Sparpolitik fortzusetzen. Mit zahlreichen Massendemonstrationen, Generalstreiks und einer Unzahl sozialer Initiativen haben die Menschen in Griechenland sich gegen die Troika zur Wehr gesetzt. Es ist eine breite Bewegung von unten entstanden, die das ganze Land umfasst.

Mit der Abwahl der alten Regierungskoalition aus ND und PASOK erteilte die griechische Bevölkerung der neuen Regierung einen eindeutigen Auftrag: Schluss mit dem Regime der Sparzwänge aus Brüssel und Berlin! Beseitigung der schlimmsten sozialen Folgen der Spardiktate, wie sie in dem Sofortprogramm der Regierung angekündigt wurden!

Foto: Uwe Hiksch. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0)

3. Austerität (engl. austerity, von altgr. αὐστηρότης „Herbheit“, „Ernst“, „Strenge“) bedeutet „Disziplin“, „Entbehrung“ oder „Sparsamkeit“. Der Begriff wird heute vor allem in ökonomischen Zusammenhängen gebraucht und bezeichnet dann eine staatliche Haushaltspolitik, die einen ausgeglichenen Staatshaushalt über den Konjunkturzyklus ohne Neuverschuldung anstrebt (Austeritätspolitik).

Unter Experten ist umstritten, ob die Ausgabendisziplin eines Staates tatsächlich geeignet ist, besonders in Krisenzeiten wirtschaftliche und politische Stabilität herzustellen und die nationale Handlungsfähigkeit nachhaltig zu erhöhen, oder ob sie eher die Fähigkeit eines Staates einschränkt, souverän zu steuern, Belastungen ungerecht verteilt und durch die Einschnitte in den Sozialhaushalt und in das Investitionsbudget die Wirtschaftskraft eines Landes eher schwächt. Die von der EU betriebene aggressive Sparpolitik spaltet die Gesellschaften in Arm und Reich. Immer mehr Menschen können - so sie überhaupt noch einen Job haben - ihre Existenz kaum noch sichern. Arbeitslosigkeit, Hunger, Verelendung nehmen zu und verständlicherweise auch die Bereitschaft sich mittels Gewalt Gehör zu verschaffen.

Urheber: DonkeyHotey. The source image for the European Central Bank sign is a Creative Commons licensed photo from UggBoy?UggGirl's Flickr photostream. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)

4. Proteste gegen die offizielle Eröffnung des neuen Gebäudes der Europäischen Zentralbank in Frankfurt/Main am 18.03.2015. Diverse Autos, hier ein Polizeifahrzeug, brannten nieder. Foto: Jonas J Mikka Luster jml.is. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0

5.