Griechenland nach dem Referendum: Varoufakis’ Rücktritt eröffnet den Weg ins Chaos

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Ernst Wolff
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Verbunden: 17.02.2015 - 23:40
Griechenland nach dem Referendum: Varoufakis’ Rücktritt eröffnet den Weg ins Chaos
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Griechenland nach dem Referendum


Varoufakis’ Rücktritt eröffnet den Weg ins Chaos


Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis war einer der vehementesten Befürworter eines „Nein“ beim Referendum der Griechen über die Sparpolitik am Sonntag. Dass ausgerechnet er nur wenige Stunden danach seinen Rücktritt erklärte, scheint auf den ersten Blick schwer verständlich. Doch ein genauer Blick auf die Umstände macht klar, warum die offenbar von Premierminister Tsipras auf Druck der Troika getroffene Entscheidung für das kurzfristige Überleben der SYRIZA-Regierung unausweichlich ist. Es enthüllt aber auch den Charakter der Politik des Bündnisses und zeigt, dass es kurz vor dem endgültigen Scheitern steht.


Das Referendum und seine trügerische Botschaft

Das am Sonntag abgehaltene Referendum hatte seinen Namen von Anbeginn an nicht verdient, denn es war ohne jede Bedeutung. Durch seine Ansetzung hat die SYRIZA-Regierung allerdings eine gefährlich trügerische Botschaft an das griechische Volk gesendet: Sie hat es in dem Glauben bestärkt, im politischen Prozess noch ein Mitspracherecht zu haben. Das aber ist falsch.

Griechenland steht seit Ausbruch der Eurokrise im Jahre 2010 unter der Zwangsverwaltung der Troika. Die griechische Regierung ist nur noch eine Marionette, die keine einzige wichtige Entscheidung ohne die Zustimmung der drei sogenannten „Institutionen“ treffen kann.

In genau dieser Zwangsjacke steckt die SYRIZA-Regierung seit ihrer Wahl Ende Januar. Im Gegensatz zu ihrer Darstellung in den Mainstream-Medien hat sie sich den Entscheidungen der Institutionen auch niemals grundlegend widersetzt. Sie hat nur einzelne werbewirksame humanitäre Erleichterungen wie die Wiedereinstellung von Putzfrauen mediengerecht vermarktet und extrem harte Maßnahmen wie die weitere Senkung der Renten und des Mindestlohns abgelehnt. Sie musste dieses David-gegen-Goliath-Spiel auch betreiben, da sie ja auf Grund ihres Versprechens, die Austeritätspolitik zu beenden, gewählt worden war. Bis auf die Rückzahlung des IWF-Kredites vorletzte Woche hat sie aber alle Zahlungen an die Institutionen geleistet und dafür sogar in die Rentenkassen gegriffen und auch vor den Rückständen von Krankenhäusern und anderen sozialen Institutionen nicht Halt gemacht. Sie hat damit gegen das griechische Volk und im Interesse steinreicher internationaler Investoren gehandelt.

Bereits nach der Regierungsübernahme hat SYRIZA die meisten ihrer Anhänger damit geschockt, dass sie ein Bündnis mit den „Unabhängigen Griechen“ (ANEL), einer rechtsextremen rassistischen Partei eingegangen ist und ihr den Posten des Verteidigungsministers (Panagiotis „Panos“ Kammenos) überlassen hat. Auch der wichtigste Arbeitsplatz im Land, der des Chefs der Zentralbank, wurde mit Giannis Stournaras einem Banker überlassen, der u.a. von griechischer Seite als Berater von Ministerpräsident Kostas Simitis und zusammen mit der US-Großbank Goldman-Sachs die betrügerischen Verhandlungen zum Beitritt Griechenlands zur Eurozone geführt hat.


Syriza ist mit ihrer Politik am Ende

Mit der vergangenen Woche aber wurde eine neue Phase in der Regentschaft der SYRIZA eingeleitet: Als sie nicht in der Lage war, einen ausstehenden 1,5 Mrd-Kredit des IWF zu bezahlen, endete die Zeit, in der sie und ihr Finanzminister Varoufakis ihr Versprechen, „alle Forderungen unserer Partner zu erfüllen“ einlösen konnten.

In diesem Moment zeigte die Troika ihr wahres Gesicht und forderte die griechische Regierung ultimativ auf, ihren eisenharten Forderungen bis auf den letzten Punkt zu entsprechen. SYRIZA aber konnte das nicht, da sie eine solche Maßnahme den Rückhalt bei ihren Wählern gekostet hätte. Deshalb setzte sie aus purer Verzweiflung ein Referendum an, von dem sie von vornherein wusste, dass sein Ausgang keinen Einfluss auf die weitere Politik des Landes haben würde.

Teile der Troika und große Teile der euopäischen Politik wiederum nutzten das Referendum, um ihrer Verachtung für demokratische Maßnahmen freien Lauf zu lassen: Sie mischten sich auf erpresserische Weise ein und kündigten an, dass ein „Nein“ verheerende Folgen für die griechische Politik haben werde.

Die Tatsache, dass mehr als sechzig Prozent der Griechen mit „OXI / NEIN“ gestimmt haben, zeigt, wie sehr sich das Volk ein Ende der Austeritätspolitik herbeiwünscht. Dieses Ende wird aber nicht durch das Bündnis SYRIZA erreicht werden. Die Gruppierung ist durch das Versprechen, die Austeritätspolitik zu beenden, an die Macht gelangt, hat danach aber keinen einzigen effizienten Schritt unternommen, um deren grundlegendes Übel anzugehen.

 


Was zu tun wäre

Worin besteht dieses grundlegende Übel und wie wäre es zu bekämpfen? Die griechische Krise ist nicht – wie es die Mainstream-Medien Tag für Tag behaupten - auf korrupte Verwaltung, ein unzureichendes Steuersystem oder mangelnde Arbeitsbereitschaft des Volkes zurückzuführen, sondern das Ergebnis rücksichtsloser Spekulation ultrareicher Investoren.  Sie sind es, die in der Krise von 2008 riesige Schuldenberge angehäuft haben, die ihnen aber kurz darauf durch korrupte Politiker abgenommen und in Staatsschulden umgewandelt wurden. Die Steuerzahler wurden auf diese Weise dazu verdonnert, für die Sünden der Reichen aufzukommen.

Es ist die ungehemmte Deregulierung des Finanzsektors, die zur inzwischen unumschränkten Macht von Milliardären, Oligarchen, Superreichen und ihren Hedgefonds geführt hat. So lange diese Deregulierung weiter besteht, gibt es absolut nichts, was die Macht des großen Geldes begrenzen könnte.

Die Reaktion auf die Politik des Bündnisses SYRIZA hat gezeigt, dass die Finanzoligarchie nicht bereit ist, auch nur die kleinsten Zugeständnisse zu machen, d.h. Reformen zu akzeptieren. Ihre Macht kann nur noch dadurch beendet werden, dass ihr die Existenzgrundlage entzogen wird, d.h.: Die Deregulierung des Finanzsektors muss aufgehoben, Derivate müssen verboten, die Banken müssen verstaatlicht und auf ihr Kerngeschäft reduziert werden. Ohne solche grundlegenden Maßnahmen ist jede Politik gegen die internationale Finanzoligarchie chancenlos.

Ernst Wolff

 

: Bitte um Beachtung der nachfolgenden 10 Lesetipps und der 13 angehängten -Text-Dokumente weiter unten!!


 

Lesetipps:


Referendum über die EU-Austeritätspolitik in Griechenland: Syrizas politischer Betrug - weiter

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Bild- und Grafikquellen:


1. Yanis Varoufakis (* 24. März 1961 in Athen) ist ein griechischer Wirtschaftswissenschaftler, der auch die australische Staatsangehörigkeit besitzt. Er ist Verfasser mehrerer Sachbücher und aktiver Blogger. Bei der Parlamentswahl 2015 wurde er für SYRIZA ins griechische Parlament gewählt. Seit dem 27. Januar 2015 ist er Finanzminister im Kabinett Alexis Tsipras; am 6. Juli 2015 kündigte er sein Ausscheiden aus diesem Amt an.

Originalfoto: Jörg Rüger. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“ lizenziert. Digitale Nachbearbeitung: Wilfried Kahrs (rotes Kreuz markiert das Ausscheiden aus dem Amt).

2. "NEIN zur menschenverachtenden EU-Austeritätspolitik". Grafik: Wilfried Kahrs, QPress.de 

3. "AUSTERITY KILLS". Foto/Grafik: Teacher Dude. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)

4. Cover: "WELTMACHT IWF - Chronik eines Raubzugs" von Ernst Wolff.

Anhang Größe
Global Wealth Report 2015 - Winning the Growth Game - Bericht der Boston Consulting Group BCG - 38 Seiten.pdf 739.71 KB
Ernst Wolff - Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs - Tectum Wissenschaftsverlag - Inhaltsverzeichnis, Vorwort und Leseprobe.pdf 790.78 KB
Ernst Wolff - Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs - Interview durch Ken Jebsen_KenFM als Textversion.pdf 1.09 MB
Thomas Piketty - Das Kapital im 21. Jahrhundert - Vollständige Einleitung als Leseprobe - 46 Seiten - Beck, München 2014.pdf 1.23 MB
Thomas Piketty und die Verteilungsfrage - Analysen, Bewertungen und wirtschaftspolitische Implikationen für Deutschland - SE Publishing März 2015 - Verteilungsfrage_org.pdf 2.86 MB
John Perkins - Bekenntnisse eines Economic Hit Man - Unterwegs im Dienst der Wirtschaftsmafia - ISBN 978-3-442-15424-1 - Leseprobe.pdf 438.9 KB
Jochen Weiss - Mammon - Eine Motivgeschichte zur Religiosität des Geldes - Dissertation Feb 2004, Universität Mannheim.pdf 3.17 MB
Silvio Gesell - Die Natürliche Wirtschaftsordnung (1916).pdf 1.23 MB
Tobias Plettenbacher - Neues Geld - Neue Welt - Die drohende Wirtschaftskrise - Ursachen und Auswege _ Exponentielles Wachstum - Zinseszins-Effekt - Geldsystem - Kollaps.pdf 3.99 MB
Oekosozialismus oder Barbarei - Eine zeitgemäße Kapitalismuskritik - 40seitige Broschüre von Saral Sarkar und Bruno Kern.pdf 209.22 KB
IMF April 2015 - Global Financial Stability Report (GFSR) - Navigating Monetary Policy Challenges and Managing Risks - 162 pages.pdf 4.35 MB
IMF April 2015 - World Economic Outlook (WEO) - Uneven Growth - Short- and Long-Term Factors - 230 pages.pdf 11.06 MB
IMF October 2014 - Global Financial Stability Report (GFSR) - Risk Taking, Liquidity, and Shadow Banking - Curbing Excess while Promoting Growth - 191 pages.pdf 4.7 MB